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Kein Verbreitungsverbot des Films "Rothenburg" - LG Kassel, Beschluss vom 12.01.06, Az.: 5 O 55/06

Leitsätzliches

Für eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch eine Verfilmung muss glaubhaft gemacht werden, dass ein Bildnis der Person durch die enge Anlehnung an seine Lebensgeschichte sowie an seine Persönlichkeitsmerkmale vorliegt. Dazu reichen die eidesstattlichen Versicherungen Dritter, die keinen unmittelbaren Einblick in sein Leben hatten, nicht aus.

LANDGERICHT KASSEL

BESCHLUSS

Aktenzeichen: 5 O 55/06

Entscheidung vom 12. Januar 2006

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

...

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Kassel durch ... als Einzelrichterin am 12.01.2006

beschlossen:

 

Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen. Gegenstandswert: 250.000,00 €

Gründe:

Der Antragsteller begehrt in dem vorliegenden Verfahren, dass dem Antragsgegner verboten wird, einen bestimmten Film zu vervielfältigen, vorzuführen, zu bewerben oder auf andere Weise in den Verkehr zu bringen bzw. vervielfältigen, vorführen, bewerben oder auf andere Weise in den Verkehr bringen zu lassen. Als Begründung heißt es in der Antragsschrift:

„Der Antragsteller, der beruflich in einem Rechenzentrum als Computerfachmann tätig war, lernte im Januar/Februar 2001 Herrn X , ein Ingenieur aus Berlin in leitender Stellung bei einem großen Konzern, in einem so genannten Kannibalen-Forum im Internet kennen. Herr X gab über Emails und den Chatverkehr sowie über persönliche Gespräche und Aufforderungen klare und eindeutige Willenserklärungen gegenüber dem Antragsteller ab, wodurch sein Wille, aus dem Leben zu scheiden, deutlich wurde. Der Antragsteller ist durch dieses ausdrückliche und ernsthafte Verlangen des getöteten X zur Tötung bestimmt worden. Beide verabredeten einen Termin und das weitere Vorgehen X kam am 9. März 2001 mit dem Zug von Berlin zum ICE-Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe, er wurde dort von dem Antragsteller erwartet. Sie fuhren mit dem Pkw zum Anwesen des Antragstellers in Wüstefeld bei Rotenburg.

Dort kam es zum Austausch von Zärtlichkeiten, sexuellen Handlungen, zu Bissen des Antragstellers in den Körper des X. Da X aufgrund der Zaghaftigkeit des Antragstellers den Eindruck hatte, dass der Antragsteller ihn bei vollem Bewusstsein nicht töten könne, wünschte er, nach Kassel zurück gebracht zu werden, um mit dem Zug wieder nach Berlin zu fahren. Am Bahnhof kaufte X die Rückfahrkarte nach Berlin, begab sich zur Toilette und nach einigen Minuten kehrte er zurück und erklärte dem Antragsteller, dass er doch entmannt und später getötet werden möchte, sobald er bewusstlos ist, dann darf der Antragsteller den Todeswunsch von X erfüllen. Auf der Rückfahrt nach Wüstefeld nahm X Schlaftabletten und Wick-Medinait-Saft zu sich, in der Hoffnung auf schläfrig machende beruhigende bzw. betäubende Wirkung. Im Anwesen des Antragstellers nahm er dann noch Alkohol zu sich, danach kam es zur ... einen Verband an; der gemeinsame Versuch, den hälftig geteilten Penis zu essen, misslang .X freute sich über die stark blutende Wunde, nahm ein Bad, um die Schroffbildung im Bereich der Wunde zu verhindern, legte sich später auf das Bett im sog. Schlachtraum des Antragstellers und verlor gegen 3.30 Uhr am 10.03.2001 das Bewusstsein.

Der Antragsteller legte X auf einen Tisch und stach ihm gegen 4.15 Uhr in den Hals. Er schnitt die Kehle bis zur Wirbelsäule auf. Bevor der Antragsteller zu stach, fühlte er den Puls des Opfers und sagte: „Dein Puls rast ja". Später sagte er: „Ich erlöse dich von deinen Qualen."

Anschließend nahm der Antragsteller den Körper von X aus, zerlegte ihn, fror das Fleisch ein und verspeiste dieses nach und nach. Zur Dokumentation wurde der überwiegende Teil des Tathergangs auf Video von dem Antragsteller festgehalten.

Das Schwurgericht des Landgerichts Kassel hat am 30.01.2004 den Antragsteller wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dieses Urteil wurde auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin durch Entscheidung des BGH vom 22.04.2005 aufgehoben - mit der Maßgabe, welche rechtlichen Prüfungen das neu mit der Sache befasste Landgericht Frankfurt vorzunehmen habe. Der BGH hob das Urteil des Landgerichts Kassel mit allen Feststellungen auf, so dass der Antragsteller in der gleichen strafprozessualen Situation wie vor dem Landgericht Kassel am ersten Hauptverhandlungstag steht - und der Ausgang des Verfahrens offen ist.

Dieser neue Prozess gegen den Antragsteller beginnt vor dem Landgericht Frankfurt am 12.01.2006. Zu diesem Zweck wird der Antragsteller nur vorübergehend in die Justizvollzugsanstalt nach Frankfurt (Kreuzäckerstr. 4, 60435 Frankfurt a. M.) verbracht."

