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Wettbewerb bei Apotheken - OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. November 2003, AZ: I-20 U 27/03, -

Leitsätzliches

Mangels Anwendbarkeit der Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wett-bewerb hat ein Wettbewerbsverband keinen Anspruch auf Untrlassung von Blutzu-cker- und Blutdruckmessungen, die ein Apotheker aufgrund eines entsprechenden Vertrags mit einer gesetzlichen Krankenversicherung für ihre Mitglieder durchführt, und ist insofern auch nicht klagebefugt.

 

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

Aktenzeichen: I-20 U 27/03

 

Entscheidung vom 18. November 2003

 

In dem Rechtsstreit

...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom .. durch den Vorsitzenden Richter ... und die Richter... für Recht erkannt:

 

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 20. Dezember 2002 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.

G r ü n d e :

Die Beklagte zu 2., Inhaberin der W...-Apotheke in W..., führte auf Grund eines Vertrages vom 07.06.2002 mit der Beklagten zu 1., einer Betriebskrankenkasse, Blutzucker- und Blutdruckmessungen für Mitglieder der Beklagten zu 1. durch. Die Mitglieder der Beklagten zu 1. erhielten dazu in ihrer Mitgliederzeitschrift einen bei der Beklagten zu 2. einzulösenden Gutschein für "kostenlose" Messungen. Die Beklagte zu 2. erhielt von der Beklagten zu 1. eine Vergütung.

Der Kläger hat dies unter den rechtlichen Gesichtspunkten des übertriebenen Anlockens und des psychischen Kaufzwangs beanstandet.

Das Landgericht hat den Beklagten (unter 1.) antragsgemäß unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,

 

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Verteilung von Gutscheinen für kostenlose Blutdruck- und/oder Blutzuckermessungen anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder derartige Gutscheine einzulösen und/oder einlösen zu lassen und sie (unter 2.) zur Zahlung von Abmahnkosten von 175,06 Euro nebst Zinsen verurteilt.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie machen geltend, der Kunde habe entgegen der Würdigung des Landgerichts keinen Anlass, aus Dankbarkeit für die ihm gewährte "kostenlose" Leistung anderweitige Leistungen der Beklagten zu 2. nachzufragen, weil er die Messungen als von ihm mit seinem Krankenkassenbeitrag mitbezahlte Leistung der Beklagten zu 1. ansehe.

Sie beantragen daher,

 

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der klagende Verein beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise zu 1. mit der Maßgabe, dass der Tenor wie folgt gefasst wird:
a) in dem Gesundheitsmagazin "Gesundheit - Das Magazin der BKK ..." oder anderen an die Mitglieder der Beklagten zu 1. gerichteten Publikationen einen Gutschein für eine kostenlose Blutdruck- und/oder Blutzuckermessung abzudrucken (Beklagte zu 1.) bzw. abdrucken zu lassen (Beklagte zu 2.), der nur in der Apotheke der Beklagten zu 2. eingelöst werden kann, insbesondere wenn der Gutschein folgenden Wortlaut hat:

 

"GUTSCHEIN für eine kostenlose Blutdruck- und Blutzuckermessung Einzulösen bei: W...-Apoheke W... 51 4.... W....l

b) in der Apotheke der Beklagten zu 2. an Kunden, die sich mit einem Gutschein gemäß a) dort einfinden, Blutdruck- und/oder Blutzuckermessungen kostenlos durchzuführen oder durchführen zu lassen, äußerst hilfsweise zu 1. mit der Maßgabe, dass der Tenor wie folgt gefasst wird:

 

