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Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluß vom 28. Februar 2002, AZ.: 5 U 107/01 - Handyklingelton

Leitsätzliches

Ein urheberrechtlich geschütztes Werk darf nicht ohne Erlaubnis des Autors als Handyklingelton verwendet werden. Die Anspruchsteller haben jedoch im Einzelnen nachzweisen, dass sie die Urheber des Werks sind.

HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT

BESCHLUSS

Aktenzeichen: 5 U 107/01

 

 

5 U 107/01

308 0 114/01

 

In dem Rechtsstreit

 

1. ...

vertreten durch die Geschäftsführer ..., ...

 

2. ...

 

Antragsteller, Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...

 

gegen

 

...

vertreten durch den Geschäftsführer ...

Antragsgegnerin, Berufungsklägerin

Prozeßbevollmächtigte: ...

 

und

 

...

Streithelferin.

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...

 

 

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, am 28. Februar 2002 durch die Richter ..., ..., ...

 

beschlossen:

 

1. Die Antragsteller tragen die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Nebenintervention.

2. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf € 26.000.- festgesetzt.

 

 

Gründe

 

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gem. § 91 a ZPO nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand eine Kostenentscheidung des Gerichts zu treffen. Es entspricht danach billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits vollständig den Antragstellern aufzuerlegen.

 

Zwar wäre der Verfügungsantrag der Antragsteller hinsichtlich ihres Kernbegehrens (Unzulässigkeit der Verwendung des Werks als Handyklingelton) voraussichtlich begründet gewesen. Jedoch hatten sie bei Eintritt des erledigenden Ereignisses ihre Aktivlegitimation nicht dargelegt und zudem einen erheblich zu weiten Verfügungsantrag verfolgt. Dem in zweiter Instanz im Wege der Klagänderung gestellten neuen Antrag fehlte es zudem an der erforderlichen Dringlichkeit, so dass auch ein Verfügungsgrund nicht gegeben war. Dies rechtfertigt eine vollständige Kostenbelastung der Antragsteller.

 

1. Nach Sachlage war bei Eintritt des erledigenden Ereignis keiner der beiden Antragsteller für die Verfolgung des ursprünglich gestellten Verfügungsantrags aktivlegitimiert.

 

a. Der Antragsteller zu 2. ist nach seinen Angaben „hälftiger“ Autor des Musikwerks „türlich, türlich (sicher Dicker)“ und hat sich von seinem Mitautor Kaspar Wiens zur Prozessführung ermächtigen lassen (Anlage ASt14). Betrachtet man den von den Antragstellern als Anlage ASt13 vorgelegten Auszug aus der GEMA-Datenbank genauer, so heisst es dort korrekt: ‚K: Wiens. Kaspar“ und „T: Das Bo“. Diese - von den Antragstellern unbestritten gelassene - Angabe bestätigt die Darstellung der Streitverkündeten, die behauptet hatte, es bestehe gerade keine Co-Autorenschaft zu Text und Musik, sondern Kaspar Wiens sei der Komponist und der Antragsteller zu 2. der Texter.

 

