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Kein mittelbares Wettbewerbsverhältnis zwischen Presseorgan und kritisiertem Unternehmen - OLG Frankfurt, 31.07.2014, Az.: 6 U 74/14

Autor

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Leitsätzliches

Ein kritischer Pressebericht über ein Unternehmen, der sich an einen einheitlichen Interessentenkreis richtet, begründet noch kein mittelbares Wettbewerbsverhältnis zwischen Pressorgan und kritisiertem Unternehmen. In der Regel stellt ein kritischer Pressebericht zu Gunsten eines Konkkurenten auch noch keine geschäftliche Handlung dar, da es an der Absatzförderungsabsicht fehlt.

OBERLANDESGERICHT Frankfurt

Im Namen des Volkes

Teilurteil

Entscheidung vom 31. Juli 2014

Az.: 6 U 74/14

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 19.03.2014 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt a.M. wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Gründe

I.
Die Antragstellerin betreibt geschlossene Immobilienfonds und bietet Beteiligungen hieran an. Die Antragsgegnerin unterhält auf ihrer Webseite ein Informationsportal über Kapitalanlagen; sie ist mit einem Vertreiber von Kapitalanlagen gesellschaftsrechtlich und personell verflochten, dessen Angebote auch auf der Webseite der Antragsgegnerin unter der Rubrik „Fonds“ über einen Link erreichbar sind. Die Antragsgegnerin veröffentlichte innerhalb der Rubrik „Community & Forum“, in der sich überwiegend Beiträge von Nutzern zu selbst gewählten Themen finden, unter der Überschrift „…“ einen eigenen Beitrag, der sich mit der Antragstellerin befasst. Die Antragstellerin sieht in diesem Beitrag, der nach ihrer Auffassung auch eine unzutreffende Tatsachenbehauptung enthält, eine getarnte redaktionelle Werbung. Sie nimmt die Antragsgegnerin im Wege des Eilverfahrens daher auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht hat die zunächst erlassene Beschlussverfügung durch Urteil aufgehoben und den Eilantrag zurückgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Antragstellerin das Eilbegehren weiter.
Von der weitergehenden Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313a ZPO abgesehen.

