Das Leben in den sozialen Netzwerken
Wer sich im Internet bewegt, ist gläsern. Von vielen Personen – egal ob eng befreundet oder nur flüchtig bekannt – hat man ein recht genaues Bild ihres Privatlebens, obwohl man die Person lange nicht oder vielleicht sogar noch nie gesprochen hat. So erfährt man in den sozialen Netzwerken, dass ein ehemaliger Mitschüler, mit dem man seit 15 Jahren kein Wort gewechselt hat, nun verheiratet ist, zwei Kinder hat und in einem schönen Haus am Stadtrand wohnt. Und mit wenigen Klicks erfährt man dann auch Details über seinen Familien- und Freundeskreis. Alles, was es hierfür braucht, hat die Person meist selbst veröffentlicht.
Viele Menschen geben in den sozialen Medien demnach mehr über sich Preis als ihnen tatsächlich bewusst ist. Wer nun denkt „Ich habe doch nichts zu verbergen“ sollte dringend weiterlesen.
Die Tür wird weit geöffnet: Einblicke in das Privatleben
Natürlich ist das Glück groß bei der Geburt des Kindes, der Hochzeit oder dem Einzug in eine neue Wohnung. Daran möchte man andere teilhaben lassen. Das ist verständlich. Doch es sollte wohl überlegt sein, ob auch die Öffentlichkeit bestimmte Details erfahren sollte. Im analogen Zeitalter klebten diese Bilder im privaten Fotoalbum und wurden Gästen am Wohnzimmertisch gezeigt. Nur selten durfte der Besuch auch ein Foto mit nach Hause nehmen.
Heute werden, nahezu unbedacht, private Fotos in den sozialen Netzwerken (Instagram, Facebook & Co.) veröffentlicht oder per Messenger (z.B. WhatsApp) herumgeschickt. Was sodann mit den Bildern passiert, ist vielen nicht bewusst. Nahezu jeder Foto- oder Videobeitrag lässt sich leicht speichern oder weiterleiten – dies nicht einmal in böser Absicht. Im schlimmsten Fall fällt die Aufnahme jedoch jemanden in die Hände, der sie missbräuchlich verwendet. Man verliert schnell die Kontrolle über ein einmal veröffentlichtes Bild. Das gilt selbstverständlich auch für Veröffentlichungen in kleiner Runde oder über private Accounts, auf die nur ausgewählte Nutzer Zugriff haben – denn auch hier hat man es nicht mehr selbst in der Hand, was mit dem Bild passiert.
Hierdurch können sich Dritte häufig auch ein gutes Bild vom Privatleben machen, oft mit nur wenigen Klicks bei Google oder den einschlägigen Social-Media-Angeboten. So erhalten sie private Informationen, welche man in einer persönlichen Begegnung vielleicht ihnen gegenüber gar nicht thematisiert hätte: z.B. zu Beruf, Hobbies, Reiseziele, Sozialstatus, Familienleben, Freundeskreis - alles liegt offen auf dem virtuellen Präsentierteller. Auch das Statusbild oder das Profilfoto kann schon viel über eine Person verraten. Dies ist meist für jedermann öffentlich einsehbar.
Eine sogenannte Selbstöffnung des Privatlebens kann letztlich sogar problematisch werden. Wer sein Privates exponiert darstellt, hat später unter Umständen Schwierigkeiten sich gegen Medienberichte und andere Veröffentlichungen zu erwehren (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 2.8.2022, VI ZR 26/21; BGH, Urt. v. 12.6.2018, VI ZR 284/17). In der Praxis betrifft dies meist Personen, die in der Öffentlichkeit stehen. Gemeint sind Schauspieler, Sportler und Musiker genauso wie Influencer, Politiker, Vereins- oder Wirtschaftsakteure. Zu solchen Personen gehören im Übrigen nicht nur Prominente, über die man sonst nur in der Klatschpresse liest. Auch Personen, welche durch ihre Stellung zumindest eine gewisse lokale Bekanntheit (z.B. Unternehmer, Lokalpolitiker, Radiomoderator, Karnevalsprinz, Schützenkönig) erreicht haben, können durch eine Selbstöffnung ihren Schutz aufgeben.
