×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Urteile
/
Wettbewerbsrecht
/
Urteile 2003
/
Hanseatisches OLG, Urteil vom 6. März 2003, AZ.: 5 U 186/01 - Mitwohnzentrale II

Leitsätzliches

Der letzte Akt der unendlichen Geschichte um die Mitwohnzentrale.de (?): Das OLG Hamburg folgt nun dem BGH und lehnt die Klage ab. Lesen Sie hier unseren Kommentar!

HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 5 U 186/01

Entscheidung vom 6. März 2003

 

In dem Rechtsstreit

 

(...)

 

hat das Hanseatische Oberlandesgericht, 5. Zivilsenat,

 

durch die Richter ....

 

für R e c h t erkannt:

 

Auf die Berufung .... wird das Urteil aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

 

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. ...

 

 

Tatbestand

Der Kläger ist ein Verein, in dem sich über 42 sog. Mitwohnzentralen in verschiedenen Städten Deutschlands zusammengeschlossen haben. Die Beklagte zu 2. ist ein konkurrierender Verband, in dem über 27 andere Mitwohnzentralen organisiert sind. Der Beklagte zu 1. ist der 1. Vorsitzende des Beklagten zu 2. Er betreibt zudem in Hamburg selbst eine Mitwohnzentrale.

 

Der Beklagte zu 2. tritt im Internet unter der Domainbezeichnung www.Mitwohnzentrale.de auf und wirbt auf diese Weise für seine Mitglieder.

 

Dieses Verhalten beanstandet der Kläger unter dem Gesichtspunkt eines unzulässigen Abfangens von Kunden über den freihaltebedürftigen beschreibenden Domain-Namen sowie als irreführende Werbung mit einer Alleinstellungsbehauptung als wettbewerbswidrig.

 

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000.-, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich des Beklagten zu 2. jeweils an dem 1. Vorsitzenden zu vollstrecken ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken unter der alleinigen Domain www.Mitwohnzentrale.de oder "Mitwohnzentrale.de" ohne unterscheidungskräftige Zusätze im Internet aufzutreten.

 

Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 21. Januar 1998 (315 O 531/97), der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten.

 

Der 3. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts hat die Berufung mit Urteil vom 13.07.1999 (3 U 58/98) unter Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 17. Mai 2001 (I ZR 216/99) das klagabweisende Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (BGH GRUR 01, 1061 - Mitwohnzentrale.de), bei welchem der Rechtsstreit in die Zuständigkeit des - neu gegründeten - 5. Zivilsenats gelangt ist.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

 

1. Soweit der Kläger seinen Anspruch insbesondere unter dem Gesichtspunkt eines Behinderungswettbewerbs durch unlauteres Abfangen bzw. Umleiten von Kunden auf § 1 UWG sowie auf sein Namensrecht aus § 12 BGB gestützt hatte, steht aufgrund der Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.05.2001 bindend fest, dass ihm ein solcher Anspruch nicht zusteht. Diese Entscheidung umfasst auch den Aspekt einer gezielten Behinderung bzw. Verdrängung, auf die der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 13.01.2003 im wiedereröffneten Berufungsverfahren weiterhin stützt.

 

Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich festgestellt, dass sich die Beklagten den Vorteil, der sich aus dem Einsatz der Gattungsbezeichnung "Mitwohnzentrale" als Domain-Name ergibt, gerade nicht in unlauterer Weise zunutze gemacht haben (UA 8). Deshalb bleibt auch der erneute Hinweis des Klägers auf eine in dem Schreiben vom 21.05.1997 (Anlage K8) vermeintlich zum Ausdruck kommende Schädigungsabsicht ohne Erfolg. Der Inhalt dieses bereits erstinstanzlich vorgelegten Schreibens war von der Beurteilung durch das Revisionsgericht umfasst und kann im wiedereröffneten Berufungsverfahren keine abweichende Beurteilung rechtfertigen.

 

2. Die Klage ist ebenfalls unbegründet, soweit der Kläger sie unter dem Gesichtspunkt einer unzutreffenden Alleinstellungsbehauptung als irreführende Werbung gem. § 3 UWG angreift. Ausschließlich unter diesem Gesichtspunkt - den der 3. Zivilsenat in seiner Berufungsentscheidung nicht erörtert hatte - ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden.

 

a. Eine relevante Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise käme in Betracht, wenn diese aufgrund des Internet-Auftritts des Beklagten zu 2. zu der unzutreffenden Annahme verleitet würden, es handele sich bei dem "Ring Europäischer Mitwohnzentralen e.V." um den einzigen oder doch den größten Verband von Mitwohnzentralen, so dass eine weitere Suche nach Alternativangeboten aussichtslos oder doch zumindest unergiebig erscheinen müsse. So liegt der zur Entscheidung stehende Rechtsstreit jedoch nicht.