1. der Beklagten zu 1. wird untersagt, in ihrem Gesundheitsmagazin "Gesundheit - Das Magazin der BKK ..." oder anderen an die Mitglieder der Beklagten zu 1. gerichteten Publikationen einen "Gutschein für eine kostenlose Blutdruck- und Blutzuckermessung" abzudrucken, der nur in der Apotheke der Beklagten zu 2. eingelöst werden kann,
a) ohne dass der Beklagten zu 2. für diesen Abdruck etwas berechnet wird und
b) wobei der Beklagten z 2. von der Beklagten zu 1. erstattet wird 0,52 Euro für eine Blutdruckmessung und 2,00 Euro für eine Blutzuckermessung.
2. der Beklagten zu 2. wird untersagt, an Kunden, die sich mit einem Gutschein gemäß Nr. 1 in ihrer Apotheke einfinden, Blutdruck- und/oder Blutzuckermessungen kostenlos durchzuführen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und stützt ihr Begehren des Weiteren darauf, die Beklagte zu 1. verletze das Neutralitätsgebot dadurch, dass sie lediglich mit der Beklagten zu 2. einen entsprechenden Vertrag geschlossen habe. Dies biete ihr eine kostenlose Werbemöglichkeit und Chance auf Gewinnung von Kunden, wobei die ihr gewährten Preise teilweise die marktüblichen Preise überstiegen.

Die Beklagten halten die Klageänderung für unzulässig.

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

I.
Die Berufung führt allerdings nicht bereits deswegen zu einem Erfolg, weil gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGG möglicherweise die Sozialgerichte für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig wären (vgl. BGH NJW 2003, 1192 - Presseerklärung; BGH NJW 2003, 1194 - Arzneimittelversandhandel). Gemäß § 17a Abs. 5 GVG prüft das Berufungsgericht die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs nicht nach. Eine Ausnahme von dieser Vorschrift, wie sie bei einer unterlassenen Vorabentscheidung trotz Rüge einer Partei anerkannt ist (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 17a GVG Rdnr. 18), liegt nicht vor.

II.
Die Klage ist jedoch aus anderen Gründen unzulässig. Soweit in dem Vortrag sowie den Hilfsanträgen des klagenden Vereins eine Klageänderung zu erblicken ist, ist diese zulässig, weil eine Entscheidung darüber sachdienlich ist, erstmals in der Berufungsinstanz eingeführte Tatsachen sind aus den nachfolgenden Gründen unerheblich, § 533 ZPO.

1.
Soweit der Kläger berechtigt ist, gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG Ansprüche nach dem UWG geltend zu machen, ist - wie noch auszuführen ist - das UWG nicht anwendbar. Infolgedessen steht ihm auch ein Aufwandserstattungsanspruch nicht zu.

Der Vertrag vom 07. Juni 2002 zwischen den Beklagten zu 1. und 2. und das darauf gestützte Verhalten beider Beklagten unterliegt gemäß § 69 SGB V in der Fassung des Art. 1 Nr. 26 GKV-GesundheitsreformG 2000 vom 22.12.1999 (BGBl. I 2626) seit dem 01. Januar 2000 nicht mehr den Vorschriften des UWG.

Bei der Beklagten zu 1. (gemäß § 29 SGB IV, §§ 147 ff. SGB V eine Körperschaft des öffentlichen Rechts) handelt es sich um einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Beklagte zu 2. ist - wie bereits unmittelbar aus dem Text hervorgeht - als Apothekerin Leistungserbringerin im Sinne dieser Vorschrift (§ 129 SGB V; vgl. Krauskopf, SGB V, § 69 Rdnr. 2.1; s. auch BSG NJW-RR 2002, 1691).

Die beanstandeten Handlungen betreffen die Rechtsbeziehung zwischen der Beklagten zu 1. als Krankenkasse und der Beklagten zu 2. als Leistungserbringerin; die Beklagten haben nämlich die Frage, welche Leistungen in welcher Form die Beklagte zu 1. ihren Mitgliedern mittels der Beklagten zu 2. erbringt, durch Vertrag geregelt, deren Durchführung der Kläger beanstandet. Wie weit diese Vorschrift im Übrigen reicht (s. der Verweis des BSG NJW-RR 2002, 1691 auf den Fall BGH NJW 2001, 3411 - Kompressionsstrümpfe), kann daher offen bleiben.

Nach § 69 S. 1 SGB V regeln die Vorschriften des SGB V diese Rechtsbeziehungen abschließend. Dies gilt gemäß § 69 S. 4 auch dann, wenn durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind. Mit der Neuregelung des § 69 SGB V durch das GKV-GesundheitsreformG hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, die Tätigkeiten der Krankenkassen, die im Zusammenhang mit der Erfüllung ihres öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrages stehen, dem Privatrecht, insbesondere dem Wettbewerbs- und Kartellrecht, zu entziehen (BGH NJW 2000, 2749 - Hörgeräteakustik; BT-Dr. 14/1245 zu Art. 1 Nr. 29 (§ 69 SGB V). Es sollte vielmehr ausschließlich öffentliches Recht gelten.

Dies ist auch hinreichend im Gesetzestext zum Ausdruck gekommen (offen gelassen von BGH NJW 2000, 3426 unter II.4. - Zahnersatz aus Manila). Durch die Wahl des Wortes "abschließend" ist klargestellt, dass allein die Vorschriften des SGB V Anwendung finden sollen. Die Tatsache, dass die Ausgestaltung der Leistungsbeziehungen häufig Auswirkungen auf Dritte haben und in deren Rechte eingreifen, ist in dem eingefügten Satz 4 ausdrücklich angesprochen worden. Damit ergibt sich eindeutig, dass die frühere Rechtsprechung, auf die auch der Kläger noch in seiner Berufungserwiderung verweist und die eine "Doppelnatur des Handelns der gesetzlichen Krankenkassen - öffentlich-rechtlich oder privatrechltich je nach Blickrichtung - angenommen" (BTDr. a.a.O.) hatte, nicht mehr gelten sollte.

Die Neuregelung des § 69 SGB V betrifft nicht - jedenfalls nicht in erster Linie - die Klärung der - hier nicht zu überprüfenden (vgl. I.) - Rechtswegfrage (so aber Engelmann NZS 2000, 213 unter V.2.; s. aber unter IV.1.). Die Vorschrift bezieht sich bereits nach ihrem Inhalt auf die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern, betrifft mithin das materielle Recht, nicht das Prozessrecht. Sie wäre überflüssig, wenn sie lediglich die prozessrechtliche Regelung des gleichzeitig geänderten § 51 SGG wiederholen würde. Die Gesetzesbegründung, auf die Engelmann (a.a.O.) abstellt, betont gerade vielmehr - wie bereits ausgeführt -, dass die von der Rechtsprechung früher angenommene "Doppelqualifizierung" der Handlungen der Krankenkassen nunmehr durch die Neuregelung ausgeschlossen sei und die Handlungen nicht mehr an Wettbewerbsrecht, sondern allein an den Regeln des öffentlichen Rechts zu messen seien.

Dementsprechend ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (NJW-RR 2002, 1691; BSGE 87,95 zum Kartellrecht; in einer nicht tragenden Erwägung noch anders BSGE 86, 223 zum Kartellrecht) und weiten Teilen der Literatur (Boecken NZS 2000, 269; Knispel NZS 2001, 466) anerkannt, dass u.a. das UWG auf derartige Fallgestaltungen nicht mehr anwendbar ist (ebenso Urteil des OLG Düsseldorf - Kartellsenats - vom 30.04.2003 - U (Kart) 39/01). Das Verhalten der Beklagten zu 1. - auch und gerade im Zusammenwirken mit der Beklagten zu 2. - ist ausschließlich öffentlich-rechtlich zu beurteilen, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei im Rahmen des SGB V gehalten hat oder nicht.

