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LG Nürnberg-Fürth: Steuerberater im Internet

Leitsätzliches

Die örtliche Zuständigkeit in Wettbewerbssachen richtet sich danach, wo eine Internet-Präsentation abgerufen werden kann. Ein Steuerberater, der auf Webseiten in Form und Inhalt sachlich und nicht reklamehaft über seine berufliche Tätigkeit unterrichtet, wirbt nicht berufswidrig. Eine Internet-Präsentation ist keine Erteilung eines Auftrages im Einzelfall.

LANDGERICHT NÜRNBERG/FÜRTH

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

Aktenzeichen: 3 O 33/97

Entscheidung vom 29. Januar 1997

 

 

 

Das Landgericht Nürnberg-Fürth, 3. Zivilkammer, erläßt durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Kefer, den Richter am Landgericht Eichelsdörfer und den Richter am Landgericht Dr. Herz

 

in Sachen

 

Dr. ....

 

- Verfügungskläger -

 

g e g e n

 

Dr. Richard Wittsiepe, Tonhallenstr. 19, 47051 Duisburg,

 

- Verfügungsbeklagter -

 

wegen Unterlassung

 

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 1997 folgendes

 

 

 

Endurteil:

 

I. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

 

II. Der Verfügungskläger trägt 2/3, der Verfügungsbeklagte trägt 1/3 der Kosten des Verfahrens.

 

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger darf die Vollstrekkung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von DM 6.000,-- abwenden, wenn nicht der Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

 

 

Beschluß:

 

Der Streitwert wird

 

- hinsichtlich Verfügungsantrag 1. auf DM 30.000,--

- hinsichtlich Verfügungsantrag 2. auf DM 15.000,--

 

mithin insgesamt

 

- bis zur teilweisen übereinstimmenden Erledigterklärung in der mündlichen Verhandlung vom 29.01.1997 auf DM 45.000,--

- für die Zeit danach auf DM 30.000,--

 

festgesetzt.

 

 

 

Tatbestand

 

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer Internet-Präsentation des Verfügungsbeklagten.

 

Beide Parteien sind jeweils Steuerberater. Der Verfügungskläger unterhält seine Kanzlei in Fürth, der Verfügungsbeklagte, der zugleich Wirtschaftsprüfer ist, besitzt eine Kanzlei in Duisburg.

 

Der Verfügungsbeklagte warb seit 19.12.1996 im Internet unter der Adresse „http://www.webag.com/tax/" mit einer Präsentation. In dieser bot er u.a. eine erbschafts- und schenkungssteuerliche Online-Beratung an, für die er auf der Seite "Die neuen Vorschriften zur Erbschafts- und Schenkungssteuer" mit den Worten "Beachten Sie das Angebot: Erbschaft- und Schenkungssteuerberechnung auf der Homepage" sowie auf der Seite "Beratungsangebot": "Was müssen Ihre Kinder nach dem neuen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz zahlen?" warb. Am Ende dieser Seiten befinden sich jeweils folgende Kennzeichnungen:

 

 

 

[Grafik]

 

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[Grafik]

 

Feedback

Bitte schreiben Sie mir!

 

 

Auf der Seite "Investieren im Ausland" weist der Verfügungsbeklagte auf seinen Anschluß an die Fidunion International, eine Vereinigung von Wirtschaftsprüfern und Steuerberaterkanzleien in Europa, hin und bietet u.a. mit dem Satz "Die Fidunion hilft ihnen weiter" seine Hilfeleistung in internationalen Steuersachen an. Auch unter dieser Seite befindet sich wieder die oben abgebildete Kennzeichnung "Feedback Bitte schreiben Sie mir".

 

Auf der Seite "Internet-Service" unterbreitet der Verfügungsbeklagte folgendes Angebot: "Wenn Sie Ihr Unternehmen ebenfalls im Internet darstellen wollen, können wir Ihnen weiterhelfen. Wir erstellen ein Marketing Konzept incl. Programmierung der notwendigen Masken und helfen Ihnen bei der Suche nach einem geeigneten Provider (Computer, auf dem Ihre Datei gespeichert wird)."

 

Auf die ausgedruckte Internet-Präsentation des Verfügungsbeklagten wird Bezug genommen (Anlage Ast 1).

