Leitsätzliches
Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Angabe des Grundpreises gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV ist nicht allein wegen einer möglichen Nachahmungsgefahr im Sinne von § 3 UWG geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber oder der Verbraucher nicht nur urheberlich zu beeinträchtigen.OBERLANDESGERICHT KOBLENZ
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 4 U 1219/05
Entscheidung vom 25. April 2006
in dem Rechtsstreit
[xxx],
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
[xxx],
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
wegen: Unterlassung
Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Präsidenten des
Oberlandesgerichts Dr. Bamberger, die Richterin am Oberlandesgericht Harsdorf-Gebhardt und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Kerber auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 2006 für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bad Kreuznach vom 21. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat. Die Sicherheitsleistung kann auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts erbracht werden.
4. Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
I.
Die Klägerin ist ein führendes, in der gesamten Bundesrepublik Deutschland an über 90 Standorten, unter anderem in B..., mit Verbrauchermärkten vertretenes Einzelunternehmen. Ihr Sortiment umfasst die gesamte Breite von Waren des täglichen Bedarfs im Lebensmittel- und im sogenannten Non-Food-Bereich. Die Beklagte betreibt in B... einen Elektrohandelsfachmarkt, in dem sie schwerpunktmäßig HiFi- und Elektroartikel anbietet, darüber hinaus auch Espressokaffee und Kaffeepads als Zusatzartikel für Espresso- und Kaffeemaschinen.
Am 30.04.2004 stellte ein Mitarbeiter der Klägerin in dem vorgenannten Verkaufshaus der Beklagten fest, dass diese Espressokaffee der Marke „Segafredo, Intermezzo“ in 250 g-Packungen zu einem Endpreis von 4,49 € und „Senseo“-Kaffeepads, die - wie auch Kaffeepads anderer Marken - nur in 130 g-Packungen vertrieben werden, zu einem Endverkaufspreis von 2,49 € anbot, ohne dass in unmittelbarer Nähe zum Endpreis der jeweilige Grundpreis ausgewiesen war.
Die Klägerin mahnte die Beklagte erfolglos ab wegen eines nach ihrer Auffassung wettbewerbswidrigen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 Preisangabenverordnung (PAngV).
Die Klägerin hat vorgetragen:
Indem die Beklagte bei den oben genannten Produkten nicht den nach § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV erforderlichen Grundpreis ausgewiesen habe, habe sie unlauter im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG gehandelt. Die PAngV, insbesondere die Verpflichtung zur Angabe der Grundpreise, diene dem Schutz der Verbraucher. Die Angabe des Grundpreises verbessere die Information des Verbrauchers, weil sie eine bessere Möglichkeit biete, Preisvergleiche anzustellen. Sie fördere zudem einen transparenten Markt und korrekte Information und diene damit dem Wettbewerb zwischen den Unternehmen und zwischen den Erzeugnissen.
Die Wettbewerbsverstöße der Beklagten seien auch im Sinne von § 3 UWG geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber sowie der Verbraucher nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Die korrekte Preisauszeichnung erleichtere es dem Verbraucher, die Preise zu vergleichen und hiernach eine vernünftige und sachgerechte Kaufentscheidung zu treffen. Durch die mit der Auszeichnung der Grundpreise geschaffene Preistransparenz werde offenbar, welche Angebote bei unterschiedlicher Packungsgröße tatsächlich günstiger seien. Ohne Angabe des Grundpreises laufe der Verbraucher Gefahr, ein vermeintlich günstiges Angebot in Anspruch zu nehmen, obwohl dieses tatsächlich nicht günstiger sei und er sich bei Kenntnis der tatsächlichen Preissituation, namentlich des Grundpreises, anders entschieden hätte. Hierdurch würden die Mitbewerber benachteiligt, namentlich diejenigen, welche die Produkte tatsächlich günstiger anböten. Zu berücksichtigen sei außerdem die Nachahmungsgefahr. Die korrekte Preisauszeichnung, insbesondere die Grundpreisangabe, sei für die Unternehmen mit Mühe und Aufwand verbunden. Angesichts des harten Preiswettbewerbs im Handel seien die Unternehmen bemüht, jede Maßnahme zu ergreifen, die geeignet sei, personelle und finanzielle Ressourcen zu schonen. Wenn die Beklagte grundpreisangabepflichtige Artikel sanktionslos ohne Angabe des Grundpreises anbieten dürfe, stelle sich für die Mitbewerber die Frage, warum sie sich gleichwohl der Mühe der sorgfältigen und gesetzestreuen Preisauszeichnung unterziehen sollten.
