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LG Hamburg: Online Schleichwerbung ist wettbewerbswidrig (Urteil vom 24. April 2012, Az. 312 O 715/11)

Leitsätzliches

Das Landgericht Hamburg hat einen Werbetext eines vermeintlich neutralen Users über eine Rechtsschutzversicherung in einem Internetblog als wettbewerbswidrig eingestuft, nachdem feststand, dass der Beitrag von einer IP-Adresse genau dieser Rechtsschutzversicherung stammte.

 

LANDGERICHT HAMBURG

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

Aktenzeichen: 312 O 715/11

Entscheidung vom 24. April 2012

 

 

In dem Rechtsstreit

...

gegen

...

 

hat das Landgericht Hamburg - 312. Zivilkammer - durch die Richter..., ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2012

 

für Recht erkannt:


Die einstweilige Verfügung vom 3.1.2012 wird mit der Maßgabe bestätigt, dass unter 1. in der ersten Zeile die Worte „den Antragstellern“ gestrichen werden und unter 1. vor die Worte „der Antragsgegnerin“ eingefügt wird „einem Mitarbeiter“.

Die Antragsgegnerin hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.


Tatbestand

Die Antragsteller sind selbstständige Rechtsanwälte, die einen Internetblog namens „R.- B.“ betreiben. Der Blog beschäftigt sich mit „praktischen Erfahrungen mit den Leistungen der Rechtsschutzversicherer“ und richtet sich an Rechtsanwälte und Verbraucher. Auf dem Blog war ein kritischer Beitrag unter dem Titel „A. macht Probleme“ veröffentlicht. Unter dem 8.12.2011 antwortete darauf ein User mit dem Namen „R.“, der die A. sehr positiv u.a. als „beste Rechtsschutzversicherung“ beschrieb. Die Antragsteller, die am 8.12.2011 von dem Beitrag Kenntnis erhielten, überprüften die IP-Adresse des Users und stellten fest, dass ihm die Adresse zuzuordnen war. Diese Adresse gehört zum Netzwerk der Antragsgegnerin.

Die Antragsteller meinen, dass zwischen ihnen und der Antragsgegnerin ein Wettbewerbsverhältnis bestehe, weil sie Rechtsberatung erteilten und die Antragsgegnerin ebenso, wie sich aus deren Internetseite Ast 8 „Nutzen sie kostenlos [...] unsere Online-Rechtsberatung [...]“ ergebe.

Die Antragsteller mahnten die Antragsgegnerin ab, diese antwortete aber, dass sie nicht verantwortlich sei für den Beitrag des Users „R.“.

Die Antragsteller meinen, dass ihnen ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 I, II UWG i.V.m. § 4 Nr. 3 UWG zustehe. Der User „R.“ bewerbe ein Produkt der Antragsgegnerin, nämlich „R. & H.“, durch eine verdeckte geschäftliche Handlung. Die Antragsgegnerin hafte jedenfalls nach § 8 II UWG für diesen Verstoß.

Die Kammer hat der Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung vom 3.1.2012 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel

verboten,

den Antragstellern im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs handelnd, in dem unter der URL www. r.-b..de abrufbaren Internet-Blog für praktische Erfahrungen mit den Leistungen von Rechtsschutzversicherern den im Nachfolgenden wiedergegebenen Eintrag:

"Die A. ist die beste Rechtsschutzversicherung, die es gibt. Einmal angefragt, schon kam die Deckungszusage, mein Anwalt als auch ich sind begeistert. Weiter so A. und mit dem neuen Produkt R. & H. ist die A. unschlagbar. Eine der fairsten und kompetentesten Versicherungen, die ich kenne",

zu tätigen, ohne hierbei darauf aufmerksam zu machen, dass dieser Eintrag von der Antragsgegnerin stammt.

Die Antragsgegnerin hat Widerspruch erhoben.

Die Antragsgegnerin meint, dass der Tenor unklar und nicht tauglich für eine Vollstreckung sei, dass die Antragsteller keinen konkreten Wettbewerbsverstoß glaubhaft gemacht hätten und dass die Antragsteller rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 IV UWG handelten, wenn sie ein Gerichtsverfahren anstrengten, anstatt den Blogeintrag einfach zu löschen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass der Blogger „R.“ keinen Wettbewerbsverstoß begangen habe. Zudem bestehe zwischen den Parteien gar kein Wettbewerbsverhältnis, denn die Antragsteller stünden der Antragsgegnerin nicht als Rechtsanwälte, sondern als Betreiber eines Forums gegenüber, das eine Plattform für Meinungsaustausch biete. Es sei bereits nicht erkennbar, dass das Forum geschäftlich und nicht privat betrieben werde.

