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Zum Verbot des Glücksspiels im Internet - OLG Köln, Urteil vom 12.5.2010, Az.: 6 U 142/09

Leitsätzliches

Ein im Ausland sitzender Anbieter von Glücksspielen im Internet steht jedenfalls dann zu einer staatlichen Lotteriegesellschaft eines Bundeslandes in Konkurrenz, wenn sich das Angebot des ausländischen Anbieters im Internet auch an deutsche Spieler richtet.

Das Verbot, Glücksspiele und Sportwetten im Internet anzubieten,ist weder europarechts- noch verfassungsrechtswidrig. Unter Glücksspiel nach § 3 Abs. 1 GlüStV fallen sowohl Poker als "Texas hold 'em" als auch Spiele mit minimalem Einsatz (50 Cent) jedenfalls dann, wenn davon auszugehen ist, dass der Spieler mehr als ein Spiel spielen wird.

OBERLANDESGERICHT KÖLN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Entscheidungsdatum: 12. Mai 2010

Aktenzeichen: 6 U 142/09

 

In dem Rechtsstreit



hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 12.3.2010 unter Mitwirkung seiner Mitglieder …, … und …

für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in dem Verbotsausspruch die Worte „Glücksspiele, insbesondere“ und „Kasinospiele, insbesondere“ ersatzlos entfallen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits verteilen sich wie folgt: Die Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 45 % und die Beklagten zu 55 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 20 % und die Beklagten zu 80 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung des Unterlassungsausspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000 € abwenden, die Vollstreckung des Auskunftsanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000 € und die Vollstreckung des Kostenausspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung hinsichtlich des Unterlassungsausspruchs und des Auskunftsanspruchs Sicherheit in gleicher Höhe und hinsichtlich des Kostenausspruchs in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist die staatliche Lotteriegesellschaft Nordrhein-Westfalen. Sie bietet über Lottoannahmestellen die Teilnahme an Lotterien und Sportwetten an. Die Beklagte zu 1 mit Sitz in Gibraltar bietet im Internet Spiele gegen Geldeinsatz an. Hierfür besitzt sie eine Zulassung der Regierung von Gibraltar. Der Beklagte zu 2 ist ihr gesetzlicher Vertreter.

Jedenfalls bis Oktober 2008 bewarb die Beklagte zu 1 ihr Online-Spieleangebot, darunter Sportwetten zu festen Gewinnquoten, Roulette, Poker, Black Jack, Baccara und virtuelle Slotmachines unter der URL http www XXX.de in deutscher Sprache. Außerdem enthielt die Seite einen Link auf das deutschsprachige Online-Spiel- und Sportwettenangebot einer ehemaligen Tochterfirma unter der Domain www.betway.com. Unter den Domains pp bieten 100-prozentige Tochterfirmen der Beklagten zu 1 die aus dem Verbotstenor des angefochtenen Urteils ersichtlichen Spiele an.

Als Unterseite des Internetauftritts der Beklagten zu 1 ist eine Kontaktseite eingerichtet, auf der es unter einer Deutschlandfahne und dem fett gedruckten Wort „Deutschland“ heißt: „In Deutschland wählen Sie…“. In den AGB der Beklagten zu 1 ist vorgeschrieben, dass an ihren Spielen nur teilnehmen darf, wem dies nach dem Recht seines Landes erlaubt ist.

Die Klägerin ist der Ansicht, bei den angebotenen Spielen handele es sich um Glückspiele. Sie behauptet, das Angebot dieser Spiele richte sich auch an Spieler in Deutschland.

Das Landgericht hat die Beklagten nach den zuletzt von der Klägerin gestellten Anträgen zur Unterlassung verurteilt, Glücksspiele und Kasinospiele wie aus einer Einblendung von mehreren Screenshots ersichtlich im Internet anzubieten, Spielverträge selbst oder durch Tochtergesellschaften abzuschließen oder diese Möglichkeit zu bewerben; außerdem hat das Landgericht die Beklagten zur Auskunft verurteilt und deren Schadensersatzpflicht festgestellt.