Die Klägerin hat weiterhin in erster Instanz einen Anspruch auf Freistellung von den ihr durch die außergerichtliche Abmahnung entstandenen Anwaltsgebühren in Höhe von 900,00 € geltend gemacht.
Sie hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft bei ihren jeweiligen Geschäftsführern zu vollstrecken sei, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Letztverbrauchern grundpreisangabepflichtige Waren anzubieten und/ oder zu bewerben, wenn neben dem Endpreis nicht auch der Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Endpreises angegeben werde,
2. die Klägerin von den durch die außergerichtliche Abmahnung entstandenen Anwaltsgebühren des Rechtsanwalts S... W... in Höhe von 900,00 € freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht:
Die eventuelle Beeinträchtigung des Wettbewerbs sei nur unerheblich. Der Anteil der hier relevanten Produkte in ihrem Warensortiment sei nur gering, ebenso die Überschneidung mit dem Angebot eines Lebensmittelhändlers. Die Bedeutung der zusätzlichen Angabe des Grundpreises, die in den meisten Fällen vom Verbraucher ohnehin nicht wahrgenommen werde, sei doch wesentlich geringer als der tatsächlich zu zahlende Preis. Eine Angabe des Grundpreises für nur in einer Einheit von 130 g angebotene Kaffeepads beachte der Verbraucher nicht. Auch bei Espressokaffee, der in drei handelsüblichen Verpackungseinheiten (250 g, 500 g und, selten, 1 kg) angeboten werde, rechne der Verbraucher nicht einen Kilopreis auf die betreffende Verpackungsgröße herunter, um Vergleiche mit anderen Preisen anzustellen.
Durch das angefochtene Urteil hat der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, dass es sich um Bagatellverstöße handele. Durch das Fehlen der Grundpreisangaben würden erhebliche Interessen der Verbraucher nicht beeinträchtigt. Dem Verbraucher, der einen Preisvergleich anstellen wolle, werde lediglich etwas Kopfrechnen angesonnen; dazu sei der durchschnittliche Verbraucher ohne weiteres in der Lage.
Gegen das ihr am 22.07.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 19.08.2005 per Telefax bei dem Oberlandesgericht Koblenz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem am 21. Oktober 2005 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Klägerin verfolgt den Unterlassungsantrag weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt weiter vor:
Auch wenn Espressokaffee nur einen Teil des Warenangebots der Beklagten ausmache, könne man dem Verbraucher nicht absprechen, dass er einen Preisvergleich anstelle, der ihm jedoch durch das Fehlen der Grundpreisangabe erschwert sei. Die Verpflichtung zur Preisauszeichnung und zur Angabe der Grundpreise gelte für jeden grundpreisangabepflichtigen Artikel ohne Einschränkung. Schließlich handele es sich bei Espressokaffee und mit Espressomaschinen in Zusammenhang stehenden Zubehörartikeln nicht nur um ein unbedeutendes Randsortiment. Vielmehr hätten Kaffeeautomaten, Espressomaschinen und dazugehörige Verbrauchsartikel in den vergangenen Jahren aus Sicht des Publikums eine immer größere Bedeutung erlangt und übten einen hohen Kaufanreiz aus. Gerade die Positionierung der Zusatzartikel in unmittelbarer Nähe der Kaffe- und Espressomaschinen verleite den Verbraucher dazu, auch diese zu kaufen. Gerade in dieser Situation seien die Preistransparenz und die ordnungsgemäße Auszeichnung der Preise von umso größerer Bedeutung. Nur eine ordnungsgemäße Auszeichnung der Preise, insbesondere der Grundpreise, informiere den Verbraucher über das tatsächliche Preisgefüge der ihm von der Beklagten angebotenen Artikel.
