×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Urteile
/
Wettbewerbsrecht
/
Urteile vor 2002
/
LG Berlin: 0190-Dialer

Leitsätzliches

0190er-Dialer, mit denen der Zugriff auf Datenbanken ermöglicht wird, sind Teledienste im Sinne des BGB § 312e. Der Verstoß gegen § 312e Abs. 1 Nr. 2 BGB bedeutet zugleich einen Verstoß gegen UWG § 1.

LANDGERICHT BERLIN

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

Aktenzeichen: 102 O 48/02

Entscheidung vom 28. Mai 2002

 

 

 

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

(...)

 

wegen wettbewerbsrechtlicher Ansprüche

 

hat die Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin in 10589 Berlin (Charlottenburg), Tegeler Weg 17/21, auf die mündliche Verhandlung vom 28. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht * sowie die Handelsrichter * und *

 

für R E C H T erkannt:

 

1. Die einstweilige Verfügung vom 23. April 2002 wird bestätigt.

 

2. Die weiteren Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

 

 

 

Tatbestand

Geschäftsgegenstand der Antragsgegnerin ist u. a. das Vermieten sogenannter Dialer. Derartige Dialer ermöglichen durch Einsatz eines 0190-er Wahlprogramms den Zugriff auf Datenbanken. Die derart uber die Antragsgegnerin zugänglichen Datenbanken sind pornographisch/erotischen Inhalts. Der Antragsteller war in der Vergangenheit in gleicher Weise wie vorbeschrieben tätig.

 

Er behauptet, er sei auch jetzt entsprechend tätig und beanstandet, dass den Feststellungen seines Verfahrensbevollmächtigten in der mit dem 15. April 2002 beginnenden Woche zufolge man über die Eingabe der Internetadresse "www.*.de" auf das Angebot der Antragsgegnerin gelangt sei Nach Betätigung der Schaltfläche ,Eingang‘ sei man in den "*" gelangt. Sei man sodann wie auf Seite 4 der Antragsschrift (BI. 5 d.A.) verfahren, sei letztendlich das kostenpflichtige Programm über eine 0190 Telekommunikationsnummer gestartet worden. Dabei seien keine Informationen über die einzelnen technischen Schritte, die zum Abschluss eines Vertrages führten, und keine Mitteilungen darüber, ob ihre, der Antragsgegnerin, zum Abschluss des Vertrages eingesetzte Software den Vertragstext, der Gegenstand des Vertrages ist, speichern wird und/oder, ob die vertragsgegenständlichen Daten dem Verbraucher zugänglich seien, gegeben worden. Auf diese Gegebenheit auf Antragsgegnerseite sei er erstmalig Anfang April 2002 aufmerksam geworden.

 

Soweit sich die Antragsgegnerin jetzt auf Informationen in von ihr ebenfalls in das Netz gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen beruft, behauptet er, die Antragsgegnerin habe nach Abmah­nung diese AGB‘s von Mitbewerbern abgeschrieben.

 

Der Antragsteller meint, das Vorgehen der Antragsgegnerin laufe § 312 e BGB zuwider und bedeute auch einen Verstoß gegen § 1 UWG.

 

Dem Antrag des Antragstellers entsprechend ist der Antragsgegnerin durch einstweilige Verfügung mit Beschluss vom 23. April 2002 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verträge über die Bereitstellung von Computerprogrammen, insbesondere sog. 0190-er Einwahlsoftware ("dialer") bzw. sonstige "dialer"-Software für kostenpflichtige Mehrwertnummern, zur Vermietung von Zugriffszeiten zu Datenbanken/ -servern anzubieten und/oder anbieten zu lassen, solche Software zu vertreiben und/oder vertreiben zu lassen, diese zu benutzen und/oder benutzen zu lassen, diese zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, bei denen dem Verbraucher nicht rechtzeitig vor Vertragsschluss klar und verständlich Mitteilung gemacht wird,

 

a) über die einzelnen technischen Schritte, die zum Abschluss des vorgenannten Dienstleistungsvertrages führen und/oder

 

b) ob ihre zum Abschluss des Vertrages eingesetzte Software den Vertragstext, der Ge­genstand des vorgenannten Dienstleistungsvertrages ist, speichern wird und/oder ob die vertragsgegenständlichen Daten dem Verbraucher zugänglich sind.

 

Nachdem die Antragsgegnerin hiergegen Widerspruch eingelegt hat, beantragt der Antragsteller, die Verfügung mit Beschluss vom 23. April 2002 zu bestätigen.

 

Die Antragsgegnerin beantragt,

 

den Beschluss vom 23. April 2002 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

 

Die Antragsgegnerin stellt in Zweifel, ob der Antragsteller noch als Mitbewerber einschlägig tätig ist.

 

Sie behauptet, die beanstandete Situation sei dem Antragsteller seit Jahreswechsel bekannt. Weiterhin verweist sie darauf, dass bei Aufruf ihres, der Antragsgegnerin, Dialers, diese Informationen im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten und auch ausdruckbar seien.

 

Schließlich rügt sie das Vorgehen des Antragstellers als rechtsmissbräuchlich und behauptet, der Antragsteller habe eine Abmahnkampagne vorbereitet. Diese habe zu Umsatzsteigerungen von 60 % geführt.

 

Schließlich ist sie der Ansicht, ihr Angebot bedeute eine Dienstleistung im Bereich der Freizeitge­staltung; diesbezüglich sei § 312 b Abs. 3 Nr. 6 BGB einschlägig.

 

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechsel­ten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

Gemäß den §§ 936, 925 ZPO war die einstweilige Verfügung zu bestätigen, weil sich der auf ihren Erlass gerichtete Antrag auch nach dem jetzt beachtlichen Sach- und Streitstand als zulässig und begründet erweist.

 

I. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig.

 

1. Der Antragsteller ist antragsbefugt. Er kann seine Antragsbefugnis unmittelbar aus der als ver­letzt geltend gemachten Norm, § 1 UWG, herleiten, weil er als Mitbewerber der Antragsgegne­rin unmittelbar von der beanstandeten Handhabung betroffen ist.

 

Ungeachtet der Frage, ob das einschlägige Bestreiten seitens der Antragsgegnerin hinreichend substanziiert ist, hat der Antragsteller eine entsprechende aktuelle unternehmerische Betäti­gung jedenfalls im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2002 durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung hinreichend glaubhaft gemacht.

 

2. Dem prozessualen Vorgehen des Antragstellers steht auch nicht der Einwand rechtsmissbräuchlichen Vorgehens gemäß § 13 Abs. 5 UWG entgegen.

 

Ein solcher Missbrauch liegt vor, wenn ein Klage- bzw. Antragsbefugter mit der Geltendma­chung eines Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Inter­essen verfolgt (BGH WRP 2000, 1266, 1267).

 

Nach Einschätzung der Kammer ist es nicht zu beanstanden, wenn der Antragsteller sich, so­lange er einschlägig im geschäftlichen Verkehr tätig ist, gegen wettbewerbsrelevantes, seines Erachtens wettbewerbswidriges Verhalten von Mitbewerbern wendet, und zwar auch umfassend, d. h. gegenüber allen oder der Mehrzahl derjenigen, die wie von ihm beanstandet, im geschäftlichen Verkehr vorgehen.

 

Auch Umsatzzuwächse infolge Durchsetzung wettbewerbsrechtskonformer Geschäftspraktiken bei Mitbewerbern sind nach Einschätzung der Kammer nicht zu beanstanden.

 

II. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist auch begründet. Das vom Antragsteller dargelegt, hier beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin läuft den §§ 312 e Abs. 1 Nr. 2 BGB, 3 Nr. 1 und 2 BGB-InfoV und auch § 1 UWG zuwider.

 

1. In tatsächlicher Hinsicht ist die Kammer nach § 286 ZPO zu hinreichender Überzeugung gelangt, dass es sich hinsichtlich der Schritte, die ein Interessent, gelangt er über die Internetadresse "www.*.de" auf das Angebot der Antragsgegnerin, bis zum Herstellen einer Verbindung über eine 01 90-Telekommunikationsnummer so verhält, wie vom Antragsteller in seiner Antragsschrift beschrieben, d. h., dass die nach § 312 e Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 3 Nr. 1 und 2 vorgegebenen Informationen tatsächlich nicht gegeben wurden. Entsprechendes ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin, der ausgeführt hat, die zum Beleg des Vorgehens im Internet bis zum Aufruf des kostenpflichtigen Programms durch screenshots belegten Schritte seien vollständig und enthielten keine Auslassungen.

