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Zur Konkretisierung des Begriffes erfinderischen Tätigkeit anhand einer technischen Optimierung von Druckmaschinen - BPatG, Urteil vom 12.4.2010, Az.: 11 W (pat) 304/05

Leitsätzliches

Einem Verfahren zum Stapeln von Papierbögen und dem dafür erforderlichen Ausleger einer Druckmaschine liegt keine erfinderische Tätigkeit zugrunde.

BUNDESPATENTGERICHT

BESCHLUSS

Entscheidungsdatum: 12. April 2010

Aktenzeichen: 11 W (pat) 304/05

 

In der Einspruchssache

...

betreffend das Patent 101 33 725

hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 12. April 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters … sowie der Richter …, … und …

beschlossen:

Auf den Einspruch wird das Patent DE 101 33 725 widerrufen.

Gr ü n d e

I.
Die Patentanmeldung 101 33 725.6 ist am 11. Juli 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden. Die Erteilung des Patents 101 33 725 mit der Bezeichnung "Verfahren zum Stapeln von Papierbogen und Ausleger einer Druckmaschine" ist am 26. August 2004 veröffentlicht worden. Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden.

Die Einsprechende macht geltend, dass das Verfahren nach Anspruch 1 sowie der Gegenstand nach Anspruch 2 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten. Sie nennt hierzu folgende Druckschriften:

D1 US 3 517 824 A
D2 DE 42 16 627 C2

Die Einsprechende beantragt,
das angegriffene Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt,
das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.

Sie vertritt die Auffassung, dass im Dokument D2 das umständliche Einführen von Keilen vermieden werden solle, weshalb es vom Weg des angegriffenen Patents wegführe. Das Dokument D2 könne somit das Verfahren und die Vorrichtung des angegriffenen Patents nicht nahe legen.

Der erteilte Anspruch 1 lautet, hier wiedergegeben in gegliederter Form:
a) Verfahren zum Stapeln von Papierbogen im Bereich einer Druckmaschine,
b) bei der zum Nivellieren des Papierstapels (10) Einsätze (20, 30) zwischen den Papierbogen des Papierstapels (10) verwendet werden, gekennzeichnet durch
c) - Bestimmen der Gleichmäßigkeit der Stapelhöhe durch Messen derselben an mehr als einer Stelle des Papierstapels
(10) mittels wenigstens einer Messeinrichtung (35),
d) - Auslösen des Zuführens eines Einsatzes (20, 30) auf der Grundlage des Ergebnisses der Gleichmäßigkeit der Stapelhöhe. Der erteilte nebengeordnete Anspruch 2 lautet, hier ebenfalls wiedergegeben in gegliederter Form:
e) Ausleger einer Druckmaschine mit Einsätzen (20, 30) zum Einfügen zwischen Papierbogen eines Papierstapels (10) im Ausleger zwecks Nivellieren des Papierstapels (10), gekennzeichnet durch
f) - wenigstens eine Messeinrichtung (35) zum Messen der Stapelhöhe an mehr als einer Stelle des Papierstapels (10) und zum Bestimmen der Gleichmäßigkeit der Stapelhöhe aus den gemessenen Werten,
g) - eine Auslöseeinrichtung zum Auslösen des Einfügens eines Einsatzes (20, 30) auf der Grundlage des Ergebnisses aus der Bestimmung der Gleichmäßigkeit der Stapelhöhe.

Diesen Ansprüchen folgen die rückbezogenen Ansprüche 3 bis 7 gemäß Patentschrift.

Wegen weiterer Einzelheiten sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.
Der zulässige Einspruch ist begründet.

Das angegriffene Patent bezieht sich gemäß der Patentbezeichnung auf ein Verfahren zum Stapeln von Papierbogen und auf einen Ausleger einer Druckmaschine. Die Beschreibung der Patentschrift legt zum Stand der Technik dar, die Stapelung der von einer Druckmaschine bedruckten Papierbogen führe oft zu ungleichmäßiger Ablage der Papierbogen, d. h. der Papierbogen liege nicht mit seiner gesamten Fläche auf einer Höhe. Die ungleichmäßig gestapelten Papierbogen summierten sich zu erheblichen Schieflagen der Papierstapel. Dies habe die Nachteile eines erhöhten Platzbedarfs im Vergleich zu einer gleichmäßigen Stapelung des Papierstapels sowie einer erschwerten automatischen Weiterverarbeitung durch
Finisher (vgl. Abs. [0002]).

Als Aufgabe ist angegeben, ein Verfahren und einen Ausleger bereitzustellen, welche auf einfache Weise eine gleichmäßige Stapelung von Paperbögen ermöglichen (vgl. Abs. [0003] der Patentschrift).

Der mit der Lösung dieser Aufgabe betraute Fachmann ist ein Dipl.-Ing. Maschinenbau mit FH-Abschluss und langjährigen Erfahrungen in der Konstruktion von Druckmaschinen und deren Peripheriegeräten. Als Lösung dient ein Verfahren mit den Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 sowie eine Vorrichtung mit den Merkmalen des erteilten Anspruchs 2.

