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OLG Köln, Urteil vom 20. Oktober 2000 - Reverse-Suche bei Telefon-CDRom

Leitsätzliches

Die Einwilligung der Telefonanschluss-Inhaber, in ein Telefonverzeichnis aufgenommen zu werden, erfasst nur die Suche nach einer Telefonnumer für einen namentlich genannten Teilnehmer, nicht jedoch eine "Rückwärtssuche", bei der ausgehend von einer Telefonnummer der Teilnehmer und / oder seine Anschrift ermittelt werden kann.

OBERLANDESGERICHT KÖLN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 105/00

Datum: 20. Oktober 2000

 

 

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

....

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln

auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2000

für Recht erkannt:

Die Berufung gegen das am 23. Mai 2000 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln (33 O 150/00) wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegnerin werden auch die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Dieses Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Landgericht hat die von ihm erlassene einstweilige Verfügung mit Recht bestätigt. Die Darlegungen der Antragsgegnerin im Berufungsverfahren geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung:

1.

Die Klagebefugnis der Antragstellerin ergibt sich aus § 1 UWG, weil sie unmittelbare Wettbewerberin der Antragsgegnerin ist. Beide sind auf dem Markt mit Telefonverzeichnissen – sei es konventioneller, sei es elektronischer Art – vertreten. Die Antragstellerin ist nach § 21 Abs. 1 TKV gesetzlich verpflichtet, jährlich Telefonbücher herauszugeben. Indem sie diese Verpflichtung über ihre 100 %ige Tochtergesellschaft D. GmbH wahrnimmt, sich also gewissermaßen einer "Erfüllungsgehilfin" bedient, ändert dies nichts an der gesetzlichen Bindung der Antragstellerin. Deren Name erscheint folgerichtig auf dem Cover sowohl des konventionellen Telefonbuches als auch auf der CD-Rom, die von der Tochtergesellschaft hergestellt wird. Der Senat übersieht insoweit nicht, dass eine Muttergesellschaft nicht stets von selbst über eine 100%ige Tochter deren aus § 1 UWG folgende Klagebefugnis inne hat, sie vielmehr allenfalls im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft deren Klagerechte geltend machen kann (vgl. BGH GRUR 95, 54, 57 "Nicoline"). Im Streitfall liegen die Dinge indessen wegen der aus § 21 Abs. 1 TKV folgenden Eigenverpflichtung der Antragstellerin zur Herausgabe der Telefonbücher anders.

2.

Das Angebot und der Vertrieb der CD-Rom "R." durch die Antragsgegnerin stellt einen Verstoß gegen §§ 4 Abs. 1 und Abs. 2, 28 Abs. 1, 29 Abs. 1 BDSG dar.

Nach der im § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG getroffenen Regelung gilt dieses Gesetz für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten u.a. durch nicht öffentliche Stellen, soweit letztere die Daten geschäftsmäßig oder für berufliche oder gewerbliche Zwecke verarbeiten oder nutzen. Dass es sich bei den hierbei betroffenen Angaben der Teilnehmer, (Name, Anschrift, ggf. Beruf) um personenbezogene Daten und bei der Antragsgegnerin um eine nichtöffentliche Stelle handelt (vgl. die Definitionen in §§ 2 Abs. 3, 3 Abs. 1 BDSG), ist nicht zweifelhaft.

Auf Seiten der Antragsgegnerin liegt auch eine "Nutzung" im Sinne von § 3 Abs. 6 BDSG vor. Als "Nutzung" ist dabei jede Verwendung personenbezogener Daten bestimmt, bei der es sich nicht um einen unter die vorbezeichneten Verarbeitungsphasen des § 5 Abs. 1 BDSG fallenden Umgang mit personenbezogenen Daten handelt. Die Definition des "Nutzens" ist dabei als ein umfassender Auffangtatbestand ausgelegt, der vorliegt, wenn die Verwendung geschützter Daten keiner Verarbeitungsphase zugerechnet werden kann (vgl. Bergmann, Möhrle, Herb, Datenschutzrecht, Rdnr. 107 zu § 3 BDSG; Dammann in Simitis u.a., BDSG, § 3 Rn. 195 und 199). Entscheidend ist dabei die Verwendung des Informationsgehaltes, der gerade in seiner Eigenschaft als personenbezogene Information gebraucht werden muss. Eine Nutzung personenbezogener Daten liegt daher nur vor, wenn sich die Verwendung auch auf den Personenbezug erstreckt (Dammann a.a.O. Rn. 195, 197).

