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Wertersatz nach Widerruf – Erste deutsche Entscheidung nach dem EuGH!

Wertersatz nach Widerruf – Erste deutsche Entscheidung nach dem EuGH!

von Rechtsanwalt Dr. Thomas Engels, LL.M.

Der Europäische Gerichtshof hatte mit seiner Entscheidung in Sachen Messmer für erhebliche Unsicherheit bei deutschen Shopbetreibern gesorgt. In dem Urteil hatte er entschieden, dass die deutsche Vorschrift des § 346 Abs. 1 BGB nicht mit europäischen Vorschriften und insbesondere der Fernabsatzrichtlinie nicht vereinbar ist.

Was war geschehen? Ein Händler hatte im Fernabsatz ein Notebook verkauft und dabei die Kundin fehlerhaft belehrt. Dies hatte die gesetzliche Folge, dass auch noch nach Ablauf der zweiwöchigen bzw. einmonatigen Frist ein Widerruf ausgeübt werden konnte. Dies hatte die Kundin auch getan. Nach Rücksendung des Notebooks erfolgte jedoch keine vollständige Rückzahlung des Kaufpreises. Vielmehr wurde vom Händler ein bestimmter Betrag einbehalten.

Diesen Betrag berechnete der Händler unter Zugrundelegung des Abschreibungswertes des Notebooks für den Zeitraum ab dem Kauf bis zum Widerruf – so würde sich der Betrag für den zu leistenden Wertersatz berechnen, dies seien die Nutzungen, die die Kunden gezogen habe. Insoweit verwies er auf die Vorschrift des § 346 Abs.1 BGB. Zu Unrecht, wie der EuGH meinte.

Denn diese Vorschrift sei im Falle der Ausübung des Widerrufs dazu geeignet, den Verbraucher in der Ausübung seiner Rechte zu hindern. Das deutsche Recht sei insoweit nicht mit europäischen Vorgaben vereinbar. Ein Nutzungswertersatz könne nur dann gefordert werden, wenn etwa der Kunde wider den Grundsätzen von Treu und Glauben gehandelt habe. Das wir im konkreten Fall jedoch nicht so – die Tatsache, dass der Widerruf aufgrund einer fehlerhaften Belehrung erst viel später erfolgte, spielte keine Rolle.

Seitdem herrschte Unsicherheit, ob diese Entscheidung auch auf die Möglichkeit des Händlers zur Forderung von „Abnutzungswertersatz“, also des Wertersatzes für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme fordern kann. Dieser ist in §§ 357 Abs. 1, 346 Abs. 2 BGB geregelt.

Die Meinungen gingen weit auseinander – teilweise wurde die Auffassung vertreten, die Entscheidung des EuGH habe dem Wertersatz vollständig den Garaus gemacht und bedauerten die betroffenen Händler. Andere Stimmen vertraten die Auffassung, dass der EuGH ausschließlich den Nutzungswertersatz, nicht jedoch den Wertersatz für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme gemeint habe.

Dieser zweiten Auffassung hat sich nun das LG Düsseldorf in einem Verfahren, das die Kanzlei Terhaag & Partner führte, angeschlossen.

In dem Verfahren stritten zwei Mitbewerber im Bereich der Kontaktlinsen über die Zulässigkeit der Verwendung des gesetzlichen Musters für die Widerrufsbelehrung. Das abmahnende Unternehmen war der Auffassung, die Formulierung „…“ könne nicht in der Widerrufsbelehrung verwendet werden – hierdurch werde nach der Entscheidung des EuGH eine unzulässige Wertersatzpflicht vereinbart.

Hiergegen setzte sich das von der Kanzlei Terhaag & Partner vertretene Unternehmen im Wege der negativen Feststellungsklage zu Wehr – zu Recht, wie nun das LG Düsseldorf meinte. Die Entscheidung finden Sie im Volltext hier.

Denn zum einen werde durch die angegriffene Formulierung in der Widerrufsbelehrung schon keinerlei Wertersatzpflicht vereinbart – diese sei im Gesetz verankert, nicht in der Widerrufsbelehrung. Die Formulierung in der Widerrufsbelehrung beinhalte nur einen Hinweis, wie die Wertersatzpflicht vermieden werden könne – und bewege sich damit sogar im Rahmen dessen, was der EuGH mit den Grundsätzen von Treu und Glauben gemeint habe. Daher sei die Belehrung völlig zu Recht verwendet worden.

Da nun ausschließlich das deutsche BGB, nicht aber die Widerrufsbelehrung in einem möglichen Widerspruch zu europäischem Recht stehe, konnte das Gericht auch keine Verpflichtung der Mitbewerber erkennen, diesen Umstand zu prüfen, umzusetzen oder zu beseitigen. Hierfür sei der Gesetzgeber verantwortlich, der mit der zum 11. Juni 2010 geplanten Überführung der Widerrufsbelehrung in den Rang eines Gesetzes noch einmal manifestiere, dass dieser die Umsetzung der europäischen Richtlinie für abgeschlossen halte. Ein Wettbewerbsverstoß könne keinesfalls angenommen werden.

Schließlich käme dem Verwender der Musterbelehrung auch die Privilegierung der BGB-InfoV zu Gute – wer das Muster verwende, könne sich gar nicht wettbewerbswidrig verhalten.

Die Entscheidung bedeutet damit einen Meilenstein in der unendlichen Geschichte der Rechtsprechung zur Widerrufsbelehrung – die Verwender des gesetzlichen Musters müssen sich über eine mögliche Wettbewerbswidrigkeit der Wertersatzverpflichtung des Kunden aufgrund der  Entscheidung des EuGH keinerlei Sorgen machen. Daher kann an dieser Stelle zunächst „Entwarnung“ gegeben werden.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Über ein mögliches Berufungsverfahren halten wir Sie natürlich auf dem Laufenden. Sollten Sie in der Zwischenzeit Beratungsbedarf im E-Commerce rund um das Thema Widerrufsbelehrung haben – gerade vor dem Hintergrund der anstehenden Neuregelung im Juni diesen Jahres – stehen wir Ihnen natürlich gerne zur Verfügung!