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Vorerst ist Pokern unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt - OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.10.2008, Az.: 6 B 10778/08.OVG

Leitsätzliches

Bis zu Entscheidung in der Hauptsache darf unter folgenden Voraussetzungen weiter gepokert werden: a) Pokerturniere dürfen nur in der Weise veranstaltet werden, dass von den Teilnehmern kein Einsatz verlangt wird, die in die Gewinne fließt. Der Veranstalter darf lediglich einen Unkostenbeitrag in Höhe von maximal 15,-- Euro pro Turnier und Teilnehmer erheben. Eine Erhöhung während des Spiels („re-buy") ist nicht zulässig. b) Der Veranstalter darf keine Geldpreise, sondern nur Sachpreise im Wert von höchstens 60,- Euro je Sachpreis ausschreiben, die auch nicht teilweise aus den Unkostenbeiträgen der Teilnehmer finanziert werden dürfen. b) Der Veranstalter hat bei den Ankündigungen der Pokerturniere - auch im Internet - an gut sichtbarer Stelle darauf hinzuweisen, dass nur Sachpreise im Wert von höchstens 60,- Euro je Sachpreis gewonnen werden können.

OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ

BESCHLUSS

Aktenzeichen: 6 B 10778/08.OVG

Entscheidung vom 21. Oktober 2008

 
In dem Verwaltungsrechtsstreit

der Firma ..., vertreten durch …

- Antragstellerin und Beschwerdegegnerin -

Prozessbevollmächtigte: ...,

g e g e n

das Land Rheinland-Pfalz, ...,

- Antragsgegner und Beschwerdeführer -

w e g e n Glücksspielrechts

hier: aufschiebende Wirkung

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 21. Oktober 2008, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht ...
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. ...
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. ...
beschlossen:

Unter Zurückweisung der Beschwerde des Antragsgegners im Übrigen werden die Auflagen zu Ziffer 1 des Tenors des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Neustadt a.d.W. vom 9. Juli 2008 wie folgt neu gefasst:

1. Die Antragstellerin darf Pokerturniere nur in der Weise veranstalten, dass von den Teilnehmern kein Einsatz, also keine Geldleistung verlangt wird, die in die Gewinne fließt. Die Antragstellerin darf lediglich einen Unkostenbeitrag in Höhe von maximal 15,-
Euro pro Turnier und Teilnehmer erheben. Eine Erhöhung während des Spiels („re-buy“) ist nicht zulässig.

2. Die Antragstellerin darf keine Geldpreise, sondern nur Sachpreise im Wert von höchstens 60,- Euro je Sachpreis ausschreiben, die auch nicht teilweise aus den Unkostenbeiträgen der Teilnehmer finanziert werden dürfen.

3. Die Antragstellerin hat bei den Ankündigungen der Pokerturniere – auch im Internet – an gut sichtbarer Stelle darauf hinzuweisen, dass nur Sachpreise im Wert von höchstens 60,- Euro je Sachpreis gewonnen werden können.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 7.500,- € festgesetzt.

G r ü n d e

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg.

Sie führt nicht zu einer von dem angefochtenen Beschluss abweichenden Interessenabwägung. Auch nachdem der Antragsgegner seine vom Verwaltungsgericht beanstandete Ermessensausübung im Widerspruchsbescheid vom 11. August 2008 zum Teil korrigiert hat, bestehen weiterhin erhebliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung, die die Erfolgsaussichten der mittlerweile erhobenen Klage der Antragstellerin als offen erscheinen lassen (1.). Die unter diesen Umständen vorzunehmende Interessenabwägung führt zur Zurückweisung der Beschwerde des Antragsgegners unter Auflagen für die Veranstaltung von Pokerturnieren durch die Antragstellerin (2.).

1.
Mit dem Verwaltungsgericht hat der Senat erhebliche Zweifel, ob es sich bei den von der Antragstellerin veranstalteten Pokerturnieren, an denen gegen einen Unkostenbeitrag von bis zu 15,- € teilgenommen werden kann und bei denen lediglich Sachpreise als Gewinne ausgelobt werden, um unerlaubte Glücksspiele i.S.d. §§ 9 Abs. 1, 3 Abs. 1 des am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland – GlüStV – handelt.

Ein Glücksspiel liegt gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Ob – wie der Antragsgegner in Übereinstimmung mit dem Erlass des Ministeriums des Innern und für Sport vom 1. April 2008 meint - dieser Glücksspielbegriff jedes Entgelt für die Teilnahme an einem zufallsabhängigen Gewinnspiel ausreichen lässt oder ob ein „Einsatz“ erforderlich ist, der über einen Unkostenbeitrag hinausgeht, muss der Klärung im – bereits eingeleiteten – Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Aufgrund der im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen überschlägigen Prüfung sprechen gewichtige Gesichtspunkte gegen die Auffassung des Antragsgegners.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, WTRP 4 StR 148/86, BGHSt 34, 171) gehört zu jedem Glücksspiel in dem in § 284 StGB vorausgesetzten Sinn ein Einsatz, der in der Hoffnung erbracht wird, im Falle des "Gewinnens" eine gleiche oder höherwertige Leistung zu erhalten, und in der Befürchtung, dass er im Falle des "Verlierens" dem Gegenspieler oder dem Veranstalter anheimfällt.