Es wird weiter vorgetragen, bei dem Antragsgegner handele es sich um ein amerikanisches Filmproduktionsunternehmen, das auf Grundlage der damaligen Ereignisse und seiner Lebensgeschichte einen englischsprachigen Film mit dem Titel „Butterfly -a Grimm Lovestory" mit den Hauptdarstellern K. , H., R. nach einem Drehbuch von T. S und Regie M. W. hergestellt habe. Der deutsche Verleih, die S. Entertainment AG habe diesen Film mit dem deutschen Titel „Rotenburg" beworben (siehe entsprechenden Ausdruck der Internet-Seite, Bl. 12 d. A.). Es sei geplant, dass der Film im März 2006 in die Kinos komme. Am 15.12.2005 habe der Antragsgegner den Film in einer fortgeschrittenen Rohfassung in den Räumen der S. Medien- und Vermarktungs-GmbH in H. vorgeführt: Die S. GmbH habe durch Vertrag vom 28.07., 05.08.2004 die exklusiven weltweiten Rechte zur kommerziellen Auswertung der Lebensgeschichte des Antragstellers erworben. Bei der Vorführung seien unter anderem Herr A und Herr B anwesend gewesen. Der Film halte sich sehr eng an die Lebensgeschichte des Antragstellers und seine Persönlichkeitsmerkmale. Die Hauptfigur des Films „Oliver Hagen", gespielt von K., weise schon in ihrer Maske und Garderobe eine große Ähnlichkeit zu dem Erscheinungsbild des Antragstellers auf. Insoweit wird auf die Ausführungen auf Seite 5 der Antragsschrift Bezug genommen. Zur Glaubhaftmachung hat der Antragsteller eidesstattliche Versicherungen des Herrn A sowie des Herrn B vorgelegt.

Wegen des Inhalts der eidesstattlichen Versicherungen wird auf Bl. 12-16 Bezug genommen. Der Antragsteller vertritt die Auffassung, der Film stelle einen rechtswidrigen Eingriff in seine geschützten Persönlichkeitsrechte dar, die filmische Darstellung der Figur Oliver Hagen sei ein Bildnis im Sinne von § 22 Satz 1 KUG. Aufgrund dessen ergebe sich ein Verfügungsanspruch aus § 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG und § 1004 BGB.

Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen. Es kann dahinstehen, ob der Antragsteller einen Verfügungsanspruch und damit einen Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner schlüssig dargelegt hat. Ein solcher wäre aus §§ 1004, 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG nur dann gegeben, wenn der Antragsgegner rechtwidrig und schuldhaft in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers eingegriffen hätte oder ein solcher Eingriff unmittelbar bevorstünde. Soweit der Antragssteiler die Ansicht vertritt, der von dem Antragsgegner hergestellte Film mit dem deutschen Titel „Rothenburg" stelle einen rechtswidrigen Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte dar und die filmische Darstellung der Figur des Oliver Hagen sei ein Bildnis des Antragstellers im Sinne von § 22 Satz 1 KUG, und hierzu vorträgt, der Film halte sich eng an seine Lebensgeschichte und Persönlichkeitsmerkmale, ist dieser Vortrag schon nicht gemäß §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht. Um beurteilen zu können, ob der Film ein Bildnis des Antragstellers wiedergibt, hätte zunächst glaubhaft gemacht werden müssen, wer der Antragsteller ist, was er bzw. er und Herr X getan haben, welche Hintergründe sein Tun hatte. Dem genügen die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen dritter Personen, die keinen unmittelbaren Einblick in das Leben des Antragstellers hatten, nicht.

Zwar bestätigen der Fernsehproduzent und Journalist C sowie der Redakteur D, dass der Film „ deutlich erkennbar die Lebensgeschichte des Herrn ... zum hauptsächlichen Gegenstand" habe. Die Lebensgeschichte des Herrn ... sei ihnen durch ihre journalistischen Recherchearbeiten sehr gut bekannt. So würden im Film wesentliche Inhalte aus dem Leben des Herrn ..., wie sie im Stern vom 24.07.2003, dem gerichtlichen Gutachten von Herrn Professor P und dem Urteil des Landgerichts Kassel dargelegt worden seien, nahezu dokumentarisch verwandt. Jedoch genügt dies nicht zur Glaubhaftmachung eines Bildnisses des Antragstellers. Art, Ausmaß und Quellen der journalistischen Recherchearbeit sind nicht erläutert, sodass die Richtigkeit der Erkenntnisse dieser Personen einer Überprüfung nicht zugänglich ist. Dies muss erst recht gelten, soweit die Informationen auf fremden journalistischen Arbeiten (Sternartikel) beruhen. Auch der Inhalt eines gerichtlichen Gutachtens und des Urteils des Landgerichts Kassel helfen nicht weiter, weil nicht mitgeteilt wird, in welchem Ausmaße diese wiederum auf dem Angaben des Antragstellers beruhen und ob jene richtig waren: Hinzu kommt, dass der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts Kassel mit allen Feststellungen aufgehoben hat. Erst in einem weiteren Schritt wäre dann zu prüfen, ob und inwieweit sich die wahre Lebensgeschichte des Antragstellers und die bei dem Antragsteller tatsächlich vorhandenen Persönlichkeitsmerkmale mit der in dem Film dargestellten Geschichte und den Persönlichkeitsmerkmalen der Hauptfigur decken. Somit ist nicht glaubhaft gemacht, dass das Bildnis, das von der Hauptfigur in dem Film verkörpert wird, das des Antragstellers ist.

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