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Keine unlautere Nachahmung bei Eigenentwicklung - OLG Köln, Urteil vom 02.09.2005, Az.: 6 U 221/04

Leitsätzliches

Eine unlautere Nachahmung eines Produktes liegt dann nicht vor, wenn es sich bei dem Produkt um eine unabhängige Eigenentwicklung des anderen Herstellers handelt.

 

OBERLANDESGERICHT KÖLN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 221/04

Entscheidung vom 2. September 2005

 

In dem Rechtsstreit

...

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom ... durch ...

für Recht erkannt:

 

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.11.2004 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 180/04 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung beträgt 120% des zu vollstreckenden Betrages.

Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu erbringen.

Die Revision wird zugelassen.

Begründung

I.

Beide Parteien stellen Büromöbel her und vertreiben diese. Am 13.6.2003 stellte die Klägerin ihr neues Büromöbelprogramm "J." der Fachpresse vor. Zu diesem Programm gehört ein Schreibtisch, der sich auszeichnet durch:

- rechteckige Metallfüße, deren Längsseite zur Frontseite des Schreibtisches hinweist

- eine Schreibtischplatte, die auf nach innen versetzten und damit versteckten Abstandshaltern montiert ist, so dass der optische Eindruck einer "schwebenden Tischplatte" entsteht.

Wegen der Einzelheiten der Produktgestaltung wird Bezug genommen auf die Abbildungen in dem als Anlage K 4 zur Klageschrift zur Akte gereichten Originalprospekt der Klägerin.

Der Schreibtisch wurde durch Marketingmaßnahmen wie Werbeanzeigen und Mailingaktionen im Herbst 2003 in den Markt eingeführt. Auch in der Fachpresse fand das Produkt Beachtung. Wegen näherer Einzelheiten wird auf die S. 8 bis 10 der Klageschrift Bezug genommen. Im März 2004 wurde der Klägerin für das Möbelprogramm "J." der Design-Preis "red dot" des Design-Zentrum Nordrheinwestfalen verliehen.

Die Beklagte führt schon seit mehreren Jahren ein Büromöbel-Programm unter der Bezeichnung "d.". Dieses Programm enthält auch einen Schreibtisch mit einer "schwebenden Tischplatte". Die ebenfalls rechteckigen Schreibtischfüße waren jedoch zunächst so angeordnet, dass die Längsseite der Füße parallel zur Schmalseite und nicht parallel zur Längsseite der Schreibtischplatte verlief.

Mitte Februar 2004 stellte die Klägerin fest, dass die Beklagte im Rahmen ihres Möbelprogrammes "d." nun auch einen Schreibtisch anbot, dessen rechteckige Tischbeine parallel zur Längsseite der Schreibtischplatte verlaufen. Wegen der Einzelheiten der Gestaltung wird Bezug genommen auf die Abbildung in der als Anlage K 15 zur Akte gereichten Kopie aus dem Originalprospekt der Beklagten.

Die Klägerin hat die Beklagte mit der Begründung, der Schreibtisch der Beklagten stelle eine unlautere Nachahmung ihrer Leistung dar, auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Geschäftsführer der Beklagten habe am 17. Dezember 2002 bei einem - unstreitig erfolgten - Besuch eines Showrooms der Klägerin das Schreibtischmodell der Klägerin gesehen.

Die Beklagte hat behauptet, der Entwurf des Schreibtisches sei eine unabhängige Eigenentwicklung. Zudem ist sie der Ansicht, dem Modell der Klägerin fehle die wettbewerbliche Eigenart.

Das Landgericht hat der Klage statt gegeben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat ausgeführt, dem Schreibtisch der Klägerin komme die erforderliche wettbewerbliche Eigenart zu. Keines der von der Beklagten vorgestellten Produkte weise eine mit dem klägerischen Modell vergleichbare Gestaltung auf. Die konkrete Ausgestaltung sei daher geeignet, auf die betriebliche Herkunft des Erzeugnisses hinzuweisen. Auch eine Nachahmung sei gegeben. Zum einen weise das Modell der Beklagten die identische Kombination der oben beschriebenen formgebenden Merkmale des Schreibtisches der Klägerin auf, so dass die Gefahr von unmittelbaren Verwechslungen begründet werde. Zum anderen könne sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, sie habe das Design ihres Schreibtisches eigenständig entwickelt. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, wäre es Sache der Beklagten gewesen, zum Zeitpunkt des Marktzutritts die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die oben beschriebene Verwechslungsgefahr mit dem zu diesem Zeitpunkt bereits am Markt befindlichen Modell der Klägerin auszuschließen.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage verfolgt. Sie macht insbesondere geltend, das Landgericht habe zu Unrecht ein unlauteres Verhalten der Beklagten angenommen. Da die Drehung der Tischbeine im Rahmen eines eigenständigen Entwicklungsprozesses bei der Beklagten und zudem zeitlich vor dem Markteintritt der Klägerin vorgenommen worden sei, fehle es an einer Nachahmung. Die Beklagte sei - entgegen der Ansicht des Landgerichts - auch nicht verpflichtet gewesen, eine mögliche Verwechslung ihres Produktes mit demjenigen der Klägerin zu vermeiden oder vor Markteintritt Nachforschungen anzustellen, ob ihre Entwicklung einem Produkt eines anderen Herstellers ähnlich sei.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das angefochtene Urteil. Sie macht insbesondere geltend: Selbst wenn die Beklagte bei der Schaffung des angegriffenen Schreibtisches nicht unlauter gehandelt habe, so gelte dieser Vorwurf zumindest hinsichtlich des Vertriebs, da die Beklagte zu einem Zeitpunkt auf den Markt gekommen sei, zu dem die Klägerin bereits einige Monate mit ihrem Modell erfolgreich auf dem Markt vertreten gewesen sei.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte weder nach §§ 3, 4 Nr. 9 UWG noch allein nach § 3 UWG zu.

Das Landgericht hat zutreffend die wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Schreibtisches bejaht. Rechtsfehlerhaft hat es aber die Frage offen gelassen, ob hier eine unabhängige Eigenentwicklung auf Seiten der Beklagten vorlag. Dieser Gesichtspunkt kann nicht unter Hinweis darauf offen bleiben, dass selbst bei einer Eigenentwicklung für die Beklagten die Pflicht bestanden hätte, zum Zeitpunkt des Markteintritts die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um eine mögliche Verwechslung mit einem bereits am Markt befindlichen Modell der Klägerin auszuschließen. Eine solche Pflicht trifft die Beklagte nicht. Der Senat hat daher über die Frage, ob es sich bei dem Modell der Beklagten um eine unabhängige Eigenentwicklung handelt, Beweis erhoben und ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte ihr Schreibtischmodell zu einem Zeitpunkt entworfen hat, zu dem ihr das Modell der Klägerin noch nicht bekannt sein konnte. Mangels Nachahmung scheidet ein Anspruch nach §§ 3, 4 Nr. 9 UWG daher aus. Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 3 UWG vor, der daran anknüpfen könnte, dass die Beklagte in Kenntnis des Produkts der Klägerin auf den Markt gekommen ist. Das Verhalten der Beklagten kann insoweit nicht als unlauter im Sinne der Generalklausel beanstandet werden.

1. Ein Unterlassungsanspruch besteht nur, wenn das beanstandete Wettbewerbsverhalten zur Zeit der Begehung einen solchen Unterlassungsanspruch begründet hat, denn nur dann kann es eine Wiederholungsgefahr begründen. Außerdem muss der Anspruch auch auf der Grundlage der zur Zeit der Entscheidung geltenden Rechtslage noch gegeben sein, da der Unterlassungsanspruch auf die Zukunft gerichtet ist. (vgl. BGH GRUR 2004, 693, 694 - Schöner Wetten; BGH GRUR 2003, 622, 623 - Abonnementvertrag). Das Verhalten muss daher nach altem und nach neuem Recht wettbewerbswidrig sein. In materieller Hinsicht führt das freilich nicht zu einer doppelten Prüfung, weil sich die Voraussetzungen für einen Anspruch aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz durch die Novelle nicht geändert haben. Das von der Rspr. zu § 1 UWG a.F. entwickelte Schutzerfordernis der wettbewerblichen Eigenart kommt zwar im Wortlaut des § 4 Nr. 9 UWG nicht zum Ausdruck. Aus der Gesetzesbegründung, in der die wettbewerbliche Eigenart ausdrücklich erwähnt wird, ergibt sich aber, dass insoweit keine Änderung gegenüber der früheren Rechtslage beabsichtigt war (BT-Drucks. 15/1487, S. 18).

