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OLG Frankfurt/Main: "weideglueck.de"

Leitsätzliches

Wer sich ohne nachvollziehbares eigenes Interesse einen Internet-Domain-Namen registrieren lässt, der mit dem eigenen Namen und der eigenen Tätigkeit in keinem Zusammenhang steht, der aber gleichlautend mit der Marke eines Unternehmens ist, kann wegen schikanöser, sittenwidriger Behinderung aus § 826 BGB auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT/MAIN

 

BESCHLUSS

 

Aktenzeichen: 6 W 33/00 (LG Frankfurt/M.)

Entscheidung vom 12. April 2000

 

 

 

Sachverhalt

 

Die Klägerin ist eine Molkerei. Sie ist Inhaberin von vier in den Jahren 1979, 1987, 1990 und 1992 eingetragenen Wort-/ Bildmarken mit dem Wortbestandteil „Weideglück“.

 

Unter der Bezeichnung „Weideglück“ vertreibt sie in erheblichem Umfang ihre Milchprodukte. Der Beklagte hat sich im Frühjahr 1999 den Domain-Namen „weideglueck.de“ registrieren lassen. Daraufhin mahnte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 12.4.1999 ab und forderte ihn auf, eine Verpflichtungserklärung abzugeben. Mit Schreiben vom 19.4.1999 verweigerte dieser die Abgabe einer Verpflichtungserklärung, woraufhin die Klägerin Klage erhob. Weil der Beklagte den Domain-Namen freigegeben hat, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das LG hat die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Beschwerde.

 

 

 

Aus den Gründen:

 

Zu Recht hat das LG einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch verneint. Dabei kann dahinstehen, ob die Registrierung eines Domain-Namens eine kennzeichenmäßige Benutzung darstellt (vgl. dazu Viefhues, in: Hoeren/Sieber, Multimedia Recht, Teil 6 Rdnr. 65 ff.). Einem Anspruch nach §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5, 15 Abs. 2, 4 MarkenG steht entgegen, dass weder eine Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit noch eine Branchenähnlichkeit vorliegt, da der Beklagte den Domain-Namen ohne Bezug zu einem Produkt oder Gewerbe registriert hat. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ist offen, ob die Klägerin ihre Ansprüche auf §§ 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5, 1 5 Abs. 3 MarkenG stützen kann, da von einer bekannten Marke oder einer bekannten geschäftlichen Bezeichnung ohne weitere - nunmehr nicht mehr mögliche - Sachaufklärung nicht ausgegangen werden kann.

 

Die Klägerin hat aber gegen den Beklagte wegen der Registrierung des Domain-Namens „weideglueck.de“ jedenfalls einen Unterlassungsanspruch nach §§ 826, 226, 1004 BGB. Diese Vorschriften verbieten die Vornahme von Handlungen, die gegen die guten Sitten verstoßen und in Schädigungsabsicht vorgenommen werden. Vorliegend hat der Beklagte durch die Registrierung des Domain-Namens „weideglueck.de“ verhindert, dass die Klägerin sich und ihre Produkte unter ihren durch den Wortbestandteil „Weideglück“ geprägten Marken im Internet präsentieren konnte. Die Klägerin konnte sich auch nur unter der vom Beklagte besetzten Schreibweise „weideglueck.de“ und nicht buchstabengetreu registrieren lassen, da „weideglück.de“ kein gültiger DE-Domain-Name ist.

 

Von einer sittenwidrigen und in Schädigungsabsicht vorgenommenen Behinderung ist dann auszugehen, wenn die Domain-Registrierung mit dem Ziel erfolgt, dem Zeicheninhaber die Nutzung dieser Bezeichnung für eigene geschäftliche Zwecke unmöglich zu machen. Das wird in der Regel mit der Absicht einhergehen, sich die Domain vom Zeicheninhaber teuer abkaufen zu lassen. Wer das nahe liegende Interesse des Inhabers einer Marke an der Nutzung einer entsprechenden Domain bewusst in Gewinnerzielungsabsicht auszubeuten versucht, verstößt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.

 

