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Freispruch eines Pokerturnierveranstalters bestätigt - Rebuy möglich - OLG München, 5. Strafsenat, Urteil vom 23. und 28. Juli 2009 Az: 5 St RR 132/09

Leitsätzliches

1. Hat bei einem Pokerturnier ein Spielinteressent einen Geldbetrag zu entrichten, der ihm nicht nur den Zugang zum Turnier als solchem eröffnet, sondern auch zur Zuweisung einer bestimmten Anzahl von Spielpunkten (Blinds) führt, kann sowohl ein glücksspielrelevanter Einsatz als auch lediglich ein Unkostenbeitrag vorliegen.

2. Berechtigt der Gewinn aller „Blinds“ den Tischsieger lediglich zur Teilnahme an einer weiteren Spielrunde um den Tagessieg und bietet der Tagessieg wiederum nur die Berechtigung zur Teilnahme an einem weiteren Turnier mit gesponserten Preisen, bilden die gewonnenen Teilnahmeberechtigungen keinen vermögenswerten Vorteil.

3. Besteht die Möglichkeit entweder nach Verlust der mit der ersten Spielberechtigung erworbenen Blinds eine neue gleichartige Spielberechtigung zu erwerben oder von vorneherein mehrere Spielberechtigungen zu erwerben (Rebuy), ist dies zwar ein Indiz für einen glücksspielrelevanten Einsatz, gleichwohl kann nach den Umständen des Einzelfalls auch ein bloßer Unkostenbeitrag vorliegen.

Mehr zum Thema in unseren Beiträgen unter www.aufrecht.de/5154.html und www.aufrecht.de/5669.html.

OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 5 St RR 132/09
Entscheidung vom 23. u. 28. Juli 2009

Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat in dem Strafverfahren gegen
...

wegen

unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels

aufgrund der Hauptverhandlung in der öffentlichen Sitzung vom 23. Juni 2009 und 28. Juli 2009 an der teilgenommen haben:
1. als Richter der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. ... sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht ... und ...,
2. als Beamter der Staatsanwaltschaft Oberstaatsanwalt ...
3. als Verteidiger ...
4. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Amtsinspektor ...

für Recht erkannt:

I. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 26. Februar 2009 wird als unbegründet verworfen.

II. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

 

G r ü n d e :

I.

Das Amtsgericht sprach den Angeklagten mit Urteil vom 27. August 2007 vom Vorwurf der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels frei.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht mit Urteil vom 26. Februar 2009 als unbegründet verworfen. Wie schon das Amtsgericht ist auch das Berufungsgericht der Auffassung, dass sich der Angeklagte durch das Veranstalten des Pokerturniers nicht strafbar gemacht habe.

1. Das Berufungsgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

Zu Beginn des Pokerturniers in O. , bei dem die Variante „Texas Hold ´em“ gespielt wurde, zahlte jeder Interessent ein „Startgeld“ (UA S. 4) in Höhe von 15 Euro, das weder ganz noch teilweise zur Finanzierung des in Aussicht stehenden Gewinns verwendet wurde (vgl. UA S. 7). Hierfür erhielt der Teilnehmer Spielpunkte, sog. Blinds. Nach der Reihenfolge der Anmeldung spielten neun bis zehn Spieler an einem Tisch.

Vom Angeklagten ausgebildete Kartengeber und Spielleiter gaben die Karten aus. Wer im Verlaufe des Spiels seine Spielpunkte verloren hatte, schied aus. Ausgeschiedene Spieler konnten durch erneutes Zahlen von 15 Euro an einem neuen Tisch mit neuen Spielern und neuen Spielpunkten nochmals um den Tischsieg und damit um den Einzug ins Tagesfinale spielen. Tischsieger wurde derjenige, der alle Spielpunkte auf sich vereinigt hatte. Der Tischsieger erhielt, ohne erneut Startgeld zahlen zu müssen, neue Spielpunkte und konnte dann an der Tagesendrunde teilnehmen. Der Sieger des Tagesfinales erhielt keinen Gewinn, vielmehr war ihm die Möglichkeit eröffnet, auf eigene Kosten (Fahrt und Übernachtung) an einem (nicht vom Angeklagten veranstalteten) Finalturnier in Baden-Baden teilzunehmen, bei dem ein von Firmen gesponserter Kleinwagen und weitere Sachpreise zu gewinnen waren.

