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LG Köln, Urteil vom 26. September 2003, AZ: 81 O (Kart) 96/03, - Inkasso für Mehrwertdienste

Autor

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Leitsätzliches

Ein R-Gespräch ist nach Ansicht des LG Köln ein Fall der Sprachtelefonie, die jedenfalls von dem mit der Telekom abgeschlossenen Fakturierungs- und Inkassovertrag abzurechnen sind.

LANDGERICHT KÖLN

URTEIL

Aktenzeichen: 81 O (Kart) 96/03

Entscheidung vom 26. September 2003

In dem Rechtsstreit

 

...

 

hat das Landgericht Köln auf die mündliche Verhandlung vom ... durch die Richter ... für Recht erkannt:

 

Die Beklagte wird verurteilt, für die Klägerin das Fakturierungs- und Inkassoverfahren (Fakturierung und Forderungsersteinzug) gemäß den Bedingungen "Deutsche Telekom Allgemeine Geschäftsbedingungen und Preise Fakturierung und Inkasso" und der "Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkasso" auch für den Dienst "CollectCall" durchzuführen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des materiellen Ausspruchs gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 50.000,- und hinsichtlich der Kosten in Höhe von 120% desjenigen Betrages, dessentwegen vollstreckt wird.

 

 

T A T B E S T A N D:

Die Klägerin ist Verbindungsnetzbetreiberin. Die Beklagte ist Deutschlands größtes Telekommunikationsunternehmen und (u.a.) als Teilnehmernetzbetreiberin mit einem Anteil von rund 97% marktbeherrschend.

Die Parteien haben miteinander unter dem 18.2.2002 einen auch tatsächlich praktizierten Fakturierungs- und Inkassovertrag geschlossen, durch den sich die Beklagte verpflichtete, entsprechend einer beschlussweisen Anordnung seitens der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) vom 21.2./14.3.2000 für die Klägerin Sprach- und Mehrwertdienstleistungen gegenüber ihren - der Beklagten - Kunden in Rechnung zu stellen und eingehende Beträge für die Klägerin zu inkassieren.

 

Gegenstand des vorliegenden Streites ist das Begehren der Klägerin, auch sog. "R-Gespräche" - von ihr CollectCall genannt - entsprechend den Bedingungen des Vertrages von der Beklagten behandeln zu lassen.

Der Ablauf eines solchen Gespräches ist wie folgt:

Ein Gesprächsteilnehmer wünscht, ein Gespräch mit einem Kunden der Beklagten zu führen, möchte aber das Gespräch nicht selbst bezahlen; vielmehr soll der Angerufene die Kosten tragen. Zu diesem Zweck bietet die Klägerin ihm eine für ihn kostenlose Rufnummer ##### an, über die er mittels eines computergesteuerten Operators bei dem Kunden der Beklagten telefonisch anfragen lassen kann, ob dieser Kunde gewillt ist, die Kosten des zu führenden Gesprächs zu übernehmen; stimmt der Kunde zu, kommt das Gespräch auf seine Kosten zu Stande, wenn nicht, endet der Kontaktversuch, ohne dass eine der beteiligten natürlichen Personen irgend etwas bezahlen muss.

 

Die Klägerin ist der Auffassung, es handele sich entweder bereits ganz einfach um einen Fall der Sprachtelefonie, der ohne weiteres dem Vertrag unterfalle und dementsprechend behandelt werden müsse; oder aber man sehe ihn als einen Mehrwertdienst an, der aber ebenfalls von der Beklagten fakturiert werden müsse, weil es nicht der Dritte, sondern ausschließlich der Kunde der Beklagten sei, der mit seiner Zustimmung das Gespräch beginne und ein vertraglicher Ausschlussgrund ("Blocktarife") nicht vorliege. Die einzige, eine Ablehnung aber nicht rechtfertigende Besonderheit sei es, dass dem Gesprächsbeginn durch den Kunden der Beklagten nicht dessen Telefonnummernwahl, sondern eine Gesprächsanfrage seines - des DTAG-Kunden - Anrufsziels.

Bei dieser Konstruktion handele es sich um eine allgemein übliche Gestaltung, die auch von der Beklagten angeboten werde; sie - die Klägerin - rechne ausschließlich das entgeltliche Gespräch zwischen dem DTAG-Kunden und seinem Anrufziel ab, sodass die Weigerung der Beklagten nur als mutwillige Vertragsverletzung zum Zwecke der Marktzutrittsbehinderung gewertet werden könne.

 

Sie beantragt,

wie erkannt [soweit in der Klageschrift von "einstweiliger Verfügung" und "Antragstellerin" die Rede ist, handelt es sich offenkundig um einen Schreibfehler, der auf der Verwendung einer Textverarbeitung beruht].

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Sie verweist darauf, dass der Vertrag zwischen den Parteien ausdrücklich nur in dem Umfang geschlossen worden ist, wie die von der RegTP ausgesprochene Verpflichtung reicht; dort ist - und dies habe die erkennende Kammer in dem Verfahren 81 O (Kart) 183/03 auch so gesehen - es ausgeschlossen worden, dass Anwahlen über die Rufnummerngasse ##### von der Fakturierungspflicht ausgenommen seien. Auch bestehende Missbrauchsmöglichkeiten sowie das Fehlen der Freiheit des DTAG-Kunden, sich einen Verbindungsnetzbetreiber auszusuchen, berechtigten sie, eine Fakturierung der R-Gespräche abzulehnen.

