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Frauentausch - Persönlichkeitsrechtsverletzung durch bewusstes Herabsetzen trotz vorheriger Einverständniserklärung (LG Berlin, Urteil vom 26.07.2012, Az. 27 O 14/12)

Leitsätzliches

Das Landgericht Berlin hat das Persönlichkeitsrecht einer Teilnehmerin bei der Serie "Frauentausch" gestärkt, indem es klarstellte, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch durch ein schriftliches Einverständnis nicht vollkommen abdingbar ist. Gewisse Standards bei der Darstellung von Personen in der Öffentlichkeit müssen eingehalten werden.

 

LANDGERICHT BERLIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

Aktenzeichen: 27 O 14/12

Entscheidung vom 26. Juli 2012

 

 

In dem Rechtsstreit

...

gegen

...

 

hat das Landgericht Berlin - 27. Zivilkammer - durch die Richter..., ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juli 2012

 

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, die mit der Klägerin aufgezeichnete Folge der Serie „Frauentausch" zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen, wie an … auf dem Sender … geschehen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Ansprüchen der … Rechtsanwälte GbR in Höhe von 523,48 € freizustellen.

3. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 3/7 und die Beklagte 4/7 zu tragen.

Das Urteil ist Vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs aber nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 %. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Kostenbetrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

 

I. Tatbestand

Die Beklagte ist ein Unternehmen, das unter anderem die auf dem Fernsehsender … ausgestrahlte Serie „Frauentausch“ produziert. In dieser Serie geht es jeweils um zwei Familien, deren Frauen für zehn Tage den Haushalt tauschen und bei der jeweils anderen Familie leben. Die Klägerin ist Mutter von fünf eigenen Kindern, darunter einem mit geistiger Behinderung. Ein psychologisches Gutachten vom 30.7.2007 bescheinigt ihr im Vergleich zu ihrer Altersgruppe unterdurchschnittliches Denkvermögen, weit unterdurchschnittliche sprachlogische Fähigkeiten und leicht unterdurchschnittliche Rechtschreibkenntnisse. Sie bewarb sich, nachdem sie sich zunächst für ein anderes Fürmat gemeldet hatte, um eine Mitwirkung bei dem Fürmat „Frauentausch", woraufhin die Beklagte im September 2007 Probeaufnahmen anfertigen ließ. Im Rahmen der Vorgespräche füllte die Klägerin einen Fragebogen aus, für dessen Inhalt auf die Anlage B 3 Bezug genommen wird. Im Oktober 2007 unterzeichneten die Klägerin, ihr jetziger Ehemann und die Kinder eine Mitwirkungsvereinbarung mit der Beklagten, wonach sie sich nach Maßgabe der Vertragsbedingungen zur Mitwirkung an der Produktion einer Folge der Serie "Frauentausch" verpflichteten. Als Aufwandsentschädigung waren pauschal 1.500 Euro vorgesehen. Für den weiteren Inhalt des Vertrages wird Bezug genommen auf die Anlage B 4. Der Verlauf der anschließenden Dreharbeiten wird von den Parteien unterschiedlich geschildert. Nach der Nachbearbeitung der Aufnahmen durch die Beklagte wurde am die Folge der Serie „Frauentausch" mit der Klägerin als einer der Protagonistinnen auf ausgestrahlt. Gegen Ende gibt es eine Interviewszene, in der ein Kind über die Klägerin sagt: "Hallo Mama, kannst ruhig zu Hause bleiben … … ist viel besser als Mama." und ein anderes Kind: "Tschüss! Komm nicht wieder, bleib, wo Du bist". Für den weiteren Inhalt des Beitrages wird Bezug genommen auf die Anlage K 3.

Mn anwaltlichem Schreiben vom 11.2.2009 (Anlage K 4) fürdert die Klägerin den Sender zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung einer Geldentschädigung auf. Die Beklagte, der das Schreiben von … zur Beantwortung weitergeleitet worden war, lehnte die Ansprüche mit Schreiben vom 16.2.2009 (Anlage K 5) ab.

