×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Nachrichten
/
Medienrecht
/
Kann denn „Liken“ Sünde sein? - Aktuelle Gerichtsentscheidung zur potentiellen Strafbarkeit des Daumen hoch

Autor

Portraitbild
Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Kann denn „Liken“ Sünde sein? - Aktuelle Gerichtsentscheidung zur potentiellen Strafbarkeit des Daumen hoch

von Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL.M.
Fachanwalt für IT-Recht und gewerblichen Rechtschutz

- Gericht bestätigt Zulässigkeit einer Hausdurchsuchung wegen des Verdachts der Belohnung bzw. Billigung von Straftaten sowie des Verunglimpfens des Andenkens Verstorbener -

Mit einem Beschluss vom 5.8.2022, der uns im Volltext vorliegt, hat das Landgericht Meiningen die Zulässigkeit einer Hausdurchsuchung wegen des Verdachts der Belohnung bzw. Billigung von Straftaten sowie des Verunglimpfens des Andenkens Verstorbener durch ein Verhalten in sozialen Medien bestätigt und eine dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen.

Entgegen zahlreichen anderslautenden Meldungen im Internet liegt also gerade (noch) keine Verurteilung oder ein entsprechendes Strafurteil gegen den Beschuldigten vor – auch wenn dies nach den uns vorliegenden Gründen des Beschlusses tatsächlich möglich erscheint.
Wenn also die Durchsuchung der Wohnung sowie der Person des Beschwerdeführers und der ihm gehörenden Sachen, insbesondere Kraftfahrzeuge zum Auffinden von Beweismitteln, namentlich von Mobiltelefonen, Handys, Smartphones oder sonstigen elektronischen Speichermedien in Ordnung war, muss das vorgeworfene Verhalten (liken) grundsätzlich strafbar sein können. Voraussetzung hierfür ist, dass der gelikte Beitrag strafbare Inhalte enthält.

Der Fall – es ging bislang ‚lediglich‘ um den Durchsuchungsbeschluss und dessen Vollziehung

Am 31. Januar 2022 wurden im Landkreis bei Kusel zwei Polizisten ermordet. Im Nachgang zu diesem schrecklichen Verbrechen hatte ein Facebook-Nutzer in dem sozialen Netzwerk pietätlos gepostet: "Keine einzige Sekunde Schweigen für diese Kreaturen". Der Beschwerdeführer und Beschuldigte gab diesem Posting ein „Like“, worauf die zuständige Staatsanwaltschaft (StA) Meiningen die Durchsuchung seiner Wohnung, Autos und der Person selbst beantragte.
Im Beschluss heißt es hierzu: 

        "Aus den Beweismitteln ergibt sich in hinreichender Weise, dass der Beschuldigte den zitierten Post des '[...]' mit dem Symbol

        versehen hat."

wobei * im Text die grafische Darstellung einer Faus mit erhobenen Daumen ist. Weiter unten im Beschluss ist davon die Rede, dass der Beschwerdeführer den steitgegeständlichen Post "öffentlich geliked - also mit einem sog. Emoji einer Faust mit nach oben gerecktem Daumen - kommentiert und sich dadurch zu Eigen gemacht habe"

Nach Einschätzung der StA erfüllt dieses "Like" den Tatbestand der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener nach § 189 StGB und der Belohnung und Billigung von Straftaten nach § 140 StGB. Die zuständige Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Meiningen erließ den beantragen Durchsuchungsbeschluss, der daraufhin unverzüglich vollzogen wurde. Bei der Durchsuchung wurden Beweismittel wie Smartphones oder Speichermedien sichergestellt und auch Onlinespeicher durchsucht.

Die bisherige Begründung des Landgerichts

Das Landgericht hat Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Meiningen vom 14.06.2022 wird als unbegründet verworfen und die Kosten des Verfahrens dem Beschwerdeführer auferlegt.

