×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Urteile
/
Internetrecht
/
Unwirksame AGB eines Internetauktionshauses - swoopo.de - AG Bochum, Urteil vom 8. Mai 2008, Az.: 44 C 13/08

Leitsätzliches

Der Betreiber einer Auktionsplattform, auf der Nutzer Gebotsrechte erwerben müssen, um am Handel teilzunehmen, hat keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises für die Gebotsrechte, da ein entsprechender Vetrag unwirksam ist. Ein Auktionsmodell, bei dem dem Anbieter Gebotsrechte für ein Vielfaches des tatsächlichen Werts der Ware zufließen, ist als Spiel oder Wette nicht geeignet, Zahlungsansprüche gegen die Teilnehmer zu begründen.

AMTSGERICHT BOCHUM

URTEIL

Entscheidung vom 8. Mai 2008

Aktenzeichen: 44 C 13/08

In dem Rechtsstreit

...

hat das Amtsgericht Bochum aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08. Mai 2008

durch ...

für R e c h t erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt seit Anfang 2007 unter der Adresse eine Plattform im Internet, die sie als „Versteigerungsplattform“ bezeichnet. Die Teilnahme an den Diensten der Klägerin setzt voraus, dass die Nutzer sich – kostenlos – registrieren lassen, also einen Account anlegen. Um auf einen Artikel bieten zu können, müssen sie anschließend sog. Gebotsrechte kaufen, die bei Abgabe eines Gebots vom Kundenkonto abgezogen werden. Diese Gebotsrechte können in Paketen von 20 (zu 9,90 EUR), 40, 60, 80 oder 100 (letzteres zu 45,90 EUR) erworben werden, mit denen der Nutzer anschließend entsprechend oft mitbieten kann. Jede Auktion beginnt bei 1o ct.; die Gebote können jederzeit platziert werden und erhöhen jeweils den aktuellen Preis um 10 ct. Auf diese Weise kam z. B. am 18.04.2008 ein aus der Addition von eingesetzten Gebotsrechten errechneter „aktueller Preis“ für ein Sony-Notebook von 3.875,99 EUR zustande. Zum Auktionsende heißt es auf der Internetseite der Klägerin unter „Fragen und Antworten“ u. a. „Die Laufzeit ist jedes Mal unterschiedlich und kann zwischen 1 und 7 Tagen variieren. Wird innerhalb der letzten 60 Sekunden vor Gebotsende ein Gebot abgegeben, setzt sich der Countdown erneut auf 60 Sekunden zurück. Somit kann sich das von uns gesetzte Auktionsende um einige Zeit schieben. Wird in den letzten 60 Sekunden kein Gebot mehr abgegeben, läuft die Auktion aus. Der zuletzt bietende User gewinnt“. Ferner heißt es zum Stichwort „Auktionsende“: „Nach Ablauf des Countdowns ist das Auktionsende erreicht. Gewinner der Auktion ist immer der Höchstbietende. Wenn in letzter Sekunde mehrere Bieter gleichzeitig auf einen Artikel geboten haben, entscheidet die Reihenfolge der Einträge aus der Systemdatenbank“. In der Praxis verhält es sich so, dass die ursprünglichen Laufzeiten sich teilweise um mehrere, z. B. 4 Tage verlängern. In der Zeit zwischen 24 und 8 Uhr ist die Internetseite der Klägerin geschlossen („Bietpause“).

Die Klägerin bietet ferner einen sogenannten Bietbutler an. Hierzu informiert sie unter „Fragen und Antworten“: „Der Bietbutler ist ein Assistent, mit dem Sie automatisch von einem Betrag X bis zu einem bestimmten Betrag Y bieten können. Wenn sie z. B. „Bieten ab 45,50 – 130.20 EUR“ eingeben, wird das erste Gebot frühestens ab genau 45,50 EUR abgegeben und das letzte Gebot spätestens bei 130,20 EUR. Zusätzlich müssen sie die maximale Anzahl der einzusetzenden Gebote angeben“.

Die Klägerin befindet sich noch im Aufbau; während dieser Phase bietet sich ausschließlich eigene, in ihrem Eigentum stehende Artikel, teilweise auch hochwertige Elektronikartikel wie Flachbildfernseher u. ä. an. In § 3 ihrer AGB heißt es „Die angebotenen Gebote stellen ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages i. S. v. § 433 BGB dar“. Den „aktuellen Preis“ für hochwertige Elektronikartikel muss der Erwerber nach Auktionsende häufig nicht zahlen („Diese Auktion ist geschenkt!“).

