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Arbeitsverhältnis oder freies Dienstverhältnis? - BGH, Urteil vom 10. Juli 2003, AZ: III ZB 91/02 –

Leitsätzliches

Abhängig von der Einordnung als Arbeitsverhältnis oder als freies Dienstverhältnis ist für Klagen aus dem Vertrag eines Dozenten der Arbeitsrechtsweg oder Zivilrechtsweg gegeben. Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, soweit sie sich - auch im Unterrichtsbereich - auf die allgemeine Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von einem Verhältnis eines freien Mitarbeiters bezieht. Das Urteil fasst die wesentlichen Gesichtspunkte zusammen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: II ZB 91/02

Entscheidung vom 10. Juli 2003

 

...

 

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr.... am 10. Juli 2003 beschlossen:

 

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 26. November 2002 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Beschwerdewert: 593,10

 

Gründe

I.

Der Kläger, der aufgrund einer am 1. Februar 2001 geschlossenen Vereinbarung einen nebenamtlichen Lehrauftrag an der Betriebswirtschaftlichen Fachschule C. - einer gemeinnützigen privaten Ergänzungsschule - im Fach Personalführung mit insgesamt acht Wochenstunden übernommen hat, verlangt vom Beklagten Vergütung für Unterricht, der am 30. April und 7. Mai 2001 ausfiel, sowie für die Durchführung von Korrekturarbeiten einer von ihm ausgegebenen Prüfungsklausur in Höhe von insgesamt 3.480 DM (= 1.779,30 €).

Der Kläger hat Klage vor dem Amtsgericht erhoben. Nach gerichtlichen Hinweisen hat er sich jedoch auf den Standpunkt gestellt, die Arbeitsgerichte hätten über den erhobenen Anspruch zu befinden. Das Amtsgericht hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Pforzheim verwiesen. Das Landgericht hat auf die Beschwerde des Beklagten den angefochtenen Beschluß abgeändert und den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt. Mit seiner vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

 

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

 

(...)

 

2. Die Rechtsbeschwerde ist in der Sache nicht begründet.

a) Ob die Arbeitsgerichte über den vom Kläger erhobenen Anspruch zu entscheiden haben, hängt davon ab, ob er zu dem Beklagten in einem Arbeitsverhältnis steht. Es kommt daher darauf an, ob der geschlossene Vertrag in seiner praktizierten Durchführung (vgl. BAG NZA 1992, 1125) als Arbeitsverhältnis oder als freies Dienstverhältnis zu qualifizieren ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterscheiden sich beide durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet.

Arbeitnehmer ist, wer seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Wer in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist, ist - anders als der selbständige Unternehmer - typischerweise auf die Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften angewiesen. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, daß der Beschäftigte einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Die fachliche Weisungsgebundenheit ist allerdings für Dienste höherer Art häufig nicht typisch. Die Art der Tätigkeit kann es mit sich bringen, dass dem Mitarbeiter ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbständigkeit verbleiben muß. Die einseitige Aufstellung von Dienst- oder Stundenplänen spricht nach dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Der Einordnung eines Vertrages als Arbeitsverhältnis steht es nicht entgegen, daß die Parteien das Vertragsverhältnis als freies Mitarbeiter- oder Dienstverhältnis bezeichnet haben (vgl. BAG NZA 1997, 600, 601; NZA 1998, 595, 596).

 

Diese Grundsätze wendet das Bundesarbeitsgericht auch auf Unterrichtstätigkeiten an, wobei es darauf abstellt, wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist und in welchem Umfang sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise seiner Erteilung, die Arbeitszeit der Lehrkraft und die sonstigen Umstände der Dienstleistung gestalten kann (BAG NZA 1997, 600, 602; NZA 1998, 595, 597). Das Bundesarbeitsgericht nimmt in diesem Zusammenhang eine typisierende Unterscheidung zwischen Lehrern an allgemeinbildenden Schulen einerseits und außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichtenden Volkshochschuldozenten und Musikschullehrern andererseits vor, die darauf gestützt ist, daß der stärkeren Einbindung von Schülern in ein Schul- oder Ausbildungssystem auch eine stärkere persönliche Abhängigkeit der Lehrkräfte vom Unterrichtsträger entspricht. Es geht in seiner Rechtsprechung daher davon aus, daß Unterricht an allgemeinbildenden Schulen regelmäßig nicht freien Mitarbeitern übertragen werden kann, während Volkshochschuldozenten, die außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichten, auch freie Mitarbeiter werden können (vgl. BAG aaO).

 

Soweit es um schulische Kurse im zweiten Bildungsweg geht, ist die rechtliche Betrachtung allerdings nicht ganz einheitlich. Während der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts auch für Lehrkräfte, die im Rahmen von schulischen Kursen des zweiten Bildungswegs unterrichten, bei seiner typisierenden Betrachtungsweise bleibt (BAG NZA 1997, 600, 602 f), stellt der 7. Senat stärker auf eine einzelfallbezogene Prüfung ab, bei der er die Bindung an schulrechtliche Vorschriften und Lehrpläne für unerheblich hält, weil diese nicht nur bei einem Arbeitsverhältnis, sondern auch bei einem freien Dienstverhältnis Beachtung finden müssen. Auch nach Auffassung dieses Senats kommt es aber entscheidend darauf an, ob und wie intensiv die Lehrkraft in den Lehrbetrieb eingegliedert ist und in welchem Umfang sie den Inhalt ihrer Tätigkeit, die Art und Weise der Unterrichtserteilung, die Arbeitszeit und die sonstigen Umstände ihrer Dienstleistungen mitgestalten kann (vgl. BAG NZA 1992, 1125, 1126 f).