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen. Sie wiederholt und vertieft ebenfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen und betont, dass es sich bei dem Verstoß gegen § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV nur um einen Bagatellverstoß handele.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Landgericht hat den - mit der Berufung allein weiterverfolgten - Klageantrag zu 1. zu Recht abgewiesen.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG wegen eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV zu. Die im Unterlassen der Grundpreisangaben liegenden unlautere Wettbewerbshandlungen sind nicht im Sinne von § 3 UWG geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber oder der Verbraucher nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, und damit als Bagatellverstöße zu werten.
a) Zwar hat die Beklagte im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG einer gesetzlichen Vorschrift - § 2 Abs. 1 S 1 PAngV - zuwidergehandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
aa) Der Beispielstatbestand des § 4 Nr. 11 UWG präzisiert die zu § 1 UWG a. F. entwickelte Fallgruppe des Wettbewerbsverstoßes durch Rechtsbruch und ist vor dem Hintergrund der Schutzzweckbestimmung in § 1 UWG zu sehen. Es ist nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts, alle nur denkbaren Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit Wettbewerbshandlungen auch wettbewerbsrechtlich zu sanktionieren. Vielmehr liegt der eigentliche Zweck des UWG darin, das Marktverhalten der Unternehmen im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Mitbewerber und der Verbraucher und damit zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb zu regeln (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht 24. Aufl. § 4 UWG Rdnr. 11.6 unter Hinweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs UWG zu § 1 BT-Drucks. 15/1487 S. 15 f.; wtrp). Demgemäß ist der Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG so gefasst, dass nicht jede Wettbewerbshandlung, die auf dem Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift beruht und Auswirkungen auf den Wettbewerb haben kann, unlauter ist. Vielmehr knüpft die Bestimmung an Marktverhaltensregelungen an. Das Marktverhalten der Unternehmer wird nicht nur durch spezielle wettbewerbsrechtliche Verhaltensanforderungen, sondern auch durch eine Vielzahl außerwettbewerbsrechtlicher Normen geregelt. Zum Schutz der Verbraucher, der Mitbewerber und der sonstigen Marktbeteiligten sanktioniert § 4 Nr. 11 UWG Verstöße gegen solche außerwettbewerbsrechtlichen Marktverhaltensregelungen (Köhler a.a.O.). Solche Vorschriften müssen zumindest auch dazu bestimmt sein, im Interesse der Marktteilnehmer, zu denen nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG unter anderem Mitbewerber und Verbraucher zählen, das Marktverhalten zu regeln (Begründung des Regierungsentwurfs UWG zu § 4 Nr. 11, BT-Drucks. 15/1487 S. 19; Köhler a.a.O.). Ob ein solcher Normzweck vorliegt, ist durch Auslegung der Norm zu ermitteln (Köhler a.a.O. § 4 UWG Rdnr. 11.33, 11.158).
bb) Die PAngV stellt eine Marktverhaltensregelung zum Schutz der Verbraucher dar. Denn Preisangaben sollen durch eine sachlich zutreffende und vollständige Verbraucherinformation Preiswahrheit und Preisklarheit gewährleisten und durch optimale Preisvergleichsmöglichkeiten die Stellung der Verbraucher gegenüber den Unternehmen stärken und fördern (BGH, GRUR 1999, 762 f. - Herabgesetzte Schlussverkaufspreise; GRUR 2003, 971 f. - Telefonischer Auskunftsdienst; Köhler a.a.O § 4 UWG, Rdnr. 11.142; jew. m.w.N.). Die Verpflichtung, den Verkaufspreis und den Verkauf je Maßeinheit anzugeben, trägt zur Verbesserung der Verbraucherinformation bei, weil sie eine bessere Möglichkeit bietet, Preisvergleiche anzustellen. Weiterhin fördern ein transparenter Markt und korrekte Preisinformationen nicht nur den Verbraucherschutz, sondern auch einen gesunden Wettbewerb zwischen Unternehmen und zwischen Erzeugnissen (v. Jagow in Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig, UWG § 4 Nr. 11 UWG Rdnr. 111 unter Bezugnahme auf die Erwägungsgründe Nr. 1 und Nr. 6 der Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse, Amtsblatt L080/1998, S. 27).