Die Beklagten verfolgen mit der Berufung ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie rügen, der Verbotsausspruch sei zu unbestimmt, und behaupten, das Angebot der Beklagten zu 1 richte sich nicht an Personen, die sich in Deutschland aufhielten. Das Landgericht sei daher sowohl örtlich wie auch international unzuständig. Die Beklagte zu 1 stehe nicht im Wettbewerb mit der Klägerin, da diese weder im Internet auftrete noch vergleichbare Spiele anbiete. Die Klägerin könne als regionaler Anbieter nicht die Unterlassung für das gesamte Bundesgebiet verlangen. Die Beklagten halten die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages und des § 284 StGB für verfassungs- und europarechtswidrig. Zudem seien Poker in der Version „Texas hold ‘em“ und die von ihr angebotenen 50-Cent-Spiele keine Glückspiele im Sinne dieser Vorschriften. Schließlich sei die Beklagte nicht für Angebote auf der Seite www.k.com verantwortlich; das Unternehmen K., so behaupten die Beklagten, sei mit Wirkung zum 14.4.2008 verkauft worden.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil mit der Maßgabe, dass in dem Verbotsausspruch die Worte „Glücksspiele, insbesondere“ und „Casinospiele, insbesondere“ entfallen.

Im Übrigen wird wegen des Sachverhalts gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat, soweit die Klägerin das angegriffene Urteil verteidigt, keinen Erfolg.

A.

Die Klage ist zulässig.

1. Der Antrag ist hinreichend bestimmt.

a)
Der Rüge der Beklagten, es sei unklar, was ihnen verboten ist, hat die Klägerin durch die Beschränkung ihres Antrags auf die im Verbotstenor konkret genannten Spiele Rechnung getragen, so dass diese Aufzählung nunmehr abschließend und nicht mehr lediglich beispielhaft ist.

b)
Soweit die Beklagten rügen, wegen der verschiedenen verbotenen Handlungen (Angebot einerseits, Bewerbung andererseits) müssten jeweils einzelne  Anträge gestellt werden, geht das fehl. Zwar trifft der rechtliche Ausgangspunkt der Beklagten zu, dass Handlungen, deren Verbot unterschiedlichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen unterliegt, nur jeweils einzeln verboten werden können. Solche unterschiedlichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Zwar sind Angebot und Bewerbung in verschiedenen Normen geregelt (§ 4 Abs. 4 GlüStV bzw. § 284 Abs. 1 StGB einerseits, § 5 Abs. 4 GlüStV bzw. § 284 Abs. 4 StGB andererseits), die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen sind aber, soweit – wie hier – dieselben oder gleichartige Spiel in Rede stehen, die gleichzeitig beworben und angeboten werden, nahezu identisch. Eines differenzierten Verbots bedarf es daher, wie auch in anderen Fällen, in denen das Angebot und die Bewerbung von Waren untersagt wird, nicht.

c)
Der Einwand der Beklagten, es sei ihr nicht möglich, auf die Seiten von www.betway.com Einfluss zu nehmen, ist keine Frage der Bestimmtheit des Antrags, sondern der Begründetheit, wie auch der Einwand, es sei technisch unmöglich, jeden Spieler, der sich in Deutschland aufhält, als solchen zu erkennen und vom Spiel auszuschließen.

d)
Der Antrag ist auch insoweit nicht unbestimmt, als sich das Verbot auch auf Tochtergesellschaften der Beklagten zu 1 bezieht. Da der Beklagten zu 1 – wie aus dem Begehren der Klägerin ersichtlich ist – nur das verboten werden kann und soll, wofür sie auch selbst verantwortlich ist, muss es sich dabei um Tochtergesellschaften handeln, auf die die Beklagte zu 1 einen bestimmenden Einfluss auszuüben in der Lage ist. Dieser Einfluss kann vielgestaltig sein und ist daher einer abschließenden Beschreibung nicht zugänglich. Ob er im Einzelfall vorliegt, wird ggf. im Vollstreckungsverfahren im Einzelnen zu prüfen sein.

e) Schließlich ist auch der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht hinreichend bestimmt. Zwar trifft es zu, dass die Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz nur verpflichtet sein können, soweit es ihnen auch erkennbar war, dass ein Spieler aus Deutschland unter ihren Teilnehmern war. Inwieweit dies der Fall ist, kann aber erst aufgrund der von ihr zu erteilenden Auskunft festgestellt werden und stellt die Bestimmtheit des Antrags nicht in Frage.

2.
Das Landgericht Köln hat zu Recht seine örtliche und internationale Zuständigkeit angenommen. Das Angebot der Beklagten zu 1 mit dem Inhalt, den das Landgericht festgestellt hat, richtet sich auch an Spieler, die sich in Deutschland aufhalten. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Feststellungen haben die Beklagten nicht aufgezeigt. Zur Begründung kann daher auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden.

B.

Die Klage ist im Umfang der zuletzt gestellten Anträge auch begründet.

1.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert.

a)
Die Auffassung, die Klägerin könne nur Ansprüche in Bezug auf das Bundesland geltend machen, in dem sie selbst tätig ist, haben die Beklagten aus der Entscheidung des Bundesgerichtshof „Oddset“  (GRUR 2008, 438) hergeleitet. Damit haben die Beklagten dieses Urteil jedoch missverstanden, wie das Landgericht zutreffend auf Seite 22/23 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat. Der Bundesgerichtshof hat lediglich ausgeführt, dass von dem Grundsatz, dass ein Wettbewerber befugt ist, die Unterlassung eines Wettbewerbsverstoßes bundesweit zu verlangen, dann eine Ausnahme zu machen ist, wenn der klagende Wettbewerber nur regional tätig ist und in diesem regionalen Bereich ein Wettbewerbsverstoß nicht vorliegt. So liegt es hier nicht, weil – wie noch auszuführen sein wird – das Verhalten der Beklagten in dem regionalen Markt, auf dem die Klägerin tätig ist, nämlich in Nordrhein-Westfalen, wettbewerbswidrig ist.

b)
Zwischen den Parteien besteht ein Wettbewerbsverhältnis.

Soweit die Klägerin sich gegen das Angebot von Sportwetten im Internet wendet, steht die Aktivlegitimation außer Frage. Die Klägerin bietet insofern gleichartige Waren an. Zwar hat sie den Vertriebsweg über das Internet aufgrund der gesetzlichen Neuregelung des Sportwettenrechts aufgegeben; ihr Angebot richtet sich aber weiterhin an den gleichen Abnehmerkreis.

Auch hinsichtlich der übrigen angegriffenen Spiele liegt ein Wettbewerbsverhältnis vor. Ihren Reiz beziehen diese Spiele sämtlich daraus, dass sie zur Befriedigung des natürlichen Spieltriebs (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GlüStV) geeignet sind. Allen Spielen ist gemeinsam, dass sie ein Wettelement enthalten, nämlich dass ein Einsatz zu zahlen ist und der Gewinn vom Eintritt eines für den Spieler zum Zeitpunkt des Setzens noch nicht vorhersehbaren (und auch beim Poker allenfalls zu erahnenden) Ereignisses abhängt. Damit gleichen die untereinander austauschbaren und daher gemeinsam zu vermarktenden Spiele dem Grundprinzip des Spielangebots der Klägerin, bei dem im Fall des Lotto der Spieler sich ganz auf sein Glück und im Fall von Sportwetten auf seine sporttheoretischen Fähigkeiten und Kenntnisse verlässt. Dass die Beklagte ihre Spiele im Internet anbietet, steht der Substituierbarkeit der Angebote nicht entgegen: zum einen ist nicht ersichtlich, dass bei einem relevanten Teil der angesprochenen Verkehrskreise sich der Spieltrieb gerade auf das Spiel im Internet bzw. außerhalb desselben beschränken würde (ein solche Argumentation stünde zudem im Widerspruch dazu, dass die Beklagten in anderem Zusammenhang eine kohärente Regulierung des gesamten Glücks- und Sportwettenrechts fordern); zum anderen kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, die Klägerin, die bis zum Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages am 1.1.2009 auch Glücksspiele im Internet angeboten hat, könne einen diesbezüglichen Gesetzesverstoß der Beklagten deshalb nicht geltend machen, weil sie selbst das (insoweit unterstellt) nunmehr illegale Angebot eingestellt hat.

Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, ihre „Kasinospiele“ richteten sich an Kasinobesucher, die kein Interesse an den Spielen der Klägerin hätten. Denn ein Kasinobesuch bezieht seinen Reiz zu einem erheblichen Teil aus den Besonderheiten der Örtlichkeit; diese Begleitumstände fehlen dem Angebot beider Parteien.

2.
Die Beklagten sind passivlegitimiert; das gilt auch hinsichtlich des Angebots unter der Internetadresse www.k.com.

Hinsichtlich des Angebots auf dieser Webseite bis zum 14.4.2008 ergibt sich die Verantwortlichkeit der Beklagten bereits nach ihrem eigenen Vortrag daraus, dass die Beklagte zu 1 bis zu diesem Zeitpunkt das k. Business geführt hat. Die Beklagte zu 1 hat aber auch nach diesem Zeitpunkt eigenverantwortlich das K-Spieleportfolio unter eigenem Namen angeboten und beworben. So hieß es zwischen dem 1.10. und 6.10.2008 auf den Internetseiten der Beklagten zu 1: „Die Carmen Media Gruppe unterhält … die auf Europa focussierte Marke www.betway.com. Mit einem starken innovativen, kundenorientierten Produkt und dem größten Angebot von Sportwetten und Live-Wetten bietet Betway.com derzeit das beste Angebot für Sportwetten, Poker, Kasino und Games in Europa!“ (LGU Seite 4). Soweit die Beklagten geltend machen, bei dieser „Darstellung“ handele es sich um ein Versehen (Seite 4 des Schriftsatzes vom 12.3.2010, Bl. 564), entlastet sie dies nicht. Für die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin, die Beklagte zu 1 habe diese Angebote vorgehalten, spricht insbesondere angesichts der Dauer der Darstellung von rund einem halben Jahr und der Werbung etwa für Betway.com, dieses sei die „am meissten aktualisierte … Webseite“, eine tatsächliche Vermutung. Diese haben die Beklagten durch ihr pauschales unsubstantiiertes und nicht auf Beweise gestütztes Abstreiten nicht zu erschüttern vermocht. Soweit sich die Klägerin auf den Vertrag Anlage Bk 17 beruft, der erst am 5.10.2008 abgeschlossen worden ist, erschüttert dies die Vermutung nicht. Denn die Beklagten tragen ausdrücklich vor, der Vertrag sei nicht nur auf dem Papier seit dem 14.4.2008 effektiv gewesen, sondern sei tatsächlich auch schon ab diesem Datum durchgeführt worden (Anlage Bk 14 zum Schriftsatz der Beklagten vom 26.3.2010 – Bl. 661). Damit steht fest (§ 286 ZPO), dass die Beklagte zu 1 auch nach dem Verkauf von K.com deren Spiele- und Wettangebot weiterhin unter ihrem eigenem Namen beworben und angeboten hat. Die Ausführungen der Beklagten zur Haftung für Hyperlinks gehen daher an der Sache vorbei. Vielmehr haftet die Beklagte zu 1 im Hinblick auf etwaige Rechtsverstöße wie jeder Händler, der fremde Waren anbietet und bewirbt.

Es kann daher dahin gestellt bleiben, ob die Beklagte zu 1 weiterhin K. beherrscht, wie dies die Klägerin behauptet (Bl. 527) und dem die Beklagten ebenfalls nur pauschal und insbesondere ohne Darstellung, welche natürlichen Personen hinter den handelnden juristischen Personen (jeweils Limiteds) stehen, entgegengetreten sind.

