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LG München I, Urteil vom 17. Juni 03, AZ: 22 O 9966/03 - Unlauterer SMS-Chat-Dienst

Leitsätzliches

1. Das Bewerben eines SMS-Dienstes mit einer Zeitungsanzeige neben dem Bild einer attraktiven Frau: "SMS-Date NEU! Für alle in Deutschland Sende Text: DATE an die/Nummer: 017975491xy nur EUR 0, 80 pro SMS."; und im Kleingedruckten: "EUR 9,95 - D-SMS min. 50 SMS"ist unlauter.2. Schaltet der Netzbetreiber hierauf die Mobilfunknummern ab, ist dies nicht durch die einstweilige Verfügung angreifbar.

LANDGERICHT MÜNCHEN I

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 22 O 9966/03

Entscheidung vom 17. Juni 2003

 

In dem Rechtsstreit

 

- Antragstellerin -

 

gegen

 

- Beklagte

 

wegen einstweiliger Verfügung

 

erlässt das Landgericht München I, 22. Zivilkammer, durch Richter am Landgericht Dr. ... als Einzelrichter, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.6.2003 folgendes

 

Endurteil:

1. Der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antraggegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand:

Die Antragstellerin betreibt einen so genannten "'SMS-Chat-Dienst". Zu diesem Zweck hat sie mit der Antragsgegnerin Verträge über die Nutzung von drei Mobilfunknummern abgeschlossen. Die Antragsgegnerin hat diese Mobilfunknummern nun abgeschaltet, die Antragstellerin möchte hiergegen eine einstweilige Verfügung erwirken.

Der von der Antragstellerin betriebene SMS-Chat-Dienst wird vor allem in Zeitungsanzeigen beworben. Die Antragstellerin hat als Muster eine Anzeige in der Bild-Zeitung 25.03.2003 vorgelegt. In dieser Anzeige heißt es neben dem Bild einer attraktiven Frau:

 

"SMS-Date

NEU! Für alle in Deutschland

Sende Text: DATE an die/Nummer:

01797549165

nur EUR 0, 80 pro SMS."

 

Die Anzeige ist etwa 45 mm X 30 mm groß. Der oben wiedergegebene Text ist, in großer, fetter Schrift gehalten.

Am rechten Rand dieser Anzeige findet sich, senkrecht, auf dem Kopf stehend in einer Schriftgröße von etwa 1 mm folgender Text:

 

"EUR 9,95' - D-SMS min. 50 SMS"

 

Wenn Kunden auf diese Anzeige reagieren, indem sie den Text "DATE" an die angegebene Nummer per SMS versenden, dann erhalten sie von der Antragstellerin eine Antwort-SMS. Hierdurch kommt nach Auffassung der Antragstellerin ein Vertrag mit dem Kunden zustande, der diesen verpflichtet, zum einen eine "Freischaltgebühr“ von EUR 9. 95 zu bezahlen und zum anderen eine "Mindestabnahme“ von 50 SMS zu tätigen, das hierfür fällige Entgelt von 80 Cent pro SMS, insgesamt also EUR 40,-- wird dem Kunden zusammen mit der "Freischaltgebühr“ von EUR 9,95 in Rechnung gestellt. Allein die Übersendung einer ersten SMS löst also eine Rechnung der Antragstellerin über insgesamt EUR 49,95 aus.

Diese Gebühren werden beim Kunden mittels seiner normalen Telefonrechnung verlangt. Wendet sich der Kunde gegen die Berechtigung zum Einzug dieses Betrages bzw. bezahlt diesen Teilbetrag nicht, dann obliegt es der Antragstellerin, selbst an den Kunden heranzutreten. Sie versucht zunächst durch einen Anruf bei dessen gespeicherter Mobilfunknummer, dessen Personalien und Adresse zu erfragen und ihn zur Bezahlung der Rechung zu bewegen. Verweigert der Kunde dies dann unternimmt die Antragstellerin nach ihrer Darstellung keine weiteren Schritte mehr.

 

Die SMS, die der Kunde ggf. erhält, werden aus einem Call-Center versendet. Es handelt sich um von der Antragstellerin vorformulierte Texte, die Mitarbeiter dieser Call-Center an jeden Kunden in gleicher oder ähnlicher Form versenden. Keiner der Mitarbeiter dieser Call-Center ist in irgend einer Weise daran interessiert, den Kunden der Antragstellerin persönlich kennen zu lernen oder sich mit ihm zu treffen.

