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Unwirksame Preisanpassungsklausel eines Energieversorgers - LG Frankfurt am Main, Urteil v. 19. Januar 2007, AZ. 2-2 O 250/06

Leitsätzliches

Wenn sich aus ein Preisanpassungsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Energieversorgers nicht eindeutig und nachvollziehbar ergibt, unter welchen Voraussetzungen eine Preiserhöhung möglich ist, benachteiligt diese den Verbraucher unangemessen und die Abrede ist unwirksam.
Der Verbraucher wird hierdurch daran gehindert, Preisveränderungen auf ihre Berechtigung hin zu prüfen. Eine unangemessene Benachteiligung liegt außerdem vor, wenn dem Stromversorger ein unkontrollierbarer Spielraum zur Preiserhöhung eingeräumt wird, wenn der Kunde durch eine Vertragslaufzeit von einem Jahr gleichzeitig zunächst an einem Anbieterwechsel gehindert ist.

LANDGERICHT FRANKFURT a.M.

Urteil

Aktenzeichen: 2-2 O 250/06

Verkündet am 19. Januar 2007

 

In dem Rechtsstreit

...

gegen

...

hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main durch ... auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22.11.06 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt,

es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000.- €, ersatzweise von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen, als Stromlieferant im Zusammenhang mit Stromlieferungsverträgen mit Verbrauchern mit der Bezeichnung „Vario-Tarif in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen folgende oder eine ihr inhaltsgleiche Klausel zu verwenden und sich bei der Abwicklung bestehender Vertragsverhältnisse auf diese Klausel zu berufen:

„Im Vario-Tarif wird die … GmbH die vereinbarten Preise in Anlehnung an die Preisentwicklung des liberalisierten Strommarktes für Tarifkunden variabel halten. Spätestens im Abstand von 6 Monaten werden die Marktpreise für vergleichbare Vertragsverhältnisse überprüft, ggf. wird eine Anpassung der Preise des Vario-Tarifs vorgenommen. Dabei stellt die … GmbH sicher, dass der Gesamtpreis des Vario-Tarifes stets unter den Preisen ihres Allgemeinen Tarifes liegen wird. Die … GmbH wird den Kunden schriftlich in geeigneter Weise über Preisanpassungen informieren (z.B. durch Anzeigen in den regionalen Zeitungen oder in der Kundenzeitschrift der … GmbH).“

Der Kläger ist befugt, die Urteilsformel mit der Bezeichnung des verurteilten Verwenders auf Kosten der Beklagten im Bundesanzeiger und im Übrigen auf eigene Kosten bekanntzumachen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe 20.000.- € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist ein Verein zum Schutz von Verbraucherinteressen und als qualifizierte Einrichtung befugt, Klagen zu erheben, die auf Unterlassung der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gerichtet sind. Die Beklagte ist als Energieversorger tätig; sie bietet Verbrauchern den Bezug von Strom zu unterschiedlichen Tarifen an. Unter anderem wirbt sie mit einem einen „Vario-Tarif“, bei dem sie je nach Verbrauch ihren hierfür jeweils günstigsten Tarif abrechnet und bei dem sie sich in ihren vorgegebenen Vertragsbedingungen vorbehält, die vereinbarten Preise zu ändern. Sie sichert dabei zu, dass der Gesamtpreis des Vario-Tarifs stets unterhalb ihres Allgemeinen Tarifs liegt; ein Wechsel zu einem anderen Stromanbieter wird für die Vertragslaufzeit von einem Jahr ausgeschlossen. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Ziffer 2 und 4 der Allgemeinen Vertragsbedingungen (Bl. 24 d.A.) verwiesen.

er Kläger beanstandet Ziffer 4 als intransparent und unangemessen. Zum einen könne ein Kunde die Kriterien für eine Preiserhöhung nicht nachprüfen, zum anderen könne die Beklagte ihre bei Vertragsbeginn gegebene Gewinnmarge nachträglich zu ihren Gunsten verändern.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

