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BGH: Urteil vom 12. November 2002, AZ KZR 16/00 - Briefmonopol der Deutschen Post AG

Leitsätzliches

DIE Entscheidung im Streit um Briefe unter 1000g - wer darf diese in der Masse interessante Post aus dem Ausland im Inland dem Empfänger in den Briefkasten einwerfen? Wie weit geht das (noch) geltende Briefpostmonopol der Deutschen Post AG? Der BGH meint: relativ weit und verbietet den Transport - allerdings nicht ohne eine ganze Reihe von Ausnahmen festzuhalten, die den Transport aus dem Ausland ins Inland dann doch erlauben.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: KZR 16/00

Entscheidung vom 12. November 2002

 

Vorinstanzen:

OLG Düsseldorf vom 12.07.2000

LG Köln

 

 

in dem Rechtsstreit

 

 

Massenbriefsendungen aus dem Ausland

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 2002 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. ... und die Richter Prof. Dr. ..., ..., Prof. Dr. ...und Dr. ...

 

für Recht erkannt:

 

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Juli 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht den Klageantrag zu a) hinsichtlich Massenbriefsendungen, deren Einzelgewicht nicht mehr als 100 g beträgt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen hat, und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

 

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 28. Mai 1996 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

 

Die Beklagte wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 € und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verurteilt, es zu unterlassen,

 

bei ihren Schwestergesellschaften im Ausland aufgegebene Briefsendungen, deren Einzelgewicht nicht mehr als 1.000 g beträgt, gewerbsmäßig an Empfänger in der Bundesrepublik Deutschland weiterzuleiten oder auszuliefern oder durch Dritte weiterzuleiten oder ausliefern zu lassen, soweit nicht

 

- die Beklagte die Briefsendungen als Verrichtungs- oder Erfüllungsgehilfe desjenigen befördert, dem eine Erlaubnis nach § 5 Abs. 1 PostG erteilt worden ist und die Beförderung im Rahmen dieser Erlaubnis erfolgt oder

 

- es sich um Briefsendungen handelt, die einer anderen Sendung beigefügt sind und ausschließlich deren Inhalt betreffen oder

 

- die Briefsendungen in der Weise befördert werden, daß einzelne nachgewiesene Sendungen im Interesse einer schnellen und zuverlässigen Beförderung auf dem Weg vom Absender zum Empfänger ständig begleitet werden und die Begleitperson die Möglichkeit hat, jederzeit auf die einzelnen Sendungen zuzugreifen und die erforderlichen Dispositionen zu treffen (Kurierdienst) oder

 

- es sich bei den beförderten Briefsendungen um geschäftsmäßig beförderte adressierte, inhaltsgleiche Briefsendungen mit einem Mindestgewicht je Sendung von mehr als 100 g handelt und die Mindestmenge je Absender und Auftrag 250 bzw. für kommunale Gebietskörperschaften, anerkannte gemeinnützige Vereine sowie Kirchen und anerkannte Religionsgemeinschaften als Versender 50 Sendungen beträgt.

 

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

 

Die Kosten des ersten Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des zweiten Rechtszuges tragen die Klägerin 2/5 und die Beklagte 3/5. Von den Kosten der Revisionsverfahren tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5.

 

 

Von Rechts wegen

 

 

Tatbestand:

 

Die Klägerin ist die Deutsche Post AG, die Beklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft einer weltweit auf dem Gebiet der Postzustellung tätigen Unternehmensgruppe.

 

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte befördere bei ihren ausländischen Schwestergesellschaften aufgegebene Postsendungen im Inland und stelle sie durch eigene Kräfte zu. Dies hat die Klägerin als Verstoß gegen den zu ihren Gunsten bestehenden Beförderungsvorbehalt und gegen die guten Sitten im Wettbewerb beanstandet.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, Sendungen mit schriftlichen Mitteilungen oder sonstigen Nachrichten von Person zu Person gegen Entgelt an Empfänger in der Bundesrepublik Deutschland zuzustellen und/oder durch Dritte zustellen zu lassen, soweit die Sendungen nicht individuell von Tür zu Tür durch Kuriere befördert werden, die die einzeln nachgewiesenen Sendungen ständig begleiten und erforderlichenfalls eine Dispositionsbefugnis hinsichtlich Beförderungsweg und Beförderungsmittel haben, oder soweit nicht eine Mindestpreisgrenze beachtet wird, die pro Sendung bei dem Zehnfachen des Entgeltes für einen gewöhnlichen Inlandsbrief liegt.

