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Telefon-Spam bei Unternehmern - LG Hamburg, Beschluss vom 04.09.2006, Az. 312 T 6/06

Leitsätzliches

Auch im gewerblichen Bereich oder bei der Ausübung eines selbstständigen Berufes sind telefonische Anrufe zu Werbezwecken nicht ohne weiteres hinzunehmen, da sie mit Blick auf die Störung der beruflichen Tätigkeit ebenfalls als belästigend empfunden werden können. Ein Anruf zu Werbezwecken bei einem Unternehmer stellt grundsätzlich einen Eingriff in das "Recht am Unternehmen" dar, gegen den sich der Unternehmer nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog zur Wehr setzen kann.

LANDGERICHT HAMBURG

B E S C H L U S S

 

Entscheidung vom 4. September 2006

Aktenzeichen: 312 T 6/06

 

In der Sache

...

- Antragsteller / Beschwerdeführer -

gegen

...

- Antragsgegener /Beschwerdegegener -

beschließt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 12 durch ...

I. Auf die Beschwerde des Antragsstellers vom 22.08.2006 wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg – St- Georg vom 25.07.2006 (Az. 911 C 353/06) wie folgt abgeändert:

 

Im Wege der einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung – wird dem Antragsgegner bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnunghaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzellfall höchstens € 250.000,--, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)

verboten<//font>

mit dem Antragsteller per Telefon zum Zweck der Werbung Kontakt aufzunehmen, ohne dass dessen Einverständnis vorliegt oder zu vermuten ist.

II. Dem Antragsgegener fallen die Kosten des Rechtstreits aus einem Streitwert in Höhe von € 2.000,-- zu Last.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist ein in Hamburg niedergelassener Rechtsanwalt. Der Antragsgegner ist als Fachberater für Finanzdienstleistungen für eine in Frankfurt ansässige Wirtschaftsberatung tätig.

Am 15.06.2006 gegen 14:00 Uhr rief der Antragsgegner den Antragsteller unter dem Telefonanschluss von dessen Kanzlei an. Er beabsichtigte, den Antragssteller für das Angebot der Frankfurter Wirtschaftsberatung zu gewinnen.

Der Antragsteller ließ sich vom Antragsgegner das aus der Anlage ASt. 1 ersichtliche Schreiben vom 21.06.2006 zusenden. Unter Hinweis auf einen ihm aus §§ 1004, 823 BGB zustehenden Unterlassungsanspruch mahnt der Antragsteller den Antragsgegner mit Anwaltschriftsatz vom 04.07.2006 ab und forderte ihn unter Fristsetzung zum 11.07.2006 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auf. Dieser Aufforderung kam der Antragsgegner nicht nach. Er reagierte nicht auf das Abmahnschreiben des Antragstellers.

Unter dem 18.07.2006 beantragte der Antragsteller bei dem Amtsgericht Hamburg – St. Georg den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Antragsgegner. Dieser Antrag wurde vom Amtsgericht Hamburg – St. Georg mit Beschluss vom 25.07.2006 zurückgewiesen.

Das Amtsgericht Hamburg – St. Georg vertritt in seinem Beschluss die Auffassung, dass dem Antragsteller mangels Wettbewerbsverhältnisses ein Anspruch aus § 8 Abs. 1 i.V.m. § 3 UWG nicht zustünde. Auch ein Anspruch aus § 1004 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB stünde dem Antragsteller nicht zu, denn eine Abwägung der kollidierenden Interessen der Parteien ergäbe, dass der Antragsteller den Anruf des Antragsgegners hinnehmen müsse. Der Antragsteller habe der Antragsgegner erst nach dessen Anruf vom 15.06.2006 ausdrücklich aufgefordert, von weiteren Anrufen abzusehen. Für Anrufe zum Zwecke der Vermittlung einer Dienstleistung gelte dasselbe wie für den Einwurf unaufgeforderter Werbung in einem Briefkasten. Dieser begründe erst dann einen Unterlassungsanspruch, wenn auf dem Briefkasten ein Aufkleber wie „Keine Werbung“ aufgebracht sei. Anders als das Postfach eines Email-Accounts könne eine Telefonleitung durch Werbeanrufe nicht nachhaltig blockiert werden. Ein Werbanruf dauere in der Regel nur 15 bis 20 Sekunden, so dass Anrufer, die in dieser Zeit versucht haben mögen, den Angerufenen ebenfalls anzurufen, es etwas später nochmals versuchen werden. Zu berücksichtigen sei weiter, dass dem Angerufenen – anders als beispielsweise bei der Zusendung unaufgeforderter Werbefaxe – Kosten durch einen unaufgeforderten Werbeanruf nicht entstünden.

