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OLG München, Urteil vom 11. September 2003, AZ: 29 U 3650/03 - Die Verwirkung markenrechtlicher Ansprüche

Leitsätzliches

Das Gericht befasst sich vorliegend mit dem Einwand der Verwirkung gegenüber markenrechtlichen Ansprüchen. So obliegt die Beobachtungslast des Marktes bei demjenigen, der branchenübergreifend Schutz für sein Zeichen geltend macht.

OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 29 U 3650/03

Entscheidung vom 11. September 2003

 

In dem Rechtsstreit

...
gegen
...

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter ... und die Richter ... und Dr. ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2003

für Recht erkannt:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 17.06.2003 - 9HK O 22300/02 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

 

Gründe:

I.
Die Klägerin, die F. GmbH, macht gegen die Beklagte markenrechtliche Unterlassungs- und Firmenlöschungsansprüche nach §§ 14, 15 MarkenG im Zusammenhang mit der von der Beklagten verwendeten Bezeichnung "F. B. AG" geltend.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 17.06.2003 mit der Begründung abgewiesen, etwaige Ansprüche der Klägerin seien auf jeden Fall verwirkt, und zwar sowohl nach § 21 Abs. 2 MarkenG als auch nach § 21 Abs. 4 MarkenG i.V.m. § 242 BGB. Auf dieses Urteil und die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie macht geltend, das Landgericht habe die geltend gemachten Ansprüche in rechtsfehlerhafter Weise als verwirkt angesehen. Die Berufung rüge die fehlerhafte Anwendung der Vorschriften der § 21 Abs. 2, § 21 Abs. 4 MarkenG i.V.m. § 242 BGB. Das Landgericht habe den von ihm angenommenen Verwirkungstatbestand damit begründet, dass (1) die Klägerin die Benutzung der Kennzeichnung "F." durch die Beklagte geduldet habe, (2) hieraus ein Vertrauensschutz der Beklagten abzuleiten sei und (3) diese daraufhin einen schutzwürdigen Besitzstand an der Kennzeichnung "F." erworben habe. Dabei habe das Landgericht wesentlichen Vortrag der Klägerin unberücksichtigt gelassen, der Klägerin - obwohl diese gegenteiligen Beweis angeboten habe - unbesehen unterstellt, sie habe seit 1997 "positive Kenntnis" von der Beklagten und sich im Übrigen an der "Kowog"-Entscheidung des BGH (GRUR 1993, 913) orientiert, die jedoch aufgrund anders gelagerten Sachverhalts nicht anwendbar sei, jedenfalls nicht unbesehen auf den vorliegenden Fall übertragen werden könne.

Die Ausführungen des Landgerichts zur Duldung seitens der Klägerin seien rechtsfehlerhaft. Die Beklagte trete werblich nach außen hin überhaupt nicht in Erscheinung. Die Klägerin habe auf sie bei der Wahrnehmung ihres üblichen geschäftlichen und sozialen Umfelds somit faktisch überhaupt nicht aufmerksam werden können. Auch sei die Annahme lebensfremd, wonach die maßgeblichen Organe der Klägerin sich - um ihren Pflichten nachzukommen - ständig und flächendeckend mit dem Studium der Inhalte von Telefonbüchern zu beschäftigen hätten. Die vom Landgericht postulierten Anforderungen an die Marktbeobachtungspflicht eines Kennzeicheninhabers seien mit einer solch weitgehenden und praxisfremden "Erforschungspflicht" bei weitem überspannt.
Auch die Annahme des Landgerichts, dass der hier vorliegende Zeitraum von fünf Jahren bereits für die Annahme einer "länger" anhaltenden Duldung im Sinne der § 21 Abs. 4 MarkenG, § 242 BGB ausreichend sei, sei nicht frei von Rechtsfehlern. In der Regel liege der nach den allgemeinen Grundsätzen erforderliche Zeitraum oberhalb des Fünfjahreszeitraums des § 21 Abs. 1 MarkenG, wobei bei der Ermittlung eines ausreichenden Zeitraums auch in Betracht zu ziehen sei, ob Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien bestünden.
Der Umstand, dass die Klägerin die Firmierung der Beklagten nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt angegriffen habe, habe diese nicht so verstehen können, dass die Klägerin auch in Zukunft nicht gegen sie vorgehen werde. Die Beklagte habe nichts vorgetragen, was bei objektiver Würdigung Anlass zu der Annahme gebe, die Klägerin habe von dem verletzenden Kennzeichengebrauch Kenntnis und dulde ihn. Die Beklagte habe vielmehr davon ausgehen müssen, dass sie wegen ihres begrenzten Kundenkreises und der Art ihrer ohne jeglichen Reklameaufwand betriebenen Geschäftstätigkeit nicht in das Blickfeld der Klägerin trete und von dieser auch bei gewissenhafter Marktbeobachtung nicht bemerkt werde.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe die Beklagte infolge der Benutzung des Firmenbestandteiles "F." auch keinen wertvollen oder besonders schutzbedürftigen Besitzstand erworben. Ein Verbot, den Bestandteil "F." in der Firmierung zu führen, würde die Interessen der Beklagten nicht spürbar beeinträchtigen.