Plötzlich Internetstar - Mobbing, Erpressung und Manipulation
Das Veröffentlichen und Verbreiten von Fotos und Videos ist auch nicht ungefährlich. Mit modernen Bildbearbeitungsprogrammen und Apps („Face Swap“) kann beispielsweise das Gesicht von einem Foto auf ein anderes ohne große Mühe übertragen werden. Gleiches gilt im Übrigen für die Übertragung in andere Videos, so dass sich Personen schnell und ungewollt in einer fremden Umgebung (z.B. Porno, Gewaltdarstellung) wiederfinden, obwohl sie niemals ein solches Video oder Bild aufgenommen haben. Auch Audios, also Stimmen von anderen, können täuschend echt mit einer solchen Software hergestellt werden. Es handelt sich hierbei sog. „Deepfakes“. Solche manipulierten Videos mögen für manche lustig sein. Betroffene müssen jedoch schwerwiegende Probleme im Privat- sowie Berufsleben befürchten, wenn das Bildmaterial veröffentlicht wird. Auch gesundheitliche Folgen sind nicht auszuschließen. In diesem Zusammenhang wird deshalb auch von bildbasierter Gewalt gesprochen.
Auch werden bestimmte Bilder genutzt, um die abgebildete Person zu nötigen oder öffentlich bloßzustellen („Mobbing“). Das können Fotos von einer Party, vom Strand oder aus einer privaten Nachricht (z.B. Intimaufnahmen) sein. Auch private oder intime Audio- und Textnachrichten werden gerne weiterverbreitet, um dem ursprünglichen Absender zu schaden.
Hinnehmen muss man das grundsätzlich nicht. In der Regel wird in den genannten Fällen eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzunehmen sein. Den Betroffenen stehen dann u.a. Unterlassungs- und Löschungsansprüche zu. Auch Schadens- und Geldentschädigungsansprüche können anzunehmen sein. Zudem dürften viele dieser Handlungen auch strafrechtlich zu bewerten sein (z.B. Beleidigung, Nötigung, Doxxing, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen).
Fotos von Kindern im Internet
Ein besonders heikles Thema sind Fotos und Videos von Kindern im Internet. Das vermeintliche süße oder lustige Bild kann schnell weiterverbreitet werden und somit auch in falsche Hände gelangen.
Es ist bekannt, dass Kinderfotos häufig in pädophilen Netzwerken verbreitet werden. Aus diesem Grund warnt auch die Polizei immer wieder davor, Kinderfotos zu veröffentlichen. Dies gilt im Übrigen nicht nur für Bilder, auf denen Kinder freizügig zu sehen sind. Auch andere Fotos werden häufig in solchen Netzwerken verwendet. Zudem lassen sich auch diese Bilder auch als Grundlage von Manipulation und digitaler Bearbeitung (z.B. mittels "Face Swap") – wie oben beschrieben– nutzen und in entsprechenden Foren und Netzwerken verbreiten. Bei der Verbreitung von freizügigen Kinderbildern, auch per Messenger oder Direktnachricht, besteht zudem – auch für die Eltern – die Gefahr einer Strafbarkeit.
Auch sollte man stets bedenken, dass einmal veröffentlichte Fotos später für das Kind peinlich sein könnten und auch von Mitschülern gefunden werden können („Das Internet vergisst nichts“) – womöglich sind sie dann für andere eine willkommene Einladung zum (Cyber-)Mobbing.
Wer seinem Kind also einen Gefallen tun möchte, sollte gar keine Bilder im Internet veröffentlichen. Wer nicht ganz darauf verzichten möchte, sollte zumindest einen Kompromiss eingehen:
- Auf die Veröffentlichung und Verbreitung von Aufnahmen, die für das Kind unangenehm oder peinlich sein könnten, sollte man stets verzichten. Fotos von leicht bekleideten oder nackten Kindern sind tabu.
