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OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 29.11.2016, Az: OVG 6 B 84.15

Leitsätzliches

Der Bundestagspräsident ist nicht verpflichtet, einem Vertreter der Presse Auskunft zu Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete des Bundestags in der abgelaufenen und laufenden Legislaturperiode zu geben.

OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG

Im Namen des Volkes

Urteil

Urteil vom 29. November 2016

Az.: OVG 6 B 84.15

 

 

 

In der Verwaltungsstreitsache

 …

gegen

die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Platz der Republik 1, 11011 Berlin,

für Recht erkannt:

 

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist Redakteur einer Tageszeitung und begehrt Auskünfte zu Immunitätsangelegenheiten des Deutschen Bundestages in der vergangenen sowie der laufenden Legislaturperiode.

Im März 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten im Hinblick auf die aktuelle Berichterstattung zu dem Fall des ehemaligen Bundestagsabgeordneten E_____, ihm für die abgelaufene und laufende Legislaturperiode Auskunft zu erteilen,

1. in wie vielen Fällen dem Präsidenten des Deutschen Bundestages eine Mit-teilung (vgl. Anlage 6 GO-BT) über ein Ermittlungsverfahren gegen ein Mit-glied des Deutschen Bundestages gemacht worden ist,

2. in wie vielen Fällen eine Mitteilung an das betroffene Mitglied des Deutschen Bundestages unterblieben und der Präsident des Deutschen Bundestages über die Gründe dafür unterrichtet worden ist,

3. in wie vielen Fällen nach Kenntnis des Präsidenten des Deutschen Bundestages freiheitsentziehende und/oder freiheitsbeschränkende Maßnahmen im Ermittlungsverfahren angeordnet worden sind oder angeordnet werden sollten,

4. in wie vielen Fällen der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung dem Präsidenten des Deutschen Bundestages die im Wege der Vorentscheidungen ergangenen Beschlüsse (Anlage 6 GO-BT) mit-geteilt hat, um welche Delikte es jeweils bei den Mitteilungen bzw. Vorentscheidungen ging, insbesondere in wie vielen Fällen es um ein Delikt gemäß § 184b StGB ging (genaue Aufschlüsselung nach Delikten im StGB sowie in straf-rechtlichen Nebengesetzen).

Die Beklagte teilte dem Kläger im März 2014 mit, dass die Zahl der Immunitätsfälle seit der ersten Wahlperiode im Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages wiedergegeben werde. In der abgelaufenen 17. Wahlperiode habe es neun Fälle gegeben. Die Beklagte lehnte unter Hinweis auf die derzeitige Beschlusslage des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung die Erteilung weiterer Auskünfte ab und verwies den Kläger an den Vorsitzenden dieses Ausschusses. Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts-ordnung beschloss am 13. März 2014, an seiner bisherigen Praxis festzuhalten und nur die Zahl der Immunitätsfälle zu veröffentlichen, in denen der Bundestag einen Beschluss gefasst hat.

Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit Urteil vom 30. September 2016 die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die begehrten Auskünfte zu erteilen. Dem Kläger stehe ein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch zu. Der Auskunftsanspruch sei nicht auf die Exekutive als auskunftspflichtige Behörde beschränkt, sondern um-fasse auch Parlamente und ihre Verwaltungen. Es könne offenbleiben, ob der Gesetzgeber berechtigt wäre, Kernbereiche parlamentarischer Tätigkeit und insbesondere Immunitätsangelegenheiten vom Anwendungsbereich des presserechtlichen Auskunftsanspruchs vollständig auszunehmen oder eine abwägungsfeste Ausnahme zu schaffen, da der von dem Kläger geltend gemachten Anspruch da-von jedenfalls nicht betroffen wäre. Die im Informationsfreiheitsrecht vorgesehene Bereichsausnahme für die parlamentarische Tätigkeit von Abgeordneten sei auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch nicht übertragbar. Vielmehr sei zwischen der Pressefreiheit und entgegenstehenden Vertraulichkeitsinteressen im Wege praktischer Konkordanz ein Ausgleich zu schaffen. Der in Immunitätsangelegenheiten bestehende Genehmigungsvorbehalt des Parlaments diene vornehmlich dem Schutz der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments sowie dessen Ansehen. Dies könne es rechtfertigen, die Beratungen des Immunitätsausschusses generell von der Auskunftspflicht auszunehmen, nicht jedoch die von dem Kläger begehrten allgemeinen statistischen Angaben zu Immunitätsangelegenheiten. Diese erlaubten keine Rückschlüsse auf die Entscheidungspraxis des Aus-schusses. Um das Ansehen des Parlaments vor Fehlschlüssen zu schützen, könnte die Beklagte zugleich die Zahl der Verfahrenseinstellungen veröffentlichen, über die sie von den Strafverfolgungsbehörden unterrichtet werde, oder die Daten in anderer geeigneter Weise erläutern. Der Präsident des Deutschen Bundestages könne die zweckgebunden übermittelten Informationen über Strafermittlungsverfahren statistisch erfassen. Die statistische Erfassung der Immunitätsverfahren sei als Verwaltungstätigkeit anzusehen. Der einzelne Abgeordnete sei zwar nicht zur Auskunft über ihn betreffende Strafverfahren verpflichtet, jedoch durch die Preis-gabe allgemeiner statistischer Daten zu Immunitätsverfahren nicht in seinen schutzwürdigen Vertraulichkeitsinteressen verletzt. Auch Einzelangaben zu bestimmten Delikten wie Verbreitung, Erwerb oder Besitz kinderpornographischer Schriften seien nicht geeignet, ein schlechtes Licht speziell auf Abgeordnete des Deutschen Bundestages in ihrer Gesamtheit zu werfen. Die Informationen über die im Plenum des Bundestages behandelten Fälle könnten die begehrten Aus-Auskünfte nicht ersetzen. Das Auskunftsinteresse des Klägers könne gegenüber dem Vertraulichkeitsinteresse der Beklagten nicht als nachrangig qualifiziert werden. Der Kläger wolle nähere Auskünfte zu bislang nicht veröffentlichten Immunitäts-verfahren erlangen, die es erlaubten, auch das private Verhalten der Abgeordneten einschließlich möglicher Verfehlungen zu beleuchten und ins Verhältnis zu deren öffentlichem Wirken zu setzen. Das Gewicht des geltend gemachten Auskunftsinteresses dürfe nicht von einer journalistischen Relevanzprüfung abhängig gemacht werden. Der Beschluss des Immunitätsausschusses, an seiner bisherigen Informationspolitik festzuhalten, könne dem Anspruch nicht entgegengehalten werden.

Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, inwieweit sich der presserechtliche Auskunftsanspruch auf Tätigkeiten erstreckt, die im Zusammenhang mit immunitätsrechtlichen Angelegenheiten stehen, zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor, dass der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse auf parlamentarische Tätigkeiten des Deutschen Bundestages, zu denen die Immunitätsangelegenheiten zählten, keine Anwendung finde. Entscheidungen in Immunitätsangelegenheiten (auch eine Übersicht über eingeleitete Ermittlungsverfahren) gehörten umfassend zum parlamentarischen Bereich und stellten keine Verwaltungstätigkeit dar. Die verfassungsrechtlich verankerte Immunität diene dem Schutz der Institution des Parlaments und dessen Funktionsfähigkeit. Der Immunitätsausschuss als parlamentarisches Gremium habe ausdrücklich an der bisherigen Praxis festgehalten und damit verdeutlicht, dass die Frage der Auskunftserteilung in Immunitätsangelegenheiten als eine Angelegenheit der parlamentarischen Eigenverantwortung angesehen werde. Die begehrten Informationen befänden sich in den Akten des Immunitätsausschusses. Selbst wenn der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch im parlamentarischen Bereich anwendbar sein sollte, wäre der Gesetzgeber berechtigt, für Immunitätsangelegenheiten einen einzelfallunabhängigen Auskunftsausschluss zu normieren. Bereits das Bekanntwerden der Zahl der Ermittlungsverfahren sei geeignet, das Vertrauen in die Arbeit des Parlaments zu unter-graben. Jedenfalls stünden dem Auskunftsanspruch berechtigte schutzwürdige Interessen entgegen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. September 2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Er verteidigt in der mündlichen Verhandlung die erstinstanzliche Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskünfte (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