Die Vorschrift des § 69 SGB V betrifft nicht nur Pflichtleistungen der Krankenkassen. Das Dritte Kapitel des SGB V erfasst auch freiwillige Leistungen der Krankenkassen ("Gestaltungsleistungen" gemäß §§ 53 ff SGB V a.F.; "Modellvorhaben" gemäß §§ 63, 64 SGB V). Gerade im Hinblick auf Modellvorhaben zur Krankheitsverhütung und -prävention außerhalb der Pflichtleistungen (§ 63 Abs. 2 SGB V) sieht das Gesetz Vereinbarungen der Krankenkassen mit Leistungs- erbringern ausdrücklich vor (§ 64 SGB V).

Diese Auslegung des § 69 SGB V unterliegt entgegen den Bedenken von Schwerdtfeger (PharmInd 62, 105) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht hat eine gegen die oben genannte Entscheidung des Bundessozialgerichts gerichtete Entscheidung eines Verbandes im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 19.06.2002 - 1 BvR 604/02; Vermerk bei juris zu oben genannter Entscheidung des BSG).

2.
Soweit aus verfassungsrechtlichen oder sozialrechtlichen Gründen ein Schutz von Leistungserbringern vor Ungleichbehandlungen oder sonstigen Kompetenzüberschreitungen durch die Krankenkasse in Betracht kommt (vgl. BSG NJW-RR 2002, 1691 unter II.2.a.E.; Boecken NZS 2000, 269 unter III.; Knispel NZS 2001, 466 unter II.1.), ist der Rechtsschutz zwar vom jeweils zuständigen Gericht zu prüfen (vgl. § 17 Abs. 2 S. 1 GVG). Im Streitfall scheitert ein derartiger Anspruch aber bereits daran, dass der Kläger mangels einer § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG entsprechenden Vorschrift im SGB V nicht klagebefugt ist.

III.
Zur Begründung des Landgerichts sei, ohne dass es darauf allerdings noch ankäme, Folgendes angemerkt:

Soweit das Landgericht das Verhalten der Beklagten wegen "psychischen Kaufzwangs" als wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG behandelt hat, hat es nicht die Besonderheiten der gesetzlichen Krankenversicherung berücksichtigt.

Die kostenlose Blutzucker- und Blutdruckmessung erschien für die Mitglieder der Beklagten zu 1. als deren Leistung. Allein den Mitgliedern wurde die Möglichkeit angeboten, an die Beklagte zu 1. mussten sich Mitglieder wenden, wenn sie weitere Gutscheine wünschten. Da die Krankenkassen die Leistungen nicht selbst erbringen können, bedienen sie sich dazu sogenannter Leistungserbringer. Die Krankenkassen erfüllen mit Hilfe dieser Leistungserbringer ihre Pflichten gegenüber den Mitgliedern, und zwar im Allgemeinen als Naturalleistungen (§ 2 Abs. 2 SGB V). Von geringen Zuzahlungen in gewissen Umständen abgesehen (vgl. § 31 SGB V), haben die Mitglieder den Leistungserbringern keine Zahlungen zu leisten. Es ist mithin im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung - im Gegensatz zum gewöhnlichen Geschäftsleben - nichts Ungewöhnliches, vielmehr der Regelfall, dass das Mitglied einer Krankenkasse Leistungen eines Leistungserbringers "kostenlos" entgegennimmt. Von daher trifft der für den gewerblichen Verkehr entwickelte Gedanke, dass der in ein Geschäft mit dem Versprechen kostenloser Leistungen Gelockte sich vielfach gehalten sehe, weitere kostenpflichtige Leistungen in Anspruch zu nehmen, um nicht als undankbar zu erscheinen, im Streitfall von vornherein nicht zu.

IV.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird zugelassen. Die Auslegung des § 69 SGB V und ihre Auswirkung auf die Anwendung des UWG hat grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Zu dieser Vorschrift hat sich der Bundesgerichtshof noch nicht geäußert.
Berufungsstreitwert: 15.351,20 Euro

(Unterschriften)