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Hanseatisches OLG, Urteil vom 09. Januar 2002, AZ.: 5 U 99/01 - Verletzung des Irreführungsgebotes

Leitsätzliches

Das Herausbringen einer Doppel-CD, welche in ihrem 2. Teil in identischer Anzahl, Aufnahme und Reihenfolge einer bereits vertriebenen CD entspricht, verletzt das Irreführungsgebot, wenn nicht im CD-Inlay darauf hingewiesen wird.

HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

Aktenzeichen: 5 U 99/01

Datum: 09. Januar 2002

 

In dem Rechtsstreit

5 U 99/01

HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

 

 

 

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Rieger, Dr. Koch nach der am 12.12.2001 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

 

Tenor:

Die Berufung des Antragsgegners zu 2. gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 29.03.2001 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner zu 2. trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf Euro 51.129,19 festgesetzt.

 

 

Tatbestand:

Die Antragstellerin vervielfältigt und vertreibt Tonträger. Zu ihrem Programm gehört u.a. der CDTonträger "Freestyle Dreams" (Anlage ASt2). Der Antragsgegner zu 2. produziert ebenfalls Tonträger der Musikrichtung "Freestyle" her, die er durch die ehemalige Antragsgegnerin zu 1. vertreiben lässt. Der von dem Antragsgegner zu 2. herausgebrachte Doppel-CD-Tonträger "Freestyle - Simply the best" (Anlage ASt3) enthält als CD 2 die Titel der CD "Freestyle Dreams" in identischer Aufnahme, Anzahl und Reihenfolge, ohne dass auf dem CD-Inlay hierauf hingewiesen wird. Darin sieht die Antragstellerin eine wettbewerbswidrige Irreführung des Verkehrs.

Das Landgericht Hamburg hat den Antragsgegnern auf Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 13.12.2000 unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel verboten, im geschäftlichen Verkehr Tonträger mit dem Titel "Freestyle" und dem Untertitel "... Simply the best" einschließlich deren Umhüllung, insbesondere wie nachfolgend abgebildet, zu vervielfältigen oder vervielfältigen zu lassen und/oder zu verbreiten oder verbreiten zu lassen und/oder anzubieten oder anbieten zu lassen und/oder sonst in den Verkehr zu bringen oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder zu bewerben oder bewerben zu lassen, soweit es sich bei den auf diesen Tonträgern enthaltenen Aufnahmen ausschließlich um solche handelt, die bereits auf einem anderen Tonträger unter einem anderen Titel in gleicher Zusammenstellung und identischer Reihenfolge von den Antragsgegnern vertrieben werden, (es folgt die Abbildung der Vorderseiten beiden CDs der Anlage ASt3) und dieses Verbot auf den Widerspruch der Antragsgegner mit Urteil vom 29.03.2001 bestätigt. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner zu 2. mit seinem form- und fristgerecht eingelegten Rechtsmittel.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat den Antragsgegner zu 2. zu Recht und mit zutreffender Begründung gem. § 3 UWG wegen irreführender Werbung zur Unterlassung verurteilt. Die hiergegen gerichteten Angriffe des Antragsgegners in der Rechtsmittelinstanz bleiben erfolglos. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug. Auch das ergänzende Vorbringen des Antragsgegners im Berufungsrechtszug rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Sein Vorbringen gibt dem Senat lediglich Veranlassung zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

 

1. Schutzziel des Irreführungsverbots aus § 3 UWG ist u.a. die Bewahrung des Verkehrs vor irrtumsbedingten Fehlentscheidungen, soweit diese wettbewerbsrechtlich relevant sind (BGH GRUR 00, 436, 437 - Ehemalige Herstellerpreisempfehlung). In der vorliegende Fallkonstellation geht es dabei in erster Linie um die Vermeidung unbeabsichtigter Doppelkäufe, die dadurch entstehen können, dass dem Käufer der Doppel-CD "Freestyle - Simply the Best" bei der Kaufentscheidung verborgen bleibt, dass deren zweite CD identisch ist mit der bereits früher separat veröffentlichten CD "Freestyle Dreams".

