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Telefongebühren in der Ehe, - BGH, Urteil vom 11. März 2004, AZ: III ZR 213/03

Leitsätzliches

Was passiert, wenn der ausziehende Ehegatte vor seinem Auszug noch einmal richtig hohe Telefongebühren - etwa durch Nutzung eines Dialers oder anderer Mehrwertdienste über Nummern wie 0190 / 0900 etc - verursacht hat? Ob die den Familienanschluss übernehmende Ehefrau für die von ihm verursachten Kosten mit aufkommen muss, hatte das Amtsgericht verneint, das Landgericht Dessau aber bejaht.
Die Richter am Bundesgerichtshof erklären, zwar gehöre der Abschluss des Vertrags über die Telefondienstleistungen allgemein grundsätzlich immer zu den Verträgen, die zum Grundbedarf einer Familie gehören. Insofern wird der Ehepartner immer zugleich für die Telefongebühren mitverpflichtet, solange es sich um einen privaten Anschluss handelt. Das rechtfertigt aber nicht, Kosten, die diesen Rahmen exorbitant überschreiten und die finanziellen Verhältnisse der Familie sprengen, nur deshalb der angemessenen Deckung des Lebensbedarfs zuzurechnen, weil das Vertragsverhältnis bei seiner Begründung auf eine familiäre Nutzung hinwies. Diese Zurechnung gehöre nicht mehr zu den vom Gesetzgeber vorgesehenen Gläubigerschutz.
Ob im konkreten Fall die verbleibende Ehefrau zu zahlen hat, wird das Landgericht in tatsächlicher Hinsicht noch einmal zu prüfen haben.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: III ZR 213/03
Datum: 11. März 2004

In dem Rechtsstreit

...

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter ... und die Richter ... für Recht erkannt:

 

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dessau vom 20. Juni 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Der Ehemann der Beklagten hatte mit der Klägerin einen Telefondienstvertrag über einen Festnetzanschluß in seiner Ehewohnung geschlossen. Die Klägerin stellte ihm am 3. Dezember 1998 und am 11. Januar 1999 für die Grundgebühr im Dezember und Januar und für Verbindungen in der Zeit vom 24. Oktober bis 28. Dezember 1998 insgesamt 6.375,75 DM in Rechnung, die von ihm nicht ausgeglichen wurden. Die Beklagte zahlte hierauf 771,13 DM. Auf den restlichen Betrag von 5.604,61 DM nebst Zinsen nimmt die Klägerin die Beklagte, die den Anschluß am 15. Februar 1999 anstelle ihres Ehemannes übernommen hat, mit ihrer Klage aus dem Gesichtspunkt des § 1357 BGB in Anspruch. Der noch offene Rechnungsbetrag bezieht sich ausschließlich auf Verbindungen zum Tele-Info-Service 0190 x, die nach dem Vortrag der Beklagten von ihrem Ehemann angewählt worden sind.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin entsprochen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Nach § 1357 Abs. 1 BGB ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, daß sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. Die auf dem Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976 (BGBl. I S. 1421) beruhende Fassung der Vorschrift knüpft nicht mehr an die nach früherem Recht bestehende Pflicht der Frau an, den Haushalt in eigener Verantwortung zu führen (§ 1356 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.) und ihr dementsprechend die Berechtigung zu geben, Geschäfte innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises mit Wirkung für den Mann zu besorgen. Vielmehr ist mit Rücksicht darauf, daß die Aufgabenverteilung in der ehelichen Gemeinschaft den Partnern selbst überlassen und das Leitbild der sogenannte Hausfrauenehe aufgegeben worden ist, die Rechtsmacht zur Verpflichtung auch des Partners an die "angemessene Deckung des Lebensbedarfs der Familie" gebunden worden. Der Bundesgerichtshof hat hierzu entschieden, wie weit der Lebensbedarf der Familie reiche, bestimme sich familienindividuell nach den Verhältnissen der Ehegatten. Da die Einkommens- und Vermögensverhältnisse dem Vertragspartner allerdings häufig verborgen bleiben, ist entscheidend auf den Lebenszuschnitt der Familie abzustellen, wie er nach außen in Erscheinung tritt (vgl. eingehend hierzu BGHZ 94, 1, 5 f). Darüber hinaus ist die Einbindung des § 1357 BGB in das Unterhaltsrecht zusammenlebender Ehegatten (§§ 1360, 1360a BGB) zu beachten. Zu den Umständen, die bei der Anwendung des § 1357 BGB von Bedeutung sein können, gehören daher auch die wirtschaftlichen Verhältnisse in ihrem Bezug zu den Kosten, die durch die jeweils in Rede stehende Geschäftsbesorgung ausgelöst werden. Auch insoweit ist die Sicht eines objektiven Beobachters nach dem Erscheinungsbild der Ehegatten, wie es für Dritte allgemein offenliegt, entscheidend (vgl. BGHZ 116, 184, 188 f).