 

Ferner hat das Landgericht die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt und sie zur Auskunft verurteilt.

Das Berufungsgericht hat dieses Urteil - nach teilweiser Klagerücknahme - hinsichtlich des Unterlassungsantrags bestätigt. Auf die Revision der Beklagten hat der Senat das Berufungsurteil mit Urteil vom 8. Dezember 1998 (KZR 26/97, WuW/E DE-R 217) insoweit aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Mit Rücksicht auf eine der Beklagten 1996 erteilte, erstmals im zweiten Berufungsverfahren vorgetragene Befreiung der Beklagten vom Beförderungsvorbehalt gemäß § 2 Abs. 1 PostG 1989 für adressierte, inhaltsgleiche Sendungen (Massensendungen) von mehr als 100 g haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt, soweit die Klage sich gegen die Beförderung von im Ausland aufgegebenen Massenbriefsendungen mit einem Mindestgewicht je Sendung von mehr als 100 g richtete.

Das Berufungsgericht hat der Beklagten nunmehr unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils die gewerbsmäßige Beförderung von im Ausland aufgegebenen Einzelbriefsendungen, deren Einzelgewicht nicht mehr als 1.000 g beträgt, untersagt. Soweit sich die Klage gegen die Beförderung von Massenbriefsendungen, deren Einzelgewicht nicht mehr als 100 g beträgt, sowie gegen die Beförderung adressierter Kataloge richtet, hat es die Klage abgewiesen.

 

Hiergegen richten sich die beiderseitigen Revisionen, die der Senat nur im Umfang der Revision der Klägerin gegen die Abweisung ihres Massenbriefsendungen betreffenden Antrags angenommen hat.

 

Die Klägerin begehrt insoweit die Verurteilung der Beklagten nach ihrem Berufungsantrag.

 

Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Revision der Klägerin hat im Umfang ihrer Annahme Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Erstreckung der vom Berufungsgericht ausgesprochenen Verurteilung auf die Beförderung sämtlicher Briefsendungen (einschließlich Massenbriefsendungen), die nicht von der der Beklagten erteilten Lizenz erfaßt werden.

 

I. Das Berufungsgericht hat die Klageanträge als zulässig, namentlich als hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, angesehen. Zwar sei ein auf Verurteilung zur Unterlassung gerichteter Klageantrag, der sich darauf beschränke, die Tatbestandsmerkmale des Gesetzes, auf das er sich stützt, wiederzugeben, grundsätzlich unbestimmt. Die Anträge der Klägerin erschöpften sich auch im wesentlichen in einer Wiedergabe des Wortlauts der §§ 5 und 51 Abs. 1 PostG. Die genannten Gesetzesbestimmungen in Verbindung mit dem zur Erläuterung und Auslegung des Antragsbegehrens heranzuziehenden Vortrag der Klägerin beschrieben jedoch zureichend genau dasjenige, was untersagt werden solle. Einer Ausfüllung im Einzelfall bedürftiger Rechtsbegriffe bedienten sich die für die geltend gemachten Ansprüche heranzuziehenden Gesetzesbestimmungen nicht. Zwar beinhalteten die - in die Urteilsformel übernommenen - Ausnahmetatbestände, die die Klägerin ihrem Antrag beigegeben habe, unbestimmte Rechtsbegriffe. Dies führe indes nicht zur Unbestimmtheit des Antrages, da das Postgesetz in § 5 Abs. 2 die Lizenzpflicht unter die genannten, bestimmten Ausnahmetatbestände stelle und die Klägerin durch ihre Aufnahme in den Klageantrag zu erkennen gegeben habe, daß sie mit Blick hierauf lediglich eine beschränkte Untersagung begehre. Die einzelnen Merkmale der Ausnahmetatbestände müßten dagegen nicht weiter konkretisiert werden, da hierüber kein Streit bestehe und ein Klageantrag nicht allen theoretisch denkbaren Wendungen der Sachlage Rechnung tragen müsse, um zureichend bestimmt zu sein. Entsprechendes gelte für den entsprechend der der Beklagten erteilten Befreiung formulierten Ausnahmetatbestand. Daß im Einzelfall ein Streit darüber, ob einer der genannten Ausnahmetatbestände gegeben sei, in einem Vollstreckungsverfahren geklärt werden müsse, sei bei einer solchen Sachlage hinzunehmen.

