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- Unsägliches AG Weimar Urteil bekommt wohltuende „bayrische Watschn“ -

Ist das schon Politik oder noch Rechtsprechung?

- Unsägliches AG Weimar Urteil bekommt wohltuende „bayrische Watschn“-

 von Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL.M.

Zur Politik äußern wir uns hier absichtlich eher selten. Wenn es um konkrete Rechtsprechung geht -insbesondere in unseren Tätigkeitsschwerpunkten- machen wir hiervon aber schonmal eine Ausnahme, vgl. etwa zum AFD-Lehrerportal: „Ist das Wahlkampf oder kann das weg?“ oder zum Böhmerman/Erdogan Gedicht: „Bei Satire hört der Spaß wohl auf“ oder auch allgemein zum Äußerungsrecht und Musik auf Wahlkampf “Im Krieg und in der Liebe ist angeblich alles erlaubt. Wie ist es im Wahlkampf?

Jetzt ist es wieder einmal soweit – Diesmal geht es um Corona, Lockdown und zulässige Grundrechtseinschränkungen:

In einer nach Auffassung des Verfassers wirklich unsäglichen Entscheidung, insbesondere Begründung, hatte vor zwei Wochen das Amtsgericht Weimar (Urteil vom 11.01.2021 - 6 OWi - 523 Js 202518/20) ein spektakuläres Corona-Urteil gesprochen.
Der Richter schätzte den Lockdown hierbei beinahe frei von ausgewogenen wissenschaftlichen Würdigung als "katastrophale Fehlentscheidung" ein. In der Entscheidung ging es lediglich um ein Bußgeld von 200 € wegen Nichtbeachtung des Kontaktverbotes durch eine private Geburtstagsfeier. Einer Generalabrechnung zur Coronapolitik und einer verfassungsrechtlichen Würdigung im vorgenommenen Ausmaß hätte es nach diesseitiger Betrachtung in diesem Fall überhaupt nicht bedurft.

Nur zur Klarstellung, man kann das Zustandekommen erster CoronaschutzVOen, einzelne Verwaltungsakte und staatliche Maßnahmen basierend auf dem seinerzeit gültigen Infektionsschutzgesetz in Frage stellen und das ist grundsätzlich auch gut so.
Das ist aber jeweils immer eine Einzelfallentscheidung und die Pandemie als solche oder die Gefährdungslage in Frage stellen kann man sicher ebenso wenig, wie pauschal zu behaupten, die verhängten Maßnahmen verstießen gegen die gegen die Menschenwürde.
Wie der Verfasser den „Aluhut-Trägern“ und "mit dem Grundgesetz-Winkern" immer sicher etwas entgegen zu halten pflegt:

Jede Fußgänger-Ampel schränkt, irgendjemanden in seinen Rechten ein – mal den Fußgänger, mal den Autofahrer.

Unnötig zu erwähnen, dass auch das natürlich gut so ist.

Nun kam es wie es kommen musste, mit einem -dies vorwegnehmend- erfreulichen Ergebnis:

Bei dem Versuch eine Demonstration in München gerichtlich durchzusetzen landeten Verstreter der Querdenken Bewegung nunmehr vor dem Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) Bay und beriefen sich erwartungsgemäß u.a. auch auf das aktuelle und ausführliche und in seiner Begründung sicher nicht unspektakuläre Urteil des AG Weimar. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) entschied hierzu am Sonntag (Beschl. v. 24.1.2021, Az. 10 CS 21.249) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes und nutzte die Gelegenheit, der Entscheidung aus Thüringen eine gehörige „bayrische Watschn“ zu geben.

Nach Einschätzung der Richter ist ein vierstündiger Demonstrationsumzug mit 1.000 Teilnehmern sowie anschließender stationärer Kundgebung angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens nicht möglich. Die zuständige Behörde habe also zu Recht verlangt, die Demonstration zu beschränken und so wies der Senat den Eilantrag der Querdenker hiergegen in wesentlichen Teilen ab. Bei Versammlungen muss in Bayern ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den Teilnehmern gewahrt und die sonstigen Infektionsgefahren auf ein vertretbares Maß beschränkt werden. Das sei nach Einschätzung des Gerichts regelmäßig nur anzunehmen, wenn eine Versammlung ortsfest ist und aus nicht mehr als 200 Teilnehmern besteht.

Bayrische Watschn gen Thüringen

Soweit so nachvollziehbar und auch richtig.
Ähnliche Verfahren stehen in Bayern und auch im Rest von Deutschland bei den Verwaltungsgerichten derzeit regelmäßig an. Spannend und im Ergebnis offen gestanden wohltuend, die Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichtshof mit der angesprochenen Entscheidung des Amtsgerichts Weimar, wonach die Lockdown-Regelungen mit Kontaktverbot ja angeblich verfassungswidrig seien.

