Leitsätzliches
1. Das Anklicken des Like-Buttons bei Facebook ist eine unverbindliche Gefallensäußerung, deren wahre Aussage dem Netzwerk unbekannt bleibt.2. Die weiteren Motive und Hintergründe der Gefallensäußerung bleiben in der Regel mangels weiterer Angaben unbekannt, sodass der Like-Button also als Kundgabe verstanden werden kann, dass man das Unternehmen wahrgenommen hat.
OBERLANDESGERICHT Hamburg
Im Namen des Volkes
Urteil
Entscheidung vom 10.01.2013
Az.: 327 O 438/11
In der Sache...
gegen
erkennt das Landgericht Hamburg...
... für Recht:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung wegen irreführender Werbung auf der Online-Plattform F aus Wettbewerbsrecht und auf Kostenerstattung in Anspruch.
Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband. Die Beklagte vertreibt u. a. Brillen. Sie hat ih¬ren Sitz im Königreich der Niederlande.
Der Kläger wendet sich gegen die Werbung der Beklagten auf der Online-Plattform F für die Teilnahme an einem Gewinnspiel gemäß der Anlage I, die u.a. einen Klick auf den „Gefällt mir“-Button bei F voraussetzte. Dieses Verhalten mahnte der Kläger vorprozessual mit Schreiben vom 26.05.2011 ohne Erfolg ab (Anlage K2).
Der Kläger moniert, dass die Werbung irreführend sei nach § 5 UWG. Es sei nach seiner Auffassung nämlich irreführend, die Teilnahme am Gewinnspiel durch das Betätigen des „Gefällt mir"-Buttons bei F abhängig zu machen, da sich dadurch die Zahl derjenigen Personen, die bekundeten, dass ihnen die Beklagte bzw. deren Produkte gefielen, um eine erhöh3 und dies auch anderen Nutzern, nämlich den Freunden des Betreffenden regelmäßig bekannt gemacht würde. Die Nutzer bei F würden allerdings davon ausgehen, dass die „Gefällt mir-Aussage auf positiven Erfahrungen mit dem betroffenen Unternehmen bzw. seinen Produkten beruhe. Tatsächlich habe sich die Beklagte diese Aussage jedoch erkauft. Indem sie dies verschweige, führe sie den Verkehr in die Irre.
Der Kläger ist der Auffassung, mit der Verwendung des Hinweises „mir gefällt etwas" drücke der Artikulierende aus, dass ein bestimmter Gegenstand von ihm geschätzt werde, seine Wertschätzung genieße. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unterliege es daher keinerlei Zweifel, dass mit dem Anklicken der „Gefällt mir"-Aussage bzw. ihrer Verbreitung, für den F Nutzer ein Werturteil zum Ausdruck komme, das sich die Beklagte jedoch unzulässiger Weise erkauft habe. Nach Auffassung des Klägers trage für eine andere, vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende — und allgemein gültige — Verkehrsauffassung die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast. Der Vortrag der Beklagten, so der Kläger, genüge für eine solche Darlegung nicht, da es darauf ankomme, welches Verständnis derjenige habe, der über die Zahl der „Gefällt mir"-Klicks unterrichtet werde.
Der Kläger meint, dass der eigene Vortrag der Beklagten nicht geeignet sei, das von ihr be-hauptete Verkehrsverständnis zu belegen. Vielmehr trage sie, die Beklagte, selbst vor, dass sowohl der frühere „Fan"-Button als auch der heutige „Gefällt mir"-Button ein positives Be-kenntnis des Äußernden zu der so gekennzeichneten Marke ausdrückten und sich nur in der Intensität unterschieden. Die von der Beklagten als Anlage B 5 überreichte Befragung sei nicht repräsentativ, da sie nur mit 500 Teilnehmern durchgeführt worden sei.