I. Anspruchsgrundlage für den vom Kläger begehrten Auskunftsanspruch kann nach der Rechtsprechung des Senats wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz der Länder und Untätigkeit des zuständigen Bundesgesetzgebers nur unmittelbar das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG sein (Beschlüsse des Senats vom 20. Januar 2015 - OVG 6 S 42.14 -, juris Rn. 4, und vom 20. November 2015 - OVG 6 S 45.15 -, juris Rn. 9). Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, an der dieses auch im Hinblick auf eine entgegenstehende Auffassung des OVG Münster, wonach auch für Bundesbehörden die Regelungen des Landespressegesetzes des jeweiligen Sitzstaates einschlägig seien (OVG Münster, Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 5 A 413/11 -, DVBl. 2014, S. 464 ff., juris Rn. 48), ausdrücklich festgehalten hat (BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348). Die Fachgerichte haben den Presseangehörigen im Ergebnis einen Auskunftsanspruch einzuräumen, der hinter dem Gehalt der – untereinander im Wesentlichen inhaltsgleichen, auf eine Ab-wägung zielenden – Auskunftsansprüche der Landespressegesetze nicht zurück-bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2015 - 1 BvR 1452/13 -, juris Rn. 12).

Anders als von dem Verwaltungsgericht angenommen, ist der Anwendungsbereich des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs vorliegend nicht eröffnet. Die hier begehrten Auskünfte beziehen sich alle unmittelbar auf Immunitätsangelegenheiten als eigene Angelegenheiten des Parlaments und sind als solche von dem Anwendungsbereich des auf Verwaltungshandeln beschränkten presserechtlichen Auskunftsanspruch ausgenommen.

Zwar wird der Bundestagspräsident nicht nur in verfassungsrechtlicher Funktion für den Deutschen Bundestag, der verfassungsrechtlich ein besonderes Organ der Gesetzgebung im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ist, tätig, sondern nimmt auch Verwaltungsaufgaben wahr und agiert insoweit wie eine Behörde (vgl. dazu Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 199). Die begehrten Informationen beziehen sich hier aber auf die parlamentarische Tätigkeit und nicht auf die bloße Bundestagsverwaltung. Das Verwaltungsgericht bewertet die Erfassung der hier begehrten statistischen Angaben als reine Verwaltungstätigkeit der Bundestagsverwaltung (UA S. 19) und stützt sich insoweit auf einen Vergleich zu der Gerichtsstatistik und Pressearbeit eines Gerichts, die als Angelegenheiten der Gerichtsverwaltung dem presserechtlichen Auskunftsanspruch zugänglich sind. Dabei lässt es außer Acht, dass es auf die Qualität der begehrten Informationen und nicht darauf ankommt, dass die Anfrage verwaltungsmäßig in der Bundestagsverwaltung bearbeitet wird.

Dass das Auskunftsbegehren des Klägers den parlamentarischen Bereich und nicht eine Verwaltungstätigkeit des Bundestagspräsidenten betrifft, ergibt sich aus den Regelungen zum Immunitätsrecht (Art. 46 Abs. 2 bis 4 GG), die im Kern Parlamentsrecht, aber vor allem auch Geschäftsordnungsrecht (Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG) sind.

1. Art. 46 Abs. 2 GG sieht vor, dass ein Abgeordneter wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden darf, es sei denn, dass er bei der Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird. Nach Art. 46 Abs. 3 GG steht jede Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten unter dem Genehmigungsvorbehalt des Bundestages. Der Bundestag kann nach Art. 46 Abs. 4 GG die Aussetzung jedes Strafverfahrens, jeder Haft und jeder sonstigen Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten verlangen (sog. Reklamationsrecht).

a) Die Immunität dient dem Schutz des Abgeordneten vor Beeinträchtigungen seiner parlamentarischen Tätigkeit und damit zugleich der Sicherung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bundestages. Die Immunität findet heute ihre Recht-fertigung vor allem im Repräsentationsprinzip. Auch wenn das Grundgesetz den einzelnen Abgeordneten als "Vertreter des ganzen Volkes" bezeichnet, so kann er dieses doch nur gemeinsam mit den anderen Parlamentsmitgliedern repräsentieren. Wird das Volk bei parlamentarischen Entscheidungen nur durch das Parlament als Ganzes, d.h. durch die Gesamtheit seiner Mitglieder, angemessen repräsentiert, so muss die Mitwirkung aller Abgeordneten bei derartigen Entscheidungen nach Möglichkeit und im Rahmen des im demokratisch-parlamentarischen System des Grundgesetzes Vertretbaren sichergestellt sein. Durch eine Behinderung der parlamentarischen Arbeit des einzelnen Abgeordneten werden nicht nur die vom Volke festgelegten Mehrheitsverhältnisse verändert. Der Strafverfolgungsmaßnahmen ausgesetzte Abgeordnete wird möglicherweise auch gehindert, seine Sachkompetenz, seine Erfahrungen, seine Überzeugungen und die Interessen seiner Wähler in die parlamentarische Arbeit einzubringen. Auch dadurch wird die parlamentarische Willensbildung, die auf einen Ausgleich sozialer Gegensätze zielt, beeinträchtigt. Nach wie vor soll die Immunität auch davor schützen, dass missliebige Abgeordnete durch Eingriffe der anderen Gewalten in ihrer parlamentarischen Arbeit behindert werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2001 - BvE 2/00 - BVerfGE 104, 310, juris Rn. 73 ff.).