Die erteilten Ansprüche 1 bis 7 basieren auf dem ursprünglichen Offenbarungsgehalt und sind daher zulässig.

1. Das ersichtlich gewerblich anwendbare Verfahren des Patentanspruchs 1 ist zwar neu, beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Druckschrift D1 offenbart gemäß Merkmal a) des erteilten Anspruchs 1 ein Verfahren zum Stapeln von Papierbogen im Bereich einer Druckmaschine (vgl. Sp. 1, Z. 12 bis 17, sheet stack leveler for use with a printing press). Hierbei werden gemäß Merkmal b) zum Nivellieren (to level, vgl. Sp. 2, Z. 47) des Papierstapels (stack 44 of sheets, vgl. Fig. 3 und Sp. 2, Z. 47, 48) Einsätze (prop blades 18, vgl. Fig. 1, 3 und Sp. 2, Z. 45) zwischen den Papierbogen (sheets, vgl. Fig. 3 und Sp. 2, Z. 48) des Papierstapels 44 verwendet (The prop blades 18 are individually swung into intervening relation with the stack of sheets at vertically spaced intervals 40 to level the thin margins of the stack 44 of sheets, vgl. Sp. 2, Z. 45 bis 48).

Zwar sind hinsichtlich der Merkmale c) und d) des erteilten Anspruchs 1 keine
näheren Angaben aus der Beschreibung der D1 explizit entnehmbar. Jedoch lassen sich ohne Weiteres die folgenden beiden notwendigen Verfahrensschritte mitlesen.

In einem ersten Schritt bestimmt eine Bedienperson die Gleichmäßigkeit der Stapelhöhe (zwangsläufig durch Messung und Vergleich der Stapelhöhen an verschiedenen Stellen, also an mehr als einer Stelle des Papierstapels 44, wodurch ja erst eine ungleichmäßige Höhe erkannt werden kann). In einem zweiten Schritt bringt sie auf der Grundlage des Ergebnisses der Gleichmäßigkeit der Stapelhöhe einen Einsatz 18 in Eingriff mit dem Papierstapel 44, d. h. sie löst das Zuführen eines Einsatzes 18 aus (vgl. Sp. 2, Z. 45 bis 49: The prop blades 18 are individually swung into intervening relation with the stack of sheets at vertically spaced intervals 40 to level the thin margins of the stack 44 of sheets). Somit sind auch die entsprechenden Teilmerkmale der Merkmale c) und d) in D1 offenbart.

Von dem Verfahren nach D1 unterscheidet sich somit dasjenige nach dem erteilten Anspruch 1 lediglich dadurch, dass gemäß einem Teilmerkmal des Merkmals c) die Gleichmäßigkeit der Stapelhöhe mittels wenigstens einer Messeinrichtung bestimmt wird.

Dass jedoch anstelle einer rein visuellen Kontrolle durch die Bedienperson auch eine Messung mittels einer Messeinrichtung erfolgen kann, um bspw. das Messergebnis zu objektivieren und/oder eine Automatisierung der Nivellierung zu erreichen, ist eine sich aus dem Fachwissen des Fachmanns ohne Weiteres ergebende Maßnahme, die auch schon aus der Entwicklung der Automatisierungstechnik in den letzten 40 Jahren seit der Patentierung der D1 nahegelegt ist. Wenn der Fachmann daher sein Fachwissen auf das Verfahren nach D1 anwendet, gelangt er in nahe liegender Weise zu einem Verfahren gemäß dem erteilten Anspruch 1. Anspruch 1 hat daher mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand.

Schon aus diesem Grunde ist das Patent im Rahmen seiner Antragsgesamtheit zu widerrufen (vgl. BGH elektrisches Speicherheizgerät, GRUR 1997, 120). Dennoch wird hier zur Patentfähigkeit des Anspruchs 2 Stellung genommen.

2. Auch die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Vorrichtung des erteilten Patentanspruchs 2 ist zwar neu, beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die einen Bogenstapelausrichter für eine Druckmaschine (Sheet stack leveler for printing press, vgl. die Bezeichnung) betreffende Druckschrift D1 offenbart hinsichtlich Merkmal e) des erteilten Anspruchs 2 einen Anleger einer Druckmaschine (printing press, vgl. Sp. 1, Z. 13) mit Einsätzen (prop blades 18, vgl. Fig. 1, 3 und Sp. 2, Z. 45) zum Einfügen zwischen Papierbogen (sheets, vgl. Fig. 3 und Sp. 2, Z. 48) eines Papierstapels (stack 44 of sheets, vgl. Fig. 3 und Sp. 2, Z. 47, 48) im Anleger zwecks Nivellieren (to level, vgl. Sp. 2, Z. 47) des Papierstapels 44 (The prop blades 18 are individually swung into intervening relation with the stack of sheets at vertically spaced intervals 40 to level the thin margins of the stack 44 of sheets, vgl. Sp. 2, Z. 45 bis 48).