Danach steht der Anwendung der genannten Bestimmung nicht entgegen, dass die Software R. lediglich als Suchprogramm auf einem anderen Programm aufbaut, um dessen Daten in einer bestimmten Weise zugänglich zu machen und aufrufen zu können. Dieses Suchprogramm hat seinen Zweck und seine Funktion nämlich allein durch den Umgang mit den anderweitig auf "K.-CD-ROM" gespeicherten personenbezogenen Daten, in dem es diese bei Angabe bestimmter Informationen (Telefonnummer oder Teile hiervon) erfasst, identifiziert und als "Treffer" auswirft. Dies ist eine "personenbezogene" Verwendung der Daten, weil sich das R.-Programm seiner Arbeitsweise nach gerade den personenbezogenen Informationswert der auf K.-CD-ROM gespeicherten Daten erschließt, indem allein durch Angabe einer Nummernfolge diese personenbezogenen Daten der jeweiligen Telefonteilnehmer identifiziert und aufgerufen, mithin für das eigene Suchprogramm ausgewertet werden.

Diese Nutzung der personenbezogenen Daten der Teilnehmer widerspricht den Bestimmungen des BDSG. Gem. § 4 Abs. 1 BDSG ist die Nutzung geschützter Daten nur dann zulässig, wenn das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder soweit der Betroffene eingewilligt hat.

Eine Einwilligung der Betroffenen – hier der Teilnehmer, deren personenbezogene Daten auf K.-CD-ROM gespeichert sind – zu der hier in Rede stehenden Nutzung ihrer Daten liegt nicht vor. Dem steht es nicht entgegen, dass die Teilnehmer der Aufnahme ihrer Daten in das elektronische Teilnehmerverzeichnis K.-CD-ROM zugestimmt haben bzw. insoweit ihre Einwilligung vorliegt. Denn diese Einwilligung erstreckt sich lediglich auf die Aufnahme dieser Daten in ein Verzeichnis, mit dessen Hilfe die Telefonnummern der Betroffenen ermittelt werden können. Die Ermittlung der Telefonnummer setzt aber bei demjenigen, der sie durch die Aufnahme des Eintrags in dieses Verzeichnis abfragen können soll, bestimmte Vorinformationen, vor allen Dingen die Kenntnis des Namens des Eingetragenen voraus. Die seitens des Betroffenen erteilte Einwilligung in die Aufnahme seiner personenbezogenen Daten in ein allgemein zugängliches Verzeichnis erstreckt sich daher nicht nur auf die Veröffentlichung der Daten als solche, sondern (auch) darauf, dass dies in einer Weise geschieht, die den Zugriff auf die Daten nur auf einem bestimmten Weg ermöglicht. Keinesfalls kann in der Einwilligung des Betroffenen zur Veröffentlichung seiner Daten im Rahmen eines Teilnehmerverzeichnisses die Freigabe sämtlicher Arten und Möglichkeiten des Zugriffs auf dieses Datenmaterial gesehen werden. Dieser Sichtweise entspricht die gesetzgeberische Wertung in § 11 Abs. 5 TDSV, welche dem Anbieter von Telekommunikationsleistungen die Auskunftserteilung über Namen und andere Daten von Kunden, von denen nur die Rufnummer bekannt ist, ausdrücklich untersagt. Damit ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch die von ihr aufgeworfene Frage, ob die hier in Rede stehenden Datennutzung nicht durch außerhalb des BDSG angesiedelte Vorschriften ausdrücklich erlaubt wird, verneint. Auf die von ihr herangezogenen Vorschriften der §§ 12 Abs. 2 und § 21 TKV kann sie sich schon deshalb nicht stützen, weil sie nicht Normadressatin ist. Die genannten Vorschriften sagen aber auch unabhängig davon nichts über das von der Antragsgegnerin reklamierte Recht aus, eine Rückwärtssuche nach Telefonnummern durchführen zu dürfen.

3.

Der Verstoß der Antragsgegnerin gegen die genannten datenschutzrechtlichen Bestimmungen begründet den Vorwurf eines wettbewerbswidrigen Verhaltens im Sinne des § 1 UWG. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil (§ 543 Abs. 1 ZPO).

4.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin unterliegt der Verfügungsantrag auch nicht deshalb teilweise der Abweisung, weil die Antragstellerin nicht nur auf ein Verbot des Anbietens und Vertreibens des Produktes "R." abzielt, sondern insgesamt auf ein Verbot, Programme anzubieten oder zu vertreiben, die eine Rufnummernidentifikation bzw. Rückwärtssuche nach Telefonnummern ermöglichen. Die Antragsgegnerin nimmt nämlich erklärtermaßen das Recht für sich in Anspruch, derartige Datenträger mit Rückwärtssuchprogrammen legal vertreiben zu dürfen. Es ist nicht ersichtlich, dass sie sich dieses Rechts nur zum Zwecke der Verteidigung in dem vorliegenden Verfügungsverfahren berühmt hat. Damit ist eine Begehungsgefahr auch außerhalb des konkreten Produktes "R." zu bejahen und eine Verallgemeinerung des Antrags (vgl. dazu Teplitzky, wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., § 5 Rn. 7 ff, insbesondere 9; Jestaedt in Pastor/Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., § 27 Rn. 11 ff., beide mit umfangreichen weiteren Nachweisen) infolge dessen zulässig.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.