- Die Kleinen sollten nur so gezeigt werden, dass das Gesicht und andere markante Züge nicht erkennbar sind (z.B. Abbildung von hinten, Foto der Hände).
- Auf Namensnennungen und weitere persönliche Angaben (z.B. Alter) sollte man verzichten.
- Die Zeit- und Ortskennung des Handys oder des sozialen Netzwerks sollte ausgeschaltet sein, so dass nicht erkennbar wird wo und wann das Bild aufgenommen oder veröffentlicht wurde.
- Zudem sollte das Profil, unter welchem die Veröffentlichung erfolgt, mit der größtmöglichen Privatsphäre-Einstellungen gesichert sein, so dass nur ausgewählte Nutzer die Bilder betrachten können. Auch kann die Verwendung von Pseudonymen oder Phantasienamen als Profilbezeichnung hilfreich sein.
- Es sollten automatische Löschfunktionen, welche einige Messenger oder Social-Media-Dienste anbieten, genutzt werden (z.B. Löschung des Bildes nach dem Öffnen; kurze Dauer der Veröffentlichung), weil dies die Gefahr einer Speicherung oder Weiterleitung des Fotos reduzieren kann. Die Erstellung von einem Screenshot ist jedoch meist trotzdem möglich.
- Freunde und Verwandte sollten gebeten werden, keine Fotos der Kinder zu veröffentlichen, zu teilen oder auf anderem Weg zu verbreiten.
Im Übrigen gilt: Fotoveröffentlichungen von Minderjährigen dürfen grundsätzlich nur mit Einwilligung (beider) Elternteile oder Erziehungsberichtigten erfolgen. Ist das Kind schon älter und einsichtsfähig, ist zusätzlich auch die Zustimmung des Kindes erforderlich. Davon geht man in etwa ab dem 14. Lebensjahr aus, wobei es hierbei auf den Einzelfall ankommt. Auch kann ein Kind ab diesem Zeitpunkt verlangen, dass ein veröffentlichtes Bild wieder gelöscht wird.
Bilder von anderen Personen veröffentlichen
Grundsätzlich vorsichtig sollte man auch mit der Veröffentlichung von Bildern sein, welche andere Personen – egal ob minderjährig oder volljährig - zeigen. Auch hier gilt: Eine Veröffentlichung ist grundsätzlich nur mit Einwilligung der abgebildeten Menschen erlaubt. Ansonsten drohen zivilrechtliche aber unter Umständen auch strafrechtliche Ansprüche.
Das Gesetz sieht in § 23 Abs. 1 Kunsturhebergesetz (KUG) zwar einige Ausnahmen vor. In der Praxis relevant sind die Fälle, bei denen es sich um folgende Veröffentlichungen handelt: (1) Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte oder (2) Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen oder (3) Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben. Ob diese erfüllt sind, kommt auf den jeweiligen Einzelfall an und wird von den Gerichten unterschiedlich gesehen. Man sollte sich also nicht darauf verlassen, dass eine der genannten Ausnahmen vorliegt. Wer also Fotos von anderen postet, sollte im Zweifel belegen können, dass eine Einwilligung der gezeigten Personen zu der konkreten Veröffentlichung vorlag. Auch kann man sich bei einer rechtswidrigen Veröffentlichung unter Umständen strafbar machen (z.B. § 33 KUG).
Entscheidend kann auch die Umgebung oder Situation sein, in welcher das Foto entstanden ist. Insbesondere ist Zurückhaltung bei Aufnahmen an Orten geboten, wo sich Menschen freizügiger zeigen oder im Privaten wähnen, z.B. im Fitnessstudio, im Wellnessbereich oder am Strand (vgl. BGH, Urt. v. 21.04.2015, VI ZR 245/14).