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Beratungsdienstleistungen - LG Bremen, Urteil vom 25. November 1999, 12 O 440/99 -

Leitsätzliches

Um als Gericht des Begehungsortes für Streitigkeiten über Werbung im Internet zuständig zu sein, muss gemäß § 1 UWG die Werbung geeignet sein, den Wettbewerb im Gerichtsbezirk zu beeinflussen. Allein die Hilfe beim Ausfüllen eines Fördermittelantrages ist keine Rechtsberatung im Sinne des RechtsberatungsG, solange dem nicht eine Anspruchsprüfung vorausgegangen ist.

LANDGERICHT BREMEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 12 O 440/99 Verbunden mit 12 O 441/99
Entscheidung vom 25. November 1999

 

In Sachen (...)

erkennt die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 1999 durch (...) für  Recht:

 

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird als unzulässig zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt Verfahrenskosten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von DM 3.000,00 abwenden, wenn nicht die Antragsgegner vor Beginn der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Der Antragsteller begehrt von den Antragsgegnern die Unterlassung angeblich wettbewerbswidriger Fördermittelberatung sowie der Werbung für eben diese Tätigkeit. Der Antragsteller hat seine Anträge zunächst in getrennten Verfahren verfolgt; das Gericht hat beide Verfahren miteinander verbunden.

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und als solcher angeblich ausschließlich auf dem Gebiet des Subventionsrechts beratend tätig. Wie er vorträgt, berät und schult er bundesweit Unternehmer sowie Existenzgründer und junge Rechtsanwälte. Die Antragsgegner sind Unternehmensberater und als Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert.

Sie sind in Riesa/Sachsen ansässig und bieten u.a. Beratungs-Dienstleistungen für Selbständige an. Unter ihrer Domain-Adresse werben die Antragsgegner im Internet für ihre Dienstleistungen, bis zum 19.08.1999 auch für "Finanzierungs- und Fördermittelberatung und –beantragung“' (Anlage ASt 1 2,- Bi. 13 d.A.) . Aufgrund der Abmahnung des Antragstellers haben die Antragsgegner ihre Internet-Werbung geändert (Anlage B 6 = Bl. 53 d.A.); sie sind jedoch nicht bereit, die vom Antragsteller geforderte vertragsstrafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Die Antragsgegner sind nach ihrer Darstellung ausschließlich im Freistaat Sachsen geschäftlich tätig.

Der Antragsteller meint, dass es angesichts seiner bundesweiten Aktivität wahrscheinlich sei, dass die Parteien sich mit ihren Dienstleistungen auf demselben Markt begegneten. Die Werbung der Antragsgegner wie auch deren Umsetzung müsse untersagt werden, da die Antragsgegner, wenn sie ihrer Werbung entsprechend geschäftlich tätig seien, unerlaubte Rechtsberatung betrieben. Durch die Abrufbarkeit der Werbung im Internet sei für das Unterlassungsbegehren ein Gerichtsstand auch in Bremen begründet.

Der Antragsteller beantragt,

den Antragsgegnern im Wege einstweiliger Verfügung aufzugeben, es bei Meidung von Ordnungsmitteln für den Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, sowohl das Erbieten zur Beratung als auch die Beratungen im Bereich der Beantragung und Erlangung von öffentlichen Fördermitteln sowie die Hilfestellung bei der Antragstellung, die gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen durchzuführen.

Die Antragsgegner beantragen,

den Verfügungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegner rügen die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Bremen. Mit ihren Unternehmensberatungen seien sie ausschließlich in Sachsen tätig. Diese Tätigkeit stelle im übrigen lediglich einen Randbereich der umfassend ausgeübten Unternehmensberatung dar. Wenn Rechtsprobleme zu lösen seien, werde der mit ihnen kooperierende Rechtsanwalt (...), sofern die Kunden dies wünschten, hinzugezogen.

Der Antragsteller entgegnet, dass, wenn man das Vorbringen der Antragsgegner als wahr unterstelle, jedenfalls eine irreführende Internet-Werbung (§ 3 UWG) anzunehmen sei, da die Antragsgegner mehr versprächen, als sie zu halten vorgäben. Der Leser der beanstandeten Internet-Homepage müsse davon ausgehen, dass er bei den Antragsgegnern eine umfassende Fördermittelberatung einschließlich der Rechtsberatung erhalte.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die begehrte einstweilige Verfügung kann nicht ergeben. Ein Gerichtsstand in Bremen ist nicht begründet (§§ 24 Abs. 2 Satz 1 UWG, 32 ZPO). Die in Riesa geschäftsansässigen Antragsgegner haben die beanstandeten Handlungen nicht im Bezirk des Landgerichts Bremen begangen; es ist auch nicht zu erwarten, dass dies in Zukunft geschieht (1). Abgesehen davon hat der Antragsteller nicht glaubhaft dargetan, dass die Antragsgegner unerlaubte Rechtsberatung und/oder -besorgung betreiben oder dafür im Internet geworben haben (2).