Mit am 29.12.2011 eingegangenem Schriftsatz beantragte die Klägerin Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren, die mit Beschluss vom 22.3.2012 bewilligt wurde.

Die Klägerin behauptet, ihr Sohn …sei dazu angestiftet worden zu erzählen, warum er sie und ihren jetzigen Ehemann … nicht möge. Die Kinder seien dazu angehalten worden, nicht auf die Aussagen von Herrn … zu reagieren. Sie seien auch zu der Prügelszene aufgefürdert worden. Auch Herr … sei gebeten worden, sich deutlich negativer und aggressiver über sie zu äußern. Die Szenen, in denen sie sich schminke, Engel um Hilfe bitte und pendele, seien auf Auffürderung durch den Regisseur, der sie stark unter Druck gesetzt habe, inszeniert worden. Ihre Kinder seien auch animiert worden, die Sätze in der Videobotschaft, wonach sie nicht mehr wiederkommen solle, zu sagen. Die Dreharbeiten seien dann abgebrochen worden. Nach Ausstrahlung der Folge seien die Kinder massiv geärgert worden; eine Gruppe Jugendlicher habe sich vor der Wohnung versammelt und die Familie beschimpft. Unter anderem deshalb sei sie nach … gezogen.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei intellektuell und psychisch Überfürdert und als Showelement der Sendung missbraucht worden, wodurch ihre Menschenwürde verletzt werde. Der Beitrag sei rein tendenziös zusammengeschnitten; auch die nachträgliche Bearbeitung mit Bild- und Soundeffekten diene nur dazu, sie lächerlich zu machen. Sie sei davon ausgegangen, dass sie in Alltagssituationen dokumentarisch begleitet werde; eine ausreichende Aufklärung aber die Verwendung der Aufnahmen habe nicht stattgefunden. Die Beklagte habe rücksichtslos ihre eingeschränkten intellektuellen Fähigkeiten und die Situation der emotionalen Überfürderung ausgenutzt, so dass auch eine Geldentschädigung gerechtfertigt sei. Die Beklagte müsse ihr auch die außergerichtlichen Anwaltskosten ersetzen.



Die Klägerin beantragt

1. Der Beklagten wird bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, untersagt, die mit der Klägerin aufgezeichnete Folge der Serie „Frauentausch" zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen, wie am … auf dem Sender … geschehen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Geldentschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch mindestens 15.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit betragen sollte.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Ansprüchen der … in Höhe von 985,08 Euro freizustellen.

 

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, während der Dreharbeiten habe das Team keine inhaltlichen Vorgaben gemacht; die Familie sei auch nicht unter Druck gesetzt und die Dreharbeiten ganz normal abgeschlossen worden.

Sie ist der Ansicht, die Einwilligung der Klägerin sei ausreichend, zumal in dem Mitwirkendenvertrag diese bestätigt habe, das Fürmat zu kennen, und die Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung der Protagonisten betont werde. Die Beklagte ist der Auffassung, der auf ein vollständiges Verbot zielende Antrag sei unzulässig, weil er nicht auf die konkrete Verletzungsfürm beschränkt sei. Eine etwaige Wiederholungsgefahr sei entfallen, da sie alle Rechte an der Produktion …übertragen habe. Die geltend gemachten Ansprüche seien auch verjährt.

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird Bezug genommen auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen.



II. Entscheidungsgründe

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der abermaligen Verbreitung der Folge der Serie „Frauentausch“, in der die Klägerin zu sehen ist, aus §§ 823 Abs. 1,1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. §§ 22,23 KUG, Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, da sie durch deren Verbreitung rechtswidrig in ihrem Recht am eigenen Bild bzw. in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wird.

a) Gemäß § 22 S. 1 KUG ist die Verbreitung des Bildnisses nur mit der Einwilligung der abgebildeten Person zulässig, die gemäß § 22 S. 2 KUG bei einer Entlohnung vermutet wird. Hier liegt zwar eine Einwilligung der Klägerin in die Verbreitung ihres Bildnisses durch die Beklagte vor, diese Einwilligung umfasst aber nicht eine Veröffentlichung wie in der am … auf dem Fernsehsender … ausgestrahlte Folge "Frauentausch“ geschehen. Die von der Klägerin unterzeichnete Mitwirkungsvereinbarung stellt insoweit keine wirksame Einwilligung dar.