aa. Damit fällt die von den Antragstellern für sich in Anspruch genommene Anspruchsgrundlage aus § 8 Abs. 2 UrhG in sich zusammen, denn Text- und Musikautor sind keine Miturheber i.S.v. § 8 UrhG, sondern Urheber verbundener Werke i.S.v. § 9 UrhG. Als solche bilden sie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit den sich aus §§ 705 ff BGB ergebenden Rechtsfolgen für Geschäftsführung und Vertretung im Hinblick auf Vermögenswerte, die zum gesamthänderisch gebundenen Gesellschaftsvermögen gehören. Die Antragsteller hatten im Zeitpunkt der Erledigung nichts zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen zwischen Kaspar Wiens und Mirko Bogojevic vorgetragen. Insbesondere fehlen Angaben dazu, wer von beiden in welchem Umfang geschäftsführungs- bzw. vertretungsbefugt war. Hiervon hängt jedoch die Anspruchsverfolgung durch den Antragsteller zu 2. entscheidend ab, zumal er ein gemeinschaftlich gebundenes Recht geltend macht, das nicht von ihm, sondern von seinem Partner in die Gesellschaft eingebracht worden war und an dem ihm selbst auch kein Urheberpersönlichkeitsrecht zustehen konnte. Die als Anlage ASt14 vorgelegte „Ermächtigungserklärung“ des Kaspar Wiens vom 10.04.1976 (?) scheidet als Legitimation schon deshalb aus, weil sich diese unter ausdrücklichem Hinweis auf § 8 UrhG (nur) auf Rechte als „Miturheber unseres gemeinsamen Musikwerkes“ bezieht, eine solche Situation hier aber rechtlich gerade nicht vorliegt. Der Senat hält es nicht für angebracht, insoweit eine berichtigende Auslegung des u.U. ‚wirklich gewollten“ zuzulassen, wenn sich der Ermächtigende nicht nur der spezialgesetzlichen Wortwahl bedient, sondern zudem durch das Zitat von bestimmten Vorschriften auch keinen Zweifel daran lässt, auf welche konkrete Rechtsgestaltung sich die Ermächtigung beziehen soll. Dies auch deshalb, weil die Antragsteller selbst noch in der Berufungsschrift unverändert unter Bezugnahme auf § 8 Abs. 2 UrhG die unzutreffende Auffassung vertreten hatten, der Antragsteller zu 2. sei „hälftiger CoAutor des Werkes“.

 

bb. Auf ein Notverwaltungsrecht aus § 744 Abs. 2 BGB kann sich der Antragsteller zu 2. ebenfalls nicht berufen. Eine Inanspruchnahme dieser Ausnahmebefugnis setzt nach ihrem Sinn und Zweck zumindest voraus, dass der Mitgesellschafter nicht so zeitnah erreichbar gewesen wäre, dass die erforderlichen Maßnahmen im Wege der ordentlichen Geschäftsführung bzw. Vertretung hätten eingeleitet werden können. Hierzu haben die Antragsteller nichts vorgetragen. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der ‚eigentlich“ betroffene Komponist des Musikstücks Karsten Wiens — gerade heutzutage in Zeiten der elektronischen Kommunikation - vor Einreichung des Verfügungsantrags nicht zu erreichen gewesen und nicht als - insbesondere in seinem Urheberpersönlichkeitsrecht – unmittelbarer Antragsteller hätte fungieren können, so dass eine Anspruchsverfolgung durch den Textdichter im Wege der Notgeschäftsführung zur Abwendung von Nachteilen angezeigt gewesen wäre, Im Hinblick hierauf bedarf die weitere Frage keiner vertieften Betrachtung, ob das Urheberpersönlichkeitsrecht als höchstpersönliches, von dem Urheberrecht nicht zu trennendes Recht des Komponisten Karsten Wiens überhaupt von den Antragstellern im Wege der Prozessstandschaft prozessual hätte durchgesetzt werden können.

Die Tatsache, dass der Musiktitel „Türlich, türlich...“ durch den Antragsteller zu 2. bekannt geworden ist und mit seinem Namen verbunden wird, ist für die Zulässigkeit der Durchsetzung der in erster Linie geltend gemachten Urheberrechtsansprüche ohne Bedeutung.

 

cc. Soweit sich die Antragsteller darauf berufen, die für Miturheber geltende Regelung des § 8 Abs. 2 UrhG sei generell — auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Notgeschäftsführung nach § 744 Abs. 2 BGB - auch auf die nach § 9 UrhG geregelten Rechtsverhältnisse der Autoren verbundener Werke übertragbar, steht dem sowohl der Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften als auch die unterschiedlichen Interessenlagen entgegen. Auch die dahingehende Auffassung von Nordemann (in Fromm/Nordemann, § 9, Rdn. 8) bezieht sich nach dem Äußerungszusammenhang nur auf die Fallgestaltung des Notverwaltungsrechts.