 

es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 - €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken gegenüber den Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen, als Stromlieferant im Zusammenhang mit Stromlieferungsverträgen mit den Verbrauchern mit der Bezeichnung „Vario-Tarif“ in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen folgende Klausel zu verwenden und sich bei der Abwicklung bestehender Vertragsverhältnisse auf diese Klausel zu berufen:

„Im Vario-Tarif wird die … GmbH die vereinbarten Preise in Anlehnung an die Preisentwicklung des liberalisierten Strommarktes für Tarifkunden variabel halten. Spätestens im Abstand von 6 Monaten werden die Marktpreise für vergleichbare Vertragsverhältnisse überprüft, ggf. wird eine Anpassung der Preise des Vario-Tarifes vorgenommen. Dabei stellt die … GmbH sicher, dass der Gesamtpreis des Vario-Tarifes stets unter den Preisen ihres allgemeinen Tarifes liegen wird. Die … GmbH wird den Kunden schriftlich in geeigneter Weise über Preisanpassungen informieren (z.B. durch Anzeigen in den regionalen Zeitungen oder in der Kundenzeitschrift der … GmbH).“

 

ferner, ihr die Befugnis zuzusprechen, die Urteilsformel mit der Bezeichnung des verurteilten Verwenders auf Kosten der Beklagten im Bundesanzeiger, im Übrigen auf eigene Kosten, bekanntzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise widerklagend beantragt sie,

festzustellen, dass die Beklagte berechtigt ist, anstelle der streitgegenständlichen Klausel die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB abgeänderte Klausel zu verwenden, die folgenden Inhalt hat:

„Preisanpassung: In dem Vario-Tarif wird die … GmbH die vereinbarten Preise in Anlehnung an die Preisentwicklung des liberalisierten Strommarktes für Tarifkunden variabel halten. Dabei stellt die Stadtwerke Gelnhausen GmbH sicher, dass der zu zahlende Preis des Vario-Tarifs stets unter den Preisen ihres Allgemeinen Tarifs liegen wird, im übrigen gilt § 4 Abs. 2 der „Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarif-Kunden (ABVBEItV)“.

Der Kläger beantragt,

die Hilfswiderklage abzuweisen.

Die Beklagte verweist darauf, dass sie ihre Vario-Tarife an den Marktpreisen für vergleichbare Vertragsverhältnisse ausrichte. Da ein Kunde zumindest die Preise der allgemeinen Tarife kenne bzw. ohne weiteres in Erfahrung bringen könne, sei er in der Lage, die von der Beklagten vorgenommene Preisanpassung an dieser Marktgröße zu kontrollieren. Die Regelung sei auch nicht unangemessen, da sie nicht zum Nachteil des Sonderkunden vom Leitbild des § 4 Abs. 2 AVBEItV abweiche, die den Stromversorger berechtige, gegenüber Tarifkunden die Preise ohne Kontrolle zu ändern. Außerdem sei das in § 32 Abs. 2 AVBEItV geregelte Kündigungsrecht hinreichend eindeutig Vertragsbestandteil geworden. Für den Fall, dass man die Preisanpassungsklausel doch für unwirksam halte, müsse man im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu dem Ergebnis kommen, dass die Beklagte berechtigt sei, die im Antrag der Widerklage formulierte Bestimmung zu verwenden. Mangels einer Regelung im dispositiven Recht sei ansonsten eine Änderung des geltenden Preises nicht möglich mit der Folge einer Schlechterstellung des Normsonderkunden bei einer Senkung der allgemeinen Tarife.

Entscheidungsgründe

Die Kammer ist aufgrund der Geschäftsverteilung des Landgerichts Frankfurt a/M für die Unterlassungsklage gem. § 1 UKIaG zuständig. Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht für eine Abgabe an die für Kartellsachen zuständige Kammer kein Anlass, da es sich hier nicht um einen Rechtsstreit handelt, der sich aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (oder aus Art. 85f des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft oder aus den Art. 53f des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum) ergibt (§ 87 GWB).

Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu (§§ 1 UKIaG, 307 BGB). Die beanstandete Klausel für Sonderkunden ist gem. § 310 II BGB einer Inhaltskontrolle zu unterziehen. Es handelt sich nicht um eine kontrollfreie Preisabrede (vgl. BGH NJW-RR 05, 1717). Schon das fettgedruckt verwendete Stichwort „Preisanpassung“ zeigt, dass es um eine Preisnebenabrede geht. Dort wird nur vereinbart, dass ein bei Vertragsschluss feststehender Preis von der Beklagten nachträglich geändert werden darf.

Diese Klausel ist bereits deshalb unwirksam, weil sich daraus für den Kunden nicht eindeutig und nachvollziehbar ergibt, unter welchen Voraussetzungen eine Preiserhöhung möglich ist. Dies ist unangemessen, da er dadurch daran gehindert wird, Preisveränderungen auf ihre Berechtigung hin zu prüfen. Mit „Marktpreise für vergleichbare Vertragsverhältnisse“ wird die Bezugsgröße für eine Anpassung nicht klar umschrieben. Weder wurde exakt definiert, was vergleichbare Vertragsverhältnisse sind, noch wie der „Marktpreis“ hierfür ermittelt werden soll. Es ist offen, aus welchem Umkreis die Preise von anderen Anbietern in die Ermittlung des „Marktpreises“ einbezogen werden sollen und ob diese alle Konkurrenten oder nur nach nicht bekannten Kriterien ausgewählte sind. Ein Marktpreis für Vario-Tarife, der vergleichbar einem Börsenkurs, einem Börsenindex oder den von der Bundesbank ermittelten Zinssätzen festgestellt und veröffentlicht wird, wird für Verbraucher nicht bekanntgegeben. Eine Regelung, in welchem Verhältnis der Strompreis bei einer Änderung des „Marktpreises“ angepaßt wird, fehlt ebenso wie eine Vereinbarung darüber, wie groß die Änderung des „Marktpreises" sein muss, um eine Anpassung auszulösen.

Die Klausel ist darüberhinaus inhaltlich für den Verbraucher nachteilig, weil sie der Beklagten den Vorteil verschafft, Kunden durch ein günstiges Verhältnis von Preis und Gegenleistung zum Vertragsabschluss zu bestimmen und dieses Verhältnis später zu ihren Gunsten zu verändern. Sie darf nach ihren Bedingungen die Spanne zum allgemeinen Tarif nachträglich bis unter dessen Grenze verringern. Weil der Zeitraum, innerhalb dem eine Anpassung erfolgen soll, sehr weit bemessen ist, kann die Beklagte bei einer Senkung des Preisniveaus verzögerlich, bei einer Steigerung schnell reagieren. Damit kann sie sich selbst dann einen Gewinn verschaffen, wenn das Verhältnis zum Allgemeinen Tarif unverändert bleiben sollte.

Damit hat die Beklagte einen unkontrollierbaren Spielraum zur Preiserhöhung zwecks Erzielung zusätzlicher Gewinne, während der Kunde durch die Vertragslaufzeit von einem Jahr zunächst an einem Wechsel zu einem anderen Anbieter gehindert ist und die Preisbestimmung durch die Beklagte hinnehmen muss. So wie die Klausel hier abgefasst ist, ist sie nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unangemessen und damit unwirksam (BGH NJW 00, 651ff Ziff. II 3; 98, 3114ff; 86, 3134ff; BGH NJW-RR 05, 1717). Entgegen der Auffassung der Beklagten entspricht sie dem gesetzlichen Leitbild nicht. Selbst wenn man in den Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Elektrizitätslieferungen ein gesetzliches Leitbild im weiteren Sinne sieht und sie als Maßstab für die Prüfung der Angemessenheit der von der Beklagten verwendeten Regelung heranzieht, obwohl sie nicht wörtlich übernommen worden sind, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Dort wurde dem Versorger nicht uneingeschränkt das Recht eingeräumt, den Strompreis frei zu bestimmen.