Das steht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang (Urt. v. 24.11.1999 - I ZR 189/97, GRUR 2000, 438, 440 - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; Urt. v. 16.4.2002 - X ZR 127/99, GRUR 2002, 801, 802 - Abgestuftes Getriebe) und wird auch von der Revisionsbeklagten nicht angegriffen.

II. Der noch zur Entscheidung stehende Klageantrag ist begründet. Die Beklagte hat gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) verstoßen, indem sie außerhalb der ihr erteilten Lizenz Briefsendungen befördert hat.

1. Ein Unternehmen, das ohne die nach § 5 Abs. 1 PostG erforderliche Erlaubnis (Lizenz) gewerbsmäßig für andere Briefsendungen befördert, deren Einzelgewicht nicht mehr als 1.000 g beträgt, handelt wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG.

 

Dazu hat das Berufungsgericht im Zusammenhang mit dem der Klägerin zugesprochenen Anspruch auf Unterlassung der Beförderung von Einzelbriefsendungen ausgeführt, der Lizenzvorbehalt in § 5 Abs. 1 PostG verfolge den Zweck, einen Universaldienst, d.h. ein flächendeckend angemessenes und ausreichendes Mindestangebot an Postdienstleistungen, sicherzustellen, wie sich an den Vorschriften der §§ 6 ff. PostG über die Erteilung, die Versagung und den Widerruf einer erteilten Lizenz zeige. Die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Postdienstleistungen stelle ein wichtiges Gemeinschaftsgut dar, das gemäß Art. 87f Abs. 1 GG von Verfassungs wegen zu gewährleisten sei. Bei einem Verstoß gegen Rechtsbestimmungen, die dem Schutz wichtiger, insbesondere verfassungsrechtlich zu gewährleistender Gemeinschaftsgüter dienten, handele der Verletzer ohne weiteres wettbewerbswidrig.

 

Diese von der Klägerin als ihr günstig hingenommene Beurteilung wird von der Beklagten als unrichtig bekämpft. Sie stellt in Abrede, daß der Lizenzvorbehalt in § 5 Abs. 1 PostG dem Zweck diene, den Universaldienst im Interesse der staatlichen Gemeinschaft sicherzustellen. Durch das am 1. Januar 1998 in Kraft getretene neue Postgesetz sei der bislang in § 2 PostG 1989 geregelte Beförderungsvorbehalt zugunsten der Klägerin weggefallen. Nach dem Wegfall des Postmonopols solle grundsätzlich jedermann zum Marktzutritt im Bereich des Postwesens berechtigt sein. Die durch das Postgesetz bezweckte Regulierung des zu fördernden Wettbewerbs im Bereich des Postwesens geschehe durch die Begründung einer Lizenzpflicht für den im wesentlichen im Bereich des bisherigen Postmonopols liegenden Markt (§ 5 Abs. 1 PostG). Diese Lizenzpflicht gelte für alle Anbieter; von ihr sei auch die Klägerin nicht ausgenommen. Vielmehr sei ihr das von Verfassungs wegen (Art. 143b Abs. 2 GG) eingeräumte befristete Ausschließlichkeitsrecht in § 51 Abs. 1 Satz 1 PostG in der Weise zugestanden worden, daß sie eine befristete gesetzliche Exklusivlizenz für die in § 51 Abs. 1 Satz 1 PostG genannten Dienstleistungen erhalten habe. Die Klägerin habe demnach gegenüber sonstigen Lizenznehmern nur noch insoweit eine Sonderstellung inne, als ihre Lizenz für den in § 51 Abs. 1 PostG umschriebenen Teilbereich der Dienstleistungen des § 5 Abs. 1 PostG für eine Übergangszeit eine ausschließliche sei. Der Umstand, daß ein auf dem Markt als Konkurrent der Klägerin auftretender Anbieter bestimmte Beförderungsleistungen erbringe, die außerhalb des Bereichs lägen, welcher der Klägerin durch die Exklusivlizenz vorbehalten sei, könne nicht schon allein im Hinblick auf das Fehlen einer nach § 5 Abs. 1 PostG erforderlichen Lizenz einen Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG begründen. Der nach Art. 87f Abs. 1 GG sicherzustellende Universaldienst sei durch das konkrete Auftreten des Wettbewerbers nicht gefährdet. Da außerhalb des Bereichs der Exklusivlizenz nach § 6 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 PostG ein Anspruch auf Lizenzerteilung bestehe, soweit nicht einer der ausdrücklich normierten Versagungsgründe eingreife (wofür allerdings nicht die geringsten Anhaltspunkte bestünden), verletze sie - die Beklagte - mit der Erbringung von Beförderungsleistungen ohne die erforderliche Lizenz lediglich Ordnungsvorschriften.