aa) Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung ist, dass dem Betroffen Art, Umfang und Zweck der Veröffentlichung der Verbreitung des Bildnisses bekannt sind. Eine erteilte Einwilligung ist grundsätzlich eng auszulegen entsprechend der konkreten Zweckbestimmung (vgl. Wenzel, 5. Auflage 2003, Rdn. 7.81). Eine Bekanntmachung der beabsichtigten Verwendung ist Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Einwilligung des Betroffenen vor allem dann, wenn dieser im Umgang mit Medien unerfahren ist und wenn der Beitrag Vorgänge betrifft, deren Veröffentlichung für den Betroffenen unangenehm ist. Je weitergehend die geplante Veröffentlichung die Privatsphäre des Betroffenen betrifft, desto klarer muss er über Verwendung und Art des Beitrags aufgeklärt worden sein (OLG Hamburg v. 4.5.2004, 7 U 10/04, juris Rn. 9).
bb) Hier hat die Klägerin ausweislich der von der Beklagten zum Nachweis der Einwilligung vorgelegten Mitwirkungsvereinbarung darin eingewilligt, bei Filmaufnahmen für die Sendung „Frauentausch" mitzuwirken. In dem Vertrag ist die Rede davon, dass es sich um eine "TV-Dokumentations-Serie" handelt, die vorrangig einen Dokumentationscharakter haben soll (vgl. Präambel, Ziffer 1.10 und 1.13). Die tatsächlich ausgestrahlte Folge der Sendung mit den Aufnahmen der Klägerin geht aber weit aber eine Dokumentation hinaus, und zwar unabhängig davon, ob es, wie die Klägerin behauptet, zu Beeinflussung und konkreten Anweisungen des Fernsehteams gekommen ist. Tatsächlich wurde das Verhalten der Klägerin nicht nur dokumentiert, sondern durch Einspielung von graphischen Elementen (Engelszenen, Küche), von Musik und durch die Off-Stimme des Erzählers kommentiert. Diese Kommentare beschränken sich nicht auf die Bewertung der dokumentierten Erlebnisse, sondern dienen vor allem dazu, die Klägerin als Person lächerlich zu machen. Sie wird als überforderte und geistig verwirrte, bei ihren Kindern unbeliebte Mutter der praktisch veranlagten, durchsetzungsfähigen, sympathischen und ordentlichen Tauschmutter gegenüber gestellt. Insbesondere beschränken sich die von der Beklagten vorgenommenen Ergänzungen nicht auf harmlose ironische Kommentare, sondern stellen die Schwächen der Klägerin in den Mittelpunkt der gesamten Folge. Deutlich wird dies etwa, wenn die Klägerin sich über die neue Küche freut, dies von der Beklagten durch nachträgliche Bild- und Soundeffekte aber gleich lächerlich gemacht wird und mit Untermalung von Heavy Metall Musik noch vorhandene Mängel gezeigt werden. Dieses Muster zieht sich durch den gesamten Beitrag, etwa wenn der Klägern beim Schminken eine gezeichnete Krone aufgesetzt wird. Wer in die Anfertigung von Filmaufnahmen für ein Fernsehformat mit Dokumentationscharakter einwilligt, muss mit derartigen nachträglich erfolgenden Bearbeitungen, die nur das Ziel der Verspottung haben, nicht rechnen.