 

b. Beurteilungsgegenstand für eine mögliche Irreführung ist dabei zwar auch, aber - anders als im Rahmen von § 1 UWG - nicht ausschließlich die Domain-Bezeichnung www.Mitwohnzentrale.de. Für die Gefahr einer täuschungsbedingten Hinwendung des Verkehrs zu den Angeboten des Beklagten zu 2. ist vielmehr das gesamte Erscheinungsbild des "hinter" dem Domain-Namen vorgehaltenen Internet-Auftritts, insbesondere also auch die konkrete Gestaltung der Homepage maßgeblich. Denn der Domain-Name als solcher ist für die Annahme einer Alleinstellungsbehauptung nicht hinreichend aussagekräftig. Er besagt für sich genommen - insbesondere aufgrund der Verwendung des Singulars - lediglich, dass über diese Bezeichnung eine Mitwohnzentrale zu finden ist. Die relevanten Verkehrskreise haben jedoch keine Veranlassung zu der Annahme, dass es bundes- oder gar europaweit nur eine einzige Mitwohnzentrale gibt. Den von dem Angebot der Parteien angesprochenen Interessenten ist vielmehr bekannt, dass Mitwohnzentralen ihre Wohnraumvermittlung in der Regel nur mit regionalem Bezug anbieten. Dies vermag der Senat aus eigener Sachkunde zu beurteilen. Demgemäß vermag ein im Rahmen von § 3 UWG irreführender Eindruck allenfalls in der Zusammenschau der Domain-Bezeichnung und der konkreten inhaltlichen Gestaltung der Homepage zu entstehen.

 

c. Eine derartige Irreführung ist nach Sachlage hingegen auszuschließen, wobei der Senat den Erkenntnisstand bei Schluss der mündlichen Verhandlung des wiedereröffneten Berufungsverfahrens zugrunde zu legen hat. Zumindest jetzt klärt der Beklagte zu 2. die Besucher seiner Homepage auf der Unterseite "Städteauswahl", über die zu den einzelnen angeschlossenen Mitwohnzentralen verzweigt wird, unmissverständlich mit dem Hinweis "Auf dieser Seite werden nur Mitglieder des Rings europäischer Mitwohnzentralen e.V. aufgeführt" darüber auf, dass er keinen Alleinstellungsanspruch erhebt. Diesem Hinweis entnehmen die angesprochenen Verkehrskreise ohne weiteres, dass es neben dem Verband des Beklagten zu 2. weitere Mitwohnzentralen gibt, die sie sich über die angewählte Internet-Adresse nicht erschließen können. Da gerade die Seite mit den einzelnen Städte-Partnern sorgfältig zur Kenntnis genommen wird, erkennen sie aufgrund dieses Hinweises, dass es sich bei dem Beklagten zu 2. nicht um den einzigen Anbieter handelt. Eine solche Information ist als irrtumsausschließende Aufklärung ausreichend. Die Gestaltung des Internet-Auftritts der Beklagten bietet dem Nutzer auch keine Veranlassung zu der möglicherweise unzutreffenden Annahme, bei dem "Ring Europäischer Mitwohnzentralen e.V." handele es sich um den größten Anbieter in diesem Bereich. Der Kläger hat hierfür keine tragfähigen Anhaltspunkte vorgetragen. Der Beklagte zu 2. ist unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerbswidrigen Alleinstellungsbehauptung weder gehalten, den klägerischen Verband als Wettbewerber namentlich zu nennen noch muss er dem Kläger gestatten, auf die fremde Homepage einen Link zu setzen, um den bei dem Beklagten zu 2. angelangten Interessenten zu ermöglichen, ohne weitere Umstände auf seine Homepage weiter zu verzweigen. Der Gedanke einer "Bequemlichkeit" der Nutzer, die sich möglicherweise nicht veranlasst sehen, die Homepage des Beklagten zu 2. zu verlassen, sondern hierauf verweilen, betrifft ausschließlich ein unter dem Gesichtspunkt des § 1 UWG angegriffenes wettbewerbswidriges Verhalten, nicht jedoch den Irreführungstatbestand des § 3 UWG. In diesem Zusammenhang geht es ausschließlich darum, dem Interessenten irrtumsausschließende Informationen zur Verfügung zu stellen, aufgrund derer er eine mögliche - etwa aufgrund der Domain-Bezeichnung entstandene - Fehlvorstellung wieder korrigieren kann. Diesen Anforderungen wird der Hinweis der Beklagten gerecht. Die Willensentscheidung des Interessenten, die Homepage des Beklagten zu 2. gleichwohl nicht wieder zu verlassen, um sich dem Konkurrenzangebot zuzuwenden, ist von dem Verbotszweck des § 3 UWG nicht mit umfasst.

 

d. Schließlich kann bei der rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich im Anschluss an die vielfach veröffentlichte und kommentierte Entscheidung des 3. Senats vom 13.07.1999 sowie die Revisionsentscheidung des BGH vom 17.05.2001 eine breite Diskussion in Internet-Kreisen über die Zulässigkeit der Verwendung beschreibender Domain-Bezeichnungen entwickelt hat, die nicht auf juristische Fachkreise beschränkt geblieben ist. Selbst wenn eine Irreführungsgefahr bei Einleitung des vorliegenden Rechtsstreits noch bestanden haben sollte, so ist diese jedenfalls heute aufgrund der veränderten Erkenntnislage der angesprochenen Verkehrskreise ausgeräumt. Der durchschnittlich informierten und verständigen Internetnutzer weiß inzwischen, dass allein die Verwendung eines beschreibenden Domain-Namens ohne das Hinzutreten anderer konkreter Ausschließlichkeitshinweise keinen Rückschluss auf eine Alleinstellungsberühmung zulässt. Dieser veränderten Sachlage hätte der Kläger nur durch eine Erledigungserklärung Rechnung tragen können.

 

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der vorliegende Rechtsstreit bietet dem Senat keine Veranlassung, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Der Rechtsstreit hat im Hinblick auf die noch streitige Frage keine grundsätzliche Bedeutung, sondern beschränkt sich auf die Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze auf den konkreten Einzelfall. Einer erneuten Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf es auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

 

 

Unterschriften