×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Urteile
/
Wettbewerbsrecht
/
Urteile 2009
/
LG Berlin zur Freundschaftswerbung per Mail (Beschluss v. 18.08.2009; Az.: 15 S 8/09)

Leitsätzliches

Wer in einem Onlineshop eine Funktion zum Versand von Einladungen per Mail einrichtet, kann als Störer haften, wenn er seine Kunden dabei besonders zur Preisgabe von Daten Dritter animiert.

LANDGERICHT Berlin

Beschluss

Entscheidung vom 18.08.2009

Az.: 15 S 8/09

 

In dem Rechtsstreit ...

weist das Berufungsgericht darauf hin, dass es beabsichtigt, die Berufung mangels Erfolgsaussichten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Gründe:

Die Gründe der angefochtenen Entscheidung treffen nach Ansicht des Berufungsgerichts auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens zu, auf sie wird deshalb Bezug genommen.

Vertiefend ist auf folgende Aspekte hinzuweisen:

Die "Einladungs"-E-Mail vom 31. März 2009 ist - unabhängig von dem als "persönliche Nachricht" deklarierten Text - als Werbung zu qualifizieren. Für das Ziel, durch die Ansprache potentieller Kunden den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern, kommt es nicht darauf an, ob ein bestimmtes Produkt oder das Geschäft als solches angepriesen wird. Eine Werbung kann sich auch darauf beziehen, der Antragsgegnerin bei der Wahl eines Internet-Verkäufers den Vorzug vor anderen Bezugsmöglichkeiten zu geben.

Das Amtsgericht hat zu Recht eine Störerhaftung angenommen. Es liegt nicht der Fall vor, dass ein Dritter aus freien Stücken die Antragsgegnerin ohne deren Wissen empfiehlt. Vielmehr hat die Antragsgegnerin das Instrument der "Einladung" initiiert und installiert, was dadurch unterstrichen wird, dass die "Mitglieder" durch die Möglichkeit, Prämien und wertvolle Lotteriegewinne zu erlangen, zur Mitwirkung durch das Eingeben der neuen Adressen animiert werden.

Hinzu kommt, dass sich die E-Mail nicht auf eine "Einladung" des angeblichen "Freundes" beschränkt, sondern dass die Antragsgegnerin dessen "Einladung" dazu nutzt, im eigenen Namen für ihren Internetshop zu werben. Der Hinweis auf die Registrierung ist mit der Werbung verbunden, in den täglich wechselnden Aktionen bis zu 70% bei Mode- und Lifestyleartikeln sparen zu können und die Aufforderung zum Shoppen erfolgt auch im Namen des "ganzen ...-Team". Dies belegt, dass die "Einladung" des "Freundes" von der Antragsgegnerin dazu benutzt wird, einen eigenen werbenden Erstkontakt herzustellen.

Die Einladung ist nicht die erste Stufe eines Double-Opt-In-Verfahrens. Die Antragsgegnerin hält auf ihrer Webseite nicht passiv die Möglichkeit bereit, dass sich ein Interessent selbst anmeldet (sei es für einen Newsletter oder für eine Registrierung als Mitglied), so dass der Interessent die Initiative ergreift und die Antragsgegnerin mit einer Check-E-Mail antwortet, um dem Inhaber der (vermeintlich von ihm) genannten E-Mail-Adresse die Möglichkeit zu geben, durch Nichtstun jeden weiteren Kontakt zu verhindern oder die Bestellung als seine zu bestätigen. Das E-Mail-Verfahren der Antragsgegnerin unterscheidet sich wesentlich davon: Die Antragsgegnerin weiß von vorneherein, dass der erste Kontakt nicht durch den Interessenten zustande kommt, sondern dadurch, dass ein Dritter ("Freund") ihre Einladungsfunktion benutzt, ohne dass sie dabei von einem Einverständnis des dort eingegebenen Empfängers ausgehen darf. Die beanstandete E-Mail ist nicht die Reaktion auf eine Kontaktaufnahme von außen, sondern selbst der Erstkontakt ohne ein Zutun des Empfängers. Sie beschränkt sich auch inhaltlich nicht darauf mitzuteilen, das Einverständnis des Inhabers der E-Mail-Adresse zu einem Werbekontakt festzustellen, sondern beinhaltet bereits die Werbung. Schließlich dient der Link nicht dazu, den eigenen Erstkontakt zu verifizieren, sondern mit ihm soll sich der Empfänger bereits als "Mitglied" registrieren lassen. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass die Einladungs-E-Mail tatsächlich keine Double-Opt-In-Funktion erfüllt hat, denn dann hätte die Antragsgegnerin keine Erinnerungs-E-Mail versenden dürfen, bevor der Antragsteller nicht den Link aktiviert hat.

Die Antragsgegnerin kann sich nicht damit entlasten, dass ihr eine Überprüfung der von ihren "Mitgliedern" selbst eingegebenen E-Mail-Adressen angeblicher "Freunde" nicht möglich ist. Die Antragsgegnerin bezweckt mit ihrem System eine direkte Kontaktaufnahme zu Werbezwecken unter E-Mail-Adressen, die sie ohne ein Zutun des Empfängers in Erfahrung bringen und nutzen will. Sie begibt sich damit aus eigener Initiative bewusst jeder Möglichkeit einer Überprüfung und hat die sich daraus ergebenden Risiken zu tragen. Die Antragsgegnerin hat es damit initiiert, technisch möglich gemacht, durch Gutscheine und Lotterien gefördert und einkalkuliert, dass Empfänger ohne ihr Zutun durch eine Werbe-E-Mail belästigt werden. Diese Form der unerwünschten Belästigung ist vom Empfänger nicht mehr als sozialadäquat hinzunehmen.

Auch das übrige Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO sind erfüllt.

Die Antragsgegnerin erhält vor weiterer gerichtlicher Veranlassung Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zweier Wochen.

Michael Terhaag | Christian Schwarz

Influencer-Marketing - Rechtshandbuch

2. Auflage – vollständig überarbeitet und aktualisiert

Praxisnaher Überblick zu rechtlichen Fragestellungen im Influencer-Marketing,  u.a. im Werbe-, Wettbewerbs-, Urheber-, Marken- und Persönlichkeitsrecht; inklusive Muster zur Vertragsgestaltung.