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Anlehnung an Boris Becker- AOL-Werbung auf Abi-Shirt von Art. 5 GG gedeckt- OLG Hamburg, Beschluss vom 5.01.2006, Az.: 5 W 1/06

Autor

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Leitsätzliches

Die Verwendung bekannter Marken auf sog. Abitur-T-Shirts in humorvoll-ironischer Weise kann je nach Art der konkreten Verwendung von der Kunstfreiheit gemäß Art.5 Abs. 3 GG gedeckt sein (vgl. auch BGH zur "Lila Postkarte").


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT
Aktenzeichen: 5 W 1/06
Entscheidung vom 5. Januar 2006
(Vorinstanz 407 O 391/05 - LG Hamburg)
 

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

In dem Rechtsstreit

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, am 05. Januar 2006 durch die Richter ..., ..., ... :

 

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg – Kammer 7 für Handelssachen – vom 2.12.2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Streitwert von € 50.000.- zu tragen.



 

Begründung

 

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht Hamburg den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat zwar glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin auf einem der von ihr angebotenen T-Shirts einen Aufdruck verwendet, welcher u.a. die für die Antragstellerin geschützte Gemeinschafts-Bildmarke enthält, und dass dieses Zeichen zugleich auch als Unternehmenskennzeichen der Antragstellerin nach § 5 MarkenG geschützt ist. Der Aufdruck ist nachfolgend eingeblendet :

Ein Unterlassungsanspruch gemäß § 14 Abs. 2 Nr.1, Abs.5 MarkenG und § 15 Abs.2, 4 MarkenG scheitert jedoch mit dem Landgericht schon daran, dass die Benutzung nicht herkunftshinweisend erfolgt.

Nach ständiger Rechtsprechung des EUGH und des BGH ist dies für die genannten Bestimmungen erforderlich (EUGH GRUR Int 99,438 Ziff.38 „BMW/Deenik“ - wtrp; GRUR 2003, 55 Ziff. 47ff. „Arsenal Football Club“; BGH WRP 2002, 982-987 „Frühstücks-Drink I und II“ ). Der Senat macht sich insoweit die überzeugende Begründung des Landgerichts in dem angefochtenen Beschluss zu eigen, dass die Gestaltung des vorliegenden Aufdrucks jedenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nur als ironische Anspielung auf die Boris-Becker-Werbung der Antragstellerin und den auch den Senatsmitgliedern bekannten Brauch der „Abi + Jahreszahl“-T-Shirts und –schilder verstanden werden wird und das geschützte Zeichen hier völlig in den Hintergrund tritt.

Ein Verfügungsanspruch ergibt sich auch nicht aus den §§ 14 Abs.2 Nr.3, 15 Abs.3 MarkenG, obwohl das streitgegenständliche Zeichen bekannt im Sinne der genannten Vorschriften sein dürfte. Zwar ist es nach neuester Rechtsprechung des EUGH und des BGH für diese Anspruchsgrundlage nicht erforderlich, dass der Verletzer das Zeichen herkunftshinweisend verwendet. Vielmehr genügt es, wenn die beteiligten Verkehrskreise das Kollisionszeichen zwar als Verzierung auffassen, es wegen der hochgradigen Ähnlichkeit jedoch gedanklich mit der bekannten Marke verknüpfen (EUGH GRUR 2004,58 Ziff.39 „Adidas/Fitnessworld“; BGH GRUR 05, 583, 584 „Lila-Postkarte“). Hier wird das AOL-Symbol von der Antragsgegnerin sogar identisch verwendet. Auch kann wohl davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin durch die angegriffene Gestaltung die Unterscheidungskraft des bekannten Kennzeichens für ihr Produkt jedenfalls mit ausnutzt, selbst wenn das Schwergewicht in der Bezugnahme auf die Boris-Becker-Werbung der Antragstellerin liegt.

