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Das Recht der Meinungsfreiheit besteht auch in Deutschland nicht schrankenlos

Das Recht der Meinungsfreiheit besteht auch in Deutschland nicht schrankenlos!

- oder: Von der Mär einer grenzenlosen Meinungsfreiheit -

von Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL.M.

In einem aktuellen Artikel zum vieldiskutierten und ja auch unsäglichen Beschluss des Landgerichts Berlin zum möglichen Auskunftsanspruch von Renate Künast gegen Facebook wegen vermeintlicher Beleidigungen hat der Verfasser versucht, das Verfahren und die Rechtslage resultierend aus dem einschlägigen Telemediengesetz und Netzdurchsetzungsgesetz zu erläutern.

Die in diesem Zusammenhang vielfach gelesenen Kommentare wie "man wird doch nochmal sagen können, dass ..." veranlasste den Unterzeichner zu diesem Beitrag hier und dem Hinweis, dass (gerade im Internet) keineswegs jede Meinung geschützt und frei geäußert werden darf.

Dabei sei der Hinweis erlaubt, dass nicht alles überhaupt eine Meinung ist, was landläufig als solche bezeichnet wird. Häufig handelt es sich nämlich um Tatsachenbehauptungen, bei denen es häufig auf die Frage ankommt ob diese wahr oder unwahr ist. Bei der Einordnung kommt es dabei maßgeblich drauf an, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist. Auch eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, kann sich als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird. Wo aber Tatsachenbehauptungen und Wertungen zusammenwirken, wird grundsätzlich der Text in seiner Gesamtheit von der Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst.

Auch bei wahren Aussagen können ausnahmsweise Persönlichkeitsbelange überwiegen und die Meinungsfreiheit in den Hintergrund drängen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Aussagen die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre betreffen und sich nicht durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lassen (vgl. BVerfGE 34, 269,281 ff) oder wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten drohen, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht.Für die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen gibt es dagegen in der Regel keinen rechtfertigenden Grund. Das bedeutet aber nicht, daß unwahre Tatsachenbehauptungen von vornherein aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit herausfallen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß unrichtige Information unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Gut sei. Außerhalb des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen aber nur bewußt unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen.
Natürlich sind wir ein großer Freund der Meinungsfreiheit und froh darüber, diese grundsätzlich frei äußern zu können.
Aber auch hier gibt es -entgegen der viel zu lesenden Meinung in vielen Foren- durchaus Grenzen. "Und das ist auch gut so", möchte man wirklich meinen.

Im Einzelnen:

Die in Art 5 des Grundgesetz geregelte Meinungsfreiheit, ist das in Deutschland verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf freie Rede sowie freie Äußerung und auch (öffentliche) Verbreitung einer Meinung in Wort, Schrift und Bild sowie allen weiteren verfügbaren Kommukikationsmitteln.

Rechtliche Grenzen der Meinungsfreiheit

Ja es gibt Grenzen der Meinungsfreiheit. Beschränkungen der Meinungsfreiheit in einer Demokratie aber regelmäßig keine abweichende Meinung unterbinden, sondern nur zum Beispiel zum Schutze der freiheitlichen Grundordnung oder zum Schutz anderer wichtiger Interessen wie dem Jugendschutz eingesetzt werden. Eine Strafe nach erfolgter Meinungsäußerung, dass heißt eines subjektiven Werturteils, welches nicht wie die Tatsachenbehauptung dem Wahrheitsbeweis zugänglich ist,  ist meist nur nach einer Interessenabwägung und nur nur auf der Basis eines ausreichend die Einschränkung detaillierenden rechtmäßig verabschiedeten Gesetzes möglich.

Ein paar -keineswegs alle- in Deutschland allgemein anerkannte Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit erlaube ich mir hier kurz beispielhaft und zu Erläuterung aufzuzählen:

  • die Weitergabe als geheim klassifizierter Informationen (Geheimnisverrat, vgl. auch Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG)

  • die übermäßige Kritik an eigenen oder ausländischen höchsten Staatsvertretern wie Staatsoberhaupt, Gerichten oder manchmal selbst einfachen Beamten, § 103 StGB, der in dieser Form abgeschafft werden soll.

  • öffentliche Aufforderung zu Straftaten, § 111 StGB: Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften zu einer rechtswidrigen Tat auffordert, wird [...] bestraft. Bleibt die Aufforderung ohne Erfolg, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

  • Belohnung und Billigung von Straftaten, § 140 StGB: Wer ganz bestimmte schwere rechtswidrigen Taten oder eine bestimmte rechtswidrige Tat nachdem sie begangen oder in strafbarer Weise versucht worden ist belohnt oder in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften billigt, wird bestraft.

  • der Schutz der persönlichen Ehre gegen Beleidigung oder Verleumdung, 185-187 Strafgesetzbuch

  • das Abstreiten oder weitgehende Verharmlosen des nationalsozialistischen Völkermords an den europäischen Juden, § 130 StGB.
    Derartige Äußerungen sind keine zulässige Meinungsäußerung und nicht von dem Recht auf Meinungsfreiheit in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gedeckt, bestätigten die zuständigen Richter in Straßburg erst jüngst einstimmig (Urt. v. 03.10.2019, Az.  55225/14).

  • der unlautere Wettbewerb durch Diskreditierung und Herabsetzung der Ware oder Dienstleistung eines Konkurrenten, „Schein-Bio-Siegel
    .
  • die nichtautorisierte Weitergabe urheberrechtlich geschützter Informationen

  • So genannte Volksverhetzung iS des § 130 StGB wenn jemand in einer Art und Weise die geeignet ist den öffentlichen Frieden zu stören,
    • gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder

    • die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,

Die Liste könnte sogar fortgesetzt werden und jede einzelne Äußerung ist im Einzelfall zu bewerten. Auch die Kunst- und Satirefreiheit spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle, wenn es sich denn tatsächlich um Kunst und Satire handelt und die Thematik kann und soll hier nicht abschließend erörtert werden. Die Meinungsfreiheit ist selbstredend wichtig und richtig!

Dem Verfasser dieses Beitrages war es jedoch einfach einmal ein Anliegen, dem Märchen der (völlig) grenzenlosen Meinungsfreiheit und der häufig gerade in Foren zu lesenden "Man wird doch nochmal sagen dürfen, dass..."-Mentalität einmal entgegen zu treten.

Ihre Meinung können Sie uns hierzu gern zum Beispiel bei Facebook mitteilen, wenn Sie sich an die Spielregeln halten. Rechtsberatung im Äußerungsrecht bieten wir natürlich auch gern an.

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