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Erdogan vs. Böhmermann: Landgericht Hamburg bestätigt einstweilige Verfügung

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

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Erdogan vs. Böhmermann: Landgericht Hamburg bestätigt einstweilige Verfügung

Von Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL.M.
Fachanwalt für IT-Recht und gewerblicher Rechtsschutz

Es ist das erste Urteil im Fall Recep Tayyip Erdogan gegen Jan Böhmermann. Das Landgericht Hamburg hat seine einstweilige Verfügung vom 17. Mai 2016 bestätigt (Urteil vom 10. Februar 2017, Az. 324 O 402/16). Das Gericht untersagte damals bestimmte Passagen des umstrittenen „Schmähgedichts“ von Böhmermann, andere Zeilen wiederum hielt es für zulässig – sie seien von der Meinungsfreiheit umfasst.

Hintergrund war ein Gedicht, das der Moderator und Satiriker Jan Böhmermann in seiner Sendung „Neo Magazin Royal“ vortrug. Mit diesem wollte er, nach eigenen Angaben, dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan den Unterschied zwischen erlaubter Meinungsäußerung und unzulässiger Schmähkritik in Deutschland erläutern. Daraufhin verlas er ein Gedicht, in dem er Erdogan teils schwer beleidigt und beschimpft. Damit wolle er, so Böhmermann, ein Beispiel aufzeigen, was Satire in Deutschland eben nicht dürfe – wo also die zulässigen Grenzen überschritten werden. Vor, nach und auch während des Gedichts wies Böhmermann darauf hin, dass „das was jetzt komme, in Deutschland nicht erlaubt ist“. Das Gedicht wurde durch die Einblendung von Untertiteln auch in die türkische Sprache übersetzt.

Böhmermann sah sich dazu veranlasst, weil Erdogan auf ein anderes, früheres Satirevideo in der NDR-Sendung „extra3“ schwer beleidigt reagiert hatte und den deutschen Botschafter in der Türkei einbestellte.

Im Fall von Böhmermann ging Erdogan sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich gegen den Moderator vor. Das Strafverfahren nach § 103 StGB („Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“) ist mittlerweile eingestellt. Im Zivilverfahren erwirkte Erdogan zunächst eine einstweilige Verfügung - in welcher einige Passagen verboten wurden. Nun gab es ein Urteil im Hauptsacheverfahren – es dürfte nicht die letzte Entscheidung in diesem Streit sein.

Wie hat das Landgericht Hamburg entschieden?

Wenig überraschend hielt das Landgericht Hamburg an seiner Ansicht fest und bestätigt die einstweilige Verfügung. Der Entscheidung liege eine Abwägung zwischen der Kunst- und Meinungsfreiheit einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Erdogans zugrunde, so das Gericht.

Erdogan war der Ansicht, dass er schwer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Das Gedicht sei rassistisch und Beschimpfungen verwenden, mit denen viele Türken seit Jahrzehnten konfrontiert und beleidigt werden. Durch die Erklärung des Beklagten in der Sendung „Das kann bestraft werden“ würden übelste Beschimpfungen nicht zu einer zulässigen Satire, so die Ansicht des Klägers.

Böhmermann hingegen berief sich auf die Meinungs- und Kunstfreiheit. Das Gedicht müsse im Gesamtkontext beurteilt werden – also auch mit der Einleitung und den Kommentierungen zwischendurch. Das „Schmähgedicht“ trage zur öffentlichen Meinungsbildung über die Grenzen von Satire bei.

In seiner Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen, kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Kunstfreiheit überwiegend in den Hintergrund treten müsse – nur für einzelne Passagen muss das Persönlichkeitsrecht Erdogans zurücktreten. Es sei zwar zu beachten, dass Satire einen großen Freiraum beanspruchen dürfe. Auch eine durch die Kunstfreiheit geschützte Satire könne jedoch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen so in seinem Kernbereich berühren, dass sie zu untersagen sei.

Das Gericht betonte weiterhin, dass gerade der Kläger als Staatsoberhaupt sich auch besonders heftige Kritik gefallen lassen müsse, da die Meinungsfreiheit aus dem besonderen Bedürfnis der Machtkritik erwachsen sei. Dennoch müsse er nicht alles hinnehmen.

In einer vom Gericht veröffentlichten Pressemitteilung heißt es weiter:

„Zwar erkenne der Zuschauer, dass beispielsweise die in das Absurde gewendeten Beschreibungen des Sexuallebens des Klägers keinen realen Bezug hätten, aber Beleidigungen oder Beschimpfungen müsse der Betroffene nicht bereits deswegen hinnehmen, weil sie ersichtlich nicht ernst gemeint seien. Im Vordergrund stehe nicht nur die sexuelle Komponente, der Kläger werde als sexbesessene Person dargestellt, sondern es würden zudem als inakzeptabel geltende sexuelle Verhaltensweisen auf den Kläger bezogen, wie „Kinderpornos schauen“. Der Kläger werde auf eine Stufe mit den beiden im Gedicht genannten österreichischen Sexualstraftätern gestellt.“

Es würden darüber hinaus nicht nur gegenüber Türken bestehende Vorurteile aufgegriffen, sondern der Kläger werde noch unterhalb eines Schweins bzw. „Schweinefurzes“ stehend beschrieben.

„Es sei allgemein bekannt, dass für einen Moslem die Verbindung zu einem Schwein besonders verletzend sei. Es werde auch davon ausgegangen, der Beklagte habe gewusst, dass seine Antwort „Dies mache doch keiner“ auf den Einwurf seines Sidekicks, das Gedicht werde doch nicht im Internet verbreitet werden, gerade nicht zutreffe. Das in Rede stehende Setting sei daher mit einer ansonsten üblichen juristischen Diskussion über die Grenzen der Meinungs- und Kunstfreiheit nicht vergleichbar.“

Die nicht untersagten Passagen erreichten allerdings nach Ansicht des Gerichtes nicht die notwendige Schwere, um sie zu untersagen. Zu Lasten des Klägers Erdogan wirke sich hierbei insbesondere seine Politik in Hinblick auf Kritiker und seine Stellung als Politiker aus.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Fazit

Noch liegen die Urteilsgründe nicht vollständig vor. Für eine ausführliche Stellungnahme bleibt dies noch abzuwarten. Sofern jedoch das Gericht wieder, wie im Verfügungsverfahren auch, nur das Gedicht isoliert – also losgelöst von der An- und Abmoderation Böhmermanns – betrachtet hat, wäre dies wohl verfehlt. Das „Schmähgedicht“ wurde bewusst nicht allein vorgetragen, sondern in einem satirischen Gewand und einem zeitlichen Kontext mit einer gewissen Vorgeschichte – unter anderem Erdogans Reaktion auf das Video der Sendung „extra3“. Dies muss bei der Bewertung des Gedichts ebenfalls eine Rolle spielen.

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