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Persönlichkeitsrechtsverletzung und unzulässige Verdachtsberichterstattung führt nicht zwingend zu Geldentschädigung, BGH Urt v 22.02.2022 - Az. VI ZR 1175/20

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Der BGH zu den Voraussetzungen unzulässiger Verdachtsberichterstattung und Geldentschädigung bei vollständiger Namensnennung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich Anfang des Jahres einmal mehr und ausführlich zu den Voraussetzung unzulässiger Verdachtsberichterstattung und einer möglicher Geldentschädigung geäußert, vgl. BGH, Urteil v. 22.2.2022, Az. VI ZR 1175/20.

Ob eine aufgrund unzulässiger Verdachtsberichterstattung schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeits-Rechts vorliegt, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu bewerten. Im vorliegenden Fall gegen die BILD-Zeitung, hielt der BGH die Persönlichkeitsrechtsverletzung eines „Traumfrau gesucht“-Teilnehmers i.E. für nicht schwerwiegend genug. Einen Schadensersatzanspruch begründe diese daher nicht.

Identifizierende Verdachtsberichterstattung

Wir haben zum Thema Verdachtsberichterstattung schon häufiger berichtet. Bei einer solchen wird über etwaige Strafverfahren nicht nur, oft aber ohnehin in der Öffentlichkeit Stehender berichtet. Normalerweise und  bereits vor einer etwaigen und nicht selten auch ausbleibenden Verurteilung bringt eine solche erhebliche Nachteile mit. Natürlich muss die Presse über Sachverhalte wahrheitsgemäß berichten können, es ist streng genommen sogar ihre Pflicht. Die Berichterstattung ist im Grund-Gesetz durch die Presse- und Meinungsfreiheit geschützt. Auch wenn dieser Schutz, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, nicht völlig schrankenlos besteht.

Im Rahmen der erforderlichen Abwägung sind das öffentliche Interesse an der Berichterstattung mit dem Persönlichkeitsschutz des Betroffenen in Einklang zu bringen. Hierbei hat die Rechtsprechung anerkannt, dass bei einer namentlichen Benennung von Verdächtigen eine Reputationsvernichtung einhergehen kann, die selbst bei einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder einem vollständigen Freispruch nicht mehr aus der Welt geschafft werden kann.

Voraussetzungen der zulässigen Verdachtsberichterstattung

Als wesentliche Voraussetzungen einer unter Umständen doch zulässigen identifizierenden Verdachtsberichterstattung sind zu nennen:

  • hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, bei dem nicht nur die Schwere der vermeintlichen Tat, sondern durchaus auch der Bekanntheitsgrad der Beteiligten auch eine Rolle spielen können
  • Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen
  • die Gelegenheit zur Stellungnahme des Betroffenen, die jedoch in Ausnahmefällen entbehrlich sein kann sowie
  • Schließlich ist darauf zu achten, dass sachlich berichtet und eine Nichtvorverurteilung vermieden wird.

In dem nunmehr beurteilten Fall klagte ein „Traumfrau gesucht“-Teilnehmer gegen den Springer-Verlag als Herausgeber der BILD-Zeitung.

2019 wurde gegen den zumal einmal an oben bezeichneter RTL-Sendung teilnehmenden Kläger eine Verhandlung wegen des Vorwurfs des gewerbsmäßigen Betrugs anberaumt. Im Februar bezeichneten Jahres veröffentlichten die Beklagten in ihrer Online- und Printausgabe zwei inhaltsgleiche Berichte über das Strafverfahren. Während im Online-Beitrag der Kläger im Titel und im Bericht namentlich benannt wurde, erfolgte die Namens-Nennung  in der Printausgabe ‚nur‘ im Beitrag selbst. Der Kläger fühlte sich durch die vollständige Namenspreisgabe in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Er vertrat die Auffassung es handele sich um eine unzulässige Verdachtsberichterstattung und verlangte Zahlung einer angemessenen Geldentschädigung in Höhe von mind. 20.000 €. Das Strafverfahren gegen ihn wurde bereits in der Hauptverhandlung eingestellt.

Zwar bejahte der BGH grundsätzlich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Berichterstattung und die Vorinstanz des OLG Köln habe richtigerweise angenommen, dass die Wortberichterstattung in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingreift und identifizierende Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren beeinträchtige zwangsläufig das Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit des betroffenen und seines guten Rufs.

Verletzt worden sei auch die Möglichkeit der Stellungnahme des Betroffenen, die grundsätzlich von den Medien eingeholt werden muss. Die Beklagte hatte im Vorfeld der Berichterstattung zwar um eine Stellungnahme gebeten, der unmittelbar darauf erfolgten Bitte um Fristverlängerung, war sie aber nicht nachgekommen. Das sei aber zu einer zulässigen Verdachtsberichterstattung Voraussetzung, so das Gericht. Insofern sei das OLG zu Recht davon ausgegangen, dass sowohl die Online- als auch Printberichterstattungen -mangels ausreichenden Möglichkeit des Betroffenen zur Stellungnahme- unzulässig waren.

Trotzdem gab es kein Geld

Dennoch lehn der BGH im konkret vorliegenden Fall den Anspruch auf eine Geldentschädigung ab. Ein solcher sein nur dann einzuräumen, wenn eine schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen schwerwiegenden Eingriff darstelle. Ob die Verletzung schwerwiegend sei, könne nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Im Rahmen der Interessenabwägung betonte der BGH einmal mehr, dass es eben auch zur Aufgabe der Medien gehöre, Verfehlungen von namentlich benannten Personen aufzuzeigen.

Die vorliegende Verletzung sei nach Einschätzung auch des Senats dennoch nicht schwerwiegend genug, um die geforderte Geldentschädigung rechtfertigen zu können

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