 

b) Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, soweit sie sich - auch im Unterrichtsbereich - auf die allgemeine Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von einem Verhältnis eines freien Mitarbeiters bezieht.

Ob hierbei eine typisierende Betrachtungsweise bei allen schulischen Veranstaltungen, auch soweit Lehrkräfte in Weiterbildungsinstituten Fachunterricht erteilen, in Betracht kommt, hat das Bundesarbeitsgericht bisher offen gelassen (BAG NZA 1998, 595, 597). Der Senat hat keinen Anlaß, diese Frage vorliegend abschließend zu entscheiden. Denn es fehlen jegliche Feststellungen und Vortrag des Klägers zu dieser Frage, die es erlauben würden, den vom Beklagten vermittelten Bildungsgang und die hierfür geltenden Rahmenbedingungen einzuschätzen und mit Verhältnissen zu vergleichen, wie sie im Sektor der Weiterbildung anzutreffen sind. Der Senat kann seiner Entscheidung daher nur die Gesichtspunkte zugrunde legen, die die Parteien für ihren Rechtsstandpunkt vorgebracht haben und zu denen das Beschwerdegericht Feststellungen getroffen hat.

 

c) Gemessen an den vorbeschriebenen Unterscheidungsmerkmalen, die das Landgericht zutreffend wiedergegeben hat, ist die angefochtene Entscheidung rechtlich nicht zu beanstanden. Die Rechtsbeschwerde macht zwar geltend, das Landgericht habe sich in seiner Feststellung, die Unterrichtszeiten seien Gegenstand einer Vereinbarung gewesen, über den Vortrag des Klägers, die Zeiten seien ihm durch Vorlage des Stundenplans einseitig vorgegeben worden, hinweggesetzt. Es mag offen bleiben, ob das Landgericht aus dem Umstand, daß sich der Kläger zum Beschwerdevorbringen nicht mehr geäußert hat, den Schluß ziehen durfte, er wolle den Vortrag des Beklagten, man habe den Unterrichtstag verabredet, nicht bestreiten. Auch wenn man mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (NZA 1998, 595, 596) davon ausgeht, daß die einseitige Vorgabe von Unterrichtszeiten für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses spricht, stellt dies die Gesamtwürdigung des Landgerichts nicht entscheidend in Frage. Zum einen stellt das Landgericht unbeanstandet fest, der Kläger sei zu anderen Aufgaben als den vertraglich ausdrücklich verabredeten Unterrichts- und Korrekturtätigkeiten nicht herangezogen worden, insbesondere nicht zu Vertretungstätigkeiten, was gegen eine engere Integration in den Betrieb der Schule und ein umfassendes Weisungsrecht des Beklagten spricht (vgl. BAG NZA 1992, 1125, 1127).

Zum anderen ist die vom Kläger weiter behauptete Vorgabe des Tätigkeitsorts angesichts der vereinbarten Unterrichtstätigkeit kein unterscheidungskräftiges Kriterium für die Einordnung als Arbeits- oder Dienstverhältnis. Auch soweit sich der Kläger in bezug auf seine Unterrichtsverpflichtung auf Einflußnahmen des Beklagten beruft, ist die Würdigung des Landgerichts, insoweit sei es lediglich um die Mitteilung von Rahmenbedingungen gegangen, rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt zum einen für den Gesichtspunkt, der Leiter der Schule habe darauf hingewirkt, daß der Kläger aus seiner Unterrichtsübersicht die Themen "Kündigung" und "Arbeitsvertrag" herausnehme, weil sie Gegenstand eines anderen Unterrichtsfachs seien. Hierbei handelte es sich um eine bei Beginn der Tätigkeit des Klägers vorgenommene Klarstellung, die sich auch bei Annahme eines freien Dienstverhältnisses als unbedenklich darstellt, zumal berücksichtigt werden muß, daß der Kläger seine Tätigkeit offenbar während eines laufenden Schuljahres aufgenommen hat.

Auch der Umstand, daß der Beklagte dem Kläger eine Stoffplansammlung übergeben hat, die die Ausbildungsinhalte unter Angabe der hierfür aufzuwendenden Unterrichtszeiten enthielt, muß vor dem Hintergrund gesehen werden, daß öffentlich-rechtliche Vorgaben des Oberschulamts in gleicher Weise durch einen freien Mitarbeiter zu beachten sind, weil er anderenfalls seiner Unterrichtsverpflichtung nicht in der gebotenen Weise nachkommen könnte (vgl. BAG NZA 1992, 1125, 1127). Schließlich sprechen auch die im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der Unterrichtstätigkeit gegebenen Hinweise über die Bearbeitungsdauer der Prüfungsklausuren und das Benotungssystem nicht entscheidend – in Abgrenzung zum Dienstvertrag – für ein arbeitsvertragliches Verhältnis. Daß der Beklagte auf die Art und Weise der Unterrichtserteilung – von den Hinweisen bei Beginn der Tätigkeit abgesehen – auch im weiteren eingewirkt oder vom Kläger außerhalb der Unterrichtszeit Tätigkeiten erwartet oder verlangt hätte, die über den verabredeten Umfang hinausgingen, ist nicht ersichtlich. Nach allem ist die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden, daß die ordentlichen Gerichte über die Klage zu befinden haben.

 

(Unterschriften)