Keines der drei kumulativ zu erfüllenden Tatbestandsmerkmale einer Verwirkung sei erfüllt.

Die Klägerin beantragt,
das am 17. Juni 2003 verkündete Urteil des Landgerichts München I aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung ihres Geschäftsbetriebes und/oder im Zusammenhang mit den von ihr angebotenen und/oder beworbenen Dienstleistungen die Bezeichnung "F. B. AG" zu verwenden und/oder verwenden zu lassen;

2. in die Löschung ihrer im Handelsregister des AG München - HRB 116468 - eingetragenen Firma "F. B. AG" einzuwilligen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Sie ist der Auffassung, die Klage scheitere schon daran, dass der Klägerin kein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch zustehe. Sollte man Unterlassungsansprüche dem Grunde nach bejahen wollen, so wären diese jedenfalls durch Zeitablauf und Aufbau eines wertvollen schutzwürdigen Besitzstandes verwirkt. Die Beklagte sei aufgrund Gesellschaftsvertrags vom 21.01.1997 gegründet worden. Beim Registergericht München sei die Beklagte am 07.05.1997 registriert; in der Süddeutschen Zeitung vom 20.05.1997 sei die Eintragung veröffentlicht worden. Der kennzeichenrechtliche Kollisionszeitpunkt sei also Anfang 1997 und damit auch außerhalb des Fünfjahreszeitraums des § 21 Abs. 2 MarkenG. Die Klägerin hätte ohne Weiteres schon beim eigenen Registergericht anfragen könne, ob es andere "F."-Firmen gebe. Am leichtesten wäre es natürlich gewesen, ins hiesige Telefonbuch zu schauen. Die Rechtsprechung habe mehrfach entscheiden, dass positive Kenntnis nicht erforderlich sei; grundsätzlich reiche auch Kennenmüssen aus. Der Bundesgerichtshof sehe eine Obliegenheit einer zur Wahrung der eigenen Interessen gebotenen und zumutbaren Beobachtung des Marktes oder Umfeldes. Im Streitfall könnte die örtliche Nähe kaum größer sein. Gegen die genannte Obliegenheit habe die Klägerin nach eigener Einlassung verstoßen, indem sie offensichtlich nicht einmal die einfachsten Rechercheinstrumente benutzt habe, um die Nutzer konkurrierender "F."-Kennzeichen zu finden. Die Vorstandsmitglieder und Gründer der Beklagten hätten bei der Wahl des Firmennamens Ende 1996 gewusst, dass es landauf landab Hunderte von Firmen in verschiedenen Branchen gegeben habe, die die Bezeichnung "F." nutzten. Sie hätte auch gewusst, dass es ein Nachrichtenmagazin "F." gab. Sie hätten darin aber kein Problem gesehen und auch keine Bedrohung, weil Konzeption und Vertrieb von hochwertigen Gewerbeimmobilien und die Verlagstätigkeit bzw. die Herausgabe eines für das allgemeine Publikum bestimmten Nachrichtenmagazins keinerlei Berührungspunkte aufwiesen.