2. Gemessen an diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Abschluß eines Telefondienstvertrages für einen in der Familienwohnung befindlichen Festnetzanschluß im Ansatz als ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs angesehen hat.

a) Zu Recht hat das Berufungsgericht zugrunde gelegt, daß die Versorgung der Familie mit einem Telefonanschluß unter Berücksichtigung der heutigen Lebensverhältnisse ein anerkanntes Grundbedürfnis ist, wobei es davon ausgegangen ist, daß sich aus der jederzeitigen Verfügbarkeit eines solchen Anschlusses für die Familienmitglieder der Bezug zur familiären Konsumgemeinschaft ergebe. Das Berufungsgericht folgt damit im Ausgangspunkt einer in Rechtsprechung und Literatur verbreiteten Auffassung, nach der zur angemessenen Bedarfsdeckung der Familie auch Verträge zu rechnen sind, mit denen die Versorgung der Ehewohnung mit Strom und Gas sichergestellt wird (vgl. AG Wuppertal ZMR 1980, 239 f; AG Beckum FamRZ 1988, 501; LG Koblenz WuM 1990, 445; Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl. 2004, § 1357 Rn. 13; Soergel/Lange, BGB, 12. Aufl. 1988, § 1357 Rn. 12; Wacke, in MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2000, § 1357 Rn. 23; Staudinger/Hübner/Voppel, BGB, 13. Bearb. Stand Juli 1999, § 1357 Rn. 45; Rauscher, Familienrecht, 2001, Rn. 279; Erman/Heckelmann, BGB, 10. Aufl. 2000, § 1357 Rn. 13), und erstreckt diesen Gedanken im Hinblick auf die heute üblichen Standards und die weite Verbreitung von Telefonanschlüssen auch auf Telefondienstverträge, die einen stationären Festnetzanschluß in der Ehewohnung betreffen (ebenso AG Neustadt am Rübenberge ArchivPT 1997, 150; LG Bremen RTkom 2000, 240; LG Stuttgart FamRZ 2001, 1610 und die im Verfahren von der Klägerin vorgelegten nicht veröffentlichten Urteile des Amtsgerichts Bad Freienwalde vom 6. September 1999 - 20 C 76/99 - und des Amtsgerichts Ettlingen vom 28. Mai 2002 - 1 C 563/01 -; Palandt/Brudermüller aaO; Wacke, in: MünchKomm-BGB aaO). Daß mit einem solchen Vertrag ein Dauerschuldverhältnis begründet wird, steht der Einordnung als Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs - wie auch bei einem Energielieferungsvertrag - nicht grundsätzlich entgegen, spiegelt diese Gestaltung doch nur wider, daß hier für die Familie ein beständiger Bedarf gedeckt wird. Die zunehmende Verbreitung von Mobiltelefonen, die weitgehend den Bedürfnissen des individuellen Benutzers dienen mögen, bedeutet nicht, daß der Festnetzanschluß in der Ehewohnung nicht mehr der angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie zugerechnet werden könnte.

b) Die Verfahrensrüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht die konkreten Umstände des Einzelfalls geprüft und - ohne daß ein Erfahrungssatz bestehe - die allgemeine Verfügbarkeit des Anschlusses für die Familie unterstellt, greift nicht durch. Zwar ist der Revision grundsätzlich darin zuzustimmen, daß den Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast trifft, soweit er sich auf die Mitverpflichtung des Schuldners nach § 1357 BGB bezieht. Das verlangt im hier zu entscheidenden Fall jedoch weder Erkundigungen noch - seiner Natur nach gar nicht möglichen - Vortrag zu der Frage, in welcher Weise der Anschluß durch die einzelnen Mitglieder der Familie genutzt wurde. Die Beklagte hat selbst nicht in Frage gestellt, daß es sich um einen privaten, nicht etwa mit einer geschäftlichen Tätigkeit ihres Ehemannes verbundenen Anschluß in der gemeinsamen Ehewohnung handelte. Daß der Anschluß unter diesen Umständen auch für die anderen Familienmitglieder verfügbar war, wird indiziell dadurch bestätigt, daß die Beklagte einen Teil der Gebühren - wenn auch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - gezahlt hat.

