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"Cartier" und ebay die Zweite - OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16. August 2004, Az.: 6 W 128/04

Leitsätzliches

Bewirbt ein Unternehmer einen Artikel bei dem Internetauktionshaus ebay mit dem Text "im Cartier-Stil", so ist dies unzulässig. Weiter bestehen keine Bedenken gegen einen Gegenstandswert in Höhe von € 50000 bei einer entsprechenden Unterlassungserklärung, der sich nach dem Wert der verletzten Marke und der Gefährlichkeit der Verletzung errechnet.

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

BESCHLUSS

Aktenzeichen: 6 W 128/04

Entscheidung vom am 16. August 2004


In der Beschwerdesache

...
gegen
...

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 24.05.2004

am 16.08.2004 beschlossen:

 

Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der des Beschwerdeverfahrens haben die Klägerin zu 1/8 und die Beklagte zu 7/8 zu tragen.

Insoweit entspricht der Beschwerdewert dem Kosteninteresse der Beklagten.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Soweit in diesem Beschwerdeverfahren über die Streitwertfestsetzung des Landgerichts entschieden wird, ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden insoweit nicht erstattet.


G r ü n d e :

I.
Die zulässige Beschwerde der Klägerin hat, soweit sie sich gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts wendet, in der Sache teilweise Erfolg. Sie führt nach billigem Ermessen dazu, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin zu 1/8 und der Beklagten zu 7/8 aufzuerlegen.
Gemäß § 91 a ZPO ist, wenn beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Von erheblicher Bedeutung ist hierbei der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang, also die Frage, wer bei einer Fortsetzung des Rechtsstreits voraussichtlich obsiegt hätte. Damit erfordert die Kostenentscheidung eine Prüfung der Sach- und Rechtslage. Es genügt aber eine summarische Prüfung; insbesondere kann das Gericht grundsätzlich davon absehen, in einer rechtlich schwierigen Sache nur wegen der Verteilung der Kosten alle für den Ausgang des Prozesses bedeutsamen Rechtsfragen abzuhandeln (vgl. BGH, WRP 2003, 895, 896 – Nicht statthafte Rechtsbeschwerde II). Für eine Klärung grundsätzlicher Fragen erscheint das Verfahren nach § 91a ZPO dementsprechend wenig geeignet (BGH, a.a.O.).

1.) Ohne das erledigende Ereignis, die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung, wäre die Beklagte aller Voraussicht nach unterlegen gewesen, soweit die Unterlassungsklage dahin geht, es der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, ohne Einwilligung der Klägerin mit „Cartier“ gekennzeichnete Uhren anzubieten, feilzuhalten, in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen oder aus ihr auszuführen und/oder sonst in den Verkehr zu bringen und/oder zu diesem Zwecke zu besitzen (Unterlassungsantrag zu 1 b) sowie ohne Einwilligung der Klägerin hergestellte und/oder erstmals in den Verkehr gebrachte Uhren unter Bezugnahme auf „Cartier“ zu bewerben, wenn dies mit Wendungen wie „schöne Cartier Uhr“ und/oder „Eine Uhr aus dem Haus Cartier“ geschieht (erster Teil des Unterlassungsantrages zu 1 a).
Entsprechende Unterlassungsansprüche folgen aus §§ 4 Nr. 1, 14 Abs. 2 und 5 MarkenG. Zur Begründung wird auf die Ausführungen des Landgerichts in seinem Beschluss vom 24.05.2004 verwiesen. Die Beklagte handelte insbesondere im geschäftlichen Verkehr. Der Begriff des Handelns im geschäftlichen Verkehrs ist weit auszulegen. Hierunter fällt jede selbständige, wirtschaftlichen Zwecken dienende Tätigkeit, die nicht ein rein privates, amtliches oder geschäftsinternes Verhalten ist (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz 2.Aufl., § 14 Rn. 48 ff.; Köhler/Piper, UWG 3. Aufl., Einf. Rn. 194 ff.). Notwendig ist hierbei weder die Verfolgung eines Erwerbszwecks noch eine Gewinnerzielungsabsicht (Ingerl/Rohnke, a. a. O., Rn. 48; Köhler/Piper, a. a. O., Rn. 195). Für das Handeln im geschäftlichen Verkehr kommt es auf die erkennbar nach außen tretende Zielrichtung des Handelnden an (vgl. BGH, GRUR 2002, 622, 624 – shell.de).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte bereits im April 2003 durch ihre über die Handelsplattform eBay entfaltete Verkaufstätigkeit im geschäftlichen Verkehr gehandelt. Dies ergibt sich aus der großen Anzahl von Verkäufen bzw. Versteigerungen, die sich allein für April 2003 auf mindestens 27 Verkäufe und in dem Zeitraum seit Januar 2003 auf mindestens 168 Verkäufe belief (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Beschlüsse des Senats vom 01.07.2003 – 6 W 82/03, sowie vom 27.07.2004 – 6 W 54/04 und 6 W 80/04).