 

Zwar hat die Antragsgegnerin eingewandt, Informationen, wie vom Antragsteller als fehlend be­anstandet, könnten über ihre AGB‘s abgerufen werden. Jedoch ist die diesbezügliche Erwiderung des Antragstellers unwidersprochen geblieben, dass die Antragsgegnerin eine zusätzliche Information über ihre AGB‘s erst zu späterer Zeit ins Netz gestellt habe. Hiernach kann dahinstehen, ob eine solche Information, wie jetzt von der Antragsgegnerin geltend gemacht, "klar und verständlich" im Sinne von § 312 e Abs. 1 Nr. 2 BGB ist.

 

2. Es liegt ein Verstoß gegen § 312 e Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 3 Nr. 1 und 2 BGB-InfoV vor.

 

a. Die Antragsgegnerin ist Unternehmer im Sinne des § 312 e Abs. 1 BGB. Sie erfüllt die Voraussetzungen der gesetzlichen Definition in § 14 Abs. 1 BGB.

 

b. Weiterhin bedient sie sich zum Abschluss eines Vertrages über die Erbringung von Dienstleistungen eines Teledienstes. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn der Vertragsschluss unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel erfolgt (Palandt-Heinrichs, Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, § 312 e, Rdnr. 3). Es geht hier um Angebote von Dienstleistungen in elektronisch abrufbaren Datenbanken mit interaktivem Zugriff und unmittelbarer Bestellmöglichkeit im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 5 TDG.

 

c. Anderes ergibt sich auch nicht aus § 312 b Abs. 3 Nr. 6 BGB demzufolge die Vorschriften über Fernabsatzverträge keine Anwendung auf Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Freizeitgestaltung finden.

 

Wird ein Fernabsatzvertrag unter Einsatz von elektronischen Kommunikationsmitteln geschlos­sen, gelten sowohl § 312 b ff. wie auch § 312 e BGB (Palandt-Heinrichs, a.a.O., Rdnr. 5). Liegt es so, mag § 312 b Abs. 3 BGB die Vorschriften über Fernabsatzverträge ausschließen, es bleibt jedenfalls § 312 e anwendbar, der jeden "Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr" zwischen Unternehmer und Kunden regelt.

 

d. Ist § 312 e grundsätzlich anwendbar, hat der Unternehmer dem Kunden nach der Regelung in Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 auch die in der BGB-InfoV bestimmten Informationen rechtzeitig vor Abgabe von dessen Bestellung klar und verständlich mitzuteilen. Zu diesen Informationen gehören nach § 3 Nr. 1 und 2 BGB-InfoV auch solche über die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsschluss führen und solche darüber, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist.

 

3. Der Verstoß gegen § 312 e Abs. 1 Nr. 2 BGB bedeutet zugleich einen Verstoß gegen UWG § 1.

 

Das Vorgehen der Antragsgegnerin war geeignet, ihr einen ungerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen. Erfolgt die gebotene Information "rechtzeitig vor" Vornahme der vertragsbegründenden Handlung des Kunden, und zwar "klar und verständlich", wird einem durchaus beachtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise jetzt noch einmal deutlich werden, dass er unmittelbar vor dem "Klick" steht, der entgeltliche vertragliche Verpflichtungen zu seinen Lasten auslöst, und wird sich im Zweifel noch einmal überlegen, ob er sich auf einen Vertragsschluss einlassen will. Deshalb bedeutet das Missachten dieser lnformationsverpflichtungen mehr als nur das Verschaffen eines lediglich formalen Wettbewerbsvorteils. Letztendlich werden mit den in § 312 e BGB vorgegebenen lnformationspflichten auch gleiche Wettbewerbsbedingungen für die dort angesprochenen normunterworfenen Unternehmer gesetzt.

 

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

(Unterschriften)