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Schuldner muss kerngleichen Verstoß vorbeugen - OLG Schleswig-Holstein , Beschluss vom 18. Februar 2005, AZ.: 6 W 7/05 -

Leitsätzliches

Ergeht gegen einen Schuldner eine Verbotsverfügung, so muss dieser einem "kerngleichenâ€? Verstoß vorbeugen. Ein in Frage stellen mit semantischen Spitzfindigkeiten, die eher darauf abzielen, die Grenzen des verbotenen Verhaltens auszutesten als den "Kerngehaltâ€? der einstweiligen Verfügung zu befolgen, sind zu unterlassen. Wird es verboten, ein bestimmtes Verhalten "vorzunehmen oder vornehmen zu lassenâ€?, hat der Schuldner Vorsorge zu treffen, dass das Verbot in dem von ihm beeinflussten und beeinflussbaren (Werbe-) Bereich auch beachtet wird.

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OBERLANDESGERICHT SCHLESWIG-HOLSTEIN

BESCHLUSS


Aktenzeichen: 6 W 7/05

Entscheidung vom 18. Februar 2005

 


In dem Beschwerdeverfahren


...
gegen
...


hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts am 18. Februar 2005 beschlossen:

 

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Kiel – Kammer für Handelssachen III - vom 23. November 2004 wird zurückgewiesen.

Die Schuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Streitwert von 20.000,-- €.

Gründe

I.
Die Gläubigerin hat am 30. Juni 2003 eine rechtskräftige einstweilige Verfügung beim Landgericht Kiel erwirkt, mit der es der Schuldnerin u. a. verboten wurde, einen Vergleich zwischen ihren Tarifen und der „MobilCom“ bzw. denen der Schuldnerin vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, bei dem „die für die [Gläubigerin] angegebenen Tarife nicht den von der [Gläubigerin] aktuell geforderten Tarifen entsprechen, weil der ... Tarifbereich ‚City‘ nicht berücksichtigt“ wird.

Unter Bezugnahme auf eine Werbeaktion am 14. April 2004 beantragte die Gläubigerin die Verhängung eines Ordnungsgeldes. Durch Beschluss des Landgerichts vom 23. November 2004 wurde gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 20.000,-- € ersatzweise Ordnungshaft (...), verhängt.

Gegen den am 29.November 2004 zugestellten Beschluss hat die Schuldnerin am 15. Dezember 2004 sofortige Beschwerde erhoben; das Landgericht hat dieser nicht abgeholfen.

Die Schuldnerin ist der Ansicht, sie habe gegen den „Kern“ der einstweiligen Verfügung nicht schuldhaft verstoßen. Das Ordnungsgeld sei überhöht.

II.
Die nach § 793 i. V. m. §§ 890 Abs. 1, 891, §§ 567 ff. ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere rechtzeitig (§ 569 Abs. 1 ZPO) eingelegt. Sie ist unbegründet, weil das festgesetzte Ordnungsgeld im Hinblick auf den Vorfall am 14. April 2004 sachlich gerechtfertigt und auch nicht überhöht ist.

Die Einwände der Schuldnerin gegen das Vorliegen eines „kerngleichen“ Verstoßes und eines Organisationsverschuldens vermitteln insgesamt den Eindruck, dass es eher darum geht, durch semantische Spitzfindigkeiten und „salvatorische“ Rundschreiben an sog. Vertriebspartner die Grenzen des verbotenen Verhaltens auszutesten als den „Kerngehalt“ der einstweiligen Verfügung zu befolgen. Dieser Eindruck wird verstärkt durch das vorangegangene Verfahren über den Ordnungsmittelantrag zu den Vorfällen vom 13. und 23. August sowie vom 22. September 2003 (vgl. dazu den Senatsbeschluss vom 20. April 2004, 6 W 13/04), in dem aus geringen und unwesentlichen Textabweichungen abgeleitet werden sollte, dass die inkriminierten Handlungen vom Verbotstatbestand der einstweiligen Verfügungen nicht erfasst werden.

Der „Kerngehalt“ der Verbotsverfügung vom 30. Juni 2003 ist durch den Vorfall vom 14. April 2004 verletzt worden. Eine (gar) „erhebliche“ Abweichung des an diesem Tag verwendeten Flyers vom Verbot, den Tarifvergleich mit Tarifen vorzunehmen, die nicht den von der Gläubigerin aktuell geforderten Tarifen entsprechen, ist nicht festzustellen. Die Gläubigerin weist zu Recht darauf hin, dass ihr „City“-Tarif erneut nicht berücksichtigt worden ist und mit dem unklaren Begriff „Deutschlandverbindungen“ jedenfalls verborgen bleibt, ob damit der in den Tarifen der Telekom mit „City“ und „Deutschland“ bezeichnete Tarifbereich gemeint sein soll. Die Ansicht der Schuldnerin, nicht jeder Tarifvergleich, der die Nahbereichstarife der Gläubigerin ausklammere, sei dem „Kernbereich“ der Verbotsverfügung zuzuordnen (S. 3 der Beschwerdeschrift, zu b), geht an dem hier anzutreffenden erneuten Verstoß, der den „Citytarif“ aus dem Vergleich ausklammert, im Ansatz vorbei.

Die Schuldnerin tritt auch dem vom Landgericht festgestellten Organisationsverschulden ohne Erfolg entgegen. Der Senat hat dazu bereits in seinem Beschluss vom 20. April 2004 (a.a.O.) ausgeführt:

„Grundsätzlich gilt im Rahmen eines Unterlassungstitels nach § 890 ZPO – zwar – nicht die Zurechnungsnorm des § 13 Abs. 4 UWG (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.10.1966, 2 BvR 509/93, BVerfGE 20, 323 = NJW 1967, 195), doch geht es vorliegend nicht darum, der Antragsgegnerin fremdes Verschulden eines „rechtlich und organisatorisch“ unabhängigen Unternehmens zuzurechnen, sondern um eigenes – den Verbotstatbestand der einstweiligen Verfügung vom 30.06.2003 verletzendes – Verhalten. Indem es der Antragsgegnerin verboten worden war, Tarifvergleiche der in der genannten Verfügung beschriebenen Art „vorzunehmen oder vornehmen zu lassen“, oblag ihr – klar erkennbar – auch die Pflicht, dafür zu sorgen, dass dies in dem von ihr beeinflussten und beeinflussbaren (Werbe-)Bereich auch beachtet wird. ... .“
(vgl. auch Beschluss des Senats vom 28. September 2000, 6 W 22/00, SchlHA 2001, 187 = OLGR Schleswig 2001, 235)

Daran ist festzuhalten. Der Schuldnerin ist zu Recht ein Organisationsverschulden vorzuhalten. Von diesem Vorwurf kann sie sich nur exkulpieren, wenn sie eigenes Personal und auch Dritte schriftlich über das bestehende Verbot informiert hat und ihnen unmissverständlich und mit dem notwendigen Nachdruck vor Augen geführt hatten, dass und wie dieses Unterlassungsgebot einzuhalten ist. Dazu gehört auch der Hinweis, dass ein Verstoß empfindliche Folgen nach sich ziehen kann. Zudem muss die Einhaltung einer solchen Anweisung durch geeignete Maßnahmen überwacht werden (OLG Köln, Beschluss vom 12. August 2004, 6 W 81/04, WRP 2004, 1519 f.).

Ein bloßer Hinweis oder eine allgemeine Information an Mitarbeiter oder „Vertriebspartner“ genügt diesen Anforderungen nicht. Von der Schuldnerin muss erwartet werden, dass sie mit geeigneten Mitteln - u. U. auch durch Androhung von Sanktionen im Vertragsverhältnis zu „Vertriebspartnern“ - eine Garantie dafür schafft, dass die Zuwiderhandlung (künftig) unterbleibt (OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.Oktober 2000, 6 W 43/00, VuR 2000, 453). Dazu hätte nach dem vorausgegangenen Ordnungsmittelverfahren konkreter Anlass bestanden.

Das Hinweisschreiben der Schuldnerin vom 19. September 2003 ist vom Landgericht zutreffend als nicht ausreichende Erfüllung dieser Organisations- und Überwachungsobliegenheiten der Schuldnerin gewürdigt worden. Die Beschwerdegründe (S. 6-8 der Beschwerdeschrift) vermögen dies nicht zu erschüttern. Das Schreiben vom 19. September 2003 lässt jeden erforderlichen Nachdruck vermissen, der überhaupt geeignet wäre, die „Vertriebspartner“ zu einer nach Treu und Glauben korrekten Beachtung der Verbotsverfügung zu veranlassen. Soweit die Schuldnerin meint, es sei ihr nicht zuzumuten, „jedes Mal, wenn ein einziger Werber ihre Anweisungen missachtet, ... strafbewehrte Unterlassungserklärungen einzuholen“ (S. 8 u. der Beschw.-Schrift), wird damit der Inhalt ihrer Organisationsobliegenheit verfehlt. Zunächst einmal wären von der Schuldnerin – überhaupt – klare Anweisungen zu verlangen. Solche sind dem Schreiben vom 19. September 2003 nicht zu entnehmen. Es „listet“ lediglich auf, mit welchem Tenor einstweilige Verfügungen ergangen sind, ohne daran konkrete – gerade auch für die einzelnen Werber vor Ort klar verständliche – Anweisungen zu knüpfen. Die Folgen einer Missachtung dieser Verfügungen für die „Vertriebspartner“ sind dem Schreiben vom 19. September 2003 nicht zu entnehmen (anders als dies der Fall ist, falls diese „gegen den Vertriebspartnervertrag“ verstoßen, vgl. S. 1 des „Newsletters, Abschnitt „Zusammenarbeit“).

Lägen hinreichend klare und mit dem nötigen Nachdruck versehene Anweisungen der Schuldnerin vor und wäre weiter davon auszugehen, dass sie die Einhaltung dieser Anweisungen genügend überwacht und kontrolliert hat (was nicht dargelegt ist; vgl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 01. September 2004, 1 W 136/04), würde sich die Frage einer Reaktion der Schuldnerin auf die Missachtung der Anweisung eines „einzigen Werbers“ in der Form, wie dies hier erfolgt ist, nicht stellen.

Die Beschwerde bleibt schließlich auch hinsichtlich der Bemessung des Ordnungsgeldes erfolglos. Die dafür angeführten Erwägungen des Landgerichts sind überzeugend. Der zweite Fall einer Ordnungsmittelanwendung in einer wirtschaftlich bedeutsamen Sache rechtfertigt – auch im Hinblick auf die ersichtlich fehlende Wahrnehmung der Organisationsobliegenheit – die hier festgesetzte Ordnungsgeldhöhe.

Die Beschwerde ist nach alledem zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Festsetzung des Streitwerts liegt der erstinstanzlich festgesetzte Ordnungsgeldbetrag zugrunde.

(Unterschriften)