b) Die Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten ist eine Maßnahme im Rahmen der Parlamentsautonomie, die der Bundestag grundsätzlich in eigener Verantwortung trifft. Die dem Parlament zustehende Autonomie erstreckt sich nicht nur auf Angelegenheiten der Geschäftsordnung. Autonomie bezeichnet die allgemeine Befugnis des Parlaments, seine eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln. Die Genehmigung der Durchführung von Strafverfahren gegen seine Mitglieder ist eine eigene Angelegenheit des Parlaments. Daher entscheidet das Parlament grundsätzlich in eigener Verantwortung, ob es die Genehmigung erteilt oder versagt (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2001, a.a.O., Rn. 81).

2. Wie in Immunitätsangelegenheiten zu verfahren ist, wird in § 107 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) geregelt. Nach § 107 Abs. 1 GO-BT sind Ersuchen in Immunitätsangelegenheiten vom Präsidenten unmittelbar an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (im Folgenden: Immunitätsausschuss) weiterzuleiten. Dieser hat Grundsätze über die Behandlung von Ersuchen auf Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages aufzustellen (Anlage 6) und diese Grundsätze zum Ausgangspunkt seiner in Einzelfällen zu erarbeitenden Beschlussempfehlungen an den Bundestag zu machen (Abs. 2). Die Beratung über eine Beschlussempfehlung ist an Fristen nicht gebunden. Sie soll frühestens am dritten Tage nach Verteilung der Vorlage (§ 75 Abs. 1 Buchstabe h GO-BT) beginnen. Ist die Beschlussempfehlung noch nicht verteilt, wird sie verlesen (Abs. 3). Vor der Konstituierung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung kann der Präsident dem Bundestag in Immunitätsangelegenheiten unmittelbar eine Beschlussempfehlung vor-legen (Abs. 4).