 

Die Antragstellerin legt dar, dass sie mit der Antragsgegnerin, einen Vertrag geschlossen hat, der über insgesamt drei Mobilfunknummern geht (..., ..., ...). Die erste Nummer sei diejenige, die in den Zeitungsanzeigen angegeben ist. Bei den weiteren beiden Nummern handele es sich um diejenigen, über die die Kunden angerufen werden, die die Bezahlung der Rechnung verweigern.

Die Antragstellerin legt dar, dass diese drei Mobilfunknummern am Freitag, den 23 .05. 2003 zwischen 15.00 Uhr und 16,.00 Uhr von der Antragsgegnerin ohne Angabe von Gründen und ohne Ausspruch einer Kündigung gesperrt worden seien. Es sei nicht ersichtlich, was die Antragsgegnerin zu einem derartigen Verhalten berechtigen könne.

Insbesondere verstoße die Geschäftspraxis der Antragstellerin nicht gegen strafrechtliche Vorschriften. In der obigen Zeitungsanzeige sei hinreichend deutlich gemacht, dass der Kunde bereits durch, die Übersendung einer ersten Kontakt-"SMS eine Freischaltgebühr von EUR '9.95 zahlen müsse und sich im Übrigen zur Mindestabnahme von 50 SMS verpflichte, was Gebühren in Höhe von weiteren EUR 40,-- auslöse. Die in der Anzeige enthaltene Angabe “EUR 0,80 pro SMS" werde dadurch in zulässiger Weise relativiert.

 

Im Übrigen sei es offensichtlich, dass hinter den von der Antragstellerin an die Kunden versandten SMS keine Personen stünden, die an einer tatsächlichen Kontaktaufnahme oder einem tatsächlichen Kennenlernen interessiert seien. Dem in Frage kommenden Publikum sei dies selbstverständlich bekannt. Insbesondere gelte dies für den Kunden, der sich bei der Antragsgegnerin über die Rechnung der Antragstellerin beschwert habe. Dieser sei bereits seit längerem Kunde der Antragstellerin bzw. ähnlicher Anbieter und wisse daher über diese Geschäftsgepflogenheiten Bescheid.

 

Die Antragstellerin hat daher beantragt,

Die Antragsgegnerin durch einstweilige Verfügung zu verpflichten, die drei fraglichen Mobilfunknummern umgehend wieder frei zu schalten.

 

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf, Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

 

Sie verweist auf ihre AGB in denen es in Ziffer 5.3 heiße, dass ein wichtiger Grund, der zur fristlosen Kündigung des Vertrages berechtige, insbesondere dann vorläge, wenn der Kunde die Dienstleistungen in betrügerischer Absicht in Anspruch nehme oder bei der Nutzung gegen Strafvorschriften verstosse oder wenn ein entsprechender dringender Tatverdacht bestehe.

 

Im Übrigen habe ein Kunde der Antragstellerin und der Antragsgegnerin, Herr ..., der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass er am 14.03.2003 unerwünscht, also ohne Veranlassung durch ihn eine SMS der Antragstellerin folgenden Inhalts erhalten habe:

 

"heißer SMS-Chat, einfach eine SMS mit Kennwort Kontakt an 01797549165 und losflirten, Blind-Date, treffen und viel mehr, alles ist possible, teste."

 

Nachdem Herr ... dann tatsächlich eine SMS "Kontakt" an die angegebene Rufnummer gesandt habe, habe er umgehend eine Antwort-SMS folgenden Inhalts bekommen:

"Halli, Hallo, wer ist denn da Nettes in der Leitung? erzähl doch mal was über dich und sag mal wie alt du bist und woher du konunst und so! OK?"

Diese Kontaktaufnahme habe dann bereits eine Rechnung in Höhe von EUR 49,95 ausgelöst.

 

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass. dieses Geschäftsgebaren der Antragstellerin sowohl gegen § 4 Abs. 1 Nr. 1: UWG als auch gegen § 263 stt6B verstosse, daher strafbar sei und die Antragsgegnerin zur umgehenden Sperrung der Mobilfunknummern berechtigt habe.

Die beantragte Einstweilige Verfügung könne im Übrigen auch deshalb nicht erlassen werden, weil es an einem Verfügungsgrund fehle; die Antragstellerin habe bereits andere Mobilfunknummern für ihre Zwecke gefunden.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die beiderseits gewechselten Schriftsätze und das Terminprotokoll vom 17.06.2003 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die beantragte Einstweilige Verfügung war nicht zu erlassen, ,weil die Antragsgegnerin berechtigt war, die Mobilfunknummern der Antragstellerin zu sperren.