„Die beim Pokerturnier in Olching, in der vergleichbaren Vorrunde in Baden-Baden und schließlich im Finalturnier in Baden-Baden erwirtschafteten Überschüsse wurden vom Veranstalter gemeinnützigen Einrichtungen gespendet“ (UA S. 5). Vor dem Pokerturnier hatte die Gemeinde O. dem Angeklagten u.a. mitgeteilt, dass es sich bei dem von ihm beabsichtigten Pokerturnier um eine erlaubnisfreie Veranstaltung dann handele, wenn die Teilnahmegebühr höchstens 15 Euro beträgt, jeder Spieler nur einmal am Turnier teilnehmen darf und eine Mehrfachbeteiligung (sog. Rebuy) unterbunden wird.

2. Mit ihrer Revision rügt die Staatsanwaltschaft ausschließlich die Verletzung materiellen Rechts und trägt vor, das Landgericht habe das Tatbestandsmerkmal „Glückspiel“ im Sinne des § 284 Abs. 1 StGB rechtsfehlerhaft zu eng ausgelegt. Gerade die Möglichkeit, nach Verlust der mit der ersten Spielberechtigung erworbenen Spielpunkte eine neue Spielberechtigung zu erwerben, spreche für einen unzulässigen Spieleinsatz.

II.

Die gemäß §§ 333, 341, 345 Abs. 1 StPO zulässige Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der erhobenen Sachrüge auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen keinen Erfolg. Da es an einem „Einsatz“ fehlt, liegt kein Glücksspiel im Sinne des § 284 Abs. 1 StGB vor.

1. Nach § 284 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt. Den Begriff des Glückspiels definiert das StGB nicht, weil der Gesetzgeber „von einer typischen, allgemein bekannten und daher nicht umschreibungspflichtigen Erscheinung des täglichen Lebens“ ausgegangen ist (BGHSt 34, 171, 175). Nach allgemeiner anerkannter Definition ist Glückspiel ein Spiel, bei dem die Entscheidung über Gewinn und Verlust nach den Vertragsbedingungen nicht wesentlich von den Fähigkeiten, den Kenntnissen und der Aufmerksamkeit der Spieler, sondern allein oder jedenfalls hauptsächlich vom Zufall abhängt (z.B. LK/v. Bubnoff, 11. Aufl., § 284 Rn. 7 m.w.N.). Dies ist bei einem Pokerspiel der Fall, und zwar unabhängig davon, ob es als Einzelspiel oder als Turnier veranstaltet wird (OVG Berlin-Brandenburg ZfWG 2009, 190, 191). Der Bundesgerichtshof hat die Definition wegen der begriffsnotwendigen Teilnahme an einer Gewinnchance noch dahin ergänzt, dass der Spieler einen nicht ganz unbeträchtlichen Einsatz tätigt in der Hoffnung, im Falle des Gewinnens eine gleiche oder höherwertige Leistung zu erhalten, und in der Befürchtung, dass sie im Fall des Verlierens dem Gegenspieler oder Veranstalter anheimfällt (BGHSt 34, 171, 175 ff.; ebenso OLG Celle NJW 1996, 2660; BayObLGSt TuP 1990, 26, 30 = NJW 1990, 1862).

Nicht als Einsatz anzusehen ist daher ein an den Veranstalter gezahlter Betrag, der mit dem eigentlichen Spiel nichts zu tun hat, in jedem Fall verloren ist und lediglich die Mitspielberechtigung gewährt, ähnlich wie das Eintrittsgeld zum Besuch einer Spielbank (BayObLG a.a.O.). Ohne das den anerkannten Glücksspielbegriff einschränkende Erfordernis, dass durch die Leistung eines Einsatzes die Aussicht auf einen von einem Zufall abhängigen Vorteil erlangt wird, wäre der Glücksspielbegriff zu unbestimmt und würde dem aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Bestimmtheitsgebot nicht genügen. Dafür, ob ein vom Spiel unabhängiger und in jedem Fall verlorener Betrag im Sinne eines Eintritts- oder Startgelds oder aber ein glückspielrelevanter Einsatz vorliegt, ist entscheidend, inwieweit durch die Zahlung ein Anreiz geschaffen wird, sich dadurch in den Besitz der Gewinne zu bringen.