Wegen der notwendigen Abgrenzung zum bloßen Unterhaltungsspiel muss es sich dabei – so heißt es in dieser Entscheidung des BGH weiter - um einen "Einsatz" handeln, der nicht ganz unbeträchtlich ist und der nicht als in jedem Fall verlorener Betrag gezahlt wird, der mit dem eigentlichen Spiel nichts zu tun hat, sondern lediglich die Mitspielberechtigung gewährt, also etwa dem für den Eintritt in eine Spielbank aufgewendeten Betrag gleichzusetzen ist.

Angesichts dessen führt die Auffassung des Antragsgegners, ein Entgelt i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV setze keinen Einsatz voraus, auf einen staatsvertraglichen Glücksspielbegriff, der von demjenigen des § 284 StGB in der Auslegung des Bundesgerichtshofs abweicht. Dafür mag die Wortwahl („Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance“) des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV und auch Formulierungen in den Erläuterungen zu § 3 GlüStV (Drucks. 15/1454 des Landtags R-P, S. 34) sprechen; eine Abkehr von dem Glücksspielbegriff des § 284 StGB war aber mit dem GlüStV wohl nicht beabsichtigt und würde zudem die in § 33h Nr. 3 Gewerbeordnung - GewO – geregelte Trennung zwischen dem gewerblichen Spielrecht und dem Glücksspielrecht aufweichen.

§ 33h Nr. 3 GewO bestimmt, dass die §§ 33c bis 33g GewO keine Anwendung auf die Veranstaltung solcher Spiele mit Gewinnmöglichkeit i.S.d. § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO finden, die Glücksspiele i.S.d. § 284 StGB sind. § 33h Nr. 3 GewO hat damit eine „Scharnierfunktion“ zwischen dem gewerblichen Spielrecht und dem Glücksspielrecht im engeren Sinn: Zufallsabhängige Gewinnspiele mit offenem Teilnehmerkreis sind nach § 33h Nr. 3 GewO also entweder (entgeltliche) gewerbliche Spiele mit Gewinnmöglichkeit i.S.d. § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO oder aber (von einem Einsatz abhängige) Glücksspiele i.S.d. § 284 StGB. Betrachtet man – wie der Antragsgegner - einen Unkostenbeitrag als Entgelt, das für die Qualifizierung als Glücksspiel gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV, nicht aber i.S.d. § 284 StGB ausreicht, ist die Anwendung der §§ 33c bis 33g GewO auf solche Glücksspiele nicht durch § 33h Nr. 3 GewO ausgeschlossen. Diese bundesrechtliche Trennung zwischen dem gewerblichen Spielrecht und dem Glücksspielrecht würde aufgeweicht mit der Folge, dass sich die Genehmigungsvoraussetzungen, die Untersagungsermächtigungen und die behördlichen Zuständigkeiten für eine solche gewerbliche Betätigung (zufallsabhängige Gewinnspiele gegen Unkostenbeitrag) sowohl aus der Gewerbeordnung als auch aus dem Landesglücksspielrecht ergäben.

Abgesehen davon, ob die den GlüStV abschließenden Länder in einer solchen Weise in bundesrechtliche Bestimmungen eingreifen durften, spricht wenig dafür, dass sie dies mit dem GlüStV beabsichtigt haben.

Vielmehr kann den Erläuterungen zu § 2 des Vertragsentwurfs entnommen werden(vgl. Anlage zur Drucks. 13/5365 des Landtags N-W, S. 24), dass der GlüStV „auf bundesrechtlich geregelte Tatbestände“ nicht anwendbar sein und insbesondere nicht für „die in der Gewerbeordnung abschließend geregelten Spiele mit Gewinnmöglichkeit“ gelten soll. Auch die – offenbar überarbeiteten – Erläuterungen zum GlüStV (Drucks. 15/1454 des Landtags R-P, S. 31) lassen erkennen, dass sich die Bundesländer an einer Regelung im GlüStV über das gewerbliche Spiel in Spielhallen durch die abschließende Normierung des Bundes in der Gewerbeordnung und der Spielverordnung gehindert sahen und dass auch nach Auffassung der Bundesländer die ihnen in der Föderalismusreform übertragene Zuständigkeit nicht das gewerbliche Spielrecht der §§ 33c bis 33g GewO umfasst.

