×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Urteile
/
Wettbewerbsrecht
/
Urteile 2007
/
Intransparente Werbung eines Möbelhauses mit "ausgenommen Werbeware" - LG Karlsruhe, Urteil vom 23.03.07, Az.: 13 O 176/06

Leitsätzliches

Bei dem Begriff der “Werbeware” handelt es sich um einen unklaren Begriff . Was damit gemeint ist, erschließt sich dem Kunden nicht. Zu denken ist an in Prospekten und Anzeigen beworbene Ware aber auch an Ausstellungsstücke, ohne dass eine klare Abgrenzung möglich ist.

LANDGERICHT KARLSRUHE

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 13 O 176/06

Entscheidung vom 23. März 2007

In dem Rechtsstreit

...
gegen
...

wegen Unterlassung und Zahlung von Schadensersatz

hat die I. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 09. März 2007 durch Vors. Richter am Landgericht Brendle

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung verwirkten Ordnungsgeldes bis zu EUR 250 000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd gegenüber letzten Verbrauchern für den Verkauf von preisreduzierten Waren des Sortiments unter Angabe des Prozentsatzes, um den reduziert und der mit einem Sternchenhinweis versehen ist, zu werben, wenn dieser Sternchenhinweis die nachfolgenden Zusätze enthält:

“Ausgenommen …, Werbeware”, wenn dies geschieht, wie in der Frankfurter Rundschau vom 17.06.2006 (Anlage K2) oder

“ausgenommen sind … in Prospekten und Anzeigen beworbene Ware …”, wenn dies geschieht wie in den BNN vom 22.01.2006 (Anlage K8).

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin EUR 189,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2006 zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist für die Klägerin in Ziffer 1. des Tenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 45 000,00 EUR, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Die Klägerin ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 UWG mit dem Zweck, zur Förderung des lauteren Wettbewerbs beizutragen und den unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen.

Die Beklagte ist eine in Karlsruhe ansässige Firma zum Vertrieb von Möbeln mit mehreren Filialen.

Die Beklagte kündigte in einer Anzeige (K1) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 07.07.2006 eine Preisreduzierung für ihre Filialen in Eschborn, Wiesbaden und Dreieich mit dem blickfangmäßigen Hinweis: “mindestens 20 % auf ALLES!” an, wobei sich über

dem Prozentzeichen ein kleines Sternchen befand, das im unteren Bereich der Anzeige aufgelöst war mit dem Hinweis: “Gültig nur bei Neuaufträgen”. Ausgenommen sind reduzierte Angebote, Werbeware, Bücher… usw. sowie Produkte der Firmen … (70 verschiedene Firmen).

Eine weitere Werbung erschien am 17.06.2006 in der Frankfurter Rundschau (K2).

Nunmehr ist der Sternchenhinweis in der Werbung für die Aktion “Freundschaftstage” (K8) im November 2006 wie folgt abgeändert: “Ausgenommen sind reduzierte Angebote, in Prospekten und Anzeigen beworbene Ware, …”.

Die Klägerin ist der Auffassung, diese Werbung sei irreführend im Sinne von § 5 UWG und verstoße auch gegen § 4 Ziffer 4 UWG. Die Aussage “mindestens 20 % auf ALLES!” sei angesichts der umfangreichen Ausnahmen von 70 Firmen als “glatte Lüge” einzustufen. Im Übrigen sei auch für den durchschnittlich interessierten und aufgeklärten Verbraucher nicht klar, was unter “Werbeware” bzw. “in Prospekten und Anzeigen beworbene Ware” zu verstehen sei.

Die Klägerin verlangt daher Unterlassung der beanstandeten Werbung und macht außerdem einen Zahlungsanspruch nach § 12 UWG geltend. Sie beantragt zuletzt wie im Urteilstenor erkannt.

Die Beklagte hat bezüglich des früheren Klageantrages Ziffer 1b (“mindestens 20 % auf ALLES!”) eine Unterlassungserklärung mit der Maßgabe abgegeben, “wenn dies geschieht” wie in Anlage K1 (Anzeige in der FAZ vom 07.07.2006). Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit bezüglich des früheren Klageantrages Ziffer 1b übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Den Klageantrag Ziffer 2. (Abmahnkosten) hat die Beklagte anerkannt.

Im Übrigen beantragt die Beklagte die Klage abzuweisen und trägt vor,

bei der vorliegenden Preisreduzierung handle es sich nicht um einen Preisnachlass im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG, eine Verkaufsförderungsmaßnahme im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG werde im Klageantrag nicht angesprochen. Der Klageantrag sei schon mangels

Konkretisierung auf die konkrete Verletzungsform unbegründet. Klageantrag Ziffer 1a., der sich auf die “In Prospekten und Anzeigen beworbene Ware” bzw. “Werbeware” bezieht, sei unbegründet. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 4 Nr. 4 UWG liege nicht vor. Die Werbeware sei im Verkaufshaus als solche entsprechend gekennzeichnet, so dass der Kunde dort ohne weiteres erkenne, welche Ware vom Preisnachlass ausgenommen sei. Im Übrigen sei der Begriff “Werbeware” ebenso wie der Begriff “In Anzeigen und Prospekten beworbene Ware” eindeutig. Die so bezeichneten Artikel seien im Geschäftslokal der Beklagten durch entsprechende Schilder ohne weiteres erkennbar. Gemäß § 4 Nr. 4 UWG seien die Bedingungen für die Inanspruchnahme von Preisnachlässen erst “bei Verkaufsförderungsmaßnahmen” anzugeben, also bei der Veranstaltung bzw. Durchführung der jeweiligen Maßnahme. In einem solchen Fall fehle es auch an der nicht nur unerheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne von § 3 UWG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die zu Protokoll genommenen Erklärungen der Parteien verwiesen.

Entscheidungsgründe

1.
Soweit die Unterlassungsklage nach Teilerledigung noch anhängig ist (Klageantrag Ziffer 1a.), ist sie auch begründet. Die von der Klägerin beanstandete Werbung der Beklagten in der Frankfurter Rundschau vom 17.06.2006 bzw. in den BNN vom 22.11.2006 mit den Formulierungen “Werbeware” bzw. “in Prospekten und Anzeigen beworbene Waren” verstößt gegen das Transparenzgebot bei Verkaufsförderungsmaßnahmen im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten kann nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vorliegenden “Preisreduzierungen” um Preisnachlässe bei Verkaufsförderungsmaßnahmen im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG handelt, bei denen die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme klar und eindeutig anzugeben sind. Dies hat die Beklagte durch den Sternchenhinweis auf “Werbeware” bzw. “In Prospekten und Anzeigen beworbene Waren” missachtet.

Bei dem Begriff der “Werbeware” handelt es sich um einen unklaren Begriff (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 16.11.2006, 4 U 143/06). Was damit gemeint ist, erschließt sich dem Kunden nicht. Zu denken ist an in Prospekten und Anzeigen beworbene Ware aber auch an Ausstellungsstücke, ohne dass eine klare Abgrenzung möglich ist (vgl. auch OLG Köln, GRUR – RR 06, 196).

Es kommt hinzu, dass der Kunde nicht erkennen kann, welche Waren von der Beklagten in welcher Form zuvor beworben worden sind. Diese Unklarheit kann auch nicht erst im Ladenlokal selbst beseitigt werden, wenn sich also der Kunde bereits zum Erscheinen im Geschäftslokal hat anlocken lassen. Eine solche Aufklärung kommt zu spät (vgl. OLG Hamm a.a.O.). Erfahrungsgemäß lassen sich Kunden unter solchen Umständen zu Verlegenheits- oder Anschlusskäufen verleiten, wenn sich das blickfangmäßig beworbene preisreduzierte Angebot erst vor Ort auf seine wirkliche Attraktivität abschätzen lässt.