 

Damit kann die Beklagte nicht durchdringen.

Nach § 5 Abs. 1 PostG bedarf einer Erlaubnis (Lizenz), wer Briefsendungen, deren Einzelgewicht nicht mehr als 1.000 g beträgt, gewerbsmäßig für andere befördert. § 5 PostG regelt damit unmittelbar den Wettbewerb auf dem Postdienstleistungsmarkt. § 6 Abs. 2 PostG verdeutlicht dies, indem er bestimmt, daß bei der Erteilung der nach § 5 erforderlichen Lizenz die Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2, nämlich u.a. die Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs, zu beachten sind. Bei einem Verstoß gegen eine solche eine unmittelbar den Wettbewerb, d.h. die Zulässigkeit von Wettbewerb überhaupt, regelnde Norm bedarf es der Feststellung weiterer Umstände für das Unlauterkeitsurteil nicht. Für die insoweit entsprechende Vorschrift des § 2 Abs. 1 PostG i.d.F. des Art. 6 Nr. 2 PTNeuOG vom 14. September 1994 (BGBl. I S. 2325, 2368) hat der Senat dies bereits entschieden (Urt. v. 29.9.1998 - KZR 3/97, WuW/E DE-R 197, 198); für § 5 Abs. 1 PostG gilt nichts anderes.

 

Im übrigen ist dem Berufungsgericht darin beizutreten, daß der Lizenzvorbehalt in § 5 Abs. 1 PostG (u.a.) den Zweck verfolgt, den Universaldienst und damit ein wichtiges, verfassungsrechtlich geschütztes Gemeinschaftsgut (Art. 87f Abs. 1 GG) zu gewährleisten. Auch hierfür gibt das Gesetz einen unmittelbaren Anhalt, da zu den nach § 6 Abs. 2 bei der Lizenzerteilung zu beachtenden Regulierungszielen auch die Sicherstellung einer flächendeckenden Grundversorgung mit Postdienstleistungen zu erschwinglichen Preisen (Universaldienst) gehört (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 PostG). Was die Beklagte dagegen vorbringt, kann nicht überzeugen. Insbesondere kommt es weder darauf an, inwieweit das Postgesetz (das inzwischen durch § 52 i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Postgesetzes vom 30. Januar 2002 [BGBl. I 572] die Klägerin für den Zeitraum der gesetzlichen Exklusivlizenz zur Erbringung von Universaldienstleistungen verpflichtet) der Klägerin mit der gesetzlichen Exklusivlizenz eine Sonderstellung einräumt, noch darauf, ob das Auftreten eines Wettbewerbers auf dem Markt den Universaldienst konkret gefährdet oder ob der Wettbewerber, wie die Beklagte für sich in Anspruch nimmt, einen Anspruch auf Erteilung einer Lizenz hätte. Entscheidend ist allein der Schutzzweck der Norm, den das Berufungsgericht zutreffend bestimmt hat.

 

Verstößt das zu überprüfende Wettbewerbsverhalten gegen ein Gesetz, das dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter dient, so indiziert die Verletzung einer derartigen wertbezogenen Norm grundsätzlich die wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit mit der Folge, daß es der Feststellung weiterer Unlauterkeitsumstände regelmäßig nicht bedarf (BGHZ 140, 134, 138 - Hormonpräparate; 144, 255, 266 - Abgasemissionen). Der Streitfall gibt angesichts des unmittelbaren Marktbezuges, der den Schutz des Universaldienstes kennzeichnet, zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlaß. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann die Klägerin als unmittelbare Wettbewerberin daher Unterlassung der unerlaubten Beförderung von Briefsendungen verlangen.