 

b. Die Aktiviegitimation der Antragstellerin zu 1. besteht allenfalls für die Verfolgung etwaiger Ansprüche, die sich aus einer Vertragsverletzung der GEMA ergeben, um die es hier aber nicht geht. Demgegenüber steht ihr die Verfolgung gesetzlicher Ansprüche, die sich aus der Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrecht oder fehlender vertraglicher Rechtsübertragung ergeben, gerade nicht zu. Denn diese bestehen nur in der Person des Urhebers selbst und erstrecken sich weder auf Leistungsschutzberechtigte noch auf Musikverleger. In welcher sonstigen Weise die Antragstellerin zu 1. für die Verfolgung der hier vorliegenden Ansprüche aktivlegitimiert gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich. Als Musikverlegerin obliegt ihr in erster Linie der Druck der Noten und deren Verbreitung, um die es hier zumindest nicht vorrangig geht, soweit man von dem Sonderfall der per Textcode übertragenen Handyklingeltöne mit anschließender ,,Programmierung“ bestimmter Handytypen absieht.

Eine darüber hinausgehende „Betroffenheit“ der Antragstellerin zu 1. vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Antragsteller haben diese in erster Linie mit ihrer Funktion als „Tonträgerherstellerin“ sowie „Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte“ an der Musikaufnahme des Antragstellers zu 2. begründet. Dieser Ansatz trägt hingegen nicht, da es gerade nicht - wie dargelegt — um die Verwendung der konkreten Einspielung geht, an der die Antragstellerin die Nutzungsrechte erworben hat, sondern um ein nachgespieltes MIDI-File. Deshalb stehen der Antragstellerin zu 1. auch keine Verbietungsrechte aus einer ihr übertragenen ‚Künstlerexklusivität“ zu, weil nur sie das Recht hat, Tonaufnahmen mit der Künstlerbezeichnung „Das Bo“ zu vertreiben. Denn unstreitig befindet sich keine Aufnahme auf der Handy-Klingelton-CDM-ROM, die ‚Das Bo“ eingespielt hat. Allein die möglicherweise irreführende Nennung von Künstler und Titel auf dem Inlay der CD-ROM konnte jedenfalls den ursprünglich verfolgten urheberrechtlich begründeten Antrag nicht stützen.

 

2. Der von den Antragstellern in erster Instanz und bis zur Senatsverhandlung verfolgte Verfügungsantrag war zudem erheblich zu weit gefasst, so dass die Antragsteller bereits aus diesen Gründen zu einem erheblichen Teil unterlegen wären. Durch die Neufassung ihres Antrags nach Hinweis durch den Senat in der Sitzung vom 19.12.2001 hätten sie zumindest den nachteiligen Kostenfolgen nicht entgehen können, denn der Sache nach beinhaltet ihr neuer Antrag nicht nur eine Teilklagerücknahme gegenüber dem ursprünglichen Antrag, weswegen die Antragsteller insoweit gern. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten zu tragen gehabt hätten, sondern stellt sich darüber hinaus auch als eine Klageänderung i.S.v. § 263 ZPO dar. Der neue Antrag richtet sich nicht etwa — wie in dem Parallelverfahren U 106/01 - generell gegen eine Verwendung der Melodie als Handyklingelton, sondern erfasst ausschließlich diejenigen Fälle, in denen dies unter der Bezeichnung „Das Bo“ geschieht. Damit hat der Antrag einen rein wettbewerbsrechtlichen Inhalt erhalten, bei dem es auf die Frage der Zulässigkeit der Vervielfältigungen von Handyklingeltönen nicht mehr ankommt. Denn deren Verbreitung unter dem Künstlernamen ist u.U. schon deshalb irreführend und damit wettbewerbsrechtlich unzulässig, weil die konkrete Melodie nicht von „Das Bo“ interpretiert worden ist.

 

Mit ihrem Ursprungsantrag wollten die Antragsteller demgegenüber nicht nur die Verwendung des Musikwerks als Handyklingelton verboten wissen, sondern sie hatten sich ganz allgemein gegen die Vervielfältigung und Verbreitung dieses Werks „in bearbeiteter Form“ gewandt. Sowohl die Nutzung als Handyklingelton als auch die Herausgabe der CD-ROM „Handy Hits Charts Vol. 1“ waren insoweit lediglich als Konkretisierungen mit dem „insbesondere“-Zusatz genannt, ohne den Umfang des Antrags einzuschränken. Zudem war der Antrag unrichtig auf die Verwendung einer konkreten Einspielung des Werks (,‚interpretiert von dem Künstler Das Bo“) gerichtet, obwohl deren Verwendung gar nicht der Streitgegenstand war. Denn die Antragsteller hatten sich gerade dagegen gewendet, dass das Original, sondern eine urheberrechtsverletzende, monophone Einspielung per Synthesizer als Handyklingelton Verwendung gefunden hatte. Für eine weitergehende bzw. andersartige Verwendung bestand nach Sachlage weder Wiederholungs- noch Erstbegehungsgefahr.