Dieser Anreiz ist die Grundlage der Spielleidenschaft, deren Ausbeutung durch § 284 StGB kontrolliert werden soll. In diesem Sinne ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 34, 171, 177) zu verstehen, wenn auf den „notwendigen Zusammenhang zwischen Aufwendung eines Vermögenswertes und dessen Gewinn oder Verlust“ abgestellt wird. Wenn der Einsatz direkt in die Finanzierung der Gewinne fließt, wird der Anreiz, sich diesen und darüber hinaus noch einen weiteren Anteil an den Einsätzen der Mitspieler zu sichern bzw. sich im umgekehrten Fall unter Hintanstellen der drohenden Folgen im Falle des Verlusts die eingesetzten Beträge zurückholen zu wollen, umso deutlicher. Andererseits kann ein Einsatz auch dann vorliegen, wenn der Betrag nicht direkt der Finanzierung der Gewinne dient. Ein Einsatz liegt aber dann nicht vor, wenn dem Spieler durch die von ihm aufgewendeten vermögenswerten Leistungen nicht die Chance verschafft wird zu gewinnen, sondern lediglich eine weitere Teilnahmeberechtigung verbunden mit der Möglichkeit, sich in Zukunft eine Gewinnchance zu verschaffen (so BGHSt 34, 171, 177 in Abgrenzung zu BGHSt 11, 109).

Dies unterscheidet den Einsatz auch von einem Betrag, der mit dem eigentlichen Spiel nichts zu tun hat, wie dem Eintrittsgeld oder dem Erwerb einer dem eigentlichen Spiel vorausgehenden Mitspielberechtigung. Unerheblich ist dagegen die Bezeichnung des Einsatzes, da dieser auch verdeckt geleistet werden kann (BGHSt 11, 209, 210; VG Weimar Beschluss vom 10.10.2007 Az: 5 E 1520/07 We, zitiert nach juris, Rn. 9).

2. Muss bei einem Pokerturnier ein Spielinteressent einen Geldbetrag entrichten, der ihm nicht nur den Zugang zum Turnier als solchem eröffnet, sondern auch zur Zuweisung einer bestimmten Anzahl von Spielpunkten (Blinds) führt, kann ein Einsatz oder lediglich ein Unkostenbeitrag vorliegen, nämlich ein Eintrittsgeld, das dazu dient, die Mitspieler an den Aufwendungen des Veranstalters für die Organisation zu beteiligen. Maßgebend sind somit die konkret festgestellten Umstände des Einzelfalls. Zunächst spricht ein Startgeld in Höhe von 15 Euro eher für einen Unkostenbeitrag (vgl. OVG Berlin-Brandenburg ZfWG 2009, 190).

Gegenteilige Feststellungen hat das Landgericht nicht getroffen. Je höher das Startgeld ist, umso mehr spricht dafür, dass dieses zumindest mittelbar der Finanzierung der Gewinne dienen könnte. Daneben ist aber auch das Verhältnis zwischen dem vom Spieler aufzuwendenden Betrag und dem Wert des Gewinns zu beachten. Dabei spielt es keine Rolle, ob es Geld oder Sachwerte zu gewinnen gibt. Vorliegend wird Sieger der Tischrunde, wer alle Blinds auf sich vereinigt. Dies berechtigt ihn aber lediglich, um den Tagessieg zu spielen. Dagegen können die im Spiel gewonnenen Blinds nicht eingelöst werden.

Der Tagessieger wiederum ist berechtigt, auf eigene Kosten an der Finalrunde in Baden-Baden teilzunehmen. Erst der Sieger der Finalrunde erhält den gesponserten Hauptpreis. Die jeweils „gewonnenen“ Teilnahmeberechtigungen verschaffen keinen vermögenswerten Vorteil, sondern bilden lediglich die Grundlage, an weiteren Spielrunden teilzunehmen. Sie sind also nur eine Vorstufe zur Chance, sich die ausgelobten Sachpreise zu verschaffen (vgl. BGHSt 34, 171, 177). Etwas anderes gilt bei dem festgestellten Sachverhalt auch nicht für den Fall, dass die Möglichkeit besteht, entweder nach Verlust der mit der ersten Spielberechtigung erworbenen Blinds eine neue gleichartige Spielberechtigung zu erwerben oder von vorneherein mehrere Spielberechtigungen zu erwerben (Rebuy).

Die Möglichkeit kann für sich genommen ein Indiz für einen tatbestandsmäßigen Einsatz sein. Hier bestand jedoch am Ende des erneuten Spiels nur eine weitere Teilnahmeberechtigung und final die Chance, sich einen der ausgeloben Sachpreise zu verschaffen. Da das Spiel zur Ermittlung des Tischsiegers und des Tagessiegers nach den vorgenannten Kriterien dem Glücksspielbegriff nicht unterfällt, kann für die wiederholte Teilnahme an diesen Spielen (Rebuy) nichts anderes gelten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und Abs. 2 StPO.

(Unterschriften)