Unter Anwendung dieser Grundsätze bejaht der Senat vorliegend eine sittenwidrige Behinderung der Klägerin durch den Beklagte Der Senat schließt aus, dass der Beklagte den Domain-Namen „weideglueck.de“ aus lauteren Motiven zu privaten Zwecken für sich reserviert hat. Der Beklagte verfügt bereits über eine private Homepage unter seinem Nachnamen, die umfangreiche private Interna enthält. Ein nachvollziehbares, anerkennenswertes Interesse des Beklagte an dem Domain-Namen ist nicht erkennbar. Bei „weideglueck“ handelt es sich um eine Bezeichnung, die keinerlei Bezug zum Namen oder der Tätigkeit des Beklagte aufweist. Die - wechselnden - Erklärungsversuche des Beklagte sind in sich widersprüchlich (§ 138 ZPO) und darüber hinaus nach der Lebenserfahrung abwegig. Der Beklagte hat im Schreiben vom 6.4.1999 an die Klägerin erklärt, er habe sich bei der Wahl der Domain von der Umgebung des Ferienanwesens seiner Mutter in Österreich leiten lassen. Im Schriftsatz vom 28.8.1999 hat er angegeben, es handele sich bei „Weideglück“ um seinen Spitznamen, zu dem er in feuchtfröhlicher Runde im Freundeskreis gekommen sei, als er zum unzähligsten Male von seinem Österreich-Urlaub und seinen ausgedehnten Wanderungen durch Wiesen und Weiden erzählt habe. Im Schriftsatz vom 8.2.2000 hat er schließlich vorgetragen, bei der Wahl des Domain-Namens habe er sich durch die Umgebung seines Ferienhauses in Österreich, das ihm einen entsprechenden Spitznamen eingetragen habe, inspirieren lassen.

 

Es kann dahinstehen, ob schon allein das Fehlen eines nachvollziehbaren eigenen Interesses ausreicht, um von einer Vermutung ausgehen zu können, dass der Inhaber eines Domain-Namens, der mit der Marke eines anderen identisch ist, gehandelt hat, um Kapital aus dem Verkauf der Domain zu schlagen. Denn vorliegend belegen die näheren Umstände der Domain-Registrierung nach Ansicht des Senats, dass der Beklagte in der Absicht gehandelt hat, die Nutzung seitens der Klägerin zu behindern. Der Domain-Name war zunächst für einen L registriert. Von der Homepage des L ist ein Verweis zur Homepage des Beklagte geschaltet. L ist Geschäftspartner des Beklagten, mit dem er ein Fachplanungsbüro für Großküchen betreibt und für das im Internet unter „fachplaner-grosskuechen.de“ mit einem gemeinsamen Foto geworben wird. L wurde von der Klägerin am 18.2.1999 wegen der Domain abgemahnt, worauf er erklärte, er habe die Domain freigegeben. Gleichzeitig bot er seine Dienste zur Erstellung von Internetpublikationen an, die er gewerbsmäßig betreibt. Das Verhalten des L war danach eindeutig geschäftlich motiviert. Der Beklagte hat im unmittelbaren Anschluss die von L freigegebene Domain für sich registrieren lassen. Dies erfolgte bei Berücksichtigung der engen geschäftlichen Verbindung des Beklagte zu L nach der Lebenserfahrung in Kenntnis der vorangegangenen Abmahnung durch die Klägerin mit dem Ziel, dieser den begehrten Domain-Namen zu sperren. Folgt man der Legende des Beklagten, ist es nach der Lebenserfahrung darüber hinaus ausgeschlossen, dass sein Geschäftspartner L ihn nicht über das Schicksal seines Spitznamens, der immerhin Gegenstand eines langen Neids gewesen sein soll, informiert hat. Die Konstruktionen, die der Beklagte zur Rechtfertigung der Domain-Registrierung bemüht und die spitzfindige Argumentation, er habe keinen Domain-Namen „weideglück.de“, sind ein deutliches Anzeichen dafür dass es ihm gerade darauf ankam, die Klägerin zu behindern. Der Senat geht auf Grund der aufgezeigten Umstände auch davon aus, dass der Beklagte die Domain blockiert hat, um sie sich von der Klägerin abkaufen zu lassen. Aber selbst wenn der Beklagte den Domain-Namen ohne Gewinnerzielungsabsicht hätte registrieren lassen, würde sich am Ergebnis nichts ändern. Mangels eines nachvollziehbaren eigenen Interesses an der Innehabung der Domain kommt auch dann nur eine schikanöse, vorsätzlich sittenwidrige Schädigungsabsicht in Betracht (§§ 226, 826 BGB - s. dazu Völker/Weidert, WRP 1997, 652, 660 f.; Kur, in: Loewenheim/Koch, Praxis des Online-Rechts, Kap. 8.3.5, S. 364).

 

Neben dem Unterlassungsanspruch hatte die Klägerin gegen den Beklagte auch einen Beseitigungsanspruch. Dabei kann im hiesigen Verfahren über die Kosten des Rechtsstreits dahinstehen, ob die Klägerin entsprechend ihrem Hauptklageantrag zu II. einen Anspruch auf Übertragung der Domain auf sich hat (so OLG München WRP 1999,- 955, 960 shell.de). Denn jedenfalls hat die Klägerin entsprechend ihrem Hilfsantrag zu II. einen Anspruch auf Einwilligung in die Löschung des Domain-Namens gegenüber der Vergabestelle (vgl. Kur, a.a.O., Kap. 8.3.1, S. 340). Da der Hauptklageantrag zu II. wertmäßig nicht wesentlich höher zu bemessen ist als der Hilfsantrag, wären die Kosten nach billigem Ermessen auch dann insgesamt dem Beklagte aufzuerlegen, wenn der Hauptantrag unbegründet wäre.