 

Zudem war der verallgemeinernde Teil des Antrags insbesondere unter dem Bestimmtheitsgrundsatz Zulässigkeitsbedenken ausgesetzt. Denn durch diese Fassung hätte sich die Frage, ob es sich bei einer künftigen Verletzung „noch‘ um eine „freie Benutzung“ i.S.v. § 24 UrhG oder „schon“ um eine „unfreie Bearbeitung“ i.S.v. § 23 UrhG handelt, in den Bereich der Zwangsvollstreckung verlagert.

 

 

3. Schließlich bleiben die Antragsteller auch mit ihrem neuen, in der Senatssitzung am 19.12.2001 gestellten Unterlassungsantrag erfolglos. Der Senat muss in diesem Zusammenhang nicht entscheiden, ob die erst im Berufungsrechtszug vorgenommene Klageänderung — was zweifelhaft erscheint — als sachdienlich i.S.v. § 263 ZPO zu erachten gewesen wäre. Zumindest fehlte es insoweit aber erkennbar an der für das Verfügungsverfahren vorausgesetzten Dringlichkeit. Für diesen wettbewerbsrechtlich ausgerichteten Antrag stand den Antragstellern zwar nunmehr grundsätzlich die Dringlichkeitsvermutung aus § 25 UWG zur Verfügung. Diese ist jedoch aufgrund des eigenen Prozessverhaltens der Antragsteller als widerlegt zu sehen. Denn sie haben sich nicht veranlasst gesehen, die nunmehr geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Irreführung zu einem früheren Zeitpunkt in den Prozess einzuführen. Da die Antragsteller nach eigenen Angaben spätestens seit dem 13.03.2001 Kenntnis von der rechtsverletzenden CD-ROM „Handy Hits Charts Voll“ hatten, stellt sich der bis zur Antragsumstellung am 19.12.2001 verstrichene Zeitraum von über 9 Monaten als bei weitem zu lang dar, um zu diesem Zeitpunkt wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche noch im Wege der Klageänderung in einem Eilverfahren geltend zu machen. Vielmehr lässt das bisherige Verhalten der Antragsteller erkennen, dass es ihnen ganz überwiegend um die Klärung der urheberrechtlichen Ansprüche gegangen ist und sie ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen offenbar keine so maßgebliche Bedeutung beigemessen haben, dass sie diese in eine konkrete Antragsform gebracht haben. Dieses Versäumnis ist zumindest im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht mehr aufholbar. Den Antragstellern bleibt insoweit nur eine Anspruchsdurchsetzung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren. Nach allem haben die Antragsteller die Kosten nach §§ 91, 100 Abs. 1, 101 ZPO zutragen.

 

 

4. Der Senat hat keine Veranlassung, dem Antrag der Streitverkündeten zu entsprechen und die nach Hauptsacheerledigung in entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 3 ZPO eintretende Wirkungslosigkeit des landgerichtlichen Urteils vom 04.04.2001 zur Klarstellung ausdrücklich auszusprechen. Zwar ist dieses Urteil damit als Vollstreckungsgrundlage entfallen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die landgerichtlichen Erwägungen, die zu der Verurteilung der Antragsgegnerin geführt haben, nicht gleichwohl — wie der Senat vorstehend ausgeführt hat — in der Sache zutreffend gewesen sind. Eine ausdrückliche deklaratorische Aufhebung des Urteils könnte insoweit zu Missverständnissen Anlass geben. Etwaigen Erklärungserfordernissen gegenüber interessierten Fachkreisen in der Branche werden die Parteien im eigenen Interesse selbst nachzukommen haben.

 

(Unterschriften)