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1-Pfennig-Bild - BGH, Urteil vom 16. November 2000, I ZR 186/98 -

Leitsätzliches

Wer eine aus einzelnen Bestandteilen zusammengesetzte Gesamtleistung anbietet, darf, wenn sich hierfür ein Gesamtpreis bilden läßt, nicht den besonders günstigen Preis einzelner Leistungsbestandteile herausstellen, sondern muß nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV den Gesamtpreis angeben (Leitsatz des BGH).

BUNDESGERICHTSHOF

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES


Aktenzeichen I ZR 186/98
Entscheidung vom 16. November 2000


In dem Rechtsstreit

...

hat der Bundesgerichtshof durch die Richter ... für Recht erkannt:

 

Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Juli 1998 im Kostenpunkt und im übrigen teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

 

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ulm (Donau) vom 17. Februar 1998 im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen in der Weise geändert, daß im Tenor des vorbezeichneten Urteils unter Nr. 1 a das Wort "insbesondere" und die Wörter "und/oder" sowie die Verurteilung zu Nr. 1 b entfallen. Die Klage wird auch im Umfang der Abänderung abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand: 

Die Parteien betreiben Einzelhandelsmärkte, in denen sie unter anderem die Entwicklung von Filmen und die Fertigung von entsprechenden Abzügen anbieten.

Die Beklagte warb am 27. Oktober 1997 in einer - nachstehend verkleinert wiedergegebenen - Beilage zur S. -Presse U. unter der Überschrift "Treue lohnt sich" damit, daß sie einen Farbabzug der Größe 9 x 13 cm von einem Kleinbild-Negativ-Farbfilm in der Zeit vom 27. bis zum 31. Oktober 1997 für einen Pfennig herstellen würde. Der Preis sollte nur in Verbindung mit einer sogenannten Popline-Erstentwicklung gelten. Hierfür berechnete die Beklagte 3,50 DM für die Entwicklung des Films sowie 1,-- DM für den mit den Bildern jeweils - unabhängig von einer entsprechenden Beauftragung - stets mitgelieferten sogenannten Indexabzug, so daß sich ein 24-Bilder-Auftrag auf insgesamt 4,74 DM belief.

(Abbildung)

Die Klägerin hat die Anzeige unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das Verbot des übertriebenen Anlockens und des Behinderungswettbewerbs, des Ankündigens einer unzulässigen Sonderveranstaltung sowie einer irreführenden Werbung als wettbewerbswidrig beanstandet.

Sie hat beantragt,

 

die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen,

a) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für die Entwicklung von Farbbildabzügen in der Größe 9 x 13 cm vom Kleinbild-Negativ mit der Aussage "1 Pfennig", insbesondere wie dies in der beanstandeten Anzeige ersichtlich ist, zu werben und/oder
b) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Farbbildabzüge in der Größe 9 x 13 cm vom Kleinbild-Negativ für 1 Pfennig pro Abzug zu verkaufen.

Weiterhin hat sie beantragt, die Beklagte zur Auskunftserteilung zu verurteilen und deren Schadensersatzverpflichtung festzustellen; außerdem hat sie in der Berufungsinstanz einen Hilfsantrag gestellt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die beanstandete Werbung damit verteidigt, daß außer im hier nicht gegebenen und auch von der Klägerin selbst nicht geltend gemachten Fall einer Verdrängungsabsicht ein durch den Preis bewirktes Anlocken von Kunden nicht gegen § 1 UWG verstoße und daß auch die Voraussetzungen der weiteren von der Klägerin geltend gemachten Verbotsgründe nicht vorlägen.

Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil des Auskunftsanspruchs stattgegeben.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (OLG Stuttgart OLG-Rep 1998, 401).

Diese verfolgt mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat in der angegriffenen Werbung und in der Durchführung der beworbenen Aktion eine wegen übertriebenen Anlockens nach § 1 UWG unzulässige Wertreklame gesehen. Geldwerte Vergünstigungen als deren wesentliches Kennzeichen könnten auch dann vorliegen, wenn Leistungen zu einem ungewöhnlich niedrigen, nur als Scheinentgelt anzusehenden Preis gewährt würden. Dies sei hier der Fall, da, wie der durchschnittliche Fotoamateur erkenne, der Preis von einem Pfennig bei ca. 1/30, eventuell sogar 1/45 des durchschnittlich geforderten Preises für einen entsprechenden Fotoabzug liege. Die Beklagte sei sich bei der Gewährung dieser Vergünstigung bewußt, daß sie den Interessenten dadurch zum Aufsuchen ihres Geschäfts veranlasse, wo er dann mit ihrem übrigen, normal kalkulierten Warenangebot konfrontiert werde. Die Wirkung des übertriebenen Anlockens werde noch dadurch verstärkt, daß die Beklagte die Werbeaktion mit der Werbung für andere Artikel ihres Angebots verbunden und mit der Schlagzeile "Treue lohnt sich" sowie dem Hinweis auf ihre Preisgarantie geworben habe.