Wenn es in den AGB der Antragsgegnerin heißt, es stelle einen wichtigen Grund dar, der zur fristlosen Kündigung berechtige, wenn der Kunde die Dienstleistungen in betrügerischer Absicht in Anspruch nimmt oder sonst gegen Strafvorschriften verstößt, dann gibt diese Bestimmung nur das wieder, was ohnehin gilt. Niemand kann verpflichtet werden, sich an strafbaren Handlungen eines anderen zu beteiligen; es liegt auf der Hand, dass etwaige vertragliche Beziehungen in einem solchen Fall umgehend fristlos beendet werden können.

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 UWG wird mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft,

„wer in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, über geschäftliche Verhältnisse, insbesondere, über die Beschaffenheit, den Ursprung, die Herstellungsart oder die Preisbemessung von Waren oder gewerblichen Leistungen, (...) wissentlich unwahre und zur Irreführung geeignete Angaben macht.“

Dieser Tatbestand ist durch die Gestaltung der von der Antragstellerin vorgelegten Zeitungsanzeige erfüllt.

Diese Anzeige suggeriert, dem Unbefangenen Leser, er könne zwecks erster Information oder Kontaktaufnahme eine SMS an die Antragstellerin richten, wofür lediglich Kosten von 80 Cent anfielen. Tatsächlich löst aber bereits die Übersendung einer solchen ersten SMS eine Rechnung der Antragstellerin über EUR 49,95 aus. Dass die Antragstellerin auf dem Standpunkt steht, zu einer derartigen Rechnungsstellung berechtigt zu sein, geht aus dieser Zeitungsanzeige jedenfalls in keiner Weise hervor. Der senkrecht auf dem Kopf- stehende, in winziger und kaum leserlicher Schrift abgefasste Text am rechten Rand dieser Anzeige ist schon vom äußeren Erscheinungsbild her nicht geeignet, die ins Auge springende Angabe "nur EUR 0,80 per SMS" in irgendeiner Weise zu relativieren. Aber selbst wenn ein Kunde diesen kleingedruckten Text zur Kenntnis nimmt, geht daraus keineswegs hervor, dass bereits die erste Kontaktaufnahme eine "Freischaltegebühr" von EUR 9.95 auslöst. Es heißt dort zwar "EUR 9,95"; was es mit dieser Preisangabe überhaupt auf sich hat, wird jedoch nicht erläutert. Insbesondere wird nicht erläutert, dass bereits eine erste Kontaktaufnahme eine derartige Gebühr auslösen soll.

Noch unklarer ist die weitere Angabe "min 50 SMS". Auch hieraus kann der Kunde jedenfalls nicht ableiten, dass bereits eine erste Kontaktaufnahme von der Antragstellerin als verbindlicher Vertragsschluss betrachtet wird, der zu einer Rechnungsstellung über EUR 40,-- (je 80 Cent für 50 abzunehmende SMS) führt.

Unabhängig von der planmäßigen Irreführung der Kunden der Antragstellerin über deren Preisgestaltung verstößt das Angebot der Antragstellerin jedoch auch gegen § 263 StGB. Die Kunden der Antragstellerin werden über die Qualität der von der Antragstellerin angebotenen Leistung getäuscht.

Allein die Angabe "SMS-Date" in der Zeitungsanzeige suggeriert dem Kunden, er könne durch eine Reaktion auf diese Anzeige in einen SMS-Wechsel eintreten, der mit der Möglichkeit verbunden sei, ihm unbekannte Personen weiblichen Geschlechts kennen zulernen. Dass die Hervorrufung dieses Eindrucks auch von der Antragstellerin bewusst gewollt ist, ergibt sich noch deutlicher aus der unstreitig an dem Zeugen ... versandten SMS mit der eine Geschäftsbeziehung zu diesem Kunden angebahnt werden sollte. Wenn es dort heißt: "einfach eine SMS mit Kennwort, Kontakt an (...) und losflirten, Blind Date, treffen und viel mehr, alles ist possible, teste“, dann wird hier sehr gezielt die Möglichkeit eines persönlichen Kennenlernens in den Raum gestellt. Wie die Antragstellerin selbst einräumen muss, werden jedoch alle diese SMