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Landgericht Karlsruhe, Urteil v. 26.10.16, Az.: 18 0 41/16

Leitsätzliches

1. Ein Stromversorger hat sich das Verhalten eines beauftragten Callcenters gemäß § 8 II UWG zurechnen zu lassen.
2. Die Täuschung über den Inhalt eines Telefongespräches sowie die Bedeutung eines per Mail zugesendeten Links in Form eines verschwiegenen Anbieterwechsels, stellt eine gezielte Behinderung iSd. § 4 Ziff 4 UWG des ursprünglichen Anbieters und Wettbewerbers dar.

typo3/

Landgericht Karlsruhe

Im Namen des Volkes

URTEIL

Entscheidung vom 26.10.2016

Az.: 18 O 41/16

In dem Rechtsstreit

Stadtwerke […]

Prozessbevollmächtigte: Terhaag & Partner Rechtsanwälte, RA Michael Terhaag, Graf-Adolf-Straße 70, 40210 Düsseldorf

g e g e n

eprimo GmbH, […]

wegen Wettbewerbsrecht

hat das Landgericht Karksruhe - Zivilkammer XVIII - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Horn als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2016

für Recht anerkannt:

1. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Karlsruhe vom 15.08.2016 - 18 O 41/16 - wird in Ziff. 1.b. mit folgender Maßgabe bestätigt:

Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an einem gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerin, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung verboten, geschäftlich handelnd,

die Antragstellerin durch Abwerben von Kunden gezielt zu behindern und/oder behindern zu lassen, wenn dies unter Täuschung des abzuwerbenden Kunden geschieht, insbesondere

aa) indem dem Angerufenen mitgeteilt wird, dass es sich lediglich um einen Tarifwechsel bei der Antragstellerin handelt, während es tatsächlich um einen Vertragswechsel zur Antragsgegnerin geht und/oder

bb) indem dem Angerufenen mitgeteilt wird, dass ihm eine E-Mail zugesendet wird, in der er einen Link anklicken muss, ohne darauf hinzuweisen, dass damit bereits ein Vertragsschluss erfolgt.

2. Die Verfügungsbeklagte trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) begehrt die teilweise Aufhebung einer erlassenen einstweiligen Verfügung und insoweit die Zurückweisung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung.

Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) ist ein in ... ansässiges Unternehmen, welches ihre Kunden mit Energie versorgt. Die Beklagte ist ebenfalls ein Energieversorgungsunternehmen mit Sitz in Neu-Isenburg.

Am 13.06.2016 rief der Mitarbeiter der Firma … einem Untervertriebspartner der Firma … die ihrerseits Kooperationspartnerin der Beklagten ist, unter dem Pseudonym … bei den Kunden der Klägerin, den Eheleuten … ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung an.
Der Inhalt des mit Frau … geführten Telefonats ist im Einzelnen streitig. Jedenfalls veranlasste Herr …, dass Frau …am Computer auf einen per E-Mail zugesandten Link klickte, woraufhin eine Seite mit dem Satz „Vielen Dank für Ihren Auftrag" erschien. Anschließend wurde das Telefonat beendet. In der Folgezeit widerriefen die Eheleute … den Vertragsabschluss mit der Beklagten.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 02.08.2016 wies die Klägerin die Beklagte auf den Vorgang hin und forderte sie erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Auf Antrag der Klägerin erließ das Landgericht Karlsruhe darauf­hin am 15.08.2016 eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte mit folgendem Inhalt:

1. Die Antragsgegnerin wird bei Meldung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerin, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung verboten, geschäftlich handelnd

a. Kunden der Antragstellerin ohne deren vorherige ausdrückliche Einwilligung zu Werbezwecken anzurufen und/oder anrufen zu lassen;

b.die Antragstellerin durch Abwerben von Kunden gezielt zu behindern und/oder behindern zu lassen, wenn dies unter Täuschung des abzuwerbenden Kunden geschieht.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gegen Ziffer 1.b. der einstweiligen Verfügung vom 15.08.2016 legte die Beklagte Wider­spruch ein [Ziff 1 a. wurde durch Abschlusserklärung anerkannt - Anmerk. der Red.].

Die Beklagte trägt vor:

Der Antrag Ziff. 1.b. sei mangels Bestimmtheit bereits unzulässig, zumindest aber zu weit gefasst und damit wegen fehlender Konkretisierung unbegründet.