II. Die hiergegen gerichtete Revision hat teilweise Erfolg.

1. Die dem Hauptantrag der Klägerin entsprechende Verurteilung der Beklagten durch das Berufungsgericht hat keinen Bestand, weil dieser danach die Werbung für die Entwicklung von Farbbildabzügen in der Größe 9 x 13 cm vom Kleinbild-Negativ mit der Preisangabe "1 Pfennig" generell untersagt worden ist. Die Beklagte hat so allgemein nicht für die Entwicklung entsprechender Abzüge zu dem genannten Preis geworben. Ihre Werbung war nämlich u.a. dadurch gekennzeichnet, daß das Angebot auf fünf Tage befristet und außerdem auf die Fälle beschränkt war, in denen eine Erstentwicklung erfolgte. Damit bringt der der Verurteilung zugrunde gelegte Klageantrag das Charakteristische der beanstandeten Werbung jedenfalls teilweise nicht mehr zum Ausdruck und reicht daher über eine noch zulässige Verallgemeinerung der beanstandeten Verhaltensweise hinaus (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 10.12.1998 - I ZR 141/96, GRUR 1999, 509, 511 = WRP 1999, 421 - Vorratslücken; Urt. v. 15.7.1999 - I ZR 204/96, GRUR 1999, 1017, 1018 = WRP 1999, 1035 - Kontrollnummernbeseitigung I).

2. Bei einem zu weit gefaßten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag, dem eine konkrete Werbemaßnahme zugrunde liegt, ist der Klage im allgemeinen zu entnehmen, daß jedenfalls die konkret beanstandete Werbemaßnahme untersagt werden soll (vgl. z.B. BGHZ 126, 287, 296 = GRUR 1994, 844 = WRP 1994, 822 - Rotes Kreuz; BGH, Urt. v. 17.10.1996 - I ZR 153/94, GRUR 1997, 308, 311 = WRP 1997, 306 - Wärme fürs Leben; Urt. v. 3.12.1998 - I ZR 74/96, GRUR 1999, 760 = WRP 1999, 842 - Auslaufmodelle II). Dies ist hier schon deshalb der Fall, weil die Klägerin mit dem Insbesondere-Zusatz im Klageantrag zum Ausdruck gebracht hat, daß sie jedenfalls die Untersagung der beanstandeten Werbung in ihrer konkreten Ausgestaltung erstrebte (BGH, Urt. v. 8.10.1998 - I ZR 72/97, WRP 1999, 505, 507 - Nur 1 Pfennig; Urt. v. 8.10.1998 - I ZR 107/97, WRP 1999, 512, 515 - Aktivierungskosten, je m.w.N.).

3. Soweit sich der Antrag zu a) auf die konkrete Verletzungsform bezieht, steht der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.

a) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts stellt sich die beanstandete Werbung allerdings nicht als übertriebenes Anlocken nach § 1 UWG dar.
Bei dem mit dem Auftrag über die Entwicklung des Films und die Herstellung eines sogenannten Indexabzugs zum Preis von insgesamt 4,50 DM gekoppelten Erwerb von Erstabzügen handelt es sich aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Verkehrs ungeachtet der Gestaltung der beanstandeten Werbeanzeige um ein Gesamtangebot. Das ergibt sich zum einen aus der Tatsache, daß Erstabzüge die vorherige Entwicklung des Films voraussetzen, und zum anderen daraus, daß die Beklagte mit dem entwickelten Film und den Abzügen stets auch einen sogenannten Indexabzug mitliefert, den sie mit 1,-- DM in Rechnung stellt. Bei diesem Gesamtangebot kann in der alleinigen Ankündigung des besonders günstigen Preises für einen Teil der zu erbringenden Leistung kein unsachliches Mittel erblickt werden. Denn die Werbung mit der besonders günstigen Abgabe der Abzüge stellt sich als legitimer Hinweis auf den durch verschiedene Bestandteile bestimmten günstigen Preis der angebotenen Gesamtleistung und damit als Hinweis auf die eigene Leistungsfähigkeit dar. Die Anlockwirkung, die von einem attraktiven Angebot ausgeht, ist nicht wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs (BGHZ 139, 368, 374 = GRUR 1999, 264 = WRP 1999, 90 - Handy für 0,00 DM; BGH, Urt. v. 28.4.1994 - I ZR 68/92, GRUR 1994, 743, 745 = WRP 1994, 610 - Zinsgünstige Kfz-Finanzierung durch Herstellerbank; Urt. v. 25.9.1997 - I ZR 84/95, GRUR 1998, 500, 502 = WRP 1998, 388 - Skibindungsmontage).

b) Die Beklagte hat mit der beanstandeten Werbung aber gegen ihre Verpflichtung, die verschiedenen Preisbestandteile der von ihr angebotenen Gesamtleistung zu einem Endpreis im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Regelung der Preisangaben (v. 14.3.1985, BGBl. I S. 580 in der Fassung der 3. ÄnderungsVO v. 22.7.1997, BGBl. I S. 1910 - PAngV) zusammenzufassen, und damit zugleich gegen § 1 UWG verstoßen. Daß die Preisbestandteile zum Teil, nämlich was die bei jedem Film anfallenden Kosten für die Entwicklung (3,50 DM) und den Indexabzug (1,-- DM) anlangte, fix waren und im übrigen von der Anzahl der vom Kunden bestellten Abzüge abhingen, stand dieser Verpflichtung nicht entgegen. Zu berücksichtigen ist, daß die Filme regelmäßig eine bestimmte, vorgegebene Anzahl von Bildern umfassen. Der Beklagten wäre es daher ohne weiteres möglich gewesen, in der Anzeige jedenfalls für die üblichen Filme wie insbesondere solche, die für 24 und 36 Aufnahmen vorgesehen sind, entsprechende Endpreise anzugeben. Im Hinblick darauf verstößt die Beklagte, soweit sie von einer solchen Endpreisangabe absieht und statt dem den besonders günstigen Preis eines einzelnen Bestandteils herausstellt, gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV.

c) Unter diesen Umständen kann es offenbleiben, ob, wie die Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, der Verbraucher durch die beanstandete Werbung auch i.S. des § 3 UWG irregeführt wird.

4. Nicht begründet ist die Klage dagegen insoweit, als sich die Klägerin mit ihrem Antrag zu b) dagegen wendet, daß die Beklagte Farbbilder im Format 9 x 13 cm zum Stückpreis von 1 Pfennig abgibt.

Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten in diesem Punkt - aus seiner Sicht folgerichtig - damit begründet, daß durch die fortdauernde Bereitschaft der Beklagten, Abzüge zum Preis von 1 Pfennig abzugeben, die Kunden auch weiterhin in unlauterer Weise angelockt würden. Da jedoch in dem beanstandeten Angebot kein übertriebenes Anlocken liegt, kann ein solcher Wettbewerbsverstoß auch bei der Durchführung der Aktion nicht fortwirken. Zur Begründung dieses Antrags kann sich die Klägerin auch nicht darauf stützen, daß die konkret beanstandete Anzeige gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV und möglicherweise auch gegen § 3 UWG verstößt. Die Abgabe von Waren, die unter Verstoß gegen Bestimmungen der Preisangabenverordnung oder auf irreführende Weise beworben worden sind, ist für sich genommen nicht wettbewerbswidrig nach § 1 UWG, weil nicht angenommen werden kann, daß der in der Werbung liegende Verstoß bei der Entscheidung des Kunden für das beworbene Angebot noch fortwirkt; denn es ist niemals auszuschließen, daß die durch die Werbeanzeige unzureichend oder irreführend informierten Verbraucher vor Vertragsschluß Kenntnis von allen maßgeblichen Umständen erlangt haben (vgl. BGH, Urt. v. 8.10.1998 - I ZR 7/97, GRUR 1999, 261, 264 = WRP 1999, 94 - Handy-Endpreis; Urt. v. 6.10.1999 - I ZR 63/97, Umdr. S. 5).

5. Ohne Erfolg bleibt die Revision demgegenüber auch insoweit, als die Beklagte - bezogen auf das ihr jetzt noch verbotene Verhalten - zur Auskunftserteilung verurteilt und ihre Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz festgestellt worden ist. Insoweit genügt es, daß nach der Lebenserfahrung der Eintritt eines Schadens in der Zukunft mit einiger Sicherheit zu erwarten ist (BGHZ 130, 205, 220 f. - Feuer, Eis & Dynamit; BGH, Urt. v. 24.5.2000 - I ZR 222/97, WRP 2000, 1402, 1404 - Falsche Herstellerpreisempfehlung, m.w.N.). Wegen der fortbestehenden Wiederholungsgefahr ist - entgegen der Auffassung der Revision - eine zeitliche Beschränkung der Ansprüche auf den Zeitraum der Werbeaktion nicht veranlaßt. Die Revisionserwiderung weist im übrigen mit Recht darauf hin, daß die Klägerin zur Berechnung des ihr etwa entstandenen Schadens auch die Auskunft der Beklagten über die von dieser verkauften Abzüge benötigt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

(Unterschriften)