Nach der genannten Entscheidung des BGH „Lila Postkarte“ entfällt eine Unlauterkeit der Aufmerksamkeitsausbeutung jedoch dann, wenn sich der Verletzer auf die Kunstfreiheit nach Art.5 Abs.3 GG berufen kann. Ein solcher Fall ist mit dem Landgericht hier zu bejahen. Die angegriffene Gestaltung verknüpft in humorvoll-satirischer Weise die Werbung der Antragstellerin dafür, dass man auf äußerst simple Weise in das Internet gelangen kann, mit der Erlangung eines Abschlusses, der die allgemeine Hochschulreife bescheinigen soll, mithin Anspruch auf ein gewisses Bildungsniveau erhebt. Man mag darin auch eine Anspielung auf die Qualität des heutigen Abiturabschlusses sehen, die von Kritikern des Bildungssystems häufig als zu geríng beklagt wird. Das als Kennzeichen geschützte AOL-Symbol verstärkt die Bezugnahme auf die Antragstellerin, ist jedoch – wie ausgeführt - in der Gesamtdarstellung von eher untergeordneter Bedeutung. Die Kunstfreiheit setzt sich daher hier in Abwägung zu den von Art.14 GG geschützten Kennzeichenrechten der Antragstellerin durch (wtrp,vgl. BGH „Lila Postkarte“ a.a.O. S.585). Insbesondere wird das Kennzeichen der Antragstellerin nicht verunglimpft oder sonstwie herabgesetzt.

Der vorliegende Sachverhalt ist nicht mit dem von der Antragstellerin genannten Fall „Ahoj Brause“ zu vergleichen (Senat GRUR – RR 05,258). Dort wurde eine bekannte Marke im Zuge der sog. „Retro-Welle“ identisch und ohne weitere Zusätze auf einem ansonsten schlicht weißen T-Shirt verwendet. Der Senat hat einen Anspruch aus § 14 Abs.2 Nr.3 MarkenG bejaht, weil der Verletzer sich allein den Wiedererkennungswert einer Traditionsmarke zunutze mache. Hier ist es entgegen so, dass der angegriffene Aufdruck eine eigenständige kreative Leistung darstellt, bei der zwar auch auf einen bekannten Werbeslogan der Antragstellerin zurückgegriffen wird – insoweit greift die Antragstellerin den Aufdruck nicht an – das streitgegenständliche Kennzeichen jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Auch wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlagen sind nicht gegeben. Soweit es um den Schutz der bekannten Marke geht, scheidet ein Rückgriff auf das Wettbewerbsrecht schon deshalb aus, weil der Anwendungsbereich des § 14 Abs.2 Nr.3 MarkenG eröffnet ist ( s.o. ) und es sich hierbei um eine abschließende Sonderregelung handelt ( zuletzt BGH „Lila Postkarte“ a.a.O., S.585 ). Im Übrigen ist ein Anspruch aus § 4 Nr.7 UWG aber auch mangels Vorliegen seiner Voraussetzungen nicht gegeben, denn eine Herabsetzung oder Verunglimpfung des Kennzeichens der Antragstellerin findet - wie ausgeführt - nicht statt. Ob § 4 Nr.9 b UWG angewandt werden kann, ist zweifelhaft, denn die Bestimmung bezieht sich auf Waren und Dienstleistungen, nicht auf Kennzeichen ( Harte/Hennig-Sambuc, UWG, § 4 Nr.9 Rn.121 ).

Die Frage kann indes dahinstehen, da eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung des Kennzeichens der Antragstellerin aus den genannten Gründen ebenfalls zu verneinen ist. Schließlich ist § 3 UWG als allgemeine Auffangnorm für unlauteres Wettbewerbsverhalten nicht erfüllt, denn ein unlauteres Verhalten liegt nicht vor, wenn sich der Verletzer – wie hier – auf die Kunstfreiheit berufen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

(Unterschriften)