2. Voraussetzung eines Unterlassungsanspruchs aus § 1 UWG a.F. bzw. §§ 3, 4 Nr. 9 lit. a UWG ist, dass dem Schreibtisch der Klägerin eine gewisse wettbewerbliche Eigenart zukommt, die Beklagte dieses Modell nachgeahmt hat und dass des Weiteren besondere wettbewerbliche Umstände den Vorwurf der Unlauterkeit rechtfertigen. Solche können sich hier aus einer vermeidbaren Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 9 lit a UWG ergeben. Zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen besteht eine Wechselwirkung. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen (BGH GRUR 2005, 166, 167 - Puppenausstattungen; GRUR 2004, 941, 943 = WRP 2004, 1498 - Metallbett; GRUR 2003, 356, 357 - Präzisionsmessgeräte).

a) Die wettbewerbliche Eigenart ist gegeben, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale der Ware geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft der Ware oder ihre Besonderheiten hinzuweisen (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 2003, 359, 360 = WRP 2003, 496 - Pflegebetten; OLG Köln GRUR-RR 2003, 183 - Designerbrille). Bei der Beurteilung, ob wettbewerbliche Eigenart vorliegt, ist der Gesamteindruck der Ware maßgeblich, nicht etwa eine zergliedernd und auf einzelne Elemente abstellende Betrachtungsweise.

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Schreibtisch der Klägerin hinreichende wettbewerbliche Eigenart aufweist. Die gestalterischen Besonderheiten, die das Erscheindungsbild des Schreibtisches prägen, sind zum einen die "schwebende Tischplatte" und zum anderen die Anordnung der Tischfüße. Die Stellung der Tischbeine zeichnet sich dadurch aus, dass die Längsseite der rechteckigen Metallfüße nicht parallel zur Schmalseite der rechteckigen Tischplatte verläuft, sondern parallel zur Längspartie. Hinzu kommt, dass der Querbalken, der die Tischbeine verbindet, waagerecht liegt, wodurch die insgesamt klare Linienführung des Tisches nochmals verstärkt wird. Die Kombination dieser Gestaltungsmerkmale führt zu einem Erscheinungsbild, das geeignet ist, dem Schreibtisch gegenüber vergleichbaren Modellen der Konkurrenz ein individuelles Erscheinungsbild zu verleihen und so auf die betriebliche Herkunft des Tisches hinzuweisen.

Die Annahme, der Schreibtisch der Klägerin habe eine individuelle Gestaltung, wird dadurch bekräftigt, dass der Schreibtisch mit dem Designpreis "red dot 2004" ausgezeichnet wurde. Diese Auszeichnung wird jährlich für herausragendes Design, das von Kreativität und Qualität geprägt ist, verliehen. Die fachkundige Jury hat in dem hier bezeichneten Schreibtisch ein Design gesehen, das über die bisher bekannten Gestaltungen hinausgeht. Der Preis ist daher ein Indiz dafür, dass sich das Design in seiner Gesamtwirkung von dem bisher am Markt Bekannten abhebt (OLG Köln GRUR-RR 2003, 183, 184 - Designerbrille) und damit auch geeignet ist, im Rechtsverkehr auf die Herkunft des Schreibtisches hinzuweisen.