3.
Das Verbot, Glücksspiele und Sportwetten im Internet anzubieten und solche Angebote zu bewerben (§ 284 Abs. 1 bzw. 4 StGB §§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 3 GlüStV), ist wirksam. Die genannten Normen verstoßen – wie dies das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat – weder gegen höherrangiges Verfassungsrecht noch gegen Europarecht.

a)
Der Glücksspielstaatsvertrag verletzt nicht Art. 43, 49 EG. Beschränkungen des Angebots von Sportwetten und Glücksspielen durch nationalrechtliche Regelungen sind nicht generell unzulässig (EuGH MMR 2009, 823 - Liga Portuguesa). Dieser Bereich ist nicht durch sekundäres EU-Recht reglementiert und vereinheitlicht. Nationale Regelungen müssen sich daher nur an primärem EU-Recht messen lassen. Dieser Prüfung halten der Glückspielstaatsvertrag und § 284 StGB stand. Der Senat teilt insofern die Auffassung des Generalanwalts Paolo Mengozzi, die dieser in den Schlussanträgen vom 4.3.2010 in den Verfahren C-316/07, C-358/07 bis 360/07, C-409/07 und C-410/07 vor dem Europäischen Gerichtshof dargelegt hat. Insbesondere ist die deutsche Regelung im Glücksspielstaatsvertrag kohärent im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Gambelli Rdn. 69; Placanica Rdn. 54).

Die im Hinblick auf die frühere Werbung der staatlichen Anbieter vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Widersprüchlichkeit (BVerfG NJW 2006, 1261), die europarechtlich als Inkohärenz ausgedeutet werden musste (vgl. Schlussanträge Rdn. 64), ist durch den am 1.1.2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag beseitigt wor-den. Die dadurch eingeführten weitergehenden Werbebeschränkungen haben zu einer grundlegenden Veränderung der Werbung der staatlichen Anbieter von Glücksspielen und Sportwetten geführt. Die nunmehr nur noch zulässige Werbung steht zu den mit dem Glücksspielstaatsvertrag (europarechtlich unzweifelhaft zulässigen) Zielen der Bekämpfung der Spielsucht, des Jugend- und Spielerschutzes und des Schutzes vor betrügerischen Machenschaften (§ 1 GlüStV) nicht im Widerspruch. Vielmehr ist eine derartige Werbung erforderlich, um die große Nachfrage nach Glücksspielen auf das bestehende, reglementierte legale Angebot zu fokussieren (vgl. § 1 Nr. 2 GlüStV).

Die Regelung ist auch insoweit nicht inkohärent, als das private Angebot von Glücksspielen nicht generell ausgeschlossen ist. Soweit die Beklagten darauf verweisen, dass Münzspielgeräte nicht verboten sind, ist mit Randnummer 75 der Schlussanträge darauf hinzuweisen, dass Spielangebote im Internet besondere Gefahren mit sich bringen, die eine gesonderte und strengere Behandlung rechtfertigen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die in § 1 Nr. 2 genannten Ziele des Glücksspielstaatsvertrages. So wäre eine Begrenzung des Glücksspielangebots nicht möglich, wenn Glücksspiele im Internet angeboten würden, da dieses eine jederzeitige, inzwischen sogar mobile Verfügbarkeit von Glücksspielen gewährleistet. Zugleich wird dadurch der Entstehung von Spielsucht entgegengewirkt (§ 1 Nr. 1 GlüStV), weil das Internet weitaus größere Bevölkerungskreise anspricht als etwa Spielhallen und Gaststätten, in denen Spielautomaten aufgestellt sind.

Schließlich kann die verfassungsrechtliche bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes und die damit einhergehenden Regelungskompetenzen der Bundesländer nicht eo ipso eine Inkohärenz der auf diese Weise getroffenen Regelungen begründen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Europäische Gerichtshof die (berechtig-ten) Anforderungen an die Kohärenz staatlicher Regelungen derart weitreichend verstanden wissen will, dass die in Art. 79 Abs. 3 GG festgelegte Verfassungsidentität des Grundgesetzes (hier: die Bundesstattlichkeit, Art. 20 Abs. 1 GG) in Frage gestellt würde (vgl. hierzu BVerfG NJW 2009, 2267, 2269 – Tz. 218).