Eine Preiserhöhung im Allgemeinen Tarif setzt vielmehr eine staatliche Genehmigung voraus. § 4 II AVBEItV, auf den die Beklagte sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht beruft, lautet: Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen werden erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam. Um die öffentliche Bekanntgabe als Wirksamkeitsvoraussetzung geht es hier aber nicht. Beachtliche Interessen der Beklagten gebieten nicht, diese Klausel gleichwohl zuzulassen. Sie kann unter Beibehaltung des ursprünglichen Preis-/Leistungsverhältnisses wesentlich präziser und nachvollziehbarer gestaltet werden. Es fehlt auch als Ausgleich die Möglichkeit, sich bei einer Preisänderung vom Vertrag lösen zu können. Die in § 32 II AVBEItV eingeräumte Kündigungsmöglichkeit im Falle einer Preiserhöhung gleicht die Möglichkeiten, die die Beklagte sich zur Preiserhöhung hat einräumen lassen, nicht aus. Diese Bedingung für den Normkunden ist nicht Teil der zu prüfenden Vertragsbedingungen geworden. Allein durch die Bezugnahme in Ziffer 6 der AGB ist sie nicht wirksam einbezogen (§§ 305, 305a BGB). Die Regelung für den Normkunden soll auch nur soweit gelten, als für den gewählten Tarif nichts anderes vereinbart ist, was in Ziffern 2, 4 aber gerade der Fall ist. Für einen durchschnittlichen Sonderkunden wird jedenfalls nicht transparent, dass das in den Allgemeinen Bedingungen vorgesehene Kündigungsrecht auch zu seinen Gunsten gelten soll, wenn der Vario-Tarif geändert wird. Weder weiß er, dass er weitere Bedingungen anfordern muss, um sich über ein ihm eingeräumtes Kündigungsrecht zu informieren, noch erkennt er, dass das ausdrücklich für den Fall einer Änderung der allgemeinen Tarife vorgesehene Recht auch bei Sondertarifen gelten soll.

Für eine ergänzende Vertragsauslegung zur Vermeidung der sich ansonsten aus alledem ergebenden Unwirksamkeit der gerügten Klausel ist im Rahmen einer abstrakten Unterlassungsklage kein Raum (OLG Köln Urteil vom 23.11.01 Az.: 6 U 124/01 m.w.N.). Dem Rechtsstreit liegt kein Individualvertrag zugrunde, bei dem allein eine solche Vertragsauslegung möglich sein kann. Die hier vorzunehmende Prüfung erfolgt unabhängig davon, ob die Klausel tatsächlich in einen Vertrag einbezogen wurde. Es sind bei einer Vertragsanpassung eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten denkbar. Die Kammer darf der Beklagten nicht vorschreiben, wann und in welcher Höhe eine Preisanpassung beim Vario-Tarif erfolgen kann. Sollte eine Vertragsanpassung erforderlich sein, muss diese im Einzelfall auf der individualverträglichen Ebene erfolgen.

Die offensichtlich für den Fall einer Verurteilung der Beklagten erhobene Widerklage ist bereits unzulässig (LG Köln NJW-RR 02, 703f). Gem. § 256 ZPO ist eine Feststellungsklage nur zulässig, wenn das Bestehen oder Nichtbestehen eines (Teil)rechtsverhältnisses zwischen den Parteien geklärt werden soll. Darum, ob der Kläger berechtigt ist, auf Unterlassung der Klausel zu Ziffer 4 zu klagen, geht es bei der Widerklage nicht; sie zielt vielmehr auf die Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage ab. Die Klausel, deren Wirksamkeit festgestellt werden soll, will die Beklagte nicht gegenüber dem Kläger verwenden. Klagen, durch die spiegelbildlich zur Verbandsklage die Wirksamkeit von Geschäftsbedingungen abstrakt gegenüber einer qualifizierten Einrichtung festgestellt werden kann, sieht der Gesetzgeber nicht vor. Hier soll überdies eine noch nicht verwendete Klausel geprüft werden, die nicht einmal durch eine Unterlassungsklage gegen die Beklagte angegriffen werden könnte.

Die Befugnis, die Urteilsformel zu veröffentlichen, folgt aus § 7 UklaG.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 I, 709 ZPO.