2.) Demgegenüber hätte die Klage voraussichtlich keinen Erfolg gehabt, soweit sie darauf gerichtet ist, es der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, ohne Einwilligung der Klägerin hergestellte und/oder erstmals in den Verkehr gebrachte Uhren unter Bezugnahme auf „Cartier“ zu bewerben, wenn dies dadurch geschieht, dass die beworbene Ware in Datenbeständen oder Registern, insbesondere auch solchen elektronischer Art wie beispielsweise auf der elektronischen Handelsplattform eBay, unter dem Suchwort „Cartier“ auffindbar ist (zweiter Teil des Unterlassungsantrages zu 1 a).
Unabhängig von der Frage, ob von vornherein jeder Gebrauch des Wortes „Cartier“, der eine entsprechende, zu einem Warenangebot führende, Suchfunktion auslöst, als markenrechts- oder wettbewerbswidrig angesehen werden könnte, begegnet der zweite Teil des Klageantrags zu 1. a), wie der Senat bereits für inhaltsgleiche Klageanträge in zwei Beschlüssen vom 27.07.2004 (Az. 6 W 54/04, Seit 6; Az. 6 W 80/04, S. 6) ausgeführt hat, schon wegen der von der konkreten Verletzungsform wegführenden Verallgemeinerung Bedenken. Der Rechtsverstoß der Beklagten, der in der Verwendung der Bezeichnung „Cartier“ liegt, wird bereits durch den ersten Teil des Klageantrages erfasst. Eine Wiederholung dieses konkreten Verstoßes einschließlich seiner Auswirkungen auf das Suchsystem bei eBay würde bereits durch einen dem ersten Teil des Klageantrags (inhaltlich) entsprechenden Urteilsausspruch verboten werden. Der zweite Teil des Klageantrags geht darüber hinaus.
Die Wiederholungsgefahr bezieht sich zwar nicht nur auf die Wiederholung derselben Verletzungsform, sondern auch auf die Begehung leicht abgewandelter, aber in ihrem Kern gleicher Handlungen. Verallgemeinerungen sind zulässig, sofern darin das Charakteristische der konkreten Verletzungsform aus der begangenen Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt. Diesen Kern spricht bereits der erste Teil des Klageantrags an, der „Wendungen wie ...“ umfasst. Mit der darüber hinausgehenden Antragsfassung strebt die Klägerin aber ein umfassendes Verbot an, das (bei dem Vorhandensein einer entsprechenden Suchfunktion) die Verwendung des Wortes „Cartier“ im Rahmen eines elektronisch beworbenen Schmuckangebots schlechthin – gänzlich unabhängig von dem jeweiligen Kontext – erfasst.
Es muss in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren jedoch nicht abschließend entschieden werden, ob eine so weitgehende Verallgemeinerung zulässig ist oder ob der zweite Teil des Klageantrags zu weit geht. Wie bereits ausgeführt, dient das Verfahren nach § 91 a ZPO dient nicht dem Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen abschließend zu entscheiden. Die hier angesprochene Frage hat eine über den vorliegenden Fall hinausgehende Bedeutung, wie dem Senat aus anhängigen Berufungsverfahren bekannt ist. Eine (höchst)richterliche Klärung dieser Frage steht noch aus. Bei dieser Sachlage entspricht es billigem Ermessen, der Klägerin 1/8 der Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

II.
Keinen Erfolg hat die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet, den Streitwert auf 50.000,-- EUR festzusetzen. Bei Markenverletzungen bemisst sich die Höhe des festzusetzenden Streitwerts vor allem nach dem Wert der verletzten Marke und der Gefährlichkeit der Verletzung (sog. Angriffsfaktor). Für den Marktwert des verletzten Kennzeichens kommt es insbesondere auf die Dauer und den Umfang der bisherigen Benutzung, unter dem Kennzeichen erzielte Umsätze, Bekanntheitsgrad und Ruf des Kennzeichens, Grad der originären Kennzeichnungskraft und die allgemeine Bedeutung von Kennzeichen für den Absatz nach Art des Produkts und der Branche an (Ingerl/Rohnke, MarkenG 2. Aufl., § 142 Rn. 7). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien rechtfertigt der Marktwert des verletzten Kennzeichens „Cartier“ die Festsetzung des Streitwertes auf 50.000,-- EUR trotz des zu unterstellenden geringen Angriffsfaktors.
Eine Streitwertbegünstigung der Beklagten gemäß § 142 Abs. 1 MarkenG kam nicht in Betracht. Die Beklagte hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde. Hierfür genügt die Darlegung allgemeiner wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht, vielmehr sind auch zumutbare Kreditaufnahmemöglichkeiten zu berücksichtigen (Ingerl/Rohnke, MarkenG 2. Aufl., § 142 Rn. 18). Es besteht kein Anlass davon auszugehen, dass es der Beklagten, die ausweislich ihres Prozesskostenhilfeantrages niemandem zum Unterhalt verpflichtet ist, nicht zugemutet werden könnte, notfalls einen Kredit aufzunehmen, um die auf sie entfallenden Prozesskosten zu bezahlen.

III.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 97 ZPO, 25 Abs. 4 GKG.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 ZPO liegen – auch im Hinblick auf die generelle Ungeeignetheit des Verfahrens gemäß §91 a ZPO zur Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen (vgl. BGH, WRP 2003, 895, 896 – Nicht statthafte Rechtsbeschwerde II) – nicht vor.

(Unterschriften)