Die Beklagte wendet hiergegen ohne Erfolg ein, dass die vollständige Neuheit keine Voraussetzung für einen Designpreis sei. Das mag zutreffen, ändert jedoch an der rechtlichen Beurteilung nichts, da die vollständige Neuheit auch keine Voraussetzung für die wettbewerbliche Eigenart ist. Die Gestaltung des Schreibtisches ist auch dann geeignet, als Herkunftshinweis zu dienen, wenn einzelne Gestaltungsmerkmale des Schreibtisches als solche schon bekannt waren. Da es allein erforderlich ist, dass das Gesamterscheinungsbild des Erzeugnisses, d.h. die Merkmale, die in ihrer Kombination dem Erzeugnis ein Gesicht verleihen, dem Verkehr einen Rückschluss auf die betriebliche Herkunft ermöglicht (OLG Köln GRUR-RR 2003, 183, 185 - Designerbrille), kann - selbst wenn einzelne oder alle Gestaltungsmerkmale schon bekannt oder sogar üblich waren - gerade deren bisher nicht bekannte Zusammenstellung einem Produkt ein besonderes Erscheinungsbild verleihen, das es aus der Menge der Konkurrenzprodukte heraushebt. So liegt es hier. Zwar gab es Schreibtische mit einer "schwebenden" Tischplatte oder mit rechteckigen zur Längsseite des Tisches zeigenden Füßen schon bevor die Klägerin mit dem Modell "J." auf den Markt kam, doch vermittelten diese Tische stets einen anderen Gesamteindruck. Das belegt insbesondere der von der Beklagten vorgelegte Tisch "G." von der Firma X. L.. Dieser Tisch hat zwar ebenso wie das Modell der Klägerin rechteckige, zur Längsseite des Schreibtisches ausgerichtete Füße, doch vermittelt er - eben mangels "schwebender" Tischplatte - einen gänzlich anderen Gesamteindruck. Die Tischplatte schwebt nicht über dem Fußgestell, sondern umschließt diese fest wie ein Rahmen (so ja auch der Name des Modells). Der Tisch wirkt daher eher massiv und kompakt.

Die Tatsache, dass die das Erscheinungsbild des klägerischen Schreibtischs prägenden Merkmale in ihrer Kombination so schon vorhanden waren, hat die Beklagte nur behauptet, aber nicht bewiesen. Zwar weist das Modell "e." des italienischen Herstellers O. eine Kombination beider Gestaltungsmerkmale auf (wenn auch mit dem zumindest geringfügigen Unterschied, dass die Abstandshalter hier nicht versteckt, sondern am äußeren Rand sichtbar angebracht sind). Die Beklagte hat jedoch nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass dieses Modell vor dem der Klägerin auf dem Markt war.

Weitere Schreibtischmodelle, die die Beklagte in der ersten Instanz vorlegt hat, weichen so deutlich von dem Schreibtisch der Klägerin ab, dass auch sie der wettbewerblichen Eigenart nicht entgegenstehen. Das Modell der Firma Z. (GA I 107) hat keine schwebende Tischplatte und vermittelt schon deshalb einen ganz anderen Eindruck. Das Modell der Firma Q. Büromöbel (GA I 110-112) weist quadratische, nicht rechteckige Füße auf. Außerdem ist die Verbindung zwischen den Füßen anders gestaltet.

Hinsichtlich der Schreibtischmodelle, die erst in der Berufung vorgelegt worden sind, fehlt jeglicher Vortrag, seit wann diese in Deutschland vertrieben werden. Davon abgesehen vermögen auch diese nicht den Gesamteindruck des klägerischen Modells vorwegzunehmen.

3. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts ist der Schreibtisch der Beklagten aber keine Nachahmung des Modells der Klägerin. Zwar weisen die beiden Schreibtische eine nahezu identische Gestaltung auf, doch handelt es sich bei dem Modell der Beklagten nicht um eine Nachahmung, sondern um eine unabhängige Eigenentwicklung. Das Tatbestandsmerkmal der Nachahmung setzt begrifflich voraus, dass der Zweithersteller das Produkt des Erstherstellers im Zeitpunkt der Gestaltung gekannt hat. (BGH GRUR 1971, 305, 308 - Konservenzeichen; Baumbach/Hefermehl-Köhler, 23. Aufl. 2004, § 4 UWG Rn. 9.68; Harte/Hennig-Sambuc, 2004, § 4 Nr. 9 Rn. 15). Das wiederum ist nur möglich, wenn zum Zeitpunkt der angeblichen Nachbildung das Erstprodukt bereits existierte. Die Beklagte behauptet hierzu, ihr Schreibtischmodell sei im Jahre 2002 und damit zu einem Zeitpunkt entworfen worden, als die Klägerin mit ihrem Schreibtisch noch nicht auf dem Markt war. Der Senat hat zu dieser Frage Beweis erhoben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zu seiner Überzeugung fest, dass die Beklagte ihr Schreibtischmodell in der angegriffenen Form zu einem Zeitpunkt entworfen hat, zu dem das Modell der Klägerin noch nicht auf dem Markt war und die Beklagte auch nicht in anderer Weise von der Gestaltung Kenntnis erlangt haben konnte. Das ist von den Zeugen T. und S. bekundet worden, die auf den Senat einen glaubwürdigen Eindruck gemacht haben.

Der Zeuge T., der in seiner Eigenschaft als selbständiger Designer für die Beklagte tätig war, hat zum zeitlichen Ablauf der Geschehnisse ausgesagt, dass er im Mai 2002 mit den Entwurfsarbeiten für einen Schreibtisch für die Beklagte begonnen und im Juni 2002 seine Tätigkeit als abgeschlossen angesehen habe. Die von ihm damals gefertigten Skizzen hätten dem Modell entsprochen, wie es im Prospekt der Klägerin auf den S. 18 und 19 abgebildet sei, also dem Modell mit zwei Beinen und einem Sideboard. Er erinnere sich an den Zeitpunkt der Auftragserteilung, weil seine Lebensgefährtin einen Tag vor der Auftragserteilung Geburtstag gehabt habe. Außerdem habe er in seinen Unterlagen noch Skizzen dieses Modells, die vom 28. Mai 2002 datieren. Schließlich habe er am 16. Juni 2002 eine Endrechnung gestellt.

Weiter hat der Zeuge T. bekundet, dass er bei einem Besuch im Hause der Beklagten im November 2002 anlässlich anderer Projekte erfahren habe, dass die Beklagte das Modell inzwischen auch mit vier Beinen gebaut habe. Der Zeuge S. habe ihm bei diesem Besuch außerdem mitgeteilt, dass es bei dem so gebauten Schreibtisch zu nicht zulässigen Schwingungen komme. Man habe daher gemeinsam überlegt, wie man diese Schwingungen verringern könne. Nachdem man mehrere Möglichkeiten erwogen habe, sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass es das Beste sei, die Tischbeine zu drehen. Die Angaben des Zeugen T. zum zeitlichen Ablauf sind glaubhaft. Sie werden durch sechs Faxkopien gestützt, die die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgelegt hat. Es handelt sich hierbei um Konstruktionsskizzen für das Schreibtischmodell "D.", die ein Zulieferer der Beklagten erstellt und an die Beklagte gefaxt hat. Nach den Bekundung des Zeugen T. zeigen zwei Skizzen das von ihm entworfene Schreibtischmodell in der Gestalt mit der ursprünglichen Beinstellung und die vier anderen Skizzen eine Gestaltung mit gedrehten Beinen. Der Senat vermag anhand der Skizzen die gedrehte Beinstellung zu erkennen. Die Skizzen sind mit Daten versehen. Die ersten beiden Skizzen datieren vom 3. Juli bzw. 9. Juli 2002 und die anderen vier Skizzen mit den gedrehten Tischbeinen vom 28. November 2002. Eine weitere Skizze, die der Zeuge selbst angefertigt und die er im Prozess vorgelegt hat, ist hinsichtlich der Konstruktion der Beine wenig aussagekräftig. Der Senat hat keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen T., der als selbständiger Designer arbeitet, zu zweifeln.