2. Das Berufungsgericht hat gleichwohl einen solchen Anspruch hinsichtlich der Beförderung von Massenbriefsendungen, deren Einzelgewicht nicht mehr als 100 g beträgt, verneint, weil es angenommen hat, daß sie von der der Beklagten erteilten Befreiung umfaßt seien. Dies ergebe sich aus § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Erteilung von Befreiungen bei Marktöffnungen für Massensendungen im Bereich Postwesen vom 19. Dezember 1995 (BGBl. 1995 I 2088 - BefreiungsV), der in seiner zweiten Alternative bestimme, dem Lizenznehmer sei es über § 3 der Verordnung hinaus gestattet, aus dem Ausland eingehende Massensendungen ins Lizenzgebiet zu befördern. § 3 dieser Verordnung nehme auf das in § 1 der Verordnung genannte Mindestgewicht und auf die Mindestmenge nach § 3 Abs. 2 Bezug. Hieraus sei für den vorliegenden Fall zu folgern, daß die Beklagte Massenbriefsendungen, die das Mindestgewicht und die Mindestmenge gemäß der Befreiungsverordnung nicht erreichten, nach dem Inhalt der ihr gewährten Befreiung insoweit befördern dürfe, als es sich um aus dem Ausland eingehende Massensendungen handele. Gemäß der Überleitungsbestimmung in § 57 Abs. 1 PostG bleibe eine Befreiung (Lizenz), die nach bisherigem Recht erteilt worden sei, bis zum Ablauf der im Befreiungsbescheid bestimmten Geltungsdauer (hier bis zum 10. Juni 2006) wirksam.

 

Das rügt die Revision mit Erfolg als rechtsfehlerhaft.

 

Zutreffend ist zwar, daß die der Beklagten erteilte Befreiung nach § 57 Abs. 1 PostG bis zum Ablauf der im Befreiungsbescheid bestimmten Geltungsdauer wirksam bleibt und nach Maßgabe und im Umfang ihres Inhalts eine Lizenz nach dem geltenden Postgesetz ersetzt. Das Berufungsgericht hat jedoch den Inhalt der erteilten Befreiung unzutreffend bestimmt.

 

Nach der Marktöffnungsentscheidung in § 1 Satz 1 BefreiungsV werden (nur) adressierte, inhaltsgleiche Sendungen mit einem Mindestgewicht je Sendung von mehr als einhundert Gramm von dem Beförderungsvorbehalt des § 2 Abs. 1 PostG 1989 ausgenommen. Beförderungen nach Satz 1 bedürfen einer Erlaubnis (Lizenz) nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften in Teil 2 der Befreiungsverordnung. Eine solche Lizenz wird einem Lizenznehmer nach § 2 Abs. 1 BefreiungsV auf Antrag erteilt und berechtigt den Lizenznehmer nach § 3 Abs. 1 zur Beförderung (Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern) von Massensendungen in einer bestimmten Mindestmenge und einem bestimmten Mindestgewicht, wobei der Lizenznehmer verpflichtet ist, innerhalb seines Lizenzgebietes die gesamte - von der Einsammlung bis zur Auslieferung reichende - Wertschöpfungskette bereitzustellen. Daraus ergibt sich, daß die Lizenz (nur) eine Befreiung vom Beförderungsvorbehalt im Sinne der Marktöffnungsentscheidung des § 1 BefreiungsV darstellt. Da § 1 die Marktöffnung nur auf Massensendungen mit einem Mindestgewicht je Sendung von mehr als 100 g erstreckt, ist für eine darüber hinausreichende Lizenz kein Raum.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Berufungsgericht herangezogenen Vorschrift des § 4 Abs. 3 BefreiungsV. § 4 steht unter der Überschrift "Räumliche Abgrenzung" (scil. des Lizenzgebietes) und bestimmt in Absatz 1, daß sich dieses grundsätzlich nach dem Antrag des Lizenznehmers richtet. Bei Gefährdung einer flächendeckenden Versorgung kann das Lizenzgebiet nach Absatz 2 gegebenenfalls abweichend vom Antrag festgelegt werden. Absatz 3 bestimmt, daß es dem Lizenznehmer "über § 3 hinaus" gestattet ist, im Lizenzgebiet eingesammelte Massensendungen ins Ausland weiterzuleiten sowie aus dem Ausland eingehende Massensendungen ins Lizenzgebiet zu befördern und auszuliefern. Damit wird zum einen die auf das - gegebenenfalls regional begrenzte - Lizenzgebiet beschränkte Beförderungsberechtigung auf die Weiterleitung von Massensendungen ins Ausland und auf die Auslieferung von aus dem Ausland eingehenden Massensendungen erweitert. Zum anderen werden die im Ausland auszuführenden Teile des Beförderungsvorgangs von der Verpflichtung des Lizenznehmers zur Bereitstellung der gesamten Wertschöpfungskette ausgenommen. Dagegen ändert § 4 Abs. 3 BefreiungsV nichts an der Beschränkung der Lizenz auf Massensendungen mit einem Mindestgewicht je Sendung von mehr als 100 g, die sich nicht erst aus § 3 Abs. 1, sondern schon aus der beschränkten Marktöffnungsentscheidung des § 1 BefreiungsV ergibt.