Aus entsprechenden Erwägungen bestehen auch gegen die Wirksamkeit des § 284 StGB keine europarechtlichen Bedenken.

Anlass, das Verfahren auszusetzen oder eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs herbeizuführen, bestand – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert – im Hinblick auf die europarechtlichen Fragen nicht. Der Senat vermag – wie dargelegt – keine ernsthaften Anhaltspunkte für eine Europarechtswidrigkeit des Glücksspielstaatsvertrags zu erkennen; zudem erscheint es angesichts der bisher stets nur schrittweise fortschreitenden Entwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu nationalen Regelungen des Glücksspielrechts auch nicht als hinreichend wahrscheinlich, dass durch die nun anstehenden Entscheidungen eine end-gültige Klärung der europarechtlichen Rechtsfragen herbeigeführt wird.

b)
Die Regelungen sind auch verfassungsgemäß, denn sie dienen in geeigneter und verhältnismäßiger Weise den in § 1 GlüStV niedergelegten legitimen Zwecken. Durch den Glücksspielstaatsvertrag sind – wie oben bereits ausgeführt – die Vorgaben des sog. Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2006, 1261) umgesetzt worden. Dabei verlangt dieses Urteil nicht eine „Kohärenz und Systematik” des gesamten Glücksspielsektors einschließlich des gewerberechtlich zugelassenen Automatenspiels für die Vereinbarkeit eines staatlichen Wettmonopols mit Art. 12 Abs. 1 GG, sondern lässt es aus verfassungsrechtlicher Sicht genügen, dass das beim Staat aus ordnungsrechtlichen Gründen monopolisierte Sportwettangebot konsequent und konsistent ausgestaltet ist (vgl. BVerfG NVwZ 20009, 1221, 1223 – Tz. 17).

4.
Die von der Beklagten zu 1 angebotenen, im Tenor einzeln bezeichneten Spiele sind Glückspiele. Dies stellen auch die Beklagten hinsichtlich der Sportwetten sowie hinsichtlich der Spiele Roulette, Black Jack, Baccara und der virtuellen Slotmachines nicht grundsätzlich in Frage. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind aber auch Poker in der Version „Texas hold ’em“ sowie die von der Beklagten zu 1 angebotenen 50-cent-Spiele Glücksspiele im Sinne des § 3 Abs. 1 GlüStV.