Die Ausführungen der Klägerin, es sei der Beklagten ohne Weiteres zuzumuten, "ihre wenigen Kunden" durch ein Rundschreiben zu informieren, man habe einen neue Firma angenommen; mit einem Umsatzrückgang sei bei einer Firmenänderung nicht zu rechnen, würden bestritten und widersprächen jeglicher geschäftlicher Erfahrung. Die Beklagte habe Goodwill durch ihre geschäftlichen Erfolge und ihre gute Arbeit generiert; dieser Goodwill bündele sich im Firmennamen. Gerade im heutigen konjunkturellen Umfeld sei die Beklagte auf Namenskontinuität angewiesen. Die gebotenen Abwägung aller Umstände gehe zu Lasten der Klägerin aus.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Ferner wird auf das Protokoll des Termins vom 11.09.2003 Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Der Einwand der Verwirkung, den die Beklagte geltend gemacht hat, greift durch (§ 21 Abs. 4 MarkenG i.V.m. § 242 BGB), weshalb dahinstehen kann, ob der Klägerin die geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche nach § 14, § 15 MarkenG im Übrigen zustehen.

1. § 21 Abs. 4 MarkenG ist im Streitfall neben § 21 Abs. 2 MarkenG, dessen Voraussetzungen wohl nicht erfüllt sind, anwendbar. Es kann dahinstehen, ob für die Anwendung der allgemeinen Grundsätze über die Verwirkung unbeschadet des Wortlauts des § 21 Abs. 4 MarkenG kein Raum ist, soweit durch § 21 Abs. 1 MarkenG die zwingenden Vorgaben von Art. 9 Abs. 1 der Ersten Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken 89/104/EWG (im Folgenden: Markenrichtlinie) umgesetzt werden und soweit das Markengesetz von der durch Art. 9 Abs. 2 Markenrichtlinie eröffneten Option Gebrauch gemacht hat (vgl. dazu Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 21, Rdn. 7). Sowohl Art. 9 Abs. 1 Markenrichtlinie als auch Art. 9 Abs. 2 Markenrichtlinie betreffen die hier nicht einschlägige Konstellation, dass Ansprüche gegen den Bestand oder die Benutzung einer jüngeren eingetragenen Marke geltend gemacht werden (vgl. Ströbele/Hacker aaO Rdn. 6, 7). Bei § 21 Abs. 2 MarkenG handelt es sich um eine ausschließlich nationale Vorschrift (vgl. Ströbele/Hacker aaO § 21, Rdn. 9) mit der Folge, dass jedenfalls neben § 21 Abs. 2 MarkenG die allgemeinen Grundsätze über die Verwirkung von Ansprüchen gemäß § 21 Abs. 4 MarkenG i.V.m. § 242 BGB anwendbar bleiben (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, Sonderheft Bl.f.PMZ 1994, 73, rechte Spalte).

2. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen der Verwirkung gemäß § 21 Abs. 4 MarkenG i.V.m. § 242 BGB vor. Für eine Verwirkung nach § 21 Abs. 4 MarkenG i.V.m. § 242 BGB gegenüber einem kennzeichenrechtlichen Unterlassungs- bzw. Firmenlöschungsanspruch ist erforderlich, dass durch eine länger andauernde redliche und ungestörte Benutzung einer Kennzeichnung ein Zustand geschaffen ist, der für den Benutzer einen beachtlichen Wert hat, ihm nach Treu und Glauben erhalten bleiben muss und den auch der Verletzte ihm nicht streitig machen kann, wenn er durch sein Verhalten diesen Zustand erst ermöglich hat (vgl. BGH GRUR 2001, 1161, 1163 - CompuNet/ComNet; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 21, Rdn. 25).