 

2. Mit der konkreten Gestaltung der Doppel-CD "Freestyle - Simply the Best" führt der Antragsgegner die angesprochenen Verkehrskreise durch das Verschweigen wesentlicher Umstände bzw. unvollständige Angaben, denen der Verkehr relevante Bedeutung für seine Kaufentscheidung beimisst, unter Verstoß gegen § 3 UWG in die Irre, weil der Verkehr ohne aufklärende Hinweise unzutreffend bzw. unvollständig unterrichtet wird, obwohl jedenfalls in der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung eine dahingehende Aufklärungspflicht besteht (vgl. dazu Köhler/Piper, UWG, § 3 Rdn. 109, 114 und 56).

 

a. Der Verkehr rechnet im Bereich der Unterhaltungsmusik - unabhängig von einer konkreten Musikrichtung - grundsätzlich nicht damit, dass ihm eine bereits früher erschienene CD zu einem späteren Zeitpunkt in anderer Form und unter einem anderen Titel, aber inhaltlich ansonsten vollkommen identisch erneut präsentiert wird, ohne dass hierauf in irgendeiner Art und Weise - z.B. durch einen Aufdruck auf der Frontseite des CD-Covers - irrtumsvermeidend hingewiesen wird. Diese Feststellungen kann der Senat aus eigener Sachkunde treffen, da seine Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören. Diese Ausgangslage zieht auch der Antragsgegner zu 2. im Ergebnis nicht ernsthaft in Zweifel.

 

b. Soweit der Antragsgegner meint, für die spezielle Käufergruppe sog. "Freestyle"-Musik hätten abweichende Regeln zu gelten, teilt der Senat seine Auffassung nicht.

aa.Schon der Ausgangspunkt des Antragstellers, "Freesstyle"Musik spreche nur eine ausgesprochen kleine, eng umgrenzte Käuferschicht an, erscheint dem Senat nicht überwiegend wahrscheinlich. So enthält die erste CD der Doppel-CD "Freestyle - Simply the Best" z.B. den Titel "Celebrate" des Interpreten "DJ Bobo". Dieser Künstler ist - wie der Senat aus eigener Sachkunde weiss - einem großen und nicht nur jugendlichen Personenkreis in jüngster Zeit "aus Funk und Fernsehen" weithin bekannt geworden. Seine Musik steht keineswegs - wie der Antragsteller dies darstellt - für ein "Nischenprodukt", das sich nur hartgesottenen Fans erschließt, sondern spricht als eingängige und eher gefällige Musik durchaus den Geschmack eines breiteren (jugendlichen) Publikums an. Deshalb erweist sich bereits die Annahme des Antragsgegners zu einer Eingrenzung der angesprochenen Verkehrskreisen nicht als tragfähig.

bb.Selbst wenn man aber auf der Grundlage des Vortrags des Antragstellers davon ausgehen wollte, "Freestyle"-Musik spreche nur eine sehr eng umgrenzte Käuferschicht an, ergäbe sich kein abweichendes Ergebnis. Auch wenn es sich bei der Kernzielgruppe um Schüler mit geringem finanziellen Budget und Angst vor Fehleinkäufen handelt, erscheint dem Senat die Annahme, der potenzielle Käufer habe ein geradezu photographisches Erinnern an die konkrete Titel- und Interpretenzusammenstellung früher erschienener Platten nicht hinreichend gesichert. Dies mag bei "Kult"-Platten einzelner Interpreten der Fall sein, gerade aber bei mehr oder weniger "beliebig" zusammengestellten "Samplern" ohne ein über die Musikrichtung hinausgehendes inhaltliches Konzept spricht hierfür keine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Ein solches überragendes Erinnerungsvermögen mag zudem allenfalls bei einzelnen, an einer bestimmten Musikrichtung besonders interessierten Personen unterstellt werden, keineswegs aber für den "normalen" Freestyle-Musik-Interessierten, der ebenfalls von der streitgegenständlichen CD angesprochen werden soll. Diese Zielrichtung entnimmt der Senat u.a. dem Umstand, dass die CD von Sony Music Entertainment (Deutschland) GmbH vertrieben worden ist, die als sog. "major company" auf dem deutschen Tonträgermarkt - anders als dies bei kleinen "Independent"-Herstellern der Fall sein mag - in der Regel für nennenswerte Absatzzahlen und nicht unerhebliche Umsatzerwartungen steht. Es spricht wenig dafür, dass ein solches weltweit agierendes Unternehmen eine CD in kleinsten Stückzahlen nur für eine Handvoll "Freaks" auf den Markt bringt.