a)
Der von der Beklagten angebotenen sog. „50-cent-Spiele“, die die übrigen Voraussetzungen von Glücksspielen erfüllen, fehlt es nicht an dem Erfordernis, dass der Einsatz nicht ganz unerheblich ist. Dies mag auf ein einzelnes dieser Spiele zutreffen. Es kann für die Beurteilung der Glücksspieleigenschaft aber nicht davon ausgegangen werden, dass ein Spieler sich auf ein einzelnes Spiel beschränkt. Vielmehr liegt den Regulierungen des Glücksspielrechts die empirisch gestützte Einschätzung zugrunde, dass ein Spielteilnehmer typischerweise gerade nicht geringfügige Verluste hinnimmt und daraus die Lehre zieht, das Spiel zu beenden, sondern sich erhofft, durch eine Fortsetzung des Spiels den Verlust nicht nur wieder auszugleichen, sondern darüber hinaus dann endlich auch den von Anfang an erhofften Gewinn zu erzielen. Dass von einer längeren Spieldauer auszugehen ist, wird zudem dadurch bestätigt, dass die Beklagten für den Bereich des Pokers vorgetragen haben, ein typisches Spiel dauere ca. 6 Stunden.  
b)
Poker in der Variante „Texas hold ’em“ ist ein Glückspiel (vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 3.12.2009 - 13 B 775/09, Tz. 41; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2010, 104). Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die Entscheidung über den Gewinn hängt in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV). Dies ist hier der Fall, denn der Gewinn eines Spielers richtet sich danach, ob seine Mitspieler früher als er aussteigen oder – falls sie dies nicht tun – welche Karten sie letztlich offenlegen. Der Pflichteinsatz und die Einsätze der dann folgenden ersten drei Bietrunden sind jeweils dann verloren, wenn der Spieler aussteigt. Ob er dies tut, steht zwar in seiner Entscheidung und unterliegt damit seinem eigenen Geschick. Dieses Ge-schick bezieht sich aber (abgesehen von Fällen eines bewussten Bluffs) allein darauf, die Gewinnchancen abhängig von der Einschätzung der eigenen und der gegnerischen Karten richtig zu bewerten. Dabei handelt es sich jedoch nur um Wahrscheinlichkeiten: ein zukünftiges Ereignis, nämlich die nächste aufgedeckte Karte, kann die Gewinnmöglichkeit erheblich reduzieren oder aber steigern, so dass der Einsatz entweder verloren gegeben werden muss oder in der Hoffnung auf den (günstigen) Ausgang weiterer zukünftiger Ereignisse weiter im Spiel verbleibt. Die Möglichkeit, ein besseres Blatt vorzuspiegeln und darauf zu hoffen, dass die Mitspieler aussteigen und die Karten daher nicht offengelegt werden müssen, ändert an der Einordnung als Glücksspiel nichts. Denn der Erfolg eines solchen Verhaltens liegt ebenfalls nicht in der Hand des Spielers; vielmehr ist für den Gewinn in diesem Fall die Entscheidung der Mitspieler, und damit ebenso ein zukünftiges Ereignis, maßgeblich. Beteiligt sich ein Spieler an der letzten Bietrunde, sind zwar bereits alle Karten verteilt, der Gewinn hängt aber weiterhin vom Zufall im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 GlüStV ab. Das für den Gewinn maßgebliche Ereignis liegt insoweit in dem Aufdecken der Karten (Showdown) und damit in der Zukunft. Dagegen spricht nicht, dass die aufzudeckenden Karten bereits feststehen. Denn ob ein Ereignis zukünftig ist, muss aus der Sicht und auf der Grundlage des Kenntnisstandes des Spielteilnehmers zum Zeitpunkt seines Einsatzes (Zahlung des Entgelts für den Erwerb einer Gewinnchance) bewertet werden. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn ein Spielteilnehmer bereits sichere Kenntnis vom Ausgang dieses Ereignisses haben könnte. Dies ist aber auch in dieser Spielsituation nicht der Regelfall.

Ist damit das einzelne Spiel (die einzelne Hand) als Glückspielspiel zu bewerten, so ändert sich an dieser Einschätzung nichts dadurch, dass davon ausgegangen werden kann, dass mehrere Hände gespielt werden. Zwar trifft es zu, dass durch die Menge der Spiele die Bedeutung des Geschicklichkeitselements zunimmt, indem Spielstrategien entwickelt werden können (etwa die Einschätzung der Mitspieler verbessert werden kann und Mitspieler eher in die Irre geführt werden können). Auch diese Möglichkeit und die längere Spieldauer ändern aber nichts daran, dass für den Gewinn jeweils der Eintritt zukünftiger Ereignisse maßgeblich und damit der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Satz 2 GlüStV eröffnet ist. Damit handelt es sich in jedem Fall um ein Glücksspiel, ohne dass es nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV darauf ankäme, ob Zufalls- oder Geschicklichkeitselemente überwiegen.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte zu 1 auch dann nicht berechtigt wäre, Poker im Internet anzubieten, wenn es sich dabei nicht um ein Glücksspiel handelte. Denn sie verfügt nicht über die nach § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO erforderliche Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Veranstaltung eines anderen Spiels mit Gewinnmöglichkeit. Zudem dürfte ihr eine solche Erlaubnis wohl auch kaum erteilt werden, besteht doch die Möglichkeit, dass ein Spieler in kurzer Zeit unangemessen ho-he Verluste erleidet und die für die Erlaubnis erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 33d Abs. 2 GewO) daher nicht erteilt werden dürfte (§ 33e Abs. 1 Satz 1 GewO).

5.
Es besteht schließlich auch die erforderliche Wiederholungsgefahr. Dies gilt auch im Hinblick auf das auf der Seite Betway.com enthaltene Spieleangebot. Es mag zutreffen, dass die Beklagte zu 1 dieses Angebot nach dem 6.10.2008 nicht mehr vorgehalten hat. Sie hat es aber – wie ausgeführt – noch zu einem Zeitpunkt angeboten und beworben, zu dem sie Betway bereits verkauft hatte. Die Gefahr, dass sich dies wiederholt, haben die Beklagten nicht ausgeräumt.

6.
Die Beklagten sind zum Ersatz des der Klägerin durch den dargestellten Wettbewerbsverstoß entstandenen Schadens und zur Erteilung der zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlichen Auskünfte verpflichtet.

Zur Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten ist es nicht erforderlich zu ermitteln, in welchem Umfang Spieler aus Deutschland an den Spielen teilgenommen haben und ob dies ggf. der Beklagten zu 1 erkennbar war. Hierfür genügt vielmehr die Feststellung, dass dies überhaupt vorgekommen ist. Dafür streitet aber – angesichts des auf Deutschland gerichteten Angebots – eine tatsächliche, von den Beklagten nicht erschütterte Vermutung. In welchem Umfang von diesem Angebot Gebrauch gemacht worden ist, ist dagegen unerheblich und kann erst aufgrund der von den Beklagten zu erteilenden Auskunft festgestellt werden. Diese Auskunft wird naturgemäß nur die Spiele betreffen, bei denen es für die Beklagten erkennbar war, dass daran Spieler aus Deutschland teilgenommen haben. Zweifelsfragen insoweit können im Betragsverfahren geklärt werden.

Auch im Hinblick auf das Angebot auf der Seite betway.com besteht kein Anlass die Feststellung der Schadensersatzpflicht zu beschränken. Wie ausgeführt, ist es un-streitig, dass die Beklagte zu 1 das K-Spielportfolio auch noch zu einem Zeitpunkt angeboten hat, als dieser Geschäftsteil bereits verkauft war. Selbst wenn dieses Angebot auf einem Versehen beruht hätte – wie dies die Beklagten geltend machen –, so wäre es doch verschuldet. Die Beklagten müssten daher auch Auskunft über die mit der Seite K.com erzielten Umsätze Auskunft erteilen.

Soweit die Beklagten rügen, sie könnten nicht für die von Dritten, namentlich Tochterunternehmen, begangenen Verstöße haften, ist darauf hinzuweisen, dass sich die Haftung der Beklagten daraus ergibt, dass die Beklagte zu 1 selbst für deren Angebote geworben und diese vermittelt hat. Daher bezieht sich die Verurteilung zur Auskunft (antragsgemäß) nur auf die von der Beklagten zu 1 durch diese Geschäfte erzielten Umsätze.

Soweit die Beklagten geltend machen, die Klägerin könne sich nicht den von ihnen (den Erfolg der Klage unterstellt) unrechtmäßig erzielten Gewinn einverleiben, übersehen die Beklagten, dass die Berechnung nach dem Gewinn nur eine Möglichkeit der Schadensberechnung ist. Zudem kann es erst recht nicht hingenommen werden, dass dieser Gewinn bei den Beklagten verbleibt.

III.

1.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Anregung der Beklagten, aus europarechtlichen Gründen von einer Vollstreckbarerklärung abzusehen, folgt der Senat nicht. Es ist europarechtlich gesichert, dass ein Verbot von Glücksspielangeboten im Internet nicht grundsätzlich unzulässig ist. Eine Europarechtswidrigkeit kann daher nur im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung des Verbots in Betracht kommen, etwa weil dieses nicht ausreichend weit gefasst ist. Eine besondere Schutzbedürftigkeit der Beklagten, die ein Durchbrechen der gesetzlichen Regelung rechtfertigen könnte, ist daher nicht erkennbar.

2.
Die Revision war zuzulassen, weil die Wirksamkeit der Neuregelung des Glücksspielrechts bisher nicht Gegenstand höchstrichterlicher Überprüfung gewesen ist.

Unterschriften