cc) Die Beklagte hat gegen die Verpflichtung zur Angabe des Grundpreises gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV verstoßen. Nach dieser Vorschrift ist im geschäftlichen Verkehr gegenüber dem Letztverbraucher bei dem Angebot von Waren in Fertigpackungen, die nach Gewicht angeboten und abgegeben werden, neben dem Endpreis für den konkreten Artikel auch der Grundpreis anzugeben. Der Grundpreis ist definiert als Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer (§ 2 Abs. 1 S. 1 PAngV); dabei ist nach § 2 Abs. 3 S. 1 PAngV die Mengeneinheit für den Grundpreis jeweils 1 kg beziehungsweise 1 l oder für solche Waren, deren Gewicht oder Nennvolumen üblicherweise 250 g oder ml nicht übersteigt, jeweils 100 g oder ml. Die Beklagte hat unstreitig für die in ihrem Markt in Bad Kreuznach angebotenen, streitgegenständlichen Waren - Espressokaffee der Marke „Segafredo, Intermezzo“ in 250 g-Packungen und „Senseo“-Kaffeepads in 130 g-Packungen - an den Regalen nur den Endpreis, nicht aber in unmittelbarer Nähe oder sonstwo den Grundpreis angegeben. Die darin liegenden Verstöße gegen § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV sind unabhängig davon gegeben, ob der Verkehr bei Waren dieser Art daran gewöhnt ist, den Grundpreis anhand des Endpreises zu berechnen und ob die Errechnung des Grundpreises zu einem durchschnittlichen Letztverbrauchers einfach oder schwierig ist (vgl. BGH, GRUR 2001, 1166, 1168 – Fernflugpreise m.w.N.). Die Verletzungen der Ordnungsvorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV sind allerdings nicht ohne weiteres wettbewerbswidrig, auch wenn diese Bestimmung unmittelbar das Marktverhalten regelt (vgl. BGH, GRUR 2001, 1166, 1168 - Fernflugpreise - m.w.N.).
b) Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Erheblichkeitsschwelle des § 3 UWG hier nicht überschritten ist.
aa) Mit der Formulierung „zum Nachteil“ bringt § 3 UWG zum Ausdruck, dass die Lauterkeit im Wettbewerb nicht um ihrer selbst willen geschützt wird, sondern nur insoweit, als die Wettbewerbsmaßnahmen tatsächlich geeignet sind, zu einer Beeinträchtigung geschützter Interessen der Marktteilnehmer zu führen. Die Verfälschung des Wettbewerbs muss darüber hinaus „nicht unerheblich“ sein. Damit soll zum Ausdruck kommen, dass die Wettbewerbsmaßnahme von einem gewissen Gewicht für das Wettbewerbsgeschehen und die Interessen der geschützten Personenkreise sein muss. Die Verfolgung von Bagatellfällen, an deren Verfolgung kein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit besteht, soll ausgeschlossen werden (Köhler a.a.O. § 3 UWG Rndr. 48; GRUR 2005, 1, 2 unter Bezugnahme auf die Begründung des Regierungsentwurfs UWG zu § 3, BT-Drucks. 15/1487 S. 17). Die Feststellung, ob ein Wettbewerbsverstoß geeignet ist, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zu verfälschen, setzt eine nach objektiven und subjektiven Momenten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu treffende Wertung voraus. In diese sind neben der Art und Schwere des Verstoßes die zu erwartenden Auswirkungen auf den Wettbewerb sowie der Schutzzweck des Wettbewerbsrechts einzubeziehen. Eine nicht nur unerhebliche Verfälschung kann auch bei Verstößen mit nur geringen Auswirkungen auf den Marktteilnehmer im Einzelfall vorliegen, wenn durch das Verhalten eine Vielzahl von Marktteilnehmern betroffen ist oder eine nicht unerhebliche Nachahmungsgefahr besteht (Köhler a.a.O. § 3 UWG Rdn. 58, 63; GRUR 2005, 1, 4 unter Bezugnahme auf die Begründung des Regierungsentwurfs UWG zu § 3, BT-Drucks. 15/1487 S. 17). Eine Eignung zur nicht nur unerheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs zum Nachteil der betroffenen Mitbewerber ist dann anzunehmen, wenn ihre Marktchancen durch die unlautere Wettbewerbshandlung spürbar beeinträchtigt sein können (Köhler a.a.O. § 3 UWG Rdnr. 53; GRUR 2005, 1, 4). Das hängt auch von der Größe eines erzielten Wettbewerbsvorsprungs ab (BGH, WRP 1999, 845 f. - herabgesetzte Schlussverkaufspreise; WRP 2000, 1135, 1137 - ambulanter Schlussverkauf; GRUR 2001, 258 f. - Immobilienpreisangaben; jew. m.w.N.). Es reicht nicht aus, dass der Verstoß lediglich geeignet ist, irgendeinen geringfügigen Wettbewerbsvorsprung zu begründen. Von Bedeutung sind dabei die jeweiligen Marktverhältnisse, wie die Größe des Unternehmens und die Zahl der Mitbewerber auf dem Markt sowie die Art, Schwere, Häufigkeit oder Dauer des Wettbewerbsverstoßes (BGH, GRUR 2001, 258 f. - Immobilienpreisangaben; GRUR 2001, 1166, 1169 - Fernflugpreise; Köhler a.a.O. § 3 UWG Rdnr. 60; jew. m.w.N.). In Bezug auf die Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer ist darauf abzustellen, ob ihre Informationsinteressen, ihre Entscheidungsfreiheit und ihre sonstigen durch das Gesetz geschützten Interessen spürbar beeinträchtigt sein können (Köhler a.a.O. § 3 UWG, Rdnr. 53; GRUR 2005, 1, 4). Auch bezüglich der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer ist das Ausmaß der Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfreiheit oder sonstigen Interessen maßgebend.