3. Der von dem Immunitätsausschuss nach § 107 Abs. 2 BO-BT gefasste Beschluss betreffend die Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages sowie die Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten (vgl. Anlage 6 zur GO-BT) stellen eine Sondergeschäftsordnung dar, die eine normative Selbst-bindung des Ausschusses bewirkt (Klein in: Maunz/Dürig, GG, Bd. IV, Art. 46 Rn. 57). Nach Nr. 1 des Beschlusses betreffend die Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages genehmigt der Deutsche Bundestag bis zum Ablauf der Wahlperiode die Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen Bundestags-abgeordnete, es sei denn, dass es sich um Beleidigungen politischen Charakters handelt. Die Genehmigung umfasst nicht die in Nr. 2 des Beschlusses aufgeführten Verfahren (Erhebung der öffentlichen Klage wegen einer Straftat, Erlass eines Strafbefehls) und freiheitsentziehende oder -beschränkende Maßnahmen. Vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens ist dem Bundestagspräsidenten und – soweit nicht Gründe der Wahrheitsfindung entgegenstehen – dem betroffenen Bundestagsabgeordneten Mitteilung zu machen. Die Unterrichtung des Bundestagspräsidenten über die beabsichtigte Einleitung eines Ermittlungsverfahrens dient insbesondere der Wahrung des Reklamationsrechts des Parlaments in Immunitätsangelegenheiten nach Art. 46 Abs. 4 GG. Der Bundestagspräsident nimmt die Mitteilung als Vertreter des Parlaments entgegen und leitet sie an den Immunitätsaus-schuss weiter. Das Ermittlungsverfahren darf im Einzelfall frühestens 48 Stunden nach Zugang der Mitteilung beim Bundestagspräsidenten eingeleitet werden. Dieser kann im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des Immunitätsausschusses die Frist angemessen verlängern. Die Möglichkeit, die 48-stündige Wartefrist zu verlängern, dient der Sicherstellung des dem Bundestag zustehenden Reklamations-rechts (Klein, a.a.O., Art. 46 Rn. 98). Der Bundestagspräsident besitzt insoweit eine eigene parlamentarische Entscheidungskompetenz. Der Bundestagspräsident hat zudem nach § 7 Abs. 1 Satz 3 GO-BT eine beratende Stimme im Immunitätsausschuss. Auch in dem in Nr. 3 des Beschlusses vorgesehenen Fall, dass der Immunitätsausschuss zur Vereinfachung des Geschäftsganges bei Verkehrs-delikten und als Bagatellangelegenheiten zu betrachtenden Straftaten eine Vor-entscheidung über die Genehmigung in den Fällen der Nr. 2 (insb. Erhebung der Klage, Erlass eines Strafbefehls, freiheitsentziehende bzw. freiheits-beschränkende Maßnahmen in Ermittlungsverfahren) trifft, ist dies dem Bundes-tag durch den Bundestagspräsidenten, bei dem innerhalb von sieben Tagen Widerspruch erhoben werden kann, schriftlich mitzuteilen (Nr. 7 des Beschlusses; Nr. 13 der Grundsätze). Liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Vor-entscheidung durch den Immunitätsausschuss nicht vor, entscheidet das Plenum des Bundestages über die Genehmigung zur Durchführung eines bestimmten Verfahrens oder einer bestimmten Maßnahme (vgl. Nr. 4 der Grundsätze). Der Antrag hierzu ist an den Bundestagspräsidenten zu richten, der diesen an den zuständigen Ausschuss weiterzuleiten hat (zur Antragsberechtigung u.a. der Staatsanwaltschaften s. Nr. 1 der Grundsätze). Es handelt sich um einen innerparlamentarischen Vorgang, bei dem eine exekutive Tätigkeit des Bundestagspräsidenten nicht zu erkennen ist. Die im Ausschuss erarbeitete Beschlussempfehlung wird auf die Tagesordnung des Plenums gesetzt und als Bundestagsdrucksache verteilt und veröffentlicht. Der Bundestag beschließt darüber in öffentlicher Sitzung. Nach Nr. 4 Satz 2 der Grundsätze ist die Entscheidung über die Aufrechterhaltung oder Aufhebung der Immunität eine "politische Entscheidung". Der Kern dieser Entscheidung beruht auf einer Interessenabwägung zwischen den Belangen des Parlaments und den Belangen der anderen hoheitlichen Gewalten (Nr. 4 Satz 3 der Grundsätze). Bei dieser Abwägung kommt dem Bundestag ein weiter Entscheidungsspielraum zu (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2001, a.a.O., Rn. 82). Der Beschluss wird als Bundestagsdrucksache sowie in statistischer Form im Datenhandbuch des Deutschen Bundestages veröffentlicht.

4. Die dargestellten Regelungen machen deutlich, dass der Bundestagspräsident in Immunitätsangelegenheiten nicht als Verwaltungsbehörde, sondern in parlamentarischem Auftrag tätig wird. Dafür spricht auch, dass nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beklagten Verwaltungsvorgänge zu den Immunitätsangelegenheiten nicht bei dem Bundestagspräsidenten, sondern ausschließlich im Immunitätsausschuss geführt werden. Die Zuordnung der Immunitätsangelegenheiten zu den parlamentarischen Angelegenheiten entspricht im Übrigen auch der Wertung des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes. Danach werden Immunitätsangelegenheiten dem spezifischen Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten zugeordnet, der vom Informationszugang ausgenommen bleibt (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 8).

II. Soweit der Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht nur gegen den Bundestagspräsidenten als Behörde, sondern auch gegen den Deutschen Bundestag als besonderes Organ der Legislative geltend machen zu wollen, kann offen gelassen werden, ob sich der von dem Bundesverwaltungsgericht entwickelte verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch auch auf Organe der Legislative erstreckt. Für einen verfassungsunmittelbaren Auskunfts-anspruch ist jedenfalls in den Sachmaterien, in denen der Gesetzgeber von seiner gesetzlichen Kompetenz zur Regelung von Auskunftsansprüchen Gebrauch ge-macht hat, kein Raum. Die Kompetenz zur Regelung einer Sachmaterie – hier der eigenen Geschäftsordnung nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG – schließt als Annex die Befugnis ein, Voraussetzungen und Grenzen zu regeln, unter denen der Öffentlichkeit, einschließlich der Presse Informationen zu erteilen sind oder erteilt werden dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2/12 - BVerwGE 146, 56, juris Rn. 17 ff. <Rn. 22>). Davon hat der Deutsche Bundestag Gebrauch gemacht. Er hat – wie oben dargestellt – in seinem Geschäftsordnungsrecht sowie dem hierzu erlassenen Sondergeschäftsordnungsrecht im Einzelnen geregelt, in welchen Immunitätsfällen und -verfahren ein Beschluss des Plenums erfolgt und damit zugleich festgelegt, in welchem Umfang Informationen über Immunitätsangelegenheiten öffentlich zugänglich gemacht werden. Dass der Deutsche Bundes-tag dabei einen Teilbereich der Immunitätsangelegenheiten – hier insbesondere die Ermittlungsverfahren – von der Auskunftserteilung zur Gänze ausgenommen hat, ist mit Blick auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu beanstanden.