Gegen den am 08.08.2006 zugestellten Beschluss vom 25.07.2006 hat der Antragsteller unter dem 22.08.2006 – eingegangen bei Gericht am selben Tag – sofortige Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus der Antragschrift. Er verweist insbesondere darauf, dass er täglich zahlreiche unaufgeforderte Werbeanrufe wie Werbefaxe und –emails erhalte, der hier streitgegenständliche mithin nur einer von mehreren sei. Jeder einzelne Verursacher der durch diese zahlreichen unaufgeforderten Kontaktaufnahmen mit ihm hervorgerufenen unzumutbaren Belästigung müsse für die Gesamtwirkung verantwortlich gemacht werden. Es könne nicht sein, dass er Anrufe wie denjenigen des Antragstellers hinnehmen müsse.

Dem Vorbringen des Antragstellers in dessen Beschwerdeschriftsatz ist zu entnehmen, dass dieser den antragsgemäßen Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Antragsteller begehrt.

 

Danach beantragt der Antragsteller,

den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg – St. Georg vom 25.07.2006 abzuändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung zur Unterlassung zu verpflichten.

II.

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers war der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg – St. Georg abzuändern und dem Antragsgegner antragsgemäß zu verbieten, den Antragsteller erneut anzurufen.

Die fristgerecht eingelegte und nach § 567 Abs. 1 Ziffer 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist begründet. Zwar steht dem Antragsteller mangels Wettbewerbsverhältnis kein Anspruch aus dem UWG zur Seite. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Hamburg – St. Georg kann der Antragsteller aus § 1004 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB analog von dem Antragsgegner verlangen, dass dieser es unterlässt, mit dem Antragsteller zu Werbezwecken telefonisch Kontakt aufzunehmen, ohne dass dessen Einverständnis bezüglich einer solchen Kontaktaufnahme vorliegt oder anzunehmen ist.

Denn ein Anruf auch bei einem Unternehmer zu Werbezwecken stellt grundsätzlich einen Eingriff in das „Recht am Unternehmen“ dar, gegen den sich der Unternehmer nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog zur Wehr setzen kann (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, Rz. 33 zu § 7 UWG). Dass der Unternehmer grundsätzlich auch Schutz vor unerwünschten Werbeanrufen beanspruchen kann, hat der Gesetzgeber in der Begründung seines Gesetzesentwurfes zur UWG-Novelle 2004 ausdrücklich festgestellt. Er hat dort ausgeführt, dass auch im gewerblichen Bereich oder bei der Ausübung eines selbständigen Berufes telefonische Anrufe zu Werbezwecken nicht ohne weiteres hinzunehmen seien, da sie mit Blick auf die Störung der beruflichen Tätigkeit ebenfalls als belästigend empfunden werden könnten. Anders als beim Verbraucher könne die Interessenlage hier zwar anders sein; dies jedoch nur dann, wenn der Anruf im konkreten Interessenbereich des Angerufenen liegt. Daher werde in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung die Telefonwerbung im gewerblichen Bereich auch bei einem vermuteten Einverständnis als zulässig erachtet (Bt-Drucks. 15/1487, Seite 21, zu § 7 Ziffer 2).

Dass das Angebot der Frankfurter Unternehmensberatung, für welche der Antragsgegner tätig ist, im Interessenbereich des Antragstellers liegen würde, konnte der Antragsgegner nicht ohne weiteres annehmen. Er konnte mithin von einem vermuteten Einverständnis des Antragstellers mit einem Werbeanruf wie demjenigen vom 15.06.2006 nicht ausgehen.

Im Ergebnis war damit die einstweilige Verfügung unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts antragsgemäß zu erlassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

 

Unterschriften<//font><//font><//strong><//strong>