bb) Die Verstöße der Beklagten gegen die Verpflichtung zur Angabe des Grundpreises sind als solche nicht besonders gravierend. Die Errechnung des Grundpreises durch einfache, gerade vom preisbewussten Verbraucher nachvollziehbare Rechenoperationen ist auch bei alltäglichen Produkten möglich (so auch OLG Jena, GRUR 2006, 246). Bei den in Rede stehenden 250 g-Packungen Espressokaffee kann der durchschnittlich intelligente Verbraucher den Preis für 1 kg leicht ohne Taschenrechner durch Multiplikation des Endpreises mit vier ermitteln. Zudem wird Espressokaffee - wie den Senatsmitgliedern aus eigener Anschauung bekannt ist - überwiegend in Verpackungseinheiten von 250 g oder 500 g angeboten, so dass der Verbraucher den von der Beklagten angegebenen Endpreis allenfalls verdoppeln wird, um einen aussagekräftigen Preisvergleich anstellen zu können. In Bezug auf die Kaffeepads, die allgemein nur in 130 g-Packungen angeboten werden, ist der verständige Durchschnittsverbraucher an der Kenntnis des Grundpreises kaum interessiert, weil er die Preise für die einheitlichen Verpackungsgrößen unterschiedlicher Anbieter direkt miteinander vergleichen kann. Zudem macht das Kaffeeangebot der Beklagten nur einen geringen Anteil ihres Gesamtsortiments aus und betrifft damit ein für sie eher unbedeutendes Marktsortiment (so auch OLG Jena, GRUR 2006, 246 f.). Auch wenn sich Espressomaschinen und mit Kaffeepads betriebene Kaffeemaschinen zunehmender Beliebtheit erfreuen und die von der Beklagten angebotenen Zubehörartikel wie Espressokaffee und Kaffeepads daher für eine größere Gruppe von Verbrauchern interessant sind, liegt der Schwerpunkt ihres Warenangebots bei HiFi- und Elektroartikeln. Anders als die Klägerin bietet die Beklagte nicht sämtliche Lebensmittel des täglichen Bedarfs an, sondern hat Espressokaffee und Kaffeepads nur als Zusatzartikel im Angebot. Angesichts der sich nur zu einem kleinen Teil überschneidenden Warensortimente der Parteien kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass sich die Beklagte durch die unzureichende Preisauszeichnung der Espressokaffeepackungen der Marke „Segafredo, Intermezzo“ und der „Senseo“-Kaffeepads gegenüber der Klägerin einen besonderen Wettbewerbsvorsprung verschafft.