 

Der Verfügungskläger ist der Ansicht, diese Präsentation verstoße gegen berufsrechtliche Vorschriften der Steuerberater, insbesondere gegen §§ 57, 57a StBerG. Möglicherweise sei bereits die Bereitstellung einer Homepage im Internet für einen Steuerberater verboten. Jedenfalls handele es sich hier nicht um eine sachliche Unterrichtung, sondern um reklamehafte Werbung, die im übrigen auch gegen §§ 12 Abs. 4, 22 des Entwurfs einer Berufsordnung (Anlage Ast 5) verstoße, welchen die Bundessteuerberaterkammer am 18.11.1996 beschlossen habe, der jedoch noch nicht in Kraft getreten sei. Dies führe zur Wettbewerbswidrigkeit der betreffenden Aussagen.

 

Soweit der Verfügungsbeklagte für Unternehmen, die sich im Internet darstellen wollen, die Erstellung eines Marketingkonzepts und Programmierung der notwendigen Masken anbiete, handele es sich um eine gewerbliche Tätigkeit, die einem Steuerberater untersagt sei.

 

Der Verfügungskläger hat zunächst beantragt:

 

Dem Antragsgegner wird es im Weg der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,--, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt,

 

1. im Internet eine Präsentation bereitzuhalten, in der er im Zusammenhang mit steuerrechtlichen Informationen und Hinweisen auf seine berufliche Tätigkeit

 

a) mit den Worten "Beachten Sie das Angebot: Erbschaft- und Schenkungssteuerberecbnung " und "Bitte schreiben Sie mir" eine steuerliche Online-Beratung anbietet und/oder

 

b) unter Hinweis auf seinen Anschluß an eine internationale Vereinigung von Wirtschaftsprüfern und Steuerberaterkanzleien mit der Bezeichnung "Fidunion International" mit den Worten "Die Fidunion hilft Ihnen weiter" sowie "Bitte schreiben Sie mir!" Hilfe in internationalen Steuersachen anbietet;

 

2. für Unternehmen, die sich im Internet darstellen wollen, die Erstellung eines Marketingkonzepts inklusive Programmierung der notwendigen Masken anzubieten, wie das bei seiner am 19.12.1996 im Internet bereitgehaltenen Präsentation der Fall ist.

 

In der mündlichen Verhandlung vom 29.01.1997 haben die Parteien im Hinblick auf eine vom Verfügungsbeklagten abgegebene, teilweise streiterledigende Unterlassungsverpflichtungserklärung den Verfügungsantrag zu 2. übereinstimmend für erledigt erklärt.

 

Hinsichtlich des Verfügungsantrags zu 1. beantragt der Verfügungsbeklagte:

 

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

 

Er trägt vor, Werbung im Internet sei für einen Steuerberater grundsätzlich zulässig. Die streitgegenständlichen Werbeaussagen hielten sich im Rahmen einer sachlichen Unterrichtung, seien nicht reklamehaft und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet, damit berufsrechtlich und wettbewerbsrechtlich zulässig. Der Verfügungsbeklagte habe auch keine gewerbliche Tätigkeit angeboten, sondern nur eine zulässige betriebswirtschaftliche Beratung anderer Berufsträger; der Begriff "Programmierung" in der Internet-Präsentation dürfe nicht im Sinne einer Softwareherstellung verstanden werden.

 

Im Übrigen wird hinsichtlich des beiderseitigen Parteivorbringens ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

 

Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

A.

 

Der Verfügungsantrag ist zulässig.

 

Insbesondere ist das angegangene Landgericht Nürnberg-Fürth gem. § 24 Abs. 2 Satz 1 UWG, § 32 ZPO örtlich zuständig, da die streitgegenständliche Internet-Präsentation auch im Zuständigkeitsbezirk des Landgerichts Nürnberg-Fürth abgerufen werden kann und tatsächlich abgerufen wurde. Die Vorschrift des § 24 Abs. 2 Satz 2 UWG steht dieser Zuständigkeit nicht entgegen, da beide Parteien in direkter Konkurrenz stehen, der Verfügungskläger somit unmittelbar Verletzter ist. Nachdem die Internet-Präsentation des Verfügungsbeklagten auch im Gerichtsbezirk abrufbar ist, erscheint es möglich, daß auch Kunden des Verfügungsklägers von dieser Präsentation angesprochen werden, damit also ein unmittelbares Konkurrenzverhältnis vorliegt.

 

B.

 

Soweit über den Verfügungsantrag noch zu entscheiden war (also hinsichtlich des nicht erledigten Antrags zu 1.), ist dieser als unbegründet zurückzuweisen.

 

I.

 

Ein Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 12 Abs. 4, 22 der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer vom 18.11.1996 (Anlage Ast 5) i.V.m. § 86 Abs. 2 Nr. 2 StBerG kann bereits deshalb nicht bejaht werden, da diese Berufsordnung unstreitig noch nicht in Kraft getreten ist und deshalb die grundgesetzlich geschätzte Berufsfreiheit der Steuerberater (Art. 12 GG) nicht beschränken kann.

 

II.

 

Auch ein Verstoß gegen die §§ 57, 57a StBerG ist nicht gegeben.

 

1. Steuerberater haben ihren Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben (§ 57 Abs. 1 StBerG). Werbung ist ihnen nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist (§ 57a StBerG).

 

2. Die durch das 6. Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (Bundesgesetzblatt 1994, Teil I Seite 1387) eingefügte, am 01.07.1994 in kraft getretene Vorschrift des § 57 a StBerG legt nunmehr als Spezialvorschrift fest, was als berufswidrige Werbung eines Steuerberaters zu gelten hat und verdrängt insoweit die allgemeine Vorschrift des § 57 StBerG (vgl. OLG Nürnberg WRP 1995, 510, 511).

 

a. Nach dem Ziel der entsprechenden Novellierung des Steuerberatungsgesetzes sollte die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der steuerberatenden Berufe durch eine maßvolle Auflockerung berufsrechtlicher Regulierungen gestärkt werden, um hierdurch die Chancen der Berufsangehörigen im Binnenmarkt zu erhöhen. Zur Verwirklichung dieses Zieles sollte den Berufsangehörigen eine maßvolle Informationswerbung gestattet und dadurch der Freiraum für standesgerechte Werbung erweitert werden. Insbesondere sollte die bisherige Einschränkung, daß für die Werbung eines Steuerberaters ein sachlicher Anlaß bestehen muß, entfallen (OLG Nürnberg a.a.O.).

 

b. Die verfahrensgegenständlichen Werbeaussagen des Verfügungsbeklagten in dessen Internet-Präsentation unterrichten über dessen berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich und nicht reklamehaft.

 

Zwar beschränkt sich die Internet-Präsentation nicht nur auf die Angabe der Tätigkeit des Verfügungsbeklagten, sondern enthält konkrete Angebote zur Hilfeleistung in Steuersachen. Sie beschränkt sich jedoch auf sachliche Mitteilung von Fakten, weist insbesondere keinerlei Elemente mit besonderer Anlockwirkung oder sogar reißerische Züge auf. Soweit der Verfügungskläger meint, durch den jeweils am Seitenende der Internet-Präsentation befindlichen Zusatz "Feedback - Bitte schreiben Sie mir!" werde der angesprochene Verkehrskreis direkt und reklamehaft aufgefordert, mit dem Verfügungsbeklagten Kontakt aufzunehmen, um dessen angebotene Leistungen in Anspruch zu nehmen, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Insoweit handelt es sich ersichtlich um eine Mailbox, in welcher Benutzer des Internets für den Verfügungsbeklagten Anschrift oder andere Daten hinterlassen können, falls sie eine Kontaktaufnahme mit dem Verfügungsbeklagten wünschen, nicht jedoch um eine reklamehaftes Werben um Kunden.

 

c . Die Internet-Präsentation ist auch nicht auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichtet. Sie befindet sich im weltweit zugänglichen Datennetz Internet; ein Einzelfallbezug liegt nicht vor.

 

3. Inwieweit bereits die Internet-Präsentation mittels Bereitstellung einer Homepage per se für einen Steuerberater verboten sein sollte, ist für das Gericht nicht ersichtlich. Soweit einem Steuerberater (zulässige) Werbung gestattet ist, kann diese ohne weiteres auch durch Nutzung elektronischer Medien, Netze und Netzdienste erfolgen.

 

4. Da bereits kein Verstoß gegen berufsrechtliche Vorschriften feststellbar ist, kann dahinstehen, ob ein derartiger Verstoß automatisch zur Wettbewerbswidrigkeit des streitgegenständlichen Verhaltens führen würde (vgl. Baumbach/Hefermehl, 19.Aufl., § 1 UWG RdNr. 678, 685).

 

C.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO und - soweit der Verfügungsantrag teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt wurde - aus § 91 a ZPO. Insoweit waren die Kosten dem Verfügungsbeklagten aufzuerlegen, da die von ihm angebotene "Programmierung" entweder das Angebot einer Softwareentwicklung und -herstellung beinhaltet - dann läge eine unzulässige gewerbliche Tätigkeit gem. §§ 32 Abs.2, 57 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Nr. 1 StBerG vor - oder das Angebot einer entsprechenden Softwareherstellung nicht beinhaltet - dann läge jedoch eine Irreführung der angesprochenen Benutzerkreise gem. § 3 UWG vor, die zumindest zu einem erheblichen Prozentsatz davon ausgehen, daß auch eine entsprechende Softwareherstellung vom Angebot beinhaltet wird.

 

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 Satz 1 ZPO.