Die Klägerin hat ihren Internetauftritt im Laufe der Zeit geändert. Während sie nunmehr einen ständig aktualisierten „Countdown“ einblendet und diesen auch bei neueingehenden Geboten während der letzten 60 Sekunden stets zurücksetzt, hatte sie bis April diesen Jahres daneben einen „Refresh-“Button zur Aktualisierung platziert, während gleichzeitig die Countdown-Uhr rechts daneben jeweils bis 0 ablief. Zudem sind nunmehr in einer eigenen Rubrik die „letzten 5 Gebot“ eingeblendet, was im Jahr 2007 noch nicht der Fall war.

Der Beklagte meldete sich am 04.08.2007 bei der Klägerin an und erwarb zwischen diesem Tag und dem 10.09.2007 Gebotsrechte zum Gesamtbetrag von 2.516,40 EUR. Diese setzte er sämtliche bei Auktionen der Klägerin, überwiegend bei hochwertigen Elektronikartikeln ein, erwarb jedoch keinen einzigen davon. Der Beklagte verfügte über einen DSL-Internetzugang mit 16.000 bit.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.516,40 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.12.2007 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, dass die Website der Klägerin zumindest im streitgegenständlichen Zeitraum technisch fehlerhaft gewesen sei. So seien 3 Auktionen mit dem Hinweis „Die Auktion ist beendet“ ausgelaufen, obwohl er in den letzten 60 Sekunden ein Gebot abgegeben habe. Zudem sei der Bietbutler insofern mangelhaft gewesen, als er innerhalb von 5 Minuten weit über 100 Gebotsrechte für einen Artikel verbraucht habe, obwohl hier ein Gebot pro 60 Sekunden gereicht hätte. Der Beklagte behauptet weiter, dass er niemals Gebotsrechte erworben und an den Auktionen teilgenommen hätte, wenn er gewusst hätte, dass sich das Auktionsende um mehrere Tage verschieben würde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag (Vertrag eigener Art mit kauf- und dienstvertraglichen Elementen (vgl. § 311 Abs. 1 BGB).

Es kann dahin stehen, ob mit der Anmeldung bei der Klägerin am 04.08.2007, den anschließenden Erwerben von Gebotsrechten und dem Mitbieten bei den Auktionen überhaupt ein bzw. mehrere Verträge zwischen den Parteien zustande gekommen sind, wogegen einiges spricht. Dies setzt nämlich voraus, dass die wesentlichen Vertragsbestandteile bestimmt oder zumindest bestimmbar sind („essentialia negotii“). Daran dürfte es hier fehlen, weil der wesentliche Vertragsbestandteil des Ablaufs des Erwerbs eines zu versteigernden Gegenstandes in den „Fragen und Antworten“ der Klägerin widersprüchlich geregelt ist (Perplexität). Während es einerseits heißt, dass sich die Auktion um 60 Sekunden verlängert, wenn in den letzten 60 Sekunden vor Gebotsende erneut ein Gebot abgegeben wird, heißt es unter dem Stichpunkt „Auktionsende“, dass die Reihenfolge der Einträge aus der Systemdatenbank entscheide, wenn „in letzter Sekunde mehrere Bieter gleichzeitig auf einen Artikel geboten haben“. Welcher Bieter unter diesen widersprüchlichen Angaben nun den Zuschlag erhalten soll, ist auch durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB nicht mit der notwendigen Klarheit zu ermitteln.

Letztlich kann diese Frage jedoch offen bleiben. Selbst wenn zwischen den Parteien ein bzw. mehrere wirksame Verträge eigener Art geschlossen worden sein sollten, wären diese jedenfalls unwirksam.

Es kann wiederum dahin stehen, ob sich diese Unwirksamkeit aus § 762 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt. Nach dieser Vorschrift wird eine Verbindlichkeit durch Spiel oder durch Wette nicht begründet. Ein Spiel im Sinne dieser Vorschrift ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Vertragspartner für den Fall des Spielgewinns eine den Einsatz gleiche oder höhere Leistung zusagen, während im Fall des Verlierens der Einsatz dem Gegenspieler überlassen bleibt, all dies, ohne dass ein ernster sittlicher oder wirtschaftlicher Geschäftszweck im Raum steht (Palandt/Sprau, § 762 Rn. 2 m. w. N.). So dürfte es hier liegen, verbleiben doch die Einsätze sämtlicher unterlegener Bieter bei der Klägerin. Im Falle des am 18.04.2008 versteigerten Notebooks waren dies Gebotsrechte im Wert von 17.798,18 EUR, während der „Gewinn“ lediglich in einem Notebook im Wert von 1299,00 EUR besteht. Insbesondere besteht die theoretische Möglichkeit, für den Einsatz eines Gebotsrechts von 10 ct zu einem Höchstpreis von 0,495 ct den besagten Artikel zu erwerben. Derjenige Bieter, der erstmals während der letzten 60 Sekunden ein Gebotsrecht investiert, hat mithin dieselben Chancen, den Artikel zu erwerben, wie derjenige, der im Beispielsfall zuvor allein Gebotsrechte für17.798,18 EUR investiert hat. Abgesehen von der Intransparenz des abschließenden Zuschlagsprozederes bleibt es mithin den Zufall überlassen, ob der schließliche Erwerber den Beispielsartikel für Gebotsrechte im Gegenwert von 17.798,18 EUR oder für Gebotsrechte im Gegenwert von 0,495 EUR erwirbt. Ein etwaiger ernsthafter wirtschaftlicher Geschäftszweck, etwa die Absicht, einen elektronischen Artikel ernsthaft zu erwerben, tritt unter diesen Umständen jedenfalls völlig in den Hintergrund.

