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OLG Frankfurt: Verwechslungsgefahr bei "Blaue Seiten"

Leitsätzliches

Wer als Internet-Anbieter ein WWW-Branchenverzeichnis unter dem Namen "Die blauen Seiten" unterhält, handelt wettbewerbswidrig, weil die Verwechslungsgefahr mit den bekannten "Gelben Seiten" zu groß ist.

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT/MAIN

 

BESCHLUSS

 

Aktenzeichen: 6 W 73/96

Entscheidung vom 15. Juli 1996

 

 

 

Die zulässige Beschwerde hat - nachdem die Antragstellerin den Eilantrag gegen den Antragsgegner zu 2) zurückgenommen hat - auch in der Sache Erfolg. (... )

 

Der Eilantrag ist auch begründet. Der Antragstellerin, die ausweislich der nunmehr vorgelegten Umschreibungsbestätigung des Deutschen Patentamts vom 10.10.1994 Inhaberin der eingetragenen Marke »Gelbe Seiten« ist, steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 4 Nr. 1, 14 Abs. 2 Nr. 2 Markengesetz zu. Zwischen der Marke der Antragstellerin und der beanstandeten Bezeichnung »Die Blauen Seiten« besteht Verwechslungsgefahr im markenrechtlichen Sinn.

 

Der Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr dient dazu, den Schutzbereich einer Marke mit Hilfe verschiedener in Wechselwirkung miteinander stehender Kriterien - insbesondere der Stärke der Marke, dem Grad der Zeichenübereinstimmung und der Nähe der betroffenen Waren oder Dienstleistungen - zu bestimmen.

 

Hier muß der Marke der Antragstellerin im Hinblick auf ihre überragende Verkehrsgeltung ein weiter Schutzbereich zugemessen werden (vgl. hierzu BGH GRUR 9 1, 609, 611 - SL). Die Antragstellerin hat durch Vorlage mehrerer demoskopischer Umfrageergebnisse, insbesondere der Umfragen des Sample-Instituts aus den Jahren 1984 und 1986, glaubhaft gemacht, daß sich die Bezeichnung »Gelbe Seiten« als Titel für Branchenfernsprechverzeichnisse fast vollständig im Verkehr durchgesetzt hat. Darüber hinaus spricht für den außergewöhnlich hohen Grad der Verkehrsdurchsetzung neben der betriebenen umfangreichen Werbung vor allem auch der Umstand, daß jeder Inhaber eines Telefonanschlusses die »Gelben Seiten« seit vielen Jahren in regelmäßigen Abständen erhält, so daß ihm dieser Titel geläufig sein muß.

 

Weiter besteht zwischen dem Branchenfernsprechbuch, für das die Antragstellerin Verkehrsgeltung mit ihrer Marke erworben hat, und einem Branchenverzeichnis im »lnternet«, für das die Antragsgegnerin die Bezeichnung »Blaue Seiten« benutzt, große Ähnlichkeit im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 Markengesetz. In den letzten Jahren ist es allgemein üblich geworden, daß bisher in gedruckte Form erhältliche Publikationen jeder Art von dem herausgebenden Unternehmen auch in elektronischer Form, sei es auf Datenspeichern wie Disketten oder CD-ROMS, sei es in Datennetzen wie »Internet«, angeboten werden. Der Verkehr wird daher in hohem Maße dazu neigen, übereinstimmend oder ähnlich gekennzeichnete Waren oder Dienstleistungen in beiden Bereichen ein und demselben Unternehmen zuzuordnen.

 

Dagegen muß die Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Bezeichnungen zwar als vergleichsweise gering angesehen werden, da die verwendeten Farbbezeichnungen »gelb« und »blau« verhältnismäßig deutlich voneinander unterscheidbar sind. Andererseits ist der übereinstimmende Zeichenbestandteil »Seiten« trotz seines beschreibenden Bezuges für die Unterscheidungskraft der Marke der Antragstellerin durchaus von Bedeutung, da es ungewöhnlich ist, ein Bucherzeugnis mit dem Begriff »Seiten« zu kennzeichnen.

 

Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 Markengesetz die Gefahr aus, daß die Marke und das angegriffene Zeichen gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Zwar unterfällt diesem von der Rechtsprechung bisher noch nicht genau abgegrenzten Tatbestandsmerkmal nicht jegliche wie auch immer geartete gedankliche Assoziation zu der geschützten Marke (vgl. BGH GRUR 96,200,202 - Innovadiclophlont). Gemeint sind aber jedenfalls solche, bisher unter dem Begriff der »mittelbaren Verwechslungsgefahr« erfaßten Fälle (vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Markenrechtsreformgesetz, Bundestagsdrucksache 12/658 1, S. 71), in denen der Verkehr die sich gegenüberstehenden Bezeichnungen zwar ohne weiteres auseinander hält, jedoch aufgrund gemeinsamer Merkmale annimmt, das eine Zeichen sei eine Abwandlung oder Weiterbildung des anderen, und daraus den irrigen Schluß auf die gemeinsame Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zieht (vgl. Baumbach/Hefermehl, Warenzeichengesetz, 12. Aufl., Rdnr. 76 zu § 31). Diese Voraussetzungen sind auch hier gegeben.

 

Gerade weil die beanstandete Bezeichnung für ein anderes, jedoch dem Branchenfernsprechbuch nahe verwandtes Medium benutzt wird, ist es für den Verkehr ohne weiteres denkbar, daß der Inhaber der stark durchgesetzten Marke »Gelbe Seiten« seine Tätigkeit auf dieses weitere Gebiet ausgeweitet und seine bisherige Marke zur Kennzeichnung der neuen Leistung in der in Rede stehenden Weise abgewandelt hat. Dies hätte für den Markeninhaber den Vorteil, daß einerseits durch die Kombination des Begriffs »Seiten« mit einer anderen Farbbezeichnung die Verbindung zu den »Gelben Seiten« hergestellt bleibt, andererseits aber durch die abweichenden Farben die beiden Leistungen schon anhand ihrer Bezeichnungen unterschieden werden können.

 

Unter Berücksichtigung der genannten Gesamtumstände liegt die Annahme des Verkehrs, bei den »Blauen Seiten« handele es sich lediglich um eine vom selben Anbieter stammende Abwandlung der »Gelben Seiten« in einem anderen Medium, zumindest so nahe, daß angesichts der überragenden Verkehrsgeltung der Marke der Antragstellerin eine Verwechslungsgefahr im markenrechtlichen Sinn bejaht werden muß.

 

Der Schutzumfang der Marke der Antragstellerin hat auch nicht dadurch eine Eingrenzung erfahren, daß die Antragstellerin etwa ähnliche, im Verwechslungsbereich liegende Bezeichnungen wie die der Antragsgegnerin geduldet hätte. Die Schwächung einer Marke unter diesem Gesichtspunkt kommt nur in Betracht, wenn die Antragstellerin die Verwendung vergleichbarer Bezeichnungen in einem solchen Umfang hingenommen hätte, daß sich der Verkehr inzwischen an das Nebeneinanderbestehen ähnlicher Zeichen gewöhnt und gelernt hätte, auch auf geringfügige Unterschiede zu achten (vgl. hierzu Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdnr. 155 zu § 31). Davon kann auch nach dem Vortrag der Antragsgegnerin nicht ausgegangen werden. Nach den vorgelegten Glaubhaftmachungsmitteln ist von den ähnlichen Zeichen bisher lediglich ein einziges tatsächlich in Benutzung genommen worden (»Bunte Seiten«); dies reicht für eine Schwächung der Marke der Antragstellerin bei weitem nicht aus.