Aufgrund der unklaren und ungenauen Angabe ist für den Kunden in keiner Weise einzuschätzen, ob es sich lohnt, das Angebot der Beklagten vor Ort zu überprüfen oder ob zu befürchten ist, dass sich die tatsächliche Preisreduzierung auf so wenige Waren beschränkt, dass er letztlich doch wieder auf die nicht preisreduzierte Ware verwiesen ist.

Im Ergebnis ist daher auch die inzwischen abgeänderte Formulierung “In Prospekten und Anzeigen beworbene Ware” nicht hinreichend klar. Im Gegensatz zum Begriff der “Werbeware” ist zwar zumindest eindeutig, welchen allgemeinen Voraussetzungen diese Ausnahme von der Preisreduzierung unterliegt. Bezüglich des Umfangs der Rabattgewährung verbleibt sie jedoch ebenso unklar wie der Begriff der “Werbeware”. Fraglich ist daher auch, ob die Beklagte dem durch eine zusätzliche Formulierung wie z.B. “die in unseren Verkaufslokalen entsprechend gekennzeichnet ist” entgehen könnte, da der auch nur ungefähre Umfang der tatsächlichen Preisreduzierung gleichwohl weiterhin im Dunkeln bliebe. Dies braucht jedoch im vorliegenden Zusammenhang nicht abschließend entschieden zu werden.

Es kommt hinzu, dass die von der Beklagten verwendeten Sternchenhinweise teilweise auch als Rückverweisung auf die Anzeige selbst verstanden werden können, weil es sich hierbei, wenn man die Beklagte beim Wort nimmt, ebenfalls um “in Anzeigen beworbene Ware” handelt. Auch dies trägt seinen Teil zur Intransparenz der Werbemaßnahme bei.

Nach allem kann auch von einer nur unerheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs keine Rede sein. Vielmehr sind gerade die beanstandeten Sternchenhinweise geeignet, beim Kunden eine falsche Einschätzung des Angebots zu fördern, ihn in die Geschäftslokale der Beklagten zu locken und dort zu Vertragsabschlüssen zu veranlassen, zu welchen es bei lauterem Vorgehen nicht gekommen wäre.

2.
Bezüglich Klageantrag Ziffer 2 war entsprechend dem Teilanerkenntnis der Beklagten antragsgemäß zu entscheiden.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a, 91 ZPO.

Soweit die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, waren die Kosten der Beklagten aufzuerlegen. Hätte die Beklagte die Unterlassungserklärung nicht abgegeben, wäre sie antragsgemäß verurteilt worden. Der in der Werbeanzeige der Klägerin enthaltene Widerspruch, einerseits den Rabatt “auf ALLES!” zu bewerben, andererseits aber u.a. die Produkte von 70 verschiedenen namhaften Herstellern im Sternchenhinweis wieder davon auszunehmen, stellt in der Tat den Versuch einer erheblichen Irreführung des Publikums dar. Es besteht die Gefahr, dass der Verbraucher von völlig falschen Voraussetzungen ausgeht, wenn er das Geschäftslokal der Beklagten betritt.

Das Gericht ist nicht der Auffassung, dass ein die Unterlassungserklärung der Beklagten überschießender Inhalt des früheren Klageantrages Ziffer 1b entsprechend § 269 Abs. 3 ZPO zu behandeln ist. Zwar hat die Klägerin die konkrete Verletzungsform insoweit nicht zum Gegenstand ihres früheren Klageantrages gemacht, als die Werbeanzeige in der FAZ nicht ausdrücklich erwähnt wurde, letztlich beinhaltete der Antrag jedoch kein über die konkrete Verletzungsform hinausgehendes Begehren, sondern bezog sich wie aus der Klagebegründung ersichtlich auf die Streitgegenstand liehen Werbeanzeigen.

Dementsprechend kann auch in der Präzisierung des Klageantrages Ziffer 1a unter ausdrücklicher Erwähnung der betreffenden Werbemaßnahmen in der Frankfurter Rundschau und den BNN mit dem Zusatz “wie in der…” keine teilweise Klagerücknahme gesehen werden (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 12, Rn. 2.46).

4.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(Unterschrift)