Der Zeuge S. hat ausgesagt, im Juni 2002 habe der Zeuge T. ein Schreibtischmodelle mit zwei Beinen und einem Sideboard für die Beklagte entworfen. Als Prototyp habe man aber gleich ein Modell mit vier Beinen gebaut und festgestellt, dass dieser unzulässige Schwingungen aufweise. Zusammen mit dem Zeugen T. habe man daher nach Möglichkeiten gesucht, um eine bessere Stabilität zu erlangen. Auch wenn der Zeuge S. das Datum dieser Gespräche nicht exakt benennen konnte und er sich insoweit nur daran erinnerte, dass die Gespräche Ende 2002 stattfanden, steht dies der Bekundung des Zeugen T. und den Faxkopien nicht entgegen. Auch der von dem Zeugen T. auf November 2002 datierte Gesprächstermin würde noch in den als Jahresende angegebenen Zeitraum fallen. Im Dezember habe man dann den Prototyp für einen Schreibtisch mit gedrehten Tischbeinen gebaut. Diese Angabe wird ebenfalls von der Aussage des Zeugen T. bestätigt, der bekundet hat, dass er einen solchen Tisch im Dezember 2002 oder im Januar 2003 bei der Beklagten gesehen habe. Wenngleich der Zeuge S. als Leiter der Produktentwicklung bei der Beklagten beschäftigt ist, sieht der Senat keinen Anlass, die Glaubwürdigkeit seiner Person in Zweifel zu ziehen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil seine Bekundungen zum zeitlichen Ablauf der Geschehnisse im Einklang stehen mit der Aussage des Zeugen T..

Die Glaubhaftigkeit der Aussagen wird auch nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt, es sei ungewöhnlich, dass die Beklagte sich unter mehreren Gestaltungsmöglichkeiten ausgerechnet für eine Drehung der Beine entschieden habe, um die Schwingungsprobleme zu beseitigen. In diesem Zusammenhang hat der Zeuge T. ausgesagt, dass man andere Lösungsmöglichkeiten in Betracht gezogen hätte, wie etwa den Einbau zusätzlicher Verstrebungen, die Steigerung der Wandstärke der Profile oder die Verwendung von Aluminiumgussfüßen. Diese Möglichkeiten hätten jedoch die Ästhetik beeinträchtigt oder die Kosten in die Höhe getrieben. Zwar habe auch die Drehung der Tischbeine die Ästhetik beeinträchtigt, das habe er als Designer aber hinnehmen müssen. Die Drehung der Tischbeine habe schließlich auch deshalb nahe gelegen, weil bei einer Version des Schreibtisches, bei dem die Beine aus Holz gefertigt waren, die Profile der Beine schon gedreht waren. Der Zeuge S. hat bekundet, es sei auch ein sorgfältigerer Bau der vorgegebenen Konstruktion erwogen worden, doch sei dies wenig erfolgversprechend erschienen. Da sich beide Zeugen im Detail an diese Alternativen erinnerten, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das Gespräch tatsächlich so - wie von den Zeugen bekundet - stattgefunden hat. Damit ist überzeugend erklärt, wie es zu dieser Änderung des Designs gekommen ist.