1) Wenn man zugunsten des Antragstellers unterstellt, dass er als unmittelbar Betroffener einen etwaigen Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegner, der sich aus § 1 UWG i. V. m. Artikel 1 § 1 RechtsberatungsG (unerlaubter Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch) ergeben könnte, nicht auf dem "Umweg" über § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG geltend machen muss, kommen als zuständige Gerichte das für Riesa/Sachsen zuständige Landgericht (§ 24 Abs. 1 UWG) und weiter die Landgerichte in Betracht in deren Bezirken die beanstandeten Handlungen begangen wurden oder unmittelbar zu gewärtigen sind ( § 24 Abs. 2 Satz 1 UWG).

Der Antragsteller meint, dass als Gericht des Begehungsortes auch das Landgericht Bremen örtlich zuständig sei, weil die Internet Werbung der Antragsgegner an jedem Ort der Bundesrepublik Deutschland habe abgerufen werden können. Diese Rechtsauffassung lässt sich nicht halten. Bremen ist nicht Begehungsort im Sinne der §§ 24 Abs. 2 Satz 1 UWG, 32 ZPO.

Begehungsort einer Handlung ist der Ort, wo der Täter unmittelbar aktiv geworden ist, außerdem der Ort, wo der Erfolg seines Handelns eingetreten ist oder eintreten sollte. Bei Wettbewerbshandlungen in Printmedien wird deshalb als Begehungsort nicht nur der Ort des Erscheinens der Druckschrift, sondern auch jeder Ort, an dem die Druckschrift derart verbreitet worden ist, dass die im Streit stehende konkrete Werbemaßnahme dort als Wettbewerbshandlung in Erscheinung getreten ist, angesehen. Von einem wettbewerbsrechtlich relevanten Verbreitungsort (als Begehungsort im Sinne von § 24 Abs. 2 Satz 1 UWG) kann bei Zeitungsveröffentlichungen folglich nur dann die Rede sein, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: zum einen muss die Zeitung im regelmäßigen Geschäftsbetrieb durch den Verlag anständige Abnehmer im Gerichtsbezirk gesandt worden sein oder es muss zumindest ein regelmäßiger Verkauf in diesem Bezirk stattgefunden haben. Zum anderen muss die in der Zeitung eingerückte Werbung geeignet sein, den Wettbewerb in dem betreffenden Bezirk zugunsten des Werbenden zu beeinflussen. Diese für die Werbung in Printmedien entwickelten Regeln zur Bestimmung des Begehungsortes können wegen der grundsätzlichen Vergleichbarkeit von Druckschriften und elektronischen Veröffentlichungen in Netzwerken auch als Maßstab für die Werbung im Internet dienen. Freilich kann das für Presseveröffentlichungen geltende Kriterium der "bestimmungsgemäßen Verbreitung im regelmäßigen Geschäftsbetrieb" bei der Internet Werbung nicht einschlägig sein, weil die Abrufbarkeit dieser Werbung schon aus technischen Gründen nicht regional eingegrenzt werden kann. "Wer im Internet wirbt, ist mit seiner Werbeaussage international präsent, auch wenn er nur örtlich begrenzt geschäftlich tätig ist und sein will. Konkret: Der örtliche Malermeister, der sich den Luxus einer Internet Werbung gönnt, macht sich im letzten Winkel der Republik bemerkbar, obgleich er nicht die Absicht hat, seine Tapeten dort zu verkleben und niemand seine Leistungen von dort anfordern wird. Die verschiedentlich vertretene Auffassung, dass bei einer Werbung im Internet überall dort ein Gerichtsstand für Wettbewerbsstreitigkeiten begründet werde, wo die Information abgerufen werden könne, greift deshalb zu kurz und berücksichtigt nicht das oben genannte Kriterium, wonach die Werbung geeignet sein muss, den Wettbewerb im Bezirk des angerufenen Gerichts zu beeinflussen. Werbung geschieht nun einmal nicht im "luftleeren Raum", soll vielmehr den Markt beeinflussen, an dem der Werbende tätig ist und seine Waren und Dienstleistungen anbietet. Das entspricht der Ausrichtung des § 1 UWG (Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs) und im übrigen auch der Intention des Gesetzgebers, der mit der WG Novelle 1994 den "fliegenden Gerichtsstand" durch die Neufassung des § 24 Abs. 2 WG hat zurückdrängen wollen. Das Gericht sieht sich deshalb gehalten, den Begriff des Begehungsortes restriktiv zu interpretieren und nicht der fiskalisch bestimmten Verlockung zu erliegen, möglichst viele Wettbewerbsstreitigkeiten an sich zu ziehen. Das Landgericht Bremen wäre deshalb nur dann für das Unterlassungsbegehren des Antragstellers örtlich zuständig, wenn durch die Internet Werbung der Antragsgegner eine Beeinflussung des Wettbewerbs in der Freien Hansestadt Bremen zu gewärtigen gewesen wäre. Das ist indes nicht der Fall.

Die Antragsgegner bieten ihre Beratungsdienstleistungen nach ihrem Vortrag nur im Freistaat Sachsen an; Gegenteiliges behauptet der Antragsteller selbst nicht. Dort und auch nur dort hat folglich die beanstandete Internet Werbung den Wettbewerb beeinflussen können. Es ist auch nicht zu erwarten, dass ein Bremer Existenzgründer auf das Angebot der Antragsgegner zur Fördermittelberatung "anspringt" , weil Beratungsdienste dieser Art die Kenntnis des regionalen Wirtschaftsumfeldes voraussetzen und ein Bremer Unternehmer deshalb nicht den Gedanken verfallen wird, die in Riesa ansässigen Antragsgegner als Fördermittelberater zu begrüßen (Ausnahmen bestätigen insoweit die Regel).

Der Verfügungsantrag ist danach schon mangels Zulässigkeit zurückzuweisen.

2) Auch wenn ein Gerichtsstand in Bremen begründet wäre, könnte der Antragsteller mit seinem Verfügungsantrag keinen Erfolg haben. Nach dem derzeitigen Sachvortrag des Antragstellers betreiben die Antragsgegner keine unerlaubte Rechtsberatung und werben auch nicht für eine solche. Nach Artikel 1 § 1 Abs. 1 RechtsberatungsG ist die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung nur solchen Per­sonen gestattet, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt ist. Die Antragsgegner gehören nicht zu diesem Personenkreis. Rechtsberatung ist jede Unterrichtung des Ratsuchenden über die Rechtslage im Einzelfall und die zu ergreifenden Maßnahmen. Rechtsbesorgung ist die tatsächliche Umsetzung des Rates; allgemein: Die Ausführung von Rechtshandlungen für den Kunden/Mandanten.

Ein Unternehmensberater, der seine Kunden bei der Existenzgründung oder der späteren Organisation seines Unternehmens darüber informiert, ob und gegebenenfalls wo Fördermittel (Subventionen) zur Verfügung stehen, betreibt danach keine Rechts-, sondern Wirtschaftsberatung, soweit die Beratung nicht auch die Prüfung von Anspruchsberechtigungen und die Belehrung des Kunden darüber einschließt. Der Kunde erwartet von einem Unternehmensberater dass er ihn über die Möglichkeiten, an staatliche Fördermittel heranzukommen informiert und wird ihn, wenn die Information unterbleibt sogar wegen Verletzung des Beratungsvertrages auf Schadensersatz in Anspruch nehmen können.

Der Darstellung der Antragsgegner, dass sie aus allgemein zugänglichen Quellen die tatsächlichen Möglichkeiten staatlicher Subventionierung heraussuchten und ihren Kunden das Ergebnis mitteilten, ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. Es ist deshalb für dieses Verfahren davon auszugehen, dass die Darstellung der Antragsgegner zutrifft. Ist dem aber so, dann ist diese Tätigkeit keine Rechtsberatung, sondern lediglich die Information über die Möglichkeiten, staatliche Hilfsgelder (Subventionen) in Anspruch zu nehmen. Das ist Unternehmens/Wirtschaftsberatung.

Die Antragsgegner, wie der bis zum 19. 08. 1999 geschalteten Internet Werbung zu entnehmen ist, auch bei der Stellung von Fördermittelanträgen helfen oder jedenfalls auf Wunsch dazu bereit sind: Das Ausfüllen eines Fördermittelantrages für einen von Formular Phobie geplagten Kunden ist keine Rechtsbesorgung im Sinne von Art. 1 § 1 Abs. 1 RechtsberatungsG, handelt es sich dabei doch, solange es nicht das Ergebnis einer Anspruchsprüfung ist, um eine eher mechanische Tätigkeit. Anhaltspunk dafür, dass die Antragsgegner Anspruchsprüfungen und -begründungen für ihre Kunden vornehmen, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Auch die von den Antragsgegnern betriebene Internet Werbung ist als solche wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegner erwecken beim Leser nicht den Eindruck, dass sie Rechtsberatung und/oder Rechtsbesorgung betreiben (§ 3 UWG). Vielmehr kündigt der Internet Text in der für eine Werbeinformation notwendigen plakativen Vereinfachung die von den Antragsgegnern nach dem Ergebnis der Verhandlung gewollten Informations- und Beratungsleistungen an, die, wie ausgeführt, regelmäßig nicht als Rechtsberatung und/oder Rechtsbesorgung zu qualifizieren sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

(Unterschriften)