cc.Unabhängig von dieser Frage rechtfertigt sich das landgerichtliche Verbot aber auch schon unter einem anderen Aspekt. Indem der Beklagte bei der Beurteilung einer vermeintlichen Fehlvorstellung ausschließlich auf die von ihm angesprochene, vermeintlich überragend fachkundige und deshalb nicht täuschungsgefährdete Kernzielgruppe abstellt, verkürzt er die im Rahmen von § 3 UWG maßgebliche Irreführungsgefahr in unzulässiger Weise. Denn Tonträgerprodukte wie CDs werden nicht ausschließlich durch den Interessenten selbst erworben, sondern erfreuen sich etwa als Geschenke einer großen Beliebtheit.

Deshalb gehören zu den angesprochenen Verkehrskreisen auch solche dritten Personen, wie Freunde, Geschwister, Eltern, Großeltern u.a., die ein solches Produkt erwerben wollen, weil ihnen bekannt ist, dass die zu beschenkende Person "Fan" von "Freestyle"-Musik ist. Wissen diese Personen aus eigener Wahrnehmung oder ist ihnen ausdrücklich mitgeteilt worden, dass die CD "Freestyle Dreams" bereits vorhanden ist, hält sie nichts an der Aufmachung der Doppel-CD "Freestyle - Simply the best" von der Fehlvorstellung ab, dass sie damit ein in der Sammlung des Zu-Beschenkenden bisher nicht (auch nicht teilweise) vorhandenes Produkt erworben haben. Deshalb verfängt auch das Argument des Antragsgegners, der Käufer beurteile die Preiswürdigkeit des Produkts anhand der Anzahl der bekannten bzw. neuen Titel und entscheide sich trotz der ihm schon vollständig bekannten CD 2 für einen Kauf, jedenfalls für diese nicht unerhebliche Zielgruppe nicht.

dd.Demgemäß kann bei zusammenfassender Betrachtung entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht angenommen werden, nur ein "völlig unerheblicher Teil" der angesprochenen Verkehrskreise werde durch die Art der Kopplung in die Irre geführt.

 

c. Auf die weiteren Argumente des Antragsgegners kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr entscheidend an. Allerdings ergeben sich auch aus dem Verkaufspreis der Doppel-CD entgegen seiner Auffassung keine irrtumsausschließenden Hinweise auf den Inhalt. Selbst wenn die CD billiger ist als aktuelle HitKopplungen, besagt das allenfalls, dass es sich dabei eben um eine Kopplung nicht mehr hochaktuellen Materials handelt, die anderen Preisgestaltungskriterien folgt als reguläre CDs, weil zum Teil veraltete Titel und solche völlig unbekannter Interpreten mit "untergemischt" werden. Gerade der Kopplungsaspekt und die Bezeichnung "Simply the best" spricht dabei gegen den Antragsgegner, denn gekoppelt werden - in Abwesenheit anderslautender Hinweise - entweder nur Einzelstücke (HitKopplungen) oder nur ganze Platten zu Mehrfach-CDs (Werkschaffen bekannter Künstler), nicht aber "über Kreuz" sowohl das eine als auch das andere. Das erwartet der Verkehr mangels anderslautender Hinweise in der Regel gerade nicht. Für die Zielgruppe der "Freestyle"-Anhänger gilt insoweit nichts Abweichendes.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.