Der zuständige Amtsrichter vertrat tatsächlich die Auffassung es habe im Frühjahr 2020 kein Gesundheitsnotstand geherrscht, weder in Thüringen noch sonst irgendwo und die Lockdown-Maßnahmen seien, so das AG Weimar, eine "katastrophale politische Fehlentscheidung“ gewesen. Presseberichten zufolge hatte der ekennende Richter selbst und in eigenem Namen angeblich sich gerichtlich gegen die Maskenpflicht gewehrt, was nach diesseitigem Verständnis, sollte es sich bewahrheiten, eigentlich doch den Tatbestand der Befangenheit rechtfertigen würden.
Erfreulich, dass das BayVGH in seiner Entscheidung von vorgestern die Gelegenheit wahrgenommen hat, sich ausführlich und nachdrücklich zum Urteil aus Weimar zu äußern:

Das Urteil des Amtsgerichts Weimar [...], auf das sich der Antragsteller bezieht, um weiter zu begründen, dass eine „Epidemische Lage von nationaler Tragweite“ nicht vorliege, […] hält es der Senat für eine methodisch höchst fragwürdige Einzelentscheidung, die hinsichtlich der Gefahren der Corona-Pandemie im Widerspruch zur (vom Amtsgericht nicht ansatzweise berücksichtigten) ganz überwiegenden Rechtsprechung der deutschen Gerichte steht (vgl. statt aller aus dem Zeitraum April/Mai 2020 BVerfG, B.v. 9.4.2020 – 1 BvQ 29/20 – juris; HessVGH, B.v. 1.4.2020 – 2 B 925/20 – juris; BayVGH, B.v. 14.4.2020 – 20 NE 20.735 – juris; OVG LSA, B.v. 30.4.2020 – 3 R 69/20 – juris; ThürOVG, B.v. 7.5.2020 – 3 EN 311/20 – juris; OVG Bremen, U.v. 12.5.2020 – 1 B 140/20 – juris).
Wenn das Amtsgericht Weimar meint, dass „am 18.04.2020, dem Tag des Erlasses der 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO“ keine epidemische Lage nationaler Tragweite vorgelegen habe, setzt es seine eigene Auffassung an die Stelle der Einschätzung des Bundestages und des Thüringer Verordnungsgebers, ohne sich auch nur ansatzweise mit den wissenschaftlichen und tatsächlichen Grundlagen auseinanderzusetzen, die zu deren Einschätzung geführt haben und maßt sich gleichzeitig eine Sachkunde zu infektiologischen und epidemiologischen Sachverhalten an, die ihm angesichts der hochkomplexen Situtation ersichtlich nicht zukommt […] Das Amtsgericht führt einzelne von ihm für maßgeblich gehaltene Kriterien und Belege an und blendet dabei gegenteilige Hinweise und Quellen systematisch aus. […] Im Übrigen vermengt das Amtsgericht die im Gefahrabwehrrecht maßgebliche ex-ante-Betrachtung (stRspr, vgl. etwa BayVGH, U.v. 22.5.2017 – 10 B 17.83 – juris Rn. 25 m.w.N.) mit Elementen einer ex-post-Betrachtung und stellt vielfach keine Überlegungen zu Kausalitäten bzw. Koinzidenzen ab. Die naheliegende Annahme etwa, dass gerade die vom Amtsgericht als unverhältnismäßig angesehenen Schutzmaßnahmen im Frühjahr 2020 dazu geführten haben könnten, dass es im ersten Halbjahr 2020 zu einer vergleichsweise niedrigen Übersterblichkeit und zu einer vergleichsweise geringen Auslastung der Intensivbettenkapazitäten kam, spart das Amtsgericht soweit ersichtlich vollkommen aus.

Soweit das Amtsgericht Weimar darüber hinaus der Auffassung ist, dass § 28 IfSG am 18. April 2020 im Hinblick auf die Wesentlichkeitslehre keine taugliche Rechtsgrundlage für die 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO gewesen sei und insofern auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, B.v. 29.10.2020 - 20 NE 20.2360 – juris) verweist, hat der 20. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs diese Bedenken für die nach der Einfügung von § 28a IfSG geltende Rechtslage nicht mehr wiederholt (vgl. etwa BavGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 21). Der erkennende Senat war bereits zuvor der Auffassung, dass Einschränkungen der Versammlungsfreiheit durch Rechtsverordnungen auf der Grundlage von § 32 i.V.m. § 28 IfSG grundsätzlich zulässig waren (BayVGH, B.v. 7.11.2020 – 10 CS 20.2583 – juris Rn. 4 m.w.N.).
[Hervorhebungen nicht im Original]

Der Beschluss des BayVGH ist unanfechtbar.

Man darf tatsächlich hoffen, dass unabhängig vom konkreten Ausgang des gegen die Entscheidung AG Weimar eingelegten Rechtsmittel, die nächsthöherere Instanz die verfassungsrechtlichen Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung angemessen revidiert.

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