II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, steht der Antragstellerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche (§ 4 Nr. 7, 8 UWG) scheiden aus, weil das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin nicht als eine geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1 UWG) eingestuft werden kann, gegen die die Antragstellerin - die Unlauterkeit dieses Verhaltens unterstellt - als Mitbewerberin vorgehen könnte (§ 8 III Nr. 1 i.V.m. § 2 I Nr. 3 UWG).
a) Zwischen den Parteien selbst besteht kein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2 I Nr. 3 UWG.
An einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis fehlt es, weil zwischen den von den Parteien erbrachten Leistungen - dem Angebot von Fonds einerseits und dem Betrieb eines Informationsportals über Kapitalanlagen - kein funktionales Austauschverhältnis (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., Rdz. 98 zu § 2 UWG m.w.N.) angenommen werden kann.
Auch ein - durch die konkrete Verletzungshandlung begründetes - „mittelbares“ Wettbewerbsverhältnis besteht im vorliegenden Fall nicht. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 1972, 553 - Statt Blumen ONKO-Kaffee; GRUR 2004, 877 - Werbeblocker, juris-Tz. 21; GRUR 2014, 573 - Werbung für Fremdprodukte, juris-Tz. 17) grundsätzlich möglich, dass Unternehmen ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Branchen durch die angegriffene Handlung auf einem bestimmten Markt miteinander in Wettbewerb treten. Dies kann hier jedoch nicht allein deshalb angenommen werden, weil sich die Antragstellerin mit ihren geschlossenen Immobilienfonds einerseits und die Antragsgegnerin mit ihrem Informationsportal für Kapitalanlagen andererseits an denselben Interessentenkreis richten und die Antragsgegnerin mit dem beanstandeten Verhalten unmittelbar in die Interessensphäre der Antragstellerin eingreift. Denn diese Auswirkung ist mit jedem kritischen Presseartikel über ein Unternehmen verbunden, ohne dass hierdurch ein Wettbewerb zwischen Presseorgan und kritisiertem Unternehmen auf einem bestimmten Markt eröffnet wurde; insoweit ist der vorliegende Fall auch nicht vergleichbar mit dem der Entscheidung „Werbeblocker“ zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem der Bundesgerichtshof wegen der dort bestehenden Besonderheiten ein Wettbewerbsverhältnis der Parteien auf dem Markt der Präsentation unentgeltlicher Fernsehprogramme bejaht hat (a.a.O. Tz. 22).
b) Die streitgegenständliche Veröffentlichung der Antragsgegnerin ist auch nicht deshalb als von der Antragstellerin als Mitbewerberin angreifbare geschäftliche Handlung einzuordnen, weil sie - was gemäß § 2 I Nr. 1 UWG ausreichen würde - in einem objektiven Zusammenhang mit der Förderung eines anderen Mitbewerbers der Antragstellerin steht. Zwar ist die kritische Berichterstattung über die Antragstellerin durchaus geeignet, den Absatz anderer Anbieter von Kapitalanlagen zu fördern (vgl. hierzu BGH GRUR 1986, 812 - Gastrokritiker, juris-Tz. 24; BGH GRUR 1995, 270 Dubioses Geschäftsgebaren, juris-Tz. 35). Der nach § 2 I Nr. 1 UWG erforderliche „objektive Zusammenhang“ zwischen der in Rede stehenden Handlung und dieser Drittabsatzförderung ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 2013, 945 - Standardisierte Mandatsbearbeitung, juris-Tz. 17) nur gegeben, wenn die Handlung bei objektiver Betrachtung jedenfalls auch darauf gerichtet ist, den fremden Absatz zu fördern. Ein in diesem Sinne zu verstehender Drittabsatzförderungszusammenhang, der der Sache nach dem Merkmal der Wettbewerbsabsicht nach altem Recht entspricht, ist im vorliegenden Fall nicht feststellbar.
Grundsätzlich ist im Falle der kritischen Medienberichterstattung über Unternehmen, zu der auch Beiträge auf Informationsseiten im Internet gehören, bei der Bejahung eines Drittabsatzförderungszusammenhangs - auch im Hinblick auf das Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 GG) - Zurückhaltung geboten. Selbst eine unsachliche und überzogene Kritik lässt einen Schluss auf das Bestreben des Presseorgans, damit - jedenfalls auch - in den Wettbewerb zwischen dem kritisierten Unternehmen und dessen Konkurrenten einzugreifen, in der Regel nicht zu (vgl. Köhler/Bornkamm a.a.O., Rdz. 66 zu § 2 UWG m.w.N.).
Im vorliegenden Fall besteht allerdings die Besonderheit, dass die Antragsgegnerin gesellschaftsrechtlich und personell mit der A AG verflochten ist, die ihrerseits Beteiligungen an Investmentfonds anbietet und damit zu den unmittelbaren Mitbewerbern der Antragstellerin gehört; zudem findet sich unter der Rubrik „Fonds“ der Webseite der Antragsgegnerin eine Verlinkung auch auf die Angebote der A AG. Die darin zum Ausdruck kommende Interessenverflechtung zwischen der Antragsgegnerin und einem Mitbewerber der Antragstellerin begründet für sich zwar ebenfalls noch keinen Drittabsatzförderungszusammenhang, da ungeachtet dessen der unter der Rubrik „Community & Forum“ veröffentlichte Beitrag vorrangig der Information und Meinungsbildung dienen kann (vgl. hierzu BGH - Gastrokritiker, a.a.O. juris-Tz. 26; BGH - Dubioses Geschäftsgebaren, a.a.O. juris-Tz. 38). Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung kann und muss die dargestellte Interessenverflechtung jedoch durchaus Berücksichtigung finden mit der Folge, dass bei einer kritischen Berichterstattung der Antragsgegnerin über einen Anbieter von Kapitalanlagen eine geschäftliche Handlung zugunsten der mit ihr verbundenen A AG jedenfalls eher anzunehmen ist als bei einem Medienunternehmen ohne eine vergleichbare Verflechtung. Entscheidend ist letztlich eine Abwägung der Gesamtumstände, bei der auch auf Form und Inhalt des Medienbeitrags selbst zurückgegriffen werden kann, um beurteilen zu können, ob die normalerweise im Vordergrund stehenden Ziele der Information und Meinungsbildung auch im konkreten Fall vorherrschen oder ob andere, wettbewerbsspezifische Motivationen daneben eine nicht ganz untergeordnete Rolle spielen (vgl. BGH - Dubioses Geschäftsgebaren a.a.O., juris-Tz. 40 m.w.N.).
Danach ist im vorliegenden Fall die Grenze, ab der ein Zusammenhang des angegriffenen Beitrags mit der Drittabsatzförderung anzunehmen ist, noch nicht überschritten. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass in dem Beitrag die A AG oder ihre Produkte nicht erwähnt werden. Ebenso wenig befindet sich im unmittelbaren Umfeld des Beitrags eine Verlinkung mit den Angeboten dieses Unternehmens. Soweit in dem Beitrag der Leser aufgefordert wird, seine Erfahrungen mit Produkten der Antragstellerin mitzuteilen, und ihm zugleich Ratschläge zur Geltendmachung seiner Rechte erteilt werden, kann darin keine unsachliche oder überzogene Kritik an der Antragstellerin gesehen werden.
Die Ausführungen im zweiten Absatz des Beitrags können zwar - in der Gesamtschau mit dem ersten Absatz - beim Leser den Eindruck erwecken, die erwähnte Aufforderung der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin, künftig jegliche Forumsbeiträge der Nutzer zur Antragstellerin und ihren Leistungen zu unterbinden, sei durch einen Anwalt der Antragstellerin ausgesprochen worden; diese Behauptung ist insoweit unzutreffend, als die E-Mail mit diesem Inhalt vom 12.12.2013 nicht von einem Rechtsanwalt, sondern von einem Handlungsbevollmächtigten der Antragstellerin versandt worden ist. Die darin liegende Unrichtigkeit betrifft jedoch einen Randaspekt, der für die Beurteilung von untergeordneter Bedeutung ist und das ansonsten zutreffend geschilderte Verhalten der Antragstellerin jedenfalls nicht in einem vollständig anderen Licht erscheinen lässt. Dass der Antragsgegnerin dieser Fehler in der Darstellung unterlaufen ist, stellt daher ebenfalls keinen ausreichenden Hinweis auf ihr Bestreben dar, in den Wettbewerb zwischen der Antragstellerin und der A AG einzugreifen.
2. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Äußerungsrecht (§§ 823 I, 824, 1004 BGB). In der bereits dargestellten Ungenauigkeit kann keine kreditgefährdende Tatsachenbehauptung (§ 824 BGB) zu Lasten der Antragstellerin gesehen werden. Auch sonst hält sich der Beitrag in den durch die Pressefreiheit gezogenen Grenzen des Zulässigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

 

(Unterschriften)