3. Fehlt es an der für einen Anspruch aus §§ 3, 4 Nr. 9 UWG erforderlichen Nachahmung, so stellt sich die Frage, ob - wie die Klägerin meint - das Verhalten der Beklagten jedenfalls nach § 3 UWG unlauter ist, weil sie erst einige Monate nach dem bereits bekannten Markterfolg der Klägerin mit ihrem Schreibtischmodell auf den Markt gekommen ist. Zur Überzeugung des Senats steht aufgrund der Bekundungen des Zeugen S. fest, dass die Beklagte das Modell der Klägerin bereits kannte als sich deren Geschäftsführung Ende 2003 entschied, das Modell mit den gedrehten Füßen nun auch für den Markt zu produzieren. Der Zeuge S. hat ausgesagt, er habe mitbekommen, dass das Modell der Klägerin im Jahre 2003 auf den Markt gekommen sei und er habe sehr wohl gesehen, dass dieses Modell dem der Beklagten, das bis dahin nur als Prototyp gebaut worden sei, recht ähnlich sah. Er habe aber nie den Gedanken gehabt, das Modell der Klägerin könne ein Konkurrenzprodukt für die Beklagte sein, da die Parteien von der Preisgestaltung und vom Segment her "unterschiedliche Welten" bedienten. Der Schreibtisch der Beklagten koste ungefähr EUR 3000,- , der der Klägerin nach seiner Kenntnis zwischen EUR 600 und 800. Es sind keine Gründe ersichtlich, die Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Aussage begründen könnten. Vielmehr stärkt die detaillierte und widerspruchsfreie Schilderung des Zeugen den Wahrheitsgehalt seiner Aussage. Das Wissen des Zeugen S., der zum fraglichen Zeitpunkt als Produktmanager bei der Beklagten tätig war, ist dieser nach § 166 BGB analog zuzurechnen.

Grundsätzlich kann der Vorwurf der Unlauterkeit nach § 3 UWG auch daran anknüpfen, dass jemand mit einem selbständig hergestellten, aber verwechslungsfähigen Produkt zeitlich nach einem Konkurrenten auf den Markt kommt (BGH GRUR 1969, 292 - Buntstreifensatin II, BGH GRUR 1959, 289, 292 - Rosenthal-Vase). Dahinter steht der Gedanke, dass der Zweitanbieter mit einem solchen Verhalten den Markterfolg des Erstanbieters unlauter ausnutzt. Da es bei einer solchen Fallgestaltung an einer Nachahmungshandlung fehlt, liegt ein Wettbewerbsverstoß nach § 3 UWG nur vor, wenn eine Gesamtbetrachtung aller Umstände den Vorwurf der Unlauterkeit zu rechtfertigen vermag. Bei der Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen ist zu berücksichtigen, dass derjenige, der unabhängig vom fremden Erzeugnis ein Modell geschaffen hat - eben anders als derjenige, der nur nachbaut - ein berechtigtes Interesse hat, dieses auch auf den Markt zu bringen (BGH GRUR 1961, 581, 582 - Hummelfiguren II). Es bedarf daher - sozusagen zum Ausgleich der fehlenden Nachahmung - zusätzlicher Unlauterkeitsmomente, die über die Tatbestandsmerkmale des § 4 Nr. 9 UWG hinausgehen. Allein eine "Herkunftstäuschung" oder eine " Raufausbeutung" vermögen den Vorwurf der Unlauterkeit nicht zu rechtfertigen, da ansonsten das Tatbestandsmerkmal der Nachahmung in § 4 Nr. 9 UWG obsolet würde.

Auch aus den bisher vom Bundsgerichtshof getroffenen Entscheidung ergibt sich nichts anderes. In der Entscheidung "Rosenthal-Vase" (BGH GRUR 1959, 289, 292) hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass ein solcher Vorwurf erhoben werden kann, wenn dem Zweitanbieter mehrere selbständig entworfene Produkte von Formgestaltern angeboten werden und er daraus ein Modell auswählt, das dem des Erstherstellers ähnlich ist, um sich an die damit verbundenen Gütevorstellungen anzuhängen. Der hier zur Entscheidung stehende Fall liegt insofern anders, als die Beklagte in ihrer eigenen Entwicklungsphase schon weit fortgeschritten war, als sie von dem Modell der Klägerin Kenntnis erlangte. Die Entscheidung, die Tischbeine zu drehen. und die Anfertigung der Konstruktionsskizzen erfolgten im November 2002. Eine Kenntnisnahme vom Modell der Klägerin war aber frühestens am 17. Dezember 2002 möglich.

