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Ausnahme vom Kopplungsverbot - BGH, Urteil vom 3. März 2005, AZ: I ZR 117/02 -

Leitsätzliches

Ein Kopplung des Warenabsatzes mit einer Gewinnspielteilnahme ist keine unlautere Kopplung gemäß § 4 Nr. 6 UWG, wenn in den Teilnahmebedingungen und auf dem Bestellschein hinreichend deutlich und unmißverständlich auf die fehlende Abhängigkeit der Gewinnchance von einer Warenbestellung hingewiesen wird und Bestellschein und Coupon optisch getrennt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL


Aktenzeichen: I ZR 117/02

Entscheidung vom 3. März 2005


In dem Rechtsstreit

...
gegen
...

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2005 für Recht erkannt:

 

Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 20. März 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Beklagte betreibt ein bundesweit tätiges Versandhaus. Im August 1999 verschickte sie einen Katalog, in dem sie die Verlosung eines Pkws ankündigte. Auf der letzten Seite der Werbebroschüre, auf der der Pkw ("Traumcabrio im Wert von 100.000 DM") beschrieben wurde, waren folgende Teilnahmebedingungen abgedruckt:

"Die Gewinn-Nummer ist bereits gezogen und hinterlegt. Wenn die Nummer mit Ihrer persönlichen Glücksnummer übereinstimmt, haben Sie gewonnen. Also gleich Wunschfarbe ankreuzen und Glücks-Coupon an B. absenden oder telefonisch durchgeben. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Der Gewinner wird sofort benachrichtigt. Alle Einsender erkennen diese Teilnahmebedingungen an. ... Die Teilnahme ist nicht von einer Bestellung abhängig und Sie haben in jedem Fall die gleiche Gewinnchance ...".

Weiter fand sich dort der folgende Hinweis:

"Einfach auf dem Glücksschein mit Ihrer persönlichen Glücksnummer die Wunschfarbe ankreuzen und an B. absenden oder telefonisch mitteilen."

Für die telefonische Teilnahme war eine normale Telefonnummer mit Ortswahl angegeben.

Der Seite angeheftet war eine Bestellkarte für die in dem Katalog angeführten Artikel. Der untere Teil der Karte war als "Glücks-Coupon" bezeichnet und ermöglichte die Teilnahme an der Verlosung. Dieser Teil des Coupons war durch eine gestrichelte Linie mit einem Scherensymbol optisch abgesetzt und enthielt den Aufdruck:

"Wenn ich möchte, kann ich meinen Glücks-Coupon auch separat einsenden."

Der Kläger, ein Textileinzelhandelsunternehmer mit Geschäften in H. und Umgebung, hat geltend gemacht, die von der Beklagten verwandte Bestellkarte mit dem "Glücks-Coupon" sei wegen einer Kopplung der Teilnahme an der Gratisverlosung mit dem Warenabsatz wettbewerbswidrig. Der Verbraucher gehe davon aus, er könne durch eine gleichzeitige Bestellung seine Gewinnchance erhöhen.

Der Kläger hat soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit der Ankündigung von Gratisverlosungen ein Bestellformular für Warenbestellungen zu verwenden, das wie aus der beigegebenen Anlage ersichtlich ausgestaltet sei.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vorgetragen, die Kunden seien inzwischen besser informiert und wüssten, daß sie durch eine Warenbestellung ihre Gewinnchancen nicht verbessern könnten.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen (OLG Hamburg OLG Rep 2002, 369).

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG a.F. verneint und hierzu ausgeführt:

Eine unlautere Verknüpfung zwischen der Teilnahme an dem Gewinnspiel und einer Förderung des Warenabsatzes bestehe nicht. Die Beklagte habe die Verbraucher deutlich und unmißverständlich darauf hingewiesen, daß die Teilnahme an dem Gewinnspiel nicht von einer Warenbestellung abhängig sei. Es bestünden keine Anhaltspunkte, daß der Hinweis nicht ernst gemeint sei oder vom Verkehr nicht ernst genommen werde. Auch wenn der Verkehr sich die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher vor Augen führe, werde er den Angaben der Beklagten über die Unabhängigkeit der Teilnahme am Gewinnspiel von einem Warenabsatz nicht mißtrauen. Hinzu komme, daß die Beklagte die Möglichkeit zur telefonischen Teilnahme an dem Gewinnspiel eröffne. Anhaltspunkte für eine unwiderstehliche Anlockwirkung durch den wertvollen Gewinn oder eine sachfremde Beeinflussung seien ebenfalls nicht gegeben.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Dem Kläger steht der begehrte Unterlassungsanspruch nicht zu (§ 1 UWG a.F., §§ 3, 4 Nr. 6, § 8 Abs. 1 UWG).

1. Nach § 4 Nr. 6 UWG handelt unlauter i.S. des § 3 UWG, wer die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig macht, wenn das Preisausschreiben oder Gewinnspiel nicht seiner Natur nach mit der Ware oder Dienstleistung verknüpft ist. Dieses Regelbeispiel unlauteren Wettbewerbsverhaltens entspricht der Senatsrechtsprechung zu § 1 UWG a.F., nach der die Kopplung des Warenabsatzes mit der Teilnahme an dem Gewinnspiel grundsätzlich die Sittenwidrigkeit begründete (vgl. BGHZ 147, 296, 302 Gewinn-Zertifikate; BGH, Urt. v. 11.4.2002 I ZR 225/99, GRUR 2002, 1003, 1004 = WRP 2002, 1136 Gewinnspiel im Radio, jeweils m.w.N.; vgl. auch Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 15/1487, S. 18).

Eine unzulässige Kopplung nach § 4 Nr. 6 UWG liegt nicht nur vor, wenn eine rechtliche Verknüpfung des Warenabsatzes mit der Teilnahme an dem Gewinnspiel erfolgt, sondern auch, wenn eine tatsächliche Abhängigkeit zwischen dem Warenabsatz und der Gewinnspielteilnahme oder den Gewinnchancen anzunehmen ist (vgl. zu § 1 UWG a.F.: BGH, Urt. v. 16.3.1989 I ZR 241/86, GRUR 1989, 434, 436 = WRP 1989, 504 Gewinnspiel I; zu § 4 Nr. 6 UWG: Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 4 UWG Rdn. 6.10; Harte/Henning/Bruhn, UWG, § 4 Nr. 6 Rdn. 8 f.; einschränkend: Fezer/Hecker, UWG, § 4 Nr. 6 Rdn. 67). Ob eine derartige Abhängigkeit besteht, beurteilt sich aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers.

2. Von der grundsätzlichen Unlauterkeit einer Verbindung des Warenabsatzes mit einem Gewinnspiel ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat jedoch im Streitfall eine derartige Verknüpfung mit der Begründung verneint, die angesprochenen Verbraucher würden deutlich sichtbar und unmißverständlich auf die Unabhängigkeit der Teilnahme an dem Gewinnspiel von einer Warenbestellung hingewiesen. Anhaltspunkte dafür, daß der Hinweis nicht ernst gemeint sei oder vom Verkehr nicht ernst genommen werde, bestünden nicht. Diese Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

a) Die einheitliche Gestaltung des Bestellscheins mit dem Teilnahme-Coupon für ein Gewinnspiel wird regelmäßig bei den angesprochenen Verbrauchern den Eindruck einer Abhängigkeit der Gewinnspielteilnahme oder der Gewinnchance von einer Warenbestellung hervorrufen (vgl. BGH, Urt. v. 17.11.1972 I ZR 71/71, GRUR 1973, 474, 475 f. = WRP 1973, 152 Preisausschreiben; OLG Hamburg OLG Rep 2002, 367, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen: BGH, Beschl. v. 20.3.2003 I ZR 114/02; Baumbach/Hefermehl/Köhler aaO § 4 UWG Rdn. 6.11; Fezer/Hecker aaO § 4 Nr. 6 Rdn. 68 und 75; Harte/Henning/Bruhn aaO § 4 Nr. 6 Rdn. 10; Gloy/Loschelder/Jaeger-Lenz, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 3. Aufl., § 69 Rdn. 8).

b) Dieser Eindruck einer Verbindung von Warenbestellung und Gewinnspielteilnahme bzw. Gewinnchance kann jedoch aufgrund der Ausgestaltung und des Inhalts des Bestellscheins entfallen (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1975 I ZR 120/74, WRP 1976, 172, 173 f. Versandhandels-Preisausschreiben; Fezer/Hecker aaO § 4 Nr. 6 Rdn. 77; Harte/Henning/Bruhn aaO § 4 Nr. 6 Rdn. 18; Gloy/Loschelder/Jaeger-Lenz aaO § 69 Rdn. 8). Davon ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgegangen.

aa) Der Hinweis auf den ausgelobten und bereits ausgelosten Gewinn ist so gestaltet, daß der verständige Verbraucher nicht annimmt, er müsse bestellen, um seine Gewinnchance zu wahren oder zu erhöhen. Die Beklagte weist die an der Teilnahme interessierten Kreise optisch hervorgehoben darauf hin, daß zwischen einer Warenbestellung und der Gewinnchance keine Abhängigkeit besteht. Ein weiterer Hinweis auf eine fehlende Verbindung zwischen der Teilnahme am Gewinnspiel und einer Warenbestellung findet sich zusätzlich auf dem Gewinn-Coupon. Auch diejenigen Verbraucher, die sich mit den Teilnahmebedingungen nicht näher vertraut machen, werden durch die Mitteilung auf dem Gewinn-Coupon, der "Glücks-Coupon" könne auch separat eingesandt werden, über die fehlende Verknüpfung von Warenbestellung und Gewinnspiel in ausreichendem Maße informiert. Die mit einem Scherensymbol versehene Trennlinie zwischen Bestellschein und Teilnahme-Coupon unterstreicht die fehlende Abhängigkeit auch optisch.

bb) Soweit der Senat in der Entscheidung "Versandhandels-Preisausschreiben" (WRP 1976, 172, 174) angenommen hat, ein nicht ganz unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise ginge schon aufgrund der Verbindung von Bestell- und Gewinnspielschein davon aus, durch eine Warenbestellung könne die Gewinnchance verbessert werden, kommt es nach dem gewandelten Verbraucherleitbild auf eine damit umschriebene geringe Quote, wie sie die frühere Rechtsprechung als ausreichend erachtet hat, nicht mehr an (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2001 I ZR 193/99, GRUR 2002, 550, 552 = WRP 2002, 527 Elternbriefe; Urt. v. 2.10.2003 I ZR 252/01, GRUR 2004, 162, 163 = WRP 2004, 225 Mindestverzinsung; Baumbach/Hefermehl/Bornkamm aaO § 5 UWG Rdn. 2.104; Harte/Henning/Bruhn aaO § 4 Nr. 6 Rdn. 19; vgl. auch Fezer/Hecker aaO § 4 Nr. 6 Rdn. 69). Daß ein erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise die unzweideutigen Hinweise auf eine mangelnde Verbindung von Warenbestellung und Gewinnspielteilnahme nicht ernst nimmt, sondern auch ohne konkrete Anhaltspunkte davon ausgeht, durch eine Warenbestellung könne die Gewinnchance verbessert werden, hat das Berufungsgericht verneint. Der von der Revision dagegen geltend gemachte Verstoß gegen Erfahrungssätze liegt nicht vor.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

(Unterschriften)

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