cc) Schließlich kann ein Überschreiten der Bagatellgrenze nicht mit einer von der Klägerin hervorgehobenen, nicht unerheblichen Nachahmungsgefahr begründet werden (andere Auffassung: OLG Jena, GRUR 2006, 246 f.). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll eine nicht nur unerhebliche Verfälschung des Wettbewerbs auch bei Verstößen mit nur geringen Auswirkungen für den Marktteilnehmer im Einzelfall vorliegen können, wenn durch das Verhalten eine Vielzahl von Marktteilnehmern betroffen ist oder eine nicht unerhebliche Nachahmungsgefahr besteht (Begründung des Regierungsentwurfs UWG zu § 3, BT-Drucksache 15/1487 S. 17). Dies geht auf die Rechtsprechung zu § 13 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 UWG a.F. zurück. Gegen die Berücksichtigung der Nachahmungsgefahr spricht, dass damit mögliche Auswirkungen auf das Marktgeschehen einbezogen werden sollen, was weder der Funktion noch dem Zweck des UWG gerecht würde (Köhler, GRUR 2005, 1, 5). Die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen ist ausschließlich Sache der Mitbewerber und der Verbände, deren Rechtsverfolgung übermäßig erschwert würde, wenn man von ihnen verlangte, auszuführen, weshalb eine unlautere Wettbewerbshandlung das konkrete Marktgeschehen beeinflussen kann. Angesichts der Vielfältigkeit der Einflüsse auf das Marktgeschehen sind verlässliche Prognosen kaum möglich. Eine Marktfolgenbetrachtung entspricht auch nicht dem Zweck des UWG, das das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb nicht um seiner selbst willen, sondern im Interesse der Mitbewerber, der Verbraucher und der sonstigen Marktteilnehmer schützen will (Köhler, a.a.O. S. 3).
Im Übrigen sind Aussagen über eine etwaige Nachahmungsgefahr weitgehend spekulativ (Köhler, a.a.O., S. 5; ähnlich Schünemann in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig a.a.O. § 3 UWG Rdn. 214, 250). Allein deshalb, weil zu demselben Konzern gehörende Schwestergesellschaften der Beklagten in mehreren gerichtsbekannten Parallelverfahren ebenfalls gegen die Verpflichtung zur Grundpreisangabe verstoßen haben (LG Karlsruhe 14 O 185/04, OLG Karlsruhe 6 U 4/05, LG Wuppertal 15 O 137/04, OLG Düsseldorf I-20 U 36/05, LG Gera 1 HKO 336/04, OLG Jena 2 U 384/05, LG Wiesbaden 12 O 7/05, OLG Frankfurt 6 U 99/05, LG Würzburg 1 IHO 188/05, OLG Bamberg 3 U 105/05, LG Bad Kreuznach 5 O 148/04), hat sich keine relevante Nachahmungsgefahr manifestiert. Zum einen ist bereits fraglich, ob die Schwestergesellschaften jeweils die unvollständige Preisauszeichnung von einer anderen Schwestergesellschaft übernahmen oder sich an konzerneinheitliche Vorgaben bei der Preisauszeichnung hielten. Zum anderen ist - ebenso wie nach der früheren Rechtsprechung zu § 13 UWG - einer Nachahmungsgefahr nur dann Gewicht beizumessen, wenn von dem wettbewerbswidrigen Verhalten eine Sogwirkung in der Weise ausgeht, dass Wettbewerber veranlasst werden, dieses Verhalten deshalb zu übernehmen, weil sie sonst erhebliche Nachteile im Wettbewerb befürchten müssten (BGH, GRUR 2001, 1166, 1169 - Fernflugpreise). Dafür, dass weitere Wettbewerber, insbesondere außerhalb des Konzernverbundes der Beklagten, dem Beispiel der Beklagten folgend in der Furcht vor Wettbewerbsnachteilen Grundpreise nicht angeben, sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2. 108 Abs. 1 S. 1 ZPO.
3. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte in den Parallelfällen besteht die Gefahr der Rechtsunsicherheit bezüglich der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Angabe des Grundpreises gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV im Sinne von § 3 UWG geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen.
Dr. Bamberger Harsdorf-Gebhardt Dr. Kerber
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 20.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
Der Wert von wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen eines Wettbewerbers bestimmt sich nach seinem Interesse an der begehrten Unterlassung. Dabei ist die Beeinträchtigung zu bewerten, die von dem beanstandeten Verhalten des Gegners verständlicherweise zu besorgen ist und die mit den begehrten Maßnahmen beseitigt werden soll. Bei einfachen bis durchschnittlichen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsstreitigkeiten nimmt der Senat im Sinne einer vereinheitlichenden Betrachtung einen Regelwert von 15.000,00 € an. Für den vorliegenden Rechtsstreit mit etwas überdurchschnittlichem Schwierigkeitsgrad erscheint ein Wert von 20.000,00 € angemessen. Anhaltspunkte für eine höher zu bewertende Beeinträchtigung der Klägerin sind ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen.
Dr. Bamberger Harsdorf-Gebhardt Dr. Kerber