a) Das Erfordernis einer länger dauernden ungestörten Benutzung der Kennzeichnung "F. B. AG" seitens der Beklagten ist im Streitfall erfüllt. Die Satzung der Beklagten datiert vom 21.01.1997. Die Beklagte ist am 07.05.1997 ins Handelsregister beim Registergericht München eingetragen worden (Anlage K 11); die Veröffentlichung der Handelsregistereintragung ist in der Süddeutschen Zeitung vom 20.05.1997 erfolgt (Anlage B 14). Bis zur Abmahnung vom 22.11.2002 (Anlage K 13) hat die Beklagte die nunmehr beanstandete Kennzeichnung "F. B. AG" ungestört - mehr als fünf Jahre - benutzt.

b) Bei der gebotenen Wahrung ihrer Interessen hätte die Klägerin die beanstandete Kennzeichnung auf Seiten der Beklagten erkennen müssen und dies auch unschwer zeitnah tun können; gleichwohl ist sie bis zu der genannten Abmahnung untätig geblieben; deswegen durfte die Beklagte mit der Duldung ihres Verhaltens seitens der Klägerin rechnen (vgl. BGH WRP GRUR 1989, 449, 452 - Maritim; BGH WRP 1990, 229, 231 - Commerzbau). Im Hinblick darauf, dass die Klägerin branchenübergreifenden Schutz des Zeichens "F." beansprucht, trifft sie bei der gebotenen Wahrung ihrer Interessen eine Marktbeobachtungslast grundsätzlich in allen Bereichen, in denen sie ihr Recht durchsetzen will (vgl. BGH GRUR 1989, 449, 452 - Maritim; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 17, Rdn. 6; Ströbele/Hacker aaO § 21, Rdn. 54). Bei der gebotenen Marktbeobachtung hätte die Klägerin die beanstandete Kennzeichnung auf Seiten der Beklagten auch unschwer zeitnah erkennen können. Denn, wie unstreitig ist, ist die angegriffene Unternehmensbezeichnung der Beklagten seit 1998 im Telefonbuch von München in unmittelbarer Nähe zur geschützten Bezeichnung der Klägerin aufgeführt (vgl. Anlage B 6; BGH WRP 1990, 229, 231 - Commerzbau; Hacker/Ströbele aaO § 21, Rdn. 55). Jedenfalls die Durchsicht des Telefonbuchs derjenigen Stadt, in der die Klägerin ansässig ist, ist dieser bei der ihr obliegenden Marktbeobachtungslast zuzumuten (vgl. BGH WRP 1990, 229, 231 - Commerzbau). Aus dem Untätigbleiben der Klägerin unter diesen Umständen durfte die Beklagte, zumal unter Berücksichtigung des Branchenabstands, davon ausgehen, dass ihre Kennzeichnung seitens der Klägerin nicht beanstandet werde.

c) Durch die Benutzung der beanstandeten Kennzeichnung ist auch ein schutzwürdiger wettbewerblicher Besitzstand mit beachtlichem Wert für die Beklagte entstanden (vgl. BGH GRUR 1993, 913, 915 - KOWOG). Diese hat unter der beanstandeten Kennzeichnung, wie sie mit Schriftsatz vom 09.04.2003 dargelegt hat - die betreffenden Zahlen sind unbestritten geblieben - seit 1998 beträchtliche Umsätze, seit 1999 in mehrfacher Millionenhöhe, erwirtschaftet und auch Anzeigen geschaltet (vgl. Anlagenkonvolut B 16). Die Beklagte hat sich bei ihren Geschäftspartnern im Bereich derartiger Immobilienprojekte, wie dies insbesondere durch das mit Schriftsatz vom 09.04.2003 vorgelegte Schreiben der Kreissparkasse G. vom 07.06.2001 (Anlage B 15) belegt ist, einen Goodwill erarbeitet, der mit ihrer Kennzeichnung verbunden ist. Der Annahme eines wertvollen Besitzstandes steht auch nicht entgegen, dass sich die Beklagte mit ihren Geschäftstätigkeiten im Immobiliensektor (vgl. Anlage B 8) an einen relativ kleinen Kreis von Kunden, namentlich Investoren wendet (vgl. BGH aaO - KOWOG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen (vgl. dazu BGH NJW 2003, 65).

(Unterschriften)

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