c) Das Berufungsgericht hat jedoch nicht hinreichend berücksichtigt, daß die Regelung des § 1357 BGB in das Unterhaltsrecht zusammenlebender Eheleute und damit in deren Lebenszuschnitt eingebunden ist. Die vorliegenden Rechnungen legen nach dem Vortrag der Beklagten die Annahme nahe, daß die angemessene Bedarfsdeckung in dem abgerechneten Zeitraum weit überschritten ist.
Üblicherweise wird die Frage, ob ein Geschäft der angemessenen Deckung des Lebensbedarfs dient, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beantworten sein. Dies gilt im Grundsatz auch für Dauerschuldverhältnisse, mit denen ein immer wiederkehrender Bedarf gedeckt werden soll. Dabei besteht zum Beispiel bei Energielieferungsverträgen von vornherein ein relativ enges Verhältnis zwischen der Lebenssituation der Eheleute (Größe der Familie, des Haushalts, eines etwaigen Anwesens) und der danach erforderlichen Bereitstellung unterschiedlicher Energien, das zwar Schwankungen des Verbrauchs nicht ausschließt, sich aber doch in der Regel in überschaubaren Grenzen hält. Dies rechtfertigt auch die Erwartung des Vertragspartners, im Hinblick auf die Zwecksetzung des Vertragsverhältnisses sich auf eine Mitverpflichtung des Ehegatten einzustellen. Beim Telefondienstvertrag läßt sich der Bedarf hingegen von vornherein nur schwer abschätzen; vielfach wird er - etwa wegen Veränderungen in der persönlichen Lebenssituation - auch erheblichen Änderungen und Schwankungen unterliegen. Die Umstände, die hierzu führen - etwa ein vermehrter Bedarf wegen einer doppelten Haushaltsführung; die Notwendigkeit, wegen Alters oder Krankheit nahestehender Angehöriger häufiger als früher zu telefonieren - treten regelmäßig nicht nach außen, gehen den Vertragspartner auch nichts an. Sichtbar wird für diesen nur das Ausmaß der tatsächlichen Inanspruchnahme während der Laufzeit des Vertrags, wobei sich aus der Zahlung der Rechnungsentgelte indiziell für ihn ergibt, in welchem Umfang die Ehegatten Mittel für diese Bedarfsposition als angemessen ansehen. In diesem Umfang und Rahmen, der - auch erhebliche - Änderungen des Ausgabeverhaltens einschließen kann, ist eine Mitverpflichtung des Ehegatten nach § 1357 BGB für einen Festnetzanschluß in der Ehewohnung ohne weiteres gegeben. Eine betragsmäßige Grenze hierfür läßt sich jedoch, weil sich der Lebensbedarf familienindividuell nach den Verhältnissen der Ehegatten richtet (vgl. BGHZ 94, 1, 6), nicht festlegen. Das rechtfertigt aber nicht, Kosten, die diesen Rahmen exorbitant überschreiten und die finanziellen Verhältnisse der Familie sprengen, nur deshalb der angemessenen Deckung des Lebensbedarfs zuzurechnen, weil das Vertragsverhältnis bei seiner Begründung auf eine familiäre Nutzung hinwies. Eine solche Erwartung kann auch ein Diensteanbieter auf der Grundlage der Haftungserweiterung des § 1357 BGB (billigerweise) nicht hegen, die den Gläubigerschutz nicht als Zweck, sondern nur als Folge der eheausgestaltenden Regelung vorsieht (vgl. BVerfGE 81, 1, 7 f). Demgegenüber kann es nicht darauf ankommen, für welche Verbindungen der Anschluß genutzt worden ist. Das muß - auch im Prozeß über die zu zahlenden Gebühren - ein Internum der Ehegatten bleiben, zu dem sich der Vertragspartner nicht äußern muß und von dem sein Recht, den Ehegatten nach § 1357 BGB auf Zahlung in Anspruch zu nehmen, nicht abhängen darf.

3. Da das Berufungsgericht nicht die Frage geprüft hat, ob die beiden streitgegenständlichen Rechnungen den vorstehend gekennzeichneten Rahmen überschritten haben, andererseits die Parteien Gelegenheit haben müssen, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats ergänzend vorzutragen, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu den weiter notwendigen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei kann das Doppelte des Betrages, der sich als Durchschnitt der unbeanstandeten Zahlungen in dem zurückliegenden Jahr der Vertragslaufzeit ergibt, im Regelfall als Maß für den Haftungsumfang nach § 1357 BGB herangezogen werden.

(Unterschriften)