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Stadt hat keinen Anspruch auf gleichnamige Domain - LG Osnabrück, Urteil vom 23.09.05, Az.: 12 O 3937/04 - melle.de

Leitsätzliches

Städte und Gemeinden haben nicht automatisch einen höheren Namensschutz in Bezug auf ihre Internetauftritte und damit nicht automatisch einen Anspruch auf Unterlassung der Namensnutzung durch Dritte.

LANDGERICHT OSNABRÜCK

BESCHLUSS

Aktenzeichen: 12 O 3937/04

Entscheidung vom 23. September 2005

In dem Rechtsstreit

der Satdt Melle

gegen

...

hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts-Osnabrück auf die mündliche Verhandlung vom ... durch ... für Recht erkannt:

 

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Unterlassung der Nutzung der Domain "www.m.....de". Die Beklagte ist Inhaberin der streitgegenständlichen Internetadresse.

Die Klägerin ist eine Stadt im Landkreis Osnabrück mit knapp 50.000 Einwohnern. Sie präsentiert sich im Internet unter der Internetadresse "www.stadt-melle.de". Sie sieht dies als Notlösung an und möchte in Zukunft unter der von der Beklagten innegehaltenen Top-Level-Domain auftreten.

Die Klägerin behauptet, sie habe mehrfach Beschwerden von Internetnutzern erhalten, weil sie nicht unter ihrem Namen im Internet auffindbar sei. Sie genieße eine überragende Bekanntheit, weil sie flächenmäßig die zweitgrößte Stadt in Niedersachsen und in Deutschland wegen ihrer wirtschaftlichen und touristischen Attraktivität bekannt sei. Sie meint, bei größeren Städten müsse eine überragende Bekanntheit ab einer Einwohnerzahl von 25.000 angenommen werden.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die Internetdomain "www.melle.de" zu nutzen und/oder nutzen zu lassen und/oder die Domain reserviert zu halten.

2. der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 EUR oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen sie festgesetzt wird mit der Maßgabe, dass die Ordnungshaft an den verantwortlichen organschaftlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit. Sie behauptet, sie sei ein verbundenes Unternehmen des M....-Konzerns, das an insgesamt 11 Standorten in Deutschland und 3 Standorten in Polen mit Dachbau- und Dämmstoffen, Holz und Betriebsbedarf handele. 95 % der Bevölkerung Deutschlands könne bei der Frage nach der Bedeutung des Wortes "M...." die Klägerin nicht benennen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Landgericht Osnabrück ist gem. § 32 ZPO örtlich zuständig (KG NJW 1997, 3321).

Der Klägerin steht ein Anspruch gem. § 12 BGB auf Unterlassung der Nutzung pp der Internetadresse " www.m......de" nicht zu.

Beide Parteien können den Namensschutz für sich in Anspruch nehmen. Dies gilt auch für die Beklagte, soweit es um die Kurzbezeichnung "M....." geht. § 12 BGB umfasst nicht nur die ausgeschriebenen Namen, sondern auch Kurzbezeichnungen (vgl. OLG Koblenz MMR 02, 466, 467).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bei Gleichnamigkeit die Interessen der berechtigten Namensträger gegeneinander abzuwägen, wobei in erster Linie – auch bei bekannteren Namensträgern - das Gerechtigkeitsprinzip der Priorität gilt (BGH MMR 02, 382 – shell.de; OLG Koblenz aaO.). Da die Beklagte die streitige Internetadresse vor der Klägerin für sich in Anspruch genommen hat, besteht der geltendgemachte Anspruch nicht. Soweit das OLG Oldenburg in einem Einzelfall (MMR 04, 34 – schulenberg.de) entscheidend darauf abgestellt hat, welcher der Gleichnamigen den höheren Bekanntheitsgrad genießt, folgt die Kammer dem nicht, da diese Auffassung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vereinbar ist.

Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass der Prioritätsgrundsatz hier ausnahmsweise nicht anwendbar sei, weil ihr eine überragende Verkehrsbedeutung wegen ihrer überragenden Bekanntheit zukomme, hat dies keinen Erfolg. Die in der Rechtsprechung entwickelte Einschränkung des Prioritätsgrundsatzes ist restriktiv zu handhaben. Eine Aufweichung des Grundsatzes würde die Rechtssicherheit beeinträchtigen, die infolge der durch die obergerichtliche Rechtsprechung bestätigten Handhabung durch die Denic eingetreten ist. Es kommt hinzu, dass die Auffindbarkeit auch komplexerer Internetadressen durch die Effektivität und die Akzeptanz leistungsfähiger Suchmaschinen gewährleistet ist.

Eine überragende Verkehrsbedeutung kann deshalb nur angenommen werden, wenn der Bekanntheitsgrad einer Gemeinde der der bisher anerkannten Fälle wie "krupp.de" oder "shell.de" vergleichbar ist. Die ist bei der Klägerin nicht der Fall. Die von ihr vorgetragenen Vorzüge und Qualitäten rechtfertigen eine solche Annahme nicht, da sie keine Breitenwirkung haben. Einer näheren Prüfung bedürfte diese Frage nur, wenn der Name der Gemeinde z.B. mit einem wichtigen, überörtlich bekannten Ereignis (Sportveranstaltung, Stadtgeschichte, Geburtsort einer bekannten Persönlichkeit) oder mit einem bekannten geographischen Punkt (etwa wichtiges Autobahnkreuz) verbunden wäre und deshalb Anhaltspunkte dafür beständen, dass einem nennenswerten Teil der Gesamtbevölkerung der Namensträger bekannt ist. Dies ist hier nicht ersichtlich. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Bekanntheit der Klägerin bedarf es deshalb nicht.

Eine überragende Verkehrsbedeutung der Klägerin kann aus den bereits genannten Gründen nicht bereits aufgrund ihrer Einwohnerzahl oder ihrer Flächengröße angenommen werden. Eine Einwohnerzahl von ca. 50.000 begründet allein noch keine überragende Verkehrsbedeutung (so auch LG Erfurt MMR 02, 396 – suhl.de).

Unterschriften