Es kann ferner offen bleiben, ob die Rechtsgeschäfte zudem gem. § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot, insbesondere das Erfordernis der – nicht dargelegten - Gewerbeerlaubnis gem. § 34 b Abs. 1 S. 1 GewO, gem. § 3 UWG oder gem. §§ 284 ff StGB unwirksam sind.

Denn jedenfalls sind die etwa geschlossenen Verträge gem. § 138 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Nach der Rechtsprechung ist ein Rechtsgeschäft sittenwidrig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht vereinbar ist (BGHZ 106, 269, 272).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Vertragsgestaltung der Klägerin bringt es mit sich, dass eine möglichst starke Anzahl von Mitbietern ein möglichst hohen Einsatz einzahlt, wohingegen nur ein Mitbieter den dann häufig „geschenkten“ Artikel erwirbt und der von den anderen Mitbietern gezahlte Einsatz ohne jede Gegenleistung vollständig bei der Klägerin verbleibt. Angesichts des enormen Missverhältnisses von „verlorenen“, komplett bei der Klägerin verbleibenden Einsätzen von Mitbietern und dem tatsächlichen Warenwert, also ihrer Gegenleistung, stellt sich diese ungewöhnlich starke Belastung der Vertragspartner der Klägerin als Verstoß gegen die der Rechtsordnung imannenten Werte und Prinzipien dar (vgl. Palandt/Heinrichs a. a.O. Rn. 3, m w. N.).

Hinzu kommt, dass völlig intransparent ist, wie der „Zuschlag“ also der Erwerb durch einen Mitbieter letztlich zustande kommt. Das Gericht ist aufgrund der lebensnahen, detaillierten, glaubhaften und letztlich völlig überzeugenden Einlassung des Beklagten während der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass drei Auktionen beendet worden sind, obwohl der Beklagte während der letzten 60 Sekunden ein Gebot abgegeben hat. Unter diesen Umständen ist das Risiko jedes Mitbieters nicht nur hoch, sondern völlig unkalkulierbar, jegliche eingesetzte Gebotsrechte und zugleich jede Gegenleistung zu verlieren. Statt dieses Risiko zu verdeutlichen, verweist die Klägerin in ihrem „Fragen und Antworten“ lediglich darauf, dass sich das von ihr gesetzte Auktionsende „um einige Zeit“ verschieben könne. Sie verschweigt, dass man theoretisch über mehrere Tage oder gar Wochen minütlich ein Gebot abgeben muss, um letztlich alle möglichen Mitbewerber „erschöpft“ zu haben. Dieses System ist irreführend. Es zielt darauf, die Leichtgläubigkeit, Unerfahrenheit und in gewisser Weise auch Spielleidenschaft der Teilnehmer auszunutzen und sie damit zur Zahlung von Einsätzen zu bewegen, die jenen bei einem Spiel ähneln (vgl. BGH NJW 1997, 2314).

Obwohl es darauf nicht mehr ankommt, dürften die vertraglichen Leistungen der Klägerin auch mangelhaft i. S. d. §§ 434 ff BGB bzw. unbrauchbar i. S. d. d. §§ 611 ff BGB gewesen sein, so dass der Beklagte die vereinbarte Vergütung im Ergebnis nicht zahlen muss. Diese Mängel betreffen die bereits besagten technischen Fehler während mindestens dreier Auktionen, die geendet haben, obwohl der Beklagte in den letzten 60 Sekunden Gebote abgegeben hat. Darüber hinaus ist das Gericht aufgrund der völlig glaubhaften Erklärungen des Beklagten während der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2008 davon überzeugt, dass der von der Klägerin angebotene Bietbutler im streitgegenständlichen Zeitraum technisch unzureichend war und in 5 Minuten über 100 Gebotsrechte verbraucht hat, obwohl theoretisch nur der Einsatz von 5 Gebotsrechten nötig gewesen wäre. Angesichts des Umstandes, dass es völlig unrealistisch und unzumutbar ist, tagelang jeweils 16 Stunden vor dem Rechner zu verharren und minütlich ein Gebot abzugeben, ist der Bieter auch auf einen funktionierenden Butler angewiesen, so dass sich dieser Mangel insgesamt als erheblich darstellt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.