cc) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Klägerin das Format "Frauentausch" bekannt war, sie sich freiwillig dafür beworben und andere Folgen gesehen hatte. Dass der Klägenn Folgen des Formats gezeigt wurden, die wie ihre Folge weit über das Dokumentarformat hinausgingen, oder sie darauf hingewiesen wurde, dass es auch solche Folgen gibt, trägt die Beklagte nicht vor. Dabei wären hier die Aufklärungspflichten der Beklagten besonders umfangreich gewesen. Es kann ihren Mitarbeitern nicht verborgen geblieben sein, dass die Klägenn intellektuell schnell überfordert ist und offensichtlich keinerlei Erfahrung im Umgang mit Medien hatte. Gerade deshalb hätte sie ausdrücklich darauf hingewiesen werden müssen, dass sich die Beklagte die nachträgliche Bearbeitung der Aufnahmen vorbehält und dies auch dazu führen kann, dass Familienmitglieder lächerlich gemacht und verspottet werden.
b) Aufgrund der erfolgten Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägenn wird die Wiederholungsgefahr vermutet und kann nur ausnahmsweise ohne Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung widerlegt werden (BGH v. 8.2.1994, VI ZR 286/93, juris Rn. 27). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor, auch wenn die Beklagte Sämtliche Rechte an der Folge an … übertragen haben sollte. Denn die Klägenn muss dennoch befürchten, dass es ohne eine ihr gegenüber bestehende strafbewehrte Verpflichtung dennoch zu einer erneuten Veröffentlichung kommt, wenn auch nicht bei … so dann bei einem anderen Fernsehsender, auf der Internetseite der Beklagten oder auf DVD, zumal … die Klägerin an die Beklagte verwiesen und selbst offenbar nicht die Auffassung der Beklagten teilt, allein eine erneute Veröffentlichung vornehmen zu können. Die tatsächliche Möglichkeit einer erneuten Veröffentlichung hat die Beklagte jedenfalls; die Klägerin muss sich nicht damit begnügen, dass der Beklagten eine solche Veröffentlichung im Verhältnis zu … untersagt ist. Auch im Interesse des Rechtsschutzes des Betroffenen, der bereits einmal das Opfer eines Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht geworden ist, müssen an die Widerlegung der Vermutung der Wiederholungsgefahr hohe Anforderungen gestellt werden (BGH a.a.O). Hier ist die Klägerin aufgrund der Weigerung der Beklagten, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, nicht ausreichend geschützt, so dass von der Wiederholungsgefahr auszugehen ist.

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Hauptantrag der Klägenn auch nicht zu weitreichend oder unbestimmt. Ein Unterlassungsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein darf, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (BGH v. 26.10.2010, I ZR 180/98, juris Rn. 15). Ein Gesamtverbot eines Werkes ist dann nicht unverhältnismäßig, wenn die beanstandeten Textteile für die Gesamtkonzeption des Werks beziehungsweise für das Verständnis des mit ihm verfolgten Anliegens von Bedeutung sind. Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht ist ein Gesamtverbot dann nicht zu beanstanden. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, bestimmte Streichungen oder Abänderungen vorzunehmen, um die Persönlichkeitsrechtsverletzung auszuschließen, da es eine Vielzahl möglicher Varianten gäbe, wie diese Änderungen vorgenommen werden könnten (vgl. BVerfG v. 13.6.2007, 1 BvR 1783/05, juris Rn. 104 zu dem Verbot eines Romans; BGH v. 3.6.1975, VI ZR 123/74, juris Rn. 24 ff. zu dem Verbot eines Theaterstücks). Hier prägen die Szenen, die die Klägerin zeigen, die gesamte Folge. Die Klägerin ist die wichtigste Person in dem Beitrag, der davon lebt, dass sie lächerlich gemacht und der anderen Tauschmutter gegenübergestellt wird. Es wäre zudem lebensfremd anzunehmen, bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung hätte die Klägerin in einen Teil der Aufnahmen dennoch eingewilligt. Daher ist das begehrte Gesamtverbot, das ausreichend bestimmt ist, hier nicht unverhältnismäßig.

dd) Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Die Verjährung begann gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres …, in dem die Klägerin durch die Ausstrahlung der Folge am … erstmals Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt hatte. Auf eine frühere Fertigstellung der Folge durch die Beklagte kommt es nicht an; es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin vor der Ausstrahlung Kenntnis von der Bearbeitung und Kommentierung durch die Beklagte und damit davon hatte, dass die Sendung nicht vorwiegend Dokumentationscharakter hatte. Gemäß § 204 Nr. 14 BGB wurde die Verjährung durch den am 29.12.2011 bei Gericht eingegangen Antrag auf Prozesskostenhilfe gehemmt.