Es liege auch keine Täuschung des abzuwerbenden Kunden der Klägerin vor. Herr … habe gleich zu Beginn des Gesprächs deutlich gemacht, dass er für die Firma … anrufe, um günstige Stromtarife von eprimo anzubieten. Es treffe ferner nicht zu, dass Herr … mehrfach mitgeteilt habe, es gehe nur um eine Tarifänderung und die Eheleute … würden ihren Strom weiterhin von der Klägerin beziehen. Auch habe Herr … nie behauptet, von den Stadtwerken … zu sein, sondern im Rahmen des Gesprächs lediglich Verbrauchsdaten erfragt, um der Kundin den für sie bei eprimo konkret erhältlichen Tarif auszurechnen.

Die Beklagte beantragt:

Das Verbot zu Ziff. 1.b. der einstweiligen Verfügung vom 15. August 2016 wird aufgehoben und der hierauf gerichtete Antrag zu 1.b. der Antragsschrift vom 12. August 2016 wird zurückgewiesen.

Im Hinblick auf den Einwand der Beklagten zur fehlenden Bestimmtheit bzw. Konkretisierung von Ziff. 1.b. der einstweiligen Verfügung hat die Klägerin zu Ziff. 1.b. die Bestätigung der einstweiligen Verfügung mit folgender Maßgabe beantragt:

Der Antragsgegnerin wird bei Meldung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an einem gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerin, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung verboten, geschäftlich handelnd,

die Antragstellerin durch Abwerben von Kunden gezielt zu behindern und/oder behindern zu lassen, wenn dies unter Täuschung des abzuwerbenden Kunden geschieht, insbesondere

aa) indem dem Angerufenen mitgeteilt wird, dass es sich lediglich um einen Tarifwechsel bei der Antragstellerin handelt, während es tatsächlich um einen Vertragswechsel zur Antragsgegnerin geht und/oder

bb) indem dem Angerufenen mitgeteilt wird, dass ihm eine E-Mail zugesendet wird, in der er einen Link anklicken muss, ohne darauf hinzuweisen, dass damit bereits ein Vertragsschluss erfolgt.

Die Klägerin trägt vor:

Der Anrufer habe sich unter dem Namen … vorgestellt und angegeben, im Auftrag der … anzurufen. Er habe mitgeteilt, dass es lediglich um eine Tarifänderung gehe, ansonsten bliebe alles beim Alten, insbesondere würden die Eheleute …  ihren Strom weiterhin über die Klägerin beziehen. Auf Nachfrage von Frau … habe der Anrufer nochmals versichert, dass es nicht um einen Anbieterwechsel gehe. Frau … habe auf Veranlassung des Anrufers einen Link geöffnet, woraufhin die Seite mit dem Dank für den Auftrag erschienen sei. Im Anschluss daran hätten die Eheleute …   die E-Mail durchgelesen, wonach sie die Beklagte bevollmächtigten, den bisherigen Liefervertrag mit dem aktuellen Energieversorger zu kündigen. Daraufhin hätten die Eheleute … die Auftragserteilung widerrufen, wobei der Widerruf letztlich von der Beklagten bestätigt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schrift­sätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens erweist sich die einstweilige Verfügung auch hinsichtlich von Ziff. 1.b. des Antrags mit der in der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2016 erfolgten Konkretisierung als zutreffend und sie ist daher mit dieser Maßgabe zu bestätigen.

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Abwerbung von Kunden gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 4 UWG. Frau … wurde als Angerufene von Herrn … als Anrufer über einen Vertragswechsel zur Beklagten und über die Auftragserteilung per E-Mail getäuscht.

1. Der Antrag Ziff. 1.b.ist in der zuletzt verlesenen Fassung zulässig. Die Klägerin hat auf Grund des berechtigten Einwands der Beklagten in der Begründung des Teilwiderspruchs gegen die einstweilige Verfügung zur unzureichenden Bestimmtheit diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung präzisiert. Die beanstandeten Täuschungshandlungen werden nunmehr konkret beschrieben, nämlich die unzutreffende Mitteilung an die Angerufene, dass es sich nur um einen Tarifwechsel handelt, während es tatsächlich um einen Vertragswechsel geht und der unterbliebene Hinweis, dass es durch das Anklicken des Links bereits zu einer Auftragserteilung an die Beklagte kommt. Damit ist das Begehren durch die Klägerin eindeutig beschrieben, der Tenor kann eine geeignete Grundlage für das Vollstreckungsverfahren sein und die Beklagte kann erkennen, was sie künftig zu unterlassen hat.

2. Der Antrag 1.b. ist in der präzisierten Fassung auch begründet.

a. Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, da sie unstreitig beide als Anbieter von Strom und Energieprodukten in der gleichen Region tätig sind.

b. Durch den Anruf des Mitarbeiters ... der ... dessen Verhalten sich die Beklagte gemäß § 8 Abs. 2 UWG zurechnen lassen muss, wurde die Klägerin als Mitbewerberin gezielt gemäß § 4 Nr. 4 UWG behindert, indem die Kundin ... der Klägerin durch Täuschung veranlasst werden sollte, die Vertragsbeziehung mit der Klägerin zu beenden und einen neuen Vertrag über die Lieferung von Strom mit der Beklagten abzuschließen.

aa. Die Klägerin hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass Herr  … unter dem Namen … bei Frau … bei einem Anruf am 13.07.2016, zu dem keine ausdrückliche vorherige Einwilligung vorlag, erklärt hat, dass es nur um einen Tarifwechsel geht und die Eheleute … den Strom weiterhin von der Klägerin erhalten, während tatsächlich ein Vertragswechsel zur Beklagten angestrebt wurde und er Frau … zum Anklicken eines Links veranlasst hat, ohne sie zuvor darauf hinzuweisen, dass damit die Auftragserteilung an die Beklagte verbunden ist. Diese Feststellungen beruhen auf der eidesstattlichen Versicherung von Frau … an deren Richtigkeit das Gericht keinen Zweifel hat. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Kundin … der Klägerin den Sachverhalt, den sie plausibel und nachvollziehbar schildert, falsch darstellen sollte. Irgendein Interesse von Frau  …, dass der Beklagten zu Unrecht ein rechtswidrigen Verhalten vorgehalten wird und sie zu Unrecht einem gerichtlichen Verfahren ausgesetzt wird, ist fernliegend und wird auch von der Beklagten nicht aufgezeigt. Vielmehr sind die äußeren Umstände unstreitig. Das Telefonat vom 13.07.2016 hat stattgefunden und es ist zunächst zu einer Auftragserteilung an die Beklagte bis zum Widerruf durch die Eheleute … gekommen. Auch der von Frau  … geschilderte Ablauf, wonach sie zurückrufen wollte, um die Zählerstände zu kontrollieren, während Herr …darauf bestand, am Telefon zu bleiben, passt zu der Gesamtsituation, die darauf ausgerichtet war, einen Vertragsabschluss zu erreichen und dem Angerufenen möglichst wenig Zeit zum Hinterfragen oder Überlegen zu lassen. Da Herr … ohne Einwilligung angerufen und sich damit wettbewerbswidrig verhalten hat, hält es das Gericht für naheliegend, dass er es auch im Übrigen - jedenfalls im konkreten Fall - mit der Einhaltung der gesetzlichen Regeln nicht allzu genau genommen hat, um einen Vertragsabschluss zu erreichen.

bb. Die eidesstattliche Versicherung durch Herrn … kann den durch die Klägerin glaubhaft gemachten Sachverhalt nicht erschüttern. Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, welcher Beweiswert einer eidesstattlichen Versicherung zukommt, die lediglich als unbeglaubigte Kopie vorgelegt wird. Inhaltlich ist die eidesstattliche Versicherung völlig unzureichend, um den von der Klägerin glaubhaft gemachten Sachverhalt in Zweifel zu ziehen. Die Angaben von Herrn … beziehen sich nicht auf das konkrete Telefonat, sondern erschöpfen sich in allgemeinen Angaben. Dass er sich angeblich an den Gesprächsleitfaden hält, ist vorbildlich. Da der Gesprächsleitfaden aber nicht vorgelegt wird, kann keine Überprüfung vorgenommen werden und das Vorbringen ist daher ohne rechtliche Relevanz. Die Aussage, dass er nie behauptet habe, von den … zu sein, weist darauf hin, dass die eidesstattliche Versicherung gar nicht den vorliegenden Fall betrifft, da weder die Klägerin noch Frau … in ihrer eidesstattlichen Versicherung dies behaupten. Soweit Herr … angibt, nie gesagt zu haben, dass die Kundin bei der Klägerin bleibt und er sich insoweit auf eine Bandaufzeichnung bezieht, wurde diese ebenfalls nicht in den Prozess eingeführt. Schließlich wird unter der Überschrift „Vorwurf" in der eidesstattlichen Versicherung zwar ausführlich das Anklicken des Links der E-Mail erwähnt. Hierauf geht Herr … in seiner eidesstattlichen Versicherung aber mit keinem Wort ein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

(Unterschrift)