Das Gericht führt hierzu u.a. aus:

   Die Handlung, derer der Beschwerdeführer verdächtig ist, ist als sog. Liken eine hinreichende Ausrichtung bzw. Kundgabe der Befürwortung der Äußerungen des Nutzers „[…]“.
   Nach der Rspr. des BGH setzt die Gleichstellung der Wiedergabe fremder Missachtung als Äußerung eigener Missachtung voraus, dass sich der Nutzer die fremde Äußerung zu
   eigen macht, mithin so in den eigenen Gedankengang einfügt, dass sie insgesamt als eigene erscheint. […]

   Unbeschadet dessen, dass die Anbringung eines solchen „Likes“, der wörtlich übersetzt jedenfalls in Mitteleuropa so viel wie „(ich) mag es“ oder „(ich) will es“ bedeutet,
   regelmäßig durch das Betätigen einer Schaltfläche mit den Worten „Gefällt mir“ erfolgt, ist gerade auch das Zurschaustellen dieser Befürwortung nach außen Sinn dieser
   Kommentarfunktion. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass öffentlichkeitswirksame Vorgänge in anderen Medien regelmäßig damit als besonders herausragend etikettiert
   werden, dass sie nach der Anzahl ihres „Likes“ (oder demgemäß Distanzierung bedeutende „Dislikes“) ohne weiteres und nachgerade selbsterklärend bemessen werden. […]

   In den modernen Medien hat er sich jedenfalls zum regelrechten Sinnbild der Befürwortung etabliert. In der auch hier in Rede stehenden Kommentarfunktion der Plattform Facebook
   dient diese Symbolik auch der gezieltermaßen öffentlichen Bewertung eines Beitrages, was nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck kommt, dass entsprechende Symbol-Schaltflächen vom
   Betreiber des Portals unter den Beiträgen als eine Art Einladung zum Kommentieren vorgehalten werden. Soweit kommt darin auch nicht nur eine gewissermaßen stille Befürwortung
   - etwa nur dem Verfasser gegenüber - zum Ausdruck, sondern die bewusst und für die Öffentlichkeit des Internets zum Ausdruck gebrachte Befürwortung der Inhalte. Deutlicher kann
   man ein Zueigenmachen kaum zum Ausdruck bringen bzw. allenfalls expressis verbis mit den Worten „Ich stimme dem zu“ - nicht anderes symbolisiert aber hier allgemeinhin das in
   Rede stehende sog. Emoji.

und

   Die Durchsuchung steht auch in angemessenem Verhältnis zur Schwere der konkreten Straftat und der Stärke des Tatverdachts [...]. Die Straftaten sind ausweislich ihres Strafrahmens
   von bis zu 2 bzw. 3 Jahren nicht unerheblich. Bei der Strafzumessung dürften im Falle einer Verurteilung die Umstände zu berücksichtigen sein, dass die Verbreitung via Facebook und
   damit im Internet über einen potenziell ganz erheblich großen, ja unbeschränkten Personenkreis erfolgte.

Zwischenergebnis

Aus Sicht des Verfassers ist der Beschluss nachvollziehbar, gut begründet und soweit ersichtlich völlig zu Recht ergangen.
Ob die Tathandlung als solches am Ende strafbar nach § 189 und/oder § 140 StGB ist, wird das Gericht noch gesondert und auch unter Berücksichtigung eventuell gefundener Beweismittel zu entscheiden haben. Gerade die Vorschrift § 140 StGB Belohnung und Billigung von Straftaten verdient große Beachtung. Fest steht, dass ein Liken oder positives Kommentieren strafbarer Postings selbst eine strafbare Handlung darstellen und zu Hausdurchsuchungen kann. 

Wir behalten die Sache im Auge und werden berichten.
Übrigens, diesen Beitrag hier können Sie gefahrlos "liken" oder "teilen" ;-)

Das könnte Sie auch interessieren

Kommentar zu LG Berlin - Renate Künast gegen Facebook
Von der Mär einer grenzenlosen Meinungsfreiheit - Recht der Meinungsfreiheit besteht auch in Deutschland nicht schrankenlos!
Bei Satire hört der Spaß wohl auf – Der Fall Böhmermann und Staatspräsident Erdogan
Ist das Wahlkampf oder kann das weg? –  Partei richtet Portal zur Lehrerdenunzierung ein
Talkgast in der Phoenix-Runde zum Thema Hassmails und Horrorclowns
OLG Karlsruhe: Facebook darf "Hassredner" aussperren