 

Im Ergebnis nichts anderes gilt für die in § 3 Abs. 2 BefreiungsV angegebene Mindestmenge je Absender und Auftrag. Zwar ließe der Wortlaut des § 4 Abs. 3 für sich genommen ein Verständnis zu, wonach der Lizenznehmer bei Auslandssendungen die Mindestmengen nach § 3 Abs. 2 unterschreiten darf. Dagegen spricht jedoch, daß § 4 nur die räumliche Abgrenzung, nicht den sachlichen Umfang der Lizenz regelt. § 4 Abs. 3 bezieht sich demgemäß ausdrücklich auf Massensendungen. Was darunter zu verstehen ist, wird hinsichtlich der Mindestmengen gerade durch § 3 Abs. 2, im übrigen durch § 3 Abs. 3 definiert; für eine abweichende Definition für Auslandssendungen ist weder ein sachlicher Grund noch ein tauglicher Maßstab erkennbar.

 

3. Insoweit ist das Berufungsurteil daher aufzuheben. Einer Zurückverweisung bedarf es nicht, da der Senat in der Sache selbst entscheiden und aufgrund des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts die ausgesprochene Verurteilung auf die Beförderung von Massenbriefsendungen von nicht mehr als 100 g Gewicht erstrecken kann.

Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Beklagte Briefsendungen ohne die nach § 5 Abs. 1 PostG erforderliche Erlaubnis befördert hat; die Beklagte erhebt insoweit auch keine Gegenrüge. Zwar ist konkret nur die Beförderung von zwei Einzelsendungen festgestellt worden. § 5 Abs. 1 PostG differenziert jedoch nicht zwischen Einzel- und Massenbriefsendungen. Die Differenzierung zwischen beiden Arten von Sendungen trägt demgemäß auch unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten nichts oder jedenfalls nichts wesentliches zur Charakterisierung der Verletzungshandlung bei. Bei dieser Sachlage besteht kein Anlaß, die Verurteilung entgegen dem Berufungsantrag der Klägerin auf Einzelsendungen zu beschränken. Denn in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß bei einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag und dementsprechend bei der Verurteilung im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen gestattet sind, sofern auch in dieser Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (s. nur Urt. v. 25.6.1992 - I ZR 136/90, GRUR 1992, 858, 859 f. - Clementinen; Urt. v. 15.7.1999 - I ZR 204/96, GRUR 1999, 1017, 1018 - Kontrollnummernbeseitigung; Urt. v. 24.11.1999 - I ZR 189/97, GRUR 2000, 438, 441 - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge).

Zu einer anderen Beurteilung zwingt auch nicht der Umstand, daß die Beklagte für die Beförderung von Massensendungen mit einem Gewicht von mehr als 100 g über eine Lizenz verfügt. Denn es genügt, solche erlaubten Beförderungen entsprechend der Formulierung des Klageantrags zu a) dd) von der Verurteilung auszunehmen. Nur insoweit ist eine eigenständige (und im Ergebnis abweichende) rechtliche Beurteilung geboten. Im übrigen liegen Massensendungen ebenso außerhalb der der Beklagten erteilten Lizenz wie Einzelsendungen mit einem Gewicht von nicht mehr als 1.000 g schlechthin. Es besteht daher kein Anlaß, außerhalb des Anwendungsbereichs der Befreiungsverordnung die Beförderung von Einzel- und von Massensendungen als unterschiedliche Verletzungstatbestände zu qualifizieren.

 

 

(Unterschriften)