Dementsprechend hat das OVG Nordrhein-Westfalen (4 B 606/08, WTRP) entschieden, dass die in § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV gegebene Legaldefinition mit dem Glücksspielbegriff des § 284 Abs. 1 StGB deckungsgleich ist und dass Poker kein Glücksspiel i.S.d. §§ 284 Abs. 1 StGB, 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV darstellt, wenn die Spielteilnehmer keinen Spieleinsatz leisten, aus dem die Gewinnchance des Einzelnen erwächst (vgl. hierzu auch Fischhaber/Manz, GewArch 2007, 405 (407).
Soweit mit der Beschwerde vorgetragen wird, Pokerturniere der von der Antragstellerin veranstalteten Art könnten keine anderen Spiele mit Gewinnmöglichkeit i.S.d. § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO sein, weil die für solche Spiele normierten Genehmigungsvoraussetzungen nicht vorlägen, kann ihr nicht gefolgt werden. Denn die Frage, ob eine bestimmte Art einer gewerblichen Betätigung vorliegt, kann nicht allein mit dem Argument verneinend beantwortet werden, es fehle an ihrer Genehmigungsfähigkeit.

Der Antragsgegner kann sich für seine Auffassung auch nicht auf die Entscheidung des Hessischen VGH im Verfahren 8 B 522/08 (juris) stützen, dem insoweit ein anderer Sachverhalt zugrundelag, als die als "buy-in" gezahlten Geldbeträge nicht nur Voraussetzung für die Zulassung zum Spiel waren, sondern in Form von Wertgutscheinen den Turniergewinnern zugewendet wurden und somit den "Einsatz" der Spielteilnehmer darstellten.

Die vom Antragsgegner vorgelegte Entscheidung des VG Hamburg (6 E 4198/07, juris) beruht ebenfalls auf einer Fallgestaltung, die mit der vorliegenden nicht vergleichbar ist, weil sowohl ein nachträglicher Einsatz („re-buy“) als auch ein Rückkauf der Gewinne möglich waren.

Schließlich kann die Frage, ob es sich bei den von der Antragstellerin veranstalteten Pokerturnieren um unerlaubte Glücksspiele i.S.d. §§ 9 Abs. 1, 3 Abs. 1 GlüStV handelt, nicht etwa deshalb offen bleiben, weil jedenfalls die Bestimmungen der §§ 15 Abs. 2, 33d Abs. 1 und 2, 33e Abs. 1 Satz 2 GewO eine Ermächtigungsgrundlage für die verfügte Untersagung darstellen und das Ermessen auf Null reduziert ist. Eine solche Ermessensreduzierung setzt voraus, dass zunächst die Einzelheiten der gewerblichen Betätigung ermittelt und den durch sie hervorgerufenen Gefahren gegenüber gestellt werden. Nur wenn den Gefahren nicht anders als durch eine Untersagung der gewerblichen Betätigung wirksam begegnet werden kann, verdichtet sich der Ermessensspielraum auf diese eine Entscheidung.

Der Antragsgegner hat indessen nicht aufgeklärt, wie die angenommene Gewinnerzielungsabsicht mit dem Muster einer Kostenaufstellung, die einen Verlust von mehr als 700,- € pro Pokerturnier erwarten lässt, zu vereinbaren ist. Ebenso wenig wurde ermittelt, inwieweit sich Hilfsmittel aufgrund der bisherigen Tätigkeit der Antragstellerin amortisiert haben. Von Bedeutung für die Ermessensausübung ist auch die Frage, wer die Gewinne „sponsert“, wer sich also von der Durchführung der Turniere einen positiven wirtschaftlichen Effekt verspricht. Auch dem Widerspruchsbescheid vom 11. August 2008 kann nicht entnommen werden, dass der Antragsgegner diese Umstände aufgeklärt hat. Im Übrigen wurde vom Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt, dass unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit eine sofortige Untersagung von Pokerturnieren problematisch ist, die im Wesentlichen unverändert seit geraumer Zeit veranstaltet werden, ohne bislang von dem Antragsgegner beanstandet worden zu sein. Daher war als milderes Mittel zumindest eine Untersagung erst nach Ablauf einer Übergangsfrist in Betracht zu ziehen, zumal die Spielsuchtgefahren, die von Pokerturnieren ausgehen, an denen gegen einen verhältnismäßig geringen Unkostenbeitrag teilgenommen werden kann und bei denen lediglich in ihrem Wert begrenzte Sachpreise als Gewinne ausgelobt werden, durch Auflagen so weit vermindert werden können, dass sie wenigstens für eine Übergangszeit hingenommen werden können.

2.
Dem öffentlichen Interesse an der Bekämpfung von Spielsuchtgefahren bzw. der Begrenzung der Spielleidenschaft kann einstweilen durch die aus dem Tenor ersichtlichen Auflagen Rechnung getragen werden, die im Wesentlichen denjenigen entsprechen, die bereits das Verwaltungsgericht angeordnet hat. Der Senat hält es jedoch für interessengerecht, die in der Anlage zu § 5a Spielverordnung für Geschicklichkeitsspiele festgelegten Höchstgrenzen für das Teilnahmeentgelt und die Gestehungskosten eines Gewinns für die vorliegende Fallgestaltung zu übernehmen und der Antragstellerin entsprechende Hinweise bei der Ankündigung ihrer Pokerturniere aufzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG.

(Unterschriften)