 

Beide Parteien haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten verlangen, dass diese auch "CollectCall" - Gespräche gemäß dem zwischen den Parteien geltenden Fakturierungs- und Inkassovertrag in der jeweils geltenden Fassung abrechnet, denn es handelt sich um einen normalen Fall der Sprachtelefonie.

 

Zunächst einmal ist fest zu halten, dass sich der vorliegende Fall in ganz maßgeblichem Umfang von demjenigen unterscheidet, der bei der Kammer unter Aktenzeichen 81 O (Kart) 183/02 geführt worden ist, denn dort ist es darum gegangen, ob ein Mehrwertdienst - Gespräch dem Vertrag unterfällt, dass von dem DTAG-Kunden über ##### eingeleitet worden ist und bei dem er den kostenpflichtigen Rückruf für sich "bestellt" hat. Auch der Düsseldorfer Senat hat fest gestellt, dass der Bonner Fall - tatsächlich ein Parallelverfahren zu dem vorliegenden - nicht auf 81 O (Kart) 183/03 übertragen werden könne; darüber hinaus hat er es nicht für richtig gehalten, den Vertrag bzw. den Beschluss der RegTP entsprechend der Praktikabilität auszulegen.

 

Unabhängig davon aber, ob - wegen der oben beschriebenen Unterschiede zu 81 O (Kart) 183/03 - vorliegend auch dann eine Fakturierungs- und Inkassopflicht besteht, wenn ein Fall von Mehrwertdienst anzunehmen sein sollte, ergibt sich hier die Fakturierungspflicht der Beklagten daraus, dass ein Fall der Sprachtelefonie vorliegt, für den die RegTP keine auslegungsbedürftige Abgrenzung formuliert hat.

 

Wie im "normalen" Fall nämlich ist Zweck des Telefonates vorliegend der Wunsch zweier natürlicher Personen, die sich in einer gewissen Entfernung voneinander befinden, miteinander zu sprechen; Entgelt wird zeitabhängig und nur für das zur Verfügung Stellen der technischen Grundlage für ein solches Gespräch verlangt. Die einzige Besonderheit - die es dann auch ist, die zu höheren Kosten führt als für ein "normales" Gespräch - liegt darin, dass derjenige, von dem die unmittelbare Anregung für das Gespräch ausgeht, nicht zugleich auch derjenige ist, der die Kosten tragen muss.

 

Dieser Unterschied reicht nicht aus, das Gesamtereignis als Mehrwertdienst zu qualifizieren.

 

Prägender Schwerpunkt bleibt nämlich die Unterhaltung zweier natürlicher Personen, obwohl nicht zu übersehen ist, dass die Klägerin zusätzliche Leistungen anbietet, die Mehrwert - ähnlich sind; diese werden - unüblich für Mehrwertdienste - lediglich gegenüber dem Dritten erbracht und der DTAG-Kunde muss dieses "Mehr" bezahlen. Damit ändert sich aber nicht der Gesamtcharakter, denn es ist das Kennzeichen vieler ganz normaler, völlig unstreitiger Fälle von Sprachtelefonie, dass sie gegebenenfalls mehr kosten als sie kosten würden, wenn bestimmte Modalitäten eingehalten würden: so kosten Gespräche innerhalb der Geschäftszeiten mehr als in der Freizeit oder gar am Wochenende, weil dann mehr Gespräche geführt werden und mehr Leitungskapazität bereit gehalten werden muss; gleichwohl zu diesen Zeiten telefonieren zu können ist ein Mehrwert, der den Charakter der Sprachtelefonie nicht verändert. Dasselbe gilt für den Fall der Telefonie vom und zum Handy: für die Bequemlichkeit, von jedem Ort aus anzurufen und/oder an jedem Ort telefonisch erreichbar zu sein, die einen deutlichen Mehrwert gegenüber dem Gespräch vom und zum ortsgebundenen Festnetztelefon darstellt, muss zum Teil ganz massiv mehr bezahlt werden, ohne dass bislang die Meinung vertreten worden ist, es handele sich nicht um Sprachtelefonie.

 

Nicht anders verhält es sich mit dem "CollectCall" der Klägerin, denn "anders" und "mehrwertig" ist lediglich die Art und Weise, in der das Gespräch angeregt wird; tatsächlich "geführt" wird es dann auf der Grundlage der Zustimmung des DTAG-Kunden, der deshalb auch die Kosten tragen muss. Anders als im vielfach angesprochenen Fall 81 O (Kart) 183/03 handelt es sich hier nicht nur um eine Umgehung vorhandener Hemmschwellen oder gar Sperren, sondern um eine Art der Gesprächseinleitung, für die ein Bedarf besteht, der nur auf diese!Weise befriedigt werden kann.

 

Die Möglichkeit eines Missbrauchs und/oder die behauptetermaßen fehlende Freiheit des DTAG-Kunden, den Verbindungsnetzbetreiber für dieses R-Gespräch frei auszuwählen, hindert zum einen die Beklagte nicht, selbst solche R-Gespräche anzubieten und scheint deshalb nicht wirklich störend zu sein in der Sicht der Beklagten; zum anderen sind diese Aspekte aber auch unerheblich bei der Frage der Auslegung des Vertrages: Sprachtelefonie ist auf seiner Grundlage zu fakturieren und zu inkassieren. Der Inhalt des Schriftsatzes der Beklagten vom 26.8.2003 gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

 

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

 

Streitwert: EUR 250.000,-.

 

(Unterschriften)