2. Die Klägenn hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 523,48 Euro. Zu dem gemäß §§ 249 11 BGB zu ersetzenden Schaden gehören auch die durch die Rechtsverfolgung und Durchsetzung entstandenen Kosten, insbesondere Anwaltskosten, sofern die Inanspruchnahme eine Anwaltes erforderlich und zweckmäßig war (Palandt-Grüneberg, 71. Auflage 2012, § 249 BGB Rn. 57 m.w.N.). Das war hier angesichts der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägenn der Fall. Die Bezifferung der entstandenen Kosten auf 523,48 Euro ist nicht zu beanstanden; die Beklagte trägt dazu auch nichts vor.

3. Dagegen hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, da eine besonders schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder der Menschenwürde der Klägerin nicht vorliegt.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab. Ob ein derart schwerer Eingriff anzunehmen und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (BGH v. 24.11.2009, VI ZR 219/08, juris Rn. 11 m.w.N.). Die Zubilligung einer Geldentschädigung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll die Geldentschädigung der Prävention dienen (BGH v. 15.11.1994, VI ZR 56/94, juris Rn. 84).

b) Hier stellt sich die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin, selbst wenn ihr Vortrag zu dem Ablauf der Dreharbeiten zutreffend ist und zahlreiche Szenen inszeniert oder Familienmitglieder dazu unter Druck gesetzt wurden, nicht als so schwerwiegend dar, dass die Zahlung einer Geldentschädigung unabweislich ist. Letztlich stellen sich die unzulässige Bearbeitung der Aufnahmen durch die Beklagte mit dem Ziel der Lächerlichmachung der Klägenn und auch das etwaige Inszenieren von Szenen als ein überschießendes Moment dar, das nicht schon die Menschenwürde der Klägenn angreift. Auch wenn man sich diese Szenen hinweg denkt und von einer Folge mit Dokumentationscharakter ausgeht, bliebe bei dem durchschnittlichen Zuschauer ein unvorteilhafter Eindruck von der Klägerin und ihrer Familie. Die Klägerin bestreitet ja nicht, dass während der Dreharbeiten Sperrmüll im Garten herumlag, dass die Wohnung unordentlich war, dass sie schon mal Engel angerufen hat, ihre Tochter bei der Kindererziehung helfen muss u.s.w. Insoweit handelt es sich auch nicht, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung meinte, nur um den Blick der Kamera auf die Klägern, sondern die Kamera zeigt insoweit das reale Geschehen im Haus der Familie der Klägerin. Die Klägenn kann sich nicht dagegen wenden, dass die Zuschauer aus den Bildern negative Schlüsse ziehen können. Wenn die Klägerin in Aufnahmen mit dokumentarischen Charakter über das Leben ihrer Familie einwilligt, muss sie es hinnehmen, wenn dann auch in den Augen der meisten Zuschauer eher negative Aspekte wie herumliegender Müll oder die Überforderung bei der Kindererziehung in den Blick gerückt werden, insbesondere auch durch den in dem Format angelegten Vergleich mit einer anderen Familie. Durch ihre freiwillige Teilnahme an dem Format und das Nichteinschreiten bei den Dreharbeiten, sofern Szenen gestellt worden sein sollten, hat die Klägerin auch erheblich zu ihrer Persönlichkeitsrechtsverletzung beigetragen, zumal sie dafür auch schon eine Aufwandsentschädigung erhalten hat. Auch wenn die Klägerin intellektuell eingeschränkt ist, liegen hier jedenfalls keine Anhaltspunkte für Beeinträchtigungen nahe der Geschäftsunfähigkeit vor, so dass der Beklagten auch ein besonders verwerfliches Verhalten nicht vorgeworfen werden kann. Unter Abwägung aller Umstände erscheint hier eine Geldentschädigung als ultima ratio zur Genugtuung wegen der erlittenen Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin daher nicht erforderlich. Mangels Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Freistellung der insoweit außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten.

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 709 S. 1, S. 2, 711 ZPO.

 

Unterschriften