Des Weiteren hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung "Buntstreifensatin II" (BGH GRUR 1969, 292) ein unlauteres Verhalten in einem Fall bejaht, in dem die Beklagte ein Muster selbstständig entworfen hatte und mit diesem auf den Markt gekommen war, ohne sich zu vergewissern, ob dieses Muster genügenden Abstand zu den Mustern der schon auf dem Markt befindlichen Klägerin hatte. Aus dieser Entscheidung kann jedoch nicht gefolgert werden, dass den Zweitanbieter, der das Produkt des Erstanbieters kennt, vor Markteintritt in jedem Fall eine Prüfungspflicht dahingehend trifft, ob sein Produkt hinreichend Abstand zu dem Produkt des Erstherstellers aufweist. Eine solche "generelle Pflicht zur Abstandwahrung" ist schon deshalb abzulehnen, weil sie dazu führen würde, dass der Nachahmungsschutz des UWG entgegen seinem Zweck das Arbeitsergebnis selbst schützen würde. Man wird eine Prüfungspflicht vielmehr erst dann annehmen können, wenn die Gesamtumstände ergeben, dass der Zweitanbieter sich bewusst an den Erfolg des Erstanbieters anzuhängen versucht, um diesen für sich auszunutzen oder um den Erstanbieter zu schädigen. Das mag der Fall sein, wenn - wie in der Entscheidung "Buntstreifensatin II" - der Erstanbieter mit seinem Produkt einen völlig neuen Markt in Deutschland erschließt, so dass ein "Schmarotzen" des Zweitanbieters besonders nahe liegt.

Eine Gesamtwürdigung aller Umstände in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall ergibt, dass der Vertrieb des Schreibtischmodells "d." nicht unlauter i.S.d. § 3 UWG ist, da die Beklagte ein berechtigtes und damit schutzwürdiges Interesse hat, mit ihrem selbständig hergestellten Modell auf den Markt zu kommen. Immerhin hatte die Beklagte den Entwurf für den streitgegenständlichen Schreibtisch samt Konstruktionszeichnungen vollständig fertig gestellt, bevor sie Kenntnis von dem Modell der Klägerin hatte und hätte haben können. Dieser Entwicklungsprozess hatte sie schon erhebliche Mühen gekostet, da sie das ursprüngliche Modell wegen der Stabilitätsprobleme ändern musste. Das geänderte Modell hat sie nun zwar nicht sofort für den Markt produziert, sondern damit erst Ende 2003 begonnen. Für diese zeitliche Verzögerung hat der Zeuge S. plausible Gründe angeführt, die sich die Beklagte ersichtlich zu eigen gemacht hat. Der Zeuge S. hat insoweit bekundet, dass das von dem Zeugen T. entworfene Modell "d." zum Marktsegment "Chefzimmerbereich" gehöre, während die Beklagte damals eher auf Organisationsmöbel ausgerichtet gewesen sei. Da die Beklagte nur über einen Konstrukteur verfüge, sei der Schreibtisch "d." daher zunächst auf Anweisung der Geschäftsleitung hinter anderen Programmen zurückgestellt und nicht gebaut worden. Der Senat hat keinen Anlass, an dem Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu zweifeln.

Des Weiteren spricht für ein berechtigtes Interesse der Beklagten und gegen die Unlauterkeit ihres Handelns, dass der Schreibtisch der Beklagten, der ca. EUR 3000,- kostet, andere Käuferkreise anspricht, als der Schreibtisch der Klägerin, der nur ca. EUR 600,- bis 800,- kostet. Die Beklagte musste also nicht davon ausgehen, dass sie mit ihrem Modell in direkte Konkurrenz zu dem Modell der Klägerin tritt. Als teuerer Anbieter war es ihr kaum möglich, sich an den Markterfolg der Klägerin anzuhängen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 ZPO liegen vor. Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Es ist unter Geltung des neuen UWG noch nicht höchstrichterlich entscheiden worden, inwieweit ein Wettbewerber unlauter i.S.v. § 3 UWG handelt, wenn er ein ähnliches Produkt wie sein Konkurrent auf dem Markt bringt, ohne dies nachgeahmt zu haben.

Unterschriften