Der Gesetzgeber unterliegt der Vorgabe, Vertraulichkeitsinteressen nur dann Vor-rang gegenüber dem Informationsinteresse von Pressevertretern einzuräumen, wenn hierfür plausible Gründe sprechen (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O., Rn. 29). Hiervon ausgehend ist der Deutsche Bundestag befugt, die Immunitätsangelegenheiten – soweit sie nicht ohnehin öffentlich zugänglich gemacht werden – weitgehend gegen einen informatorischen Zugriff der Presse zu schützen. Der hohe verfassungsrechtliche Rang der Repräsentationsfunktion des Parlaments stellt einen plausiblen Grund dar, in Bezug auf die hier in Rede stehen-den Immunitätsangelegenheiten einen abwägungsfesten Ausschlussgrund zu normieren, der die Erteilung der hier begehrten Informationen ausschließt. Die Beklagte beruft sich zu Recht darauf, dass Art. 46 Abs. 2 bis 4 GG das Parlament nicht nur vor Einwirkungen durch die Strafverfolgungsbehörden, sondern auch vor Behinderungen der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments durch Veröffentlichung der Aufnahme von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren schütze. Es bestehe die Gefahr öffentlicher Spekulationen mit der Folge eines Rechtfertigungsdrucks der betroffenen Abgeordneten, die sich dadurch nicht mehr auf ihre Sacharbeit konzentrieren könnten. Bereits die Veröffentlichung der Zahl der Ermittlungsverfahren könne geeignet sein, das Vertrauen in die Arbeit des Parlaments zu untergraben. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Immunitätsausschusses kann die Veröffentlichung der Zahl und weiterer Angaben der staatsanwaltschaftlichen Mitteilungen über beabsichtigte Ermittlungsverfahren dazu führen, dass aus diesen Angaben auf eine hohe Kriminalitätsbelastung der Abgeordneten geschlossen wird, ohne dass berücksichtigt wird, dass Abgeordnete – ebenso wie Prominente – eventuell häufiger von Strafanzeigen betroffen sind und ein hoher Anteil der Ermittlungsverfahren eingestellt wird. Die zu Ermittlungs-verfahren begehrten Informationen sind geeignet, öffentliches Aufsehen zu erregen, obwohl sie Verfahren betreffen, bei denen nicht feststeht, ob und inwieweit das Mitglied des Deutschen Bundestags überhaupt eine Schuld trifft. Damit ist das Gegenteil dessen erreicht, was die Immunität bezweckt, nämlich die Funktionsfähigkeit des Bundestages zu schützen (so Klein, a.a.O., Art. 46 Rn. 99). Es ist da-her gerechtfertigt, Informationen zu Ermittlungsverfahren grundsätzlich von einem Auskunftsanspruch auszunehmen. Das gilt auch für Angaben zu grundsätzlich nicht öffentlichen Vorentscheidungsverfahren bei Verkehrs- und Bagatelldelikten (Nr. 3 des Beschlusses) sowie zu Genehmigungen freiheitsentziehender oder –beschränkender Maßnahmen im Ermittlungsverfahren (Nr. 2 Buchstabe c des Beschlusses), die der Beklagte allerdings aus nicht näher erläuterten historischen Gründen in seinem Datenhandbuch veröffentlicht, sowie den begehrten Angaben zu Art und Häufigkeit von Deliktstypen (einschließlich § 184b StGB). Dies entspricht im Übrigen der Wertung des Gesetzgebers bei der Schaffung der gesetzlich geregelten allgemeinen und bereichsspezifischen Ausschlussgründe des Informationsfreiheitsgesetzes. Wie bereits ausgeführt, ist der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten, zu denen Immunitätsangelegenheiten zählen, vom Informationszugang nach § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG aus-genommen (BT-Drs. 15/4493 S. 8).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist zuzulassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommt.