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LG Karlsruhe: Unverlangte E-mail

Leitsätzliches

Die einmalige Zusendung einer unverlangten Werbe-E-Mail stellt keinen Verfügungsgrund im Sinn von §§ 935, 940 ZPO dar.

LANDGERICHT KARLSRUHE

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

Aktenzeichen: 5 O 186/01

Entscheidung vom 25. Oktober 2001

 

 

 

Tatbestand

 

Der Verfügungskläger begehrt von der Verfügungsbeklagten, die Zusendung unverlangter Werbe-E-Mails an ihre Adresse zu unterlassen.

 

Beide Parteien betreiben Internetseiten, der Verfügungskläger unter der Adresse www..., die Verfügungsbeklagte unter der Adresse www... Am 31.08.2001 sandte die Verfügungsbeklagte an die E-Mail-Adresse des Verfügungsklägers, ...@..., eine Werbe-EMail mit dem Betreff "Bringt Besucher und Performance".

 

Hierauf erteilte der Verfügungskläger der Verfügungsbeklagten mit Anwaltsschreiben vom 06.09.2001 eine Abmahnung und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Verfügungsbeklagte antwortete mit Anwaltsschreiben vom 17.09.2001, der Verfügungskläger stehe mit ihr in Geschäftsbeziehung, weshalb sie zur Zusendung von Werbe-E-Mails berechtigt sei.

 

Der Verfügungskläger beantragt:

 

1. Die Verfügungsbeklagte hat es zu unterlassen, an den Antragsteller E-Mails mit werbenden Inhalten an Adressen der Domain ... zu senden.

 

2. Der Verfügungsbeklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziff. 1 ausgesprochene Verpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 500.000,00 DM und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt werden kann.

 

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

 

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kostenpflichtig zurückzuweisen.

 

Sie behauptet, der Verfügungskläger habe sich zweimal in die Suchmaschine "..." der Verfügungsbeklagten eingetragen und damit aufgrund eines entsprechenden Hinweises auf der Internetseite der Verfügungsbeklagten der Zusendung ihres sogenannten Newsletters zugestimmt. Im Übrigen vertritt sie die Auffassung, die unverlangte Zusendung von Werbe-E-Mails sei auch ohne Einwilligung des Empfängers zulässig.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber nicht begründet.

 

Zwar ist in der Rechtsprechung nahezu einhellig anerkannt, dass die Zusendung von E-Mail-Nachrichten zu Werbezwecken (die zum Teil auch als "Spamming" bezeichnet wird) ähnlich zu beurteilen ist wie die Versendung von Werbung per Telefax sowie mittels anderer, in ihrer Wirkung vergleichbarer, heute aber nicht mehr gebräuchlicher Kommunikationswege wie Bildschirmtext oder Telex. Unverlangte E-Mail-Werbung beeinträchtigt damit grundsätzlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Empfängers (vgl. LG Berlin, Urteil vom 30.06.2000, 16 O 421/00) beziehungsweise stellt einen Eingriff in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar (vgl. LG Berlin, u.a. Urteile vom 07.01.2000, 15 O 495/99, 13.10.1998, 16 O 320/98; anders, jedoch offenbar nur für rechtsgeschäftlich bindende Angebote, LG Kiel, Urteil vom 20.06.2000, 8 S 263/99 sowie - unter Berufung auf die Richtlinie 97/7/EG - LG Braunschweig, NJW-RR 2000, 924). Der Grund hierfür liegt darin, dass Werbung per E-Mail eine ähnlich belästigende Wirkung hat wie diese anderen Formen unverlangter Werbung. Sowohl der Abruf wie das Löschen von Werbung von den Zentralrechnern, auf denen die E-Mail-Nachrichten gespeichert werden, erfordern Rechner- und Kommunikationsressourcen. Zwar mögen die dafür anfallenden Kosten unter den heute üblichen technischen Bedingungen jedenfalls bei reinen Textnachrichten, wie sie die Beklagte versandt hat, nahezu vernachlässigbar sein. Jedoch muss außerdem in jedem Fall Arbeitszeit dafür aufgewandt werden, um die unerwünschten Zusendungen auszusortieren, wozu diese - da die Überschriften der E-Mail-Nachrichten nicht in jedem Fall aussagekräftig sind - häufig erst eirural gasen wenden müssen (vgl. dazu LG Berlin, Urteil vom 14.05.1998, 16 O 301/98). Zudem besteht die Gefahr, dass - worauf der Verfügungskläger hier auch besonders hingewiesen hat - der für das E-Mail-Konto des Empfängers zur Verfügung stehende Speicherplatz aufgrund massiver Werbeeingänge erschöpft wird und erwünschte Nachrichten den Empfänger daher nicht mehr erreichen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 30.12.1999, 15 O 396/99). Diese Gefahren sind deshalb besonders hoch zu bewerten, weil sich E-Mail-Nachrichten im Vergleich zu anderen Werbeformen extrem leicht und kostengünstig an eine nach oben nicht begrenzte Zahl von Empfängern gleichzeitig verschicken lassen, so dass bei einer großzügigen Zulassung von E-Mail-Werbung mit besonders gehäuften Belästigungen zu rechnen wäre. Aus diesem Grund verstößt die Zusendung von Werbung per E-Mail, ohne dass das Einverständnis des Empfängers vorliegt oder zu vermuten ist, grundsätzlich gegen absolute Rechte des Empfängers, so dass dieser entsprechend §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB Unterlassung verlangen kann. Es ist nicht erforderlich, dass sich der Empfänger den Zugang von E-Mail-Werbung ausdrücklich verbeten hat. Diese Grundsätze sind auch auf gewerblich genutzte E-Mail-Adressen anzuwenden, da ähnlich wie bei Telefonanschlüssen (vgl. dazu BGHZ 113, 282) der Gewerbetreibende die E-Mail-Adresse im eigenen Interesse, nicht im Interesse eines Werbungtreibenden unterhält. Zwar liegt es nahe, dass ein Gewerbetreibender auch mit E-Mails potentieller Geschäftspartner und anderer Personen rechnet, die zu ihm mit Blick auf seine Geschäftstätigkeit auch in deren eigenem Interesse in Verbindung zu treten wünschen, so dass er damit auch E-Mail-Nachrichten ihm bislang nicht bekannter Dritter aufgeschlossener gegenüberstehen mag als der Inhaber einer privat genutzten E-Mail-Adresse, dem Mitteilungen werbenden Inhalts übermittelt werden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass derartige Werbemaßnahmen auch im gewerblichen Bereich zu den dargestellten Beeinträchtigungen und Belästigungen führen können. Auch im gewerblichen Bereich erfordert die Zusendung von E-Mail-Nachrichten werbenden Inhalts daher einen konkreten, aus dem Interessenbereich des Empfängers herzuleitenden Rechtfertigungsgrund. Ein solcher Grund kann regelmäßig nur dann in Betracht gezogen werden, wenn der Empfänger ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis mit derartigen E-Mail-Zusendungen erklärt hat oder wenn auf Grund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Empfängers daran vom Absender vermutet werden kann. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein derartiger Rechtfertigungsgrund vorliegt, trägt der Werbende (vgl. zur Einwilligung des Empfängers LG Berlin, NJW-RR 2001, 628). Dass der Verfügungskläger im vorliegenden Fall tatsächlich sein Einverständnis mit der Zusendung der E-Mail erklärt hätte, hat die Verfügungsbeklagte nicht glaubhaft gemacht; allein aus dem Umstand, dass der Verfügungsbeklagte über die E-Mail-Adresse des Verfügungsklägers bekannt war, lässt sich dies nicht folgern.

 

Es kann dahinstehen, ob sich bei Anwendung der vorgenannten Grundsätze ein Unterlassungsanspruch zugunsten des Verfügungsklägers ergibt oder ob ein solcher Anspruch bei einer lediglich einmaligen Zusendung einer E-Mail noch nicht angenommen werden kann. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nämlich bereits deswegen unbegründet, weil sich ein Verfügungsgrund im Sinne der §§ 935, 940 ZPO jedenfalls bei einmaliger Zusendung einer unverlangten Werbe-E-Mail nicht annehmen lässt. Denn die bloß vereinzelte Zusendung solcher Nachrichten mag zwar belästigend sein, stellt jedoch keine so gravierende Beeinträchtigung dar, dass sie zur effektiven Durchsetzung der Rechte des Empfängers die Zubilligung von Eilrechtsschutz erforderlich machen würde. Besondere Umstände, die ausnahmsweise für eine solche Eilbedürftigkeit sprechen könnten, sind nicht glaubhaft gemacht worden. Der vom Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers in der mündlichen Verhandlung erwähnte Umstand, dass dem Verfügungskläger keine E-Mails mehr zugesandt werden könnten, weil sein Konto mittlerweile erschöpft sei, genügt hierfür nicht, weil nicht dargetan worden ist, ob dies tatsächlich auf verstärktem Zugang von Werbe-E-Mails beruht oder lediglich darauf, dass etwa versäumt worden ist, eingehende Nachrichten gelegentlich zu löschen, oder dass der zur Verfügung stehende Speicherplatz für die elektronische Korrespondenz des Verfügungsklägers nicht ausreichend dimensioniert ist.

 

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 6, 711, 108 ZPO.

 

 

 

Beschluss vom 8.12.2001

 

Der Streitwert wird auf 4.000,00 DM festgesetzt.

 

Gründe

 

Die Kammer geht davon aus, dass für einen entsprechenden Streit in der Hauptsache angesichts des wettbewerbsrechtlichen Einschlags der Angelegenheit ein Streitwert von 12.000,00 DM angemessen wäre. Da lediglich einstweiliger Rechtsschutz begehrt wind, ist ein Drittel dieses Hauptsachestreitwerts anzusetzen.