Schließlich ist der Kläger der Auffassung, dass es keinen Sinn ergebe, den „Gefällt mir-Button anzuklicken, wenn man tatsächlich nur Informationen erhalten wolle. Er bezieht sich im Übrigen auf Presseberichterstattung zu der Problematik „gekaufter F -Freunde" (vgl. Anlage K 6). Auch die Vermarktungsangebote von F -Kontakten (vgl. Anlagen K 7 und 8) belegten, dass über das Vorhandensein von „Fans" informiert werde und, weil werbewirksam, dafür auch gezahlt werde. Dies belege, dass das streitgegenständliche Gewinnspiel kein Selbstzweck sei, sondern lediglich ein möglicherweise preiswerteres Mittel als der schlichte Kauf, um in den „Besitz" von „Gefällt mir-Äußerungen zu gelangen.
Den geltend gemachten Erstattungsanspruch stützt der Kläger auf § 12 UWG.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, zu unterlassen, geschäftlich handelnd wie in Anlage I geschehen, für die Teilnahme an einem Gewinnspiel zu werben, bei welchem Voraussetzung für die Teilnahme unter anderem ein Klick auf den „Gefällt mir"-Button der Beklagten bei F ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 219,35 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.06.2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie rügt die ordnungsgemäße Zustellung der Klageschrift. Die Voraussetzungen der objekti¬ven Unauffindbarkeit seien nicht gegeben gewesen.
In der Sache stellt sie eine Irreführung in Abrede und verweist auf die Entwicklung des „Gefällt mir-Buttons bei F aus dem früheren „Fan"-Button. Aufgrund des Umstandes, dass bei Facebook ein Nutzer nur „Freund" von natürlichen Personen sein könne und bei Unternehmen dagegen der „Gefällt mir"-Button vorgesehen sei, werde durch den „Gefällt mir"-Button erreicht, dass aktuelle Informationen des Unternehmens für den Nutzer über sei-ne Neuigkeitenseite sichtbar würden.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die F -Nutzer keine persönliche Erfahrung erwarten würden, sondern wüssten, das lediglich ein Informationsinteresse hinsichtlich des Unternehmens und seiner Produkte oder sonstige Sympathiebekundungen zum Ausdruck gebracht werden solle. So verfüge beispielsweise die F -Seite der P AG über 4,5 Millionen „Gefällt mir"-Klicks, die offenkundiger Weise nicht auf persönlichen Erfahrungen beruhen könnten. Schließlich sei zu sehen, dass es bei F auch um den reinen Ver-netzungsgedanken gehe, der durch das Betätigen des „gefällt mir"-Buttons erreicht werde.
Auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhand¬lung vom 01.11.2012 wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klageschrift ordnungsgemäß zugestellt worden. Soweit die Beklagte eine Missachtung der Vorgaben des § 185 ZPO rügt, der die Zulässigkeit der — hier erfolgten — öffentlichen Zustellung regelt, greift diese Rüge nicht durch. Zwar erfordert § 185 Nr. 1 ZPO bei öffentlichen Zustellungen an natürliche Personen die objektive Unbekanntheit ihres Aufenthaltsortes. Beklagte Partei ist hier jedoch eine juristische Person, so dass die Regelung des § 185 Nr. 2 ZPO eingreift, der die öffentliche Zustellung erleichtert und nur verlangt, dass eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift oder unter der ebenfalls eingetragenen Anschrift eines Zustellungsbevollmächtigten möglich ist, noch bei einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift. Diese Voraussetzungen lagen hier vor; denn die diplomatische Zustellung am Registersitz war fehlgeschlagen, eine Nachfrage bei einem Bundesamt ergab keine abweichende Anschrift. Im Übrigen wären jegliche Zustellungsmängel durch die Zustellung der Klageschrift in der mündlichen Verhandlung vorn 01.11.2012 geheilt.
I. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch in der Sache nicht zu, insbesondere nicht aus §§ 3, 5 Abs. 1, 8 Abs. 1 UWG.
1. Streitgegenstand ist nach der Antragsfassung die Werbung der Beklagten auf der Online-Plattform F für die Teilnahme an einem Gewinnspiel in der konkreten Verletzungsform gemäß Anlage 1. Hier war Voraussetzung für die Teilnahme unter anderem ein Klick auf den „Gefällt mir'-Button der Beklagten bei F . Zum Klagegrund gehört jedoch weiter auch die Beanstandung des Klägers, nämlich dass es irreführend sei, die Teilnahme am Gewinnspiel durch das Betätigen des „Gefällt mir"-Buttons bei F abhängig zu machen. Das Verkehrsverständnis sei nach Auffassung des Klägers dadurch geprägt, dass die Nutzer bei F davon ausgingen, dass die „Gefällt mir-Aussage auf positiven Erfahrungen mit dem betroffenen Unternehmen bzw. seinen Produkten beruhe; tatsächlich habe sich die Beklagte diese Aussage jedoch erkauft.
2. Diese gerügte Irreführungslage besteht jedoch entgegen der Auffassung des Klägers nicht. Mit der Betätigung des „Gefällt mir"-Buttons bei F kommt nach dem Verkehrsverständnis lediglich eine unverbindliche Gefallensäußerung zum Ausdruck, mit der das Netzwerk des betroffenen Nutzers keine weiteren Erwartungen oder Gütevorstellungen verbindet.
a) Schon keine Irreführung folgt aus der Werbung für das Gewinnspiel als solches gemäß Anlage I, denn dem angesprochenen Gewinnspielinteressent bleibt nicht verborgen, was von ihm verlangt wird, um an dem Gewinnspiel teilzunehmen. Er tritt vielmehr mit dem Betätigen des „Gefällt mir"-Buttons ganz bewusst in Kontakt mit dem Werbenden (er möchte ja die ausgelobte Gewinnchance wahrnehmen). Eine Irreführung könnte daher allein aus dem Ergebnis dieses Teilnahmevorgangs folgen — und das ist auch der Kern der Beanstandung des Klägers nach der Klagebegründung —, nämlich indem bei den Kontakten des Gewinnspielteilnehmers im Nachrichtenfluss die Mitteilung erscheint, dass diesem Kontakt das Unternehmen der Beklagten „gefällt".
b) Dieser Vorgang begründet angesichts des Verkehrsverständnisses keine Irreführungslage. Angesprochene Verkehrskreise der streitgegenständlichen Internetwerbung der Beklagten sind die Nutzerinnen und Nutzer der Online-Plattform F mithin weitgehend die Gesamtheit der Verbraucher, soweit sie Mitglieder bei F sind. Mag diesen Nutzern zwar die Entwicklung des „Gefällt mir"-Buttons bei F aus dem „Fan"-Button nicht im Einzelnen bekannt sein, so sind sie doch mit der Funktionsweise des „Gefällt mir"-Buttons zumindest dem Grunde nach vertraut. Denn der Button ist ein zentrales Element dieser Online-Plattform, die dem weltumspannenden Vernetzungsgedanken huldigt und der (zumindest netzwerkweiten) Verbreitung von Wichtigem und Unwichtigem. Dem Nutzer ist dabei bekannt und bewusst, dass seine Betätigung des „Gefällt mir"-Buttons auch dazu führt, dass seinen Kontakten dieses „Ereignis" mitgeteilt wird — genau das will er auch, denn davon lebt der Netzwerkgedanke: Man tut, sagt und „postet" etwas, und die anderen erfahren es. Und die anderen, mithin seine (Netzwerk-)Kontakte können dann wiederum mitteilen, dass ihnen dies „gefällt".
Dabei unterscheidet weder die Plattform selbst, noch ihre Nutzer zwischen Wichtigem und Unwichtigem. Gefallen kann (und darf) einem F -Nutzer alles — und davon wird reichlich Gebrauch gemacht, wie der Vortrag der Parteien belegt. Die F -Nutzer sind daher damit vertraut, dass durch das Betätigen dieses Buttons lediglich eine allgemeine Gefallensäußerung in Bezug auf die bereit gestellte Mitteilung zum Ausdruck kommt, sei es bezüglich der Aussage eines Bekanntes/Freundes, eines Fotos, Musikstücks, Videos oder eben bezüglich eines Unternehmen und/oder seiner Produkte. Diese Gefallensäußerung ist jedoch eine unverbindliche, für eine näher qualifizierte Gefallensäußerung sind die Textmitteilungen („Postings") verfügbar. Im Gegenteil, wird von Letzterem kein Gebrauch gemacht, bleiben den Kontakten des Nutzers die näheren Gründe oder Motive für das Betätigen des „Gefällt mir"-Buttons sogar verborgen.
c) Dieses Verkehrsverständnis können die Mitglieder der Kammer aus eigener Sachkunde beurteilen, da sie ebenfalls zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören. Für ein anderes Verkehrsverständnis, nämlich dass relevante Teile der F -Nutzer den „Gefällt mir"-Button als Gütesiegel aufgrund persönlicher Erfahrung verstünden, hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger keinen erheblichen Vortrag geliefert. Gerade vor dem Hintergrund, dass dem Netzwerk das Motiv und die Hintergründe der Gefallensäußerung durch den „Gefällt mir-Button in Ermangelung weiterer Angaben des Nutzers unbekannt bleibt, geht die Nutzerwirklichkeit entgegen der Behauptung des Klägers nicht dahin, dass das Betätigen des „Gefällt mir"-Buttons die Äußerung einer besonderen Wertschätzung oder Güte der Mitteilung, des Fotos oder eben des Unternehmensangebots zum Gegenstand habe, geschweige denn, dass sie eine persönliche Erfahrung des Nutzers mit dem Mitteilungsobjekt wiederspiegele. Hierfür gibt weder der Begriff „Gefällt mir" als motivfreie Gefallensäußerung Anlass, noch die Integration dieser Funktion in die Plattform selbst, die bei jedem Beitrag bereit gehalten wird und auch nicht ihre Inanspruchnahme durch die F -Mitglieder, auf diesen, bei jedem Beitrag bereitgehaltenen Button auch zu klicken. Die Nutzerwirklichkeit geht vielmehr dahin, dass es sich bei der Betätigung des „Ge¬fällt mir"-Buttons um eine rein unverbindliche Gefallensäußerung handelt, die sich — bezo¬gen auf Unternehmen — auch in einem allgemeinen Informationsinteresse erschöpfen kann. Für verbindliche Gefallensäußerung sieht die Plattform jedenfalls, wie gesagt, an¬dere Möglichkeiten vor.
d) Ein anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte die Verknüpfung eines Gewinnspiels mit dem Klick auf den „Gefällt mir"-Button der Beklagten verbunden hat. Angesichts des oben ausgeführten Verkehrs- und Nutzerverständnisses bleiben den Kontakten eines Nutzers, wie gesagt, die Motive für das Betätigen des „Gefällt mir-Buttons stets verborgen; sie sind damit auch keine positiven oder negativen Bewertung zugänglich. Die Motive des Nutzers werden erst deutlich, wenn der Nutzer gleichzeitig von der Mitteilungsfunktion Gebrauch macht und seinem Netzwerk auch in Textform eine Mitteilung kommen lässt. Unterlässt er dies, bleibt seinem Netzwerk nichts anderes übrig, als den Vorgang als eine unverbindliche Gefallensäußerung zu werten. Ferner ist zu beachten, dass eine Verknüpfung als „Freund" bei F nur natürlichen Personen möglich ist. Damit kommt die Kontaktperson automatisch in den Genuss der netzwerkweiten Mitteilungen des „Freundes". Bei Unternehmen ist dies nicht möglich. Um hier in den Genuss des Mitteilungsflusses des Unternehmens zu kommen, ist das Setzen des „Gefällt mir"-Buttons sogar Voraussetzung. Die Art und Weise wie es zu dieser Form der Verknüpfung zwischen einem privaten Nutzer und einem Unternehmen bei F kommt, bleibt den Kontakten des Nutzers verborgen. Sie kann daher regelmäßig, wenn sie — wie hier — nicht durch eine Textmitteilung begleitet wird, nicht Gegenstand besonderer Erwartungen der Kontakte des Nutzers sein, die über eine unverbindliche Gefallensäußerung und bei Unternehmensseiten sogar nur über ein allgemeines Informationsinteresse hinausginge.
3. Mangels eines Unterlassungsanspruches in der Sache besteht auch der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nicht.
III. Die Kostentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreck¬barkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.