Prinzipiell ist das dem Streitpatent zu Grunde liegende Problem, nämlich die nicht horizontal verlaufende Oberkante eines Bogenstapels, sowohl beim Anlegen an eine Druckmaschine nachteilig (nämlich für die Vereinzelungs- und Transporteinrichtung der Druckmaschine zur Verarbeitung des unbedruckten Bogenstapels) als auch beim Auslegen aus einer Druckmaschine (nämlich für die maschinelle Weiterverarbeitung des bedruckten Bogenstapels). Von daher erkennt der Fachmann, dass die Vorrichtung nach D1 nicht nur für einen Anleger, sondern selbstverständlich auch für einen Ausleger geeignet ist.

Zwar sind hinsichtlich der Merkmale f) und g) des erteilten Anspruchs 2 keine näheren Angaben aus der Beschreibung der D1 explizit entnehmbar. Wie bei der Wertung des Anspruchs 1 bereits ausgeführt, ist jedoch das Messen der Stapelhöhe an mehr als einer Stelle des Papierstapels 44, das Bestimmen der Gleichmäßigkeit der Stapelhöhe aus den gemessenen Werten, sowie das Auslösen des Einfügens eines Einsatzes 18 auf der Grundlage des Ergebnisses aus der Bestimmung der Gleichmäßigkeit der Stapelhöhe (jeweils durch eine Bedienperson) ohne Weiteres mitlesbar. Die entsprechenden Teilmerkmale der Merkmale f) und g) gehen somit aus D1 hervor.

Die Vorrichtung des erteilten Anspruchs 2 unterscheidet sich somit von derjenigen nach D1 dadurch, dass gemäß einem Teilmerkmal des Merkmals f) wenigstens eine Messeinrichtung zum Messen der Stapelhöhe und zum Bestimmen der Gleichmäßigkeit der Stapelhöhe und gemäß einem Teilmerkmal des Merkmals g) eine Auslöseeinrichtung zum Auslösen des Einfügens des Einsatzes angeordnet sind.

Das Naheliegen dieser Merkmale ergibt sich aus fachlicher Sicht ebenfalls schon im Bestreben nach Automatisierung, wie es zu Anspruch 1 ausgeführt wurde. Dies bestätigt sich im Übrigen auch dadurch, dass dem Fachmann - ausgehend von der Vorrichtung der D1 - zur Lösung der gestellten Aufgabe im Rahmen der informativen Suche nach ähnlichen Vorrichtungen diejenige nach D2 auffällt. Die D2 betrifft einen Bogenanleger an Druckmaschinen (vgl. die Bezeichnung), wobei gemäß Sp. 1, Z. 48 bis 51 ein Bogenanleger geschaffen werden soll, bei dem ein Ausgleich der unebenen Stapeloberfläche auf einfache Weise möglich ist.

Angesichts dieser zu lösenden Aufgabe wird der Fachmann diese automatisierte Positionsüberwachung der Stapeloberkante durch eine Messeinrichtung in Betracht ziehen. Zwar wird er bei ihrer Prüfung (wie die Patentinhaberin anführt) lernen, dass nach D2 keine Keile verwendet werden sollen. Allerdings wird er ohne Weiteres die Lösung der Aufgabe durch die Vorrichtung der D2 in ihren Grundprinzipien erfassen.

Diese Vorrichtung nach D2 offenbart einen Anleger (und wie oben erläutert für den Fachmann damit automatisch auch einen Ausleger), bei dem eine Messeinrichtung 5 (vgl. Fig. 1, 2 und Sp. 2, Z. 40 bis 43) zum Messen der Stapelhöhe an mehr als einer Stelle des Papierstapels und zum Bestimmen der Gleichmäßigkeit der Stapelhöhe aus den gemessenen Werten angeordnet ist (vgl. Sp. 2, Z. 16 bis 21).

Weiterhin ist eine Auslöseeinrichtung (z. B. Druckknopf) zum Auslösen einer Korrekturbewegung der Schwenkplatten 8, 9 auf der Grundlage des Ergebnisses aus der Bestimmung der Gleichmäßigkeit der Stapelhöhe vorgesehen (vgl. Sp. 1, Z. 64 bis 68). Somit offenbart die D2 die Anordnung einer Messeinrichtung und die Anordnung einer Auslöseeinrichtung zur Einleitung einer korrigierenden Maßnahme.

Wenn der Fachmann daher das Vorbild der automatisierten Messeinrichtung und der entsprechenden Auslöseeinrichtung nach D2 bei der Vorrichtung nach D1 einsetzt, gelangt er in nahe liegender Weise unter Verwendung der bekannten Merkmale aufgrund ihrer bekannten Wirkungen zu einer Vorrichtung gemäß dem erteilten Anspruch 2.

Anspruch 2 hat daher mangels erfinderischer Tätigkeit ebenfalls keinen Bestand.

3. Mit dem erteilten Anspruch 2 fallen die auf ihn rückbezogenen Ansprüche 3 bis 7, zumal sie nur vorteilhafte Weiterbildungen der Vorrichtung gemäß Anspruch 2 ohne eigenen erfinderischen Gehalt kennzeichnen.

Das Patent ist daher zu widerrufen.

Unterschriften