Der Antragsgegnerin könne nur ein begangener Wettbewerbsverstoß gemäß § 8 II UWG zugerechnet werden – an einem solchen fehle es aber. Ein Wettbewerbsverstoß von „R.“ werde nur vermutet und behauptet. Die Antragstellerin habe keine Informationen über die Absichten von „R.“. Als Privatperson sei „R.“ nicht verpflichtet gewesen, seinen vollen Namen anzugeben. Eine Kennzeichnung als Werbung scheide aus, weil die Antragsgegnerin Einträge in sozialen Medien nur durch die zuständigen Fachabteilungen vornehme (Bl 38, Anlagen AG 1 und AG 2). Dies sei ihren Angestellten auch klar, die über „Social Media Guidelines“ (Anlage AG 3) darüber informiert seien, dass die Antragsgegnerin allein über ihr „Social Media Team“ Erklärungen abgebe. Eine Zurechnung könne nicht erfolgen, weil das Verhalten von „R.“ nicht als wettbewerbswidrig identifiziert werden könne. Der Sache nach setzten die Antragsteller voraus, dass jeder Angestellte eines Unternehmens bei etwaigen Blog- Beiträgen, die „sein“ Unternehmen beträfen, seinen Arbeitgeber offen legen müsse und positive Bewertungen als „Werbung“ kennzeichnen müsse.

Da die Antragsgegnerin ihren Mitarbeitern die private Nutzung von Internet und Email erlaube, sei sie nach Meinung der Aufsichtsbehörden als „Access Provider“ an das Fernmeldegeheimnis gemäß § 88 TKG, § 206 StGB gebunden. Die Antragsteller begründeten die Haftung der Antragsgegnerin allein über die IP-Adresse, diese sei aber allein eine technische Zuordnungsmöglichkeit.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 3.1.2012 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung mit der Maßgabe zu bestätigen, dass unter 1. in der ersten Zeile die Worte „den Antragstellern“ gestrichen werden und unter 1. vor die Worte „der Antragsgegnerin“ eingefügt wird „einem Mitarbeiter“.

Die Antragstellerin hat ihren Vortrag vertieft. Sie hat einen weiteren Blog-Kommentar eines Nutzers „B.“ vom 25.11.2011 benannt, der sich ebenfalls positiv über die A. geäußert hat und der ebenfalls von der IP-Adresse geschaltet worden war. Sie vertritt weiter die Auffassung, dass die Wettbewerbsverletzung von „R.“ darin liege, dass er den Werbecharakter seines Blogbeitrages dadurch verschleiert habe, dass er es unterlassen habe darauf hinzuweisen, dass er Mitarbeiter der A. sei. Dies sei der Antragsgegnerin nach § 8 II UWG zuzurechnen. Auch die Wiederholungsgefahr sei danach gegeben.

Das Wettbewerbsverhältnis ergebe sich allein daraus, dass auch derjenige, der fremden Wettbewerb rechtswidrig fördere, in Anspruch genommen werden könne, wenn zwischen dem geförderten Unternehmen und dem Antragsteller ein Wettbewerbsverhältnis bestehe. Die Antragsgegnerin, deren Rechtsberatungs- dienstleistungen vorliegend durch „R.“ beworben worden seien, und die Antragsteller als Rechtsanwälte stünden auch in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.4.2012 verwiesen.

 


Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung war auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens zulässig und begründet.

I. Die Berichtigung des Tenors gegenüber der Kurzverkündung gemäß dem Berichtigungsantrag wie er zusammen mit dem Bestätigungsantrag in der mündlichen Verhandlung gestellt worden ist, erfolgt gemäß § 319 I ZPO. Die Worte „den Antragstellern“ waren bereits in der einstweiligen Verfügung als offenbare Unrichtigkeit enthalten, die daraus resultierte, dass das elektronische Formular, dass die Geschäftsstelle für einstweilige Verfügungen verwendet, diese Formulierung enthält und von den Richtern übersehen worden war, dass die Formulierung nicht gelöscht worden war.

Die Berichtigung hatte insoweit bereits von Amts wegen zu erfolgen.

Soweit die in der mündlichen Verhandlung beantragte Einschränkung durch die Formulierung „einem Mitarbeiter“ vor der Formulierung „der Antragsgegnerin“ in der Tenorierung der Kurzverkündung nicht berücksichtigt worden ist, ist dies ebenfalls nach § 319 I ZPO als offenbare Unrichtigkeit zu korrigieren. Die Kammer hat versehentlich die beantragte Einschränkung des Tenors in der Kurzverkündung nicht berücksichtigt.

II. Der Antragstellerin steht ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 I, II, 3, 4 Nr. 3 UWG gegen die Antragsgegnerin zu.

Die streitgegenständliche Äußerung von „R.“ ist unlauter, weil sie den werblichen Charakter des Blogbeitrags verschleiert. Unlauter nach § 4 Nr. 3 UWG handelt, wer vorgibt, sich zu einer Sache privat zu äußern, obwohl er in Wahrheit damit für ein bestimmtes Unternehmen werben will. Denn Verbraucher messen privaten Äußerungen in Einträgen in Blogs oder entsprechend wissenschaftlichen oder fachlichen Äußerungen z. B. in Gutachten mehr Gewicht bei, als den Werbeaussagen eines Unternehmens (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 4 Rz. 3.18 m.w.N.).

Unter den gegebenen Umständen ist es überwiegend wahrscheinlich, dass der Blogger „R.“ nicht zu privaten Zwecken gehandelt hat, als er den streitgegenständlichen Beitrag auf der Plattform der Antragsteller einstellte. Denn „R.“ sendete seinen Beitrag von einer IP-Adresse der Antragsgegnerin, ist also überwiegend wahrscheinlich ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin. Der Beitrag, den er schaltete, ist überaus positiv zugunsten der Antragsgegnerin, so dass davon auszugehen ist, dass „R.“ die Antragsgegnerin, seine Arbeitgeberin, mit dem Beitrag fördern wollte. Es widerspricht jeder Lebenswahrscheinlichkeit, dass ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitsplatz aus einen Blogbeitrag, der massiv zugunsten seines Arbeitgebers ist, schaltet, und sich dabei rein privat äußert. Da dem Beitrag nicht zu entnehmen ist, dass „R.“ Mitarbeiter der Antragsgegnerin ist, der diese fördern will, sondern der Beitrag von einem neutralen Versicherungsnehmer der Antragsgegnerin, der mit dieser gute Erfahrungen gemacht hat, zu stammen scheint, wird der werbliche Charakter des Beitrags verschleiert. Auch das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung ist damit zu bejahen. Denn mit dem Eintrag von „R.“ liegt ein Verhalten zugunsten des Unternehmens der Antragsgegnerin vor, das mit der Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen der Antragsgegnerin objektiv zusammenhängt.

Schließlich besteht auch zwischen den Parteien ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Denn beide Parteien sind auf dem Gebiet der Rechtsberatung tätig. Dass sie dabei als Rechtsanwälte einerseits und als (Rechtsschutz-)versicherer andererseits unterschiedlichen „Branchen“ angehören, ist unerheblich. Dass die Antragsteller bei ihrer Tätigkeit einen Blog betreiben, um den es vorliegend geht, ändert an dem konkreten Wettbewerbsverhältnis nichts, weil sie diesen Blog auch im Zusammenhang mit ihrer rechtsberatenden Tätigkeit, speziell den Erfahrungen von Kunden mit Rechtsschutzversicherern betreiben.

Die Handlung ist auch geeignet, die Interessen der Mitbewerber und der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen. Denn die Äußerung ist geeignet, Verbraucher zu einem Vertragsschluss mit der Antragsgegnerin zu motivieren, weil deren Leistung so positiv dargestellt wird. Damit werden gleichzeitig die Interessen der Mitbewerber spürbar beeinträchtigt, weil ihnen die Kunden, die der anscheinend unbefangenen und neutralen Äußerung eines Privatmannes glauben und sich deshalb für eine Versicherung bei der Antragsgegnerin entscheiden, verloren gehen.

Die Äußerung ist der Antragsgegnerin nach § 8 II UWG zuzurechnen. Dass die Antragsgegnerin ihre Mitarbeiter zu solchen Äußerungen weder angehalten noch sie zu solchen Äußerungen ermächtigt haben mag, steht dem nicht entgegen, weil der Unterlassungsanspruch ebenso wie die Zurechnung des Wettbewerbsverstoßes nach § 8 II UWG verschuldensunabhängig sind. Bei § 8 II UWG handelt es sich um die Regelung einer echten Erfolgshaftung (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 8 Rz. 2.53).

Eine Rechtsmissbräuchlichkeit gemäß § 8 IV UWG ist nicht erkennbar. Die Antragsteller sind zu gerichtlichem Vorgehen wegen Wettbewerbsverstößen berechtigt und nicht etwa zur Wahl milderer Mittel wie der Löschung des Blog-Beitrages verpflichtet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II Nr. 1 ZPO. Die Kostenquote, die den Antragstellern wegen der Einschränkung ihres Antrags durch Einfügung der Worte „einem Mitarbeiter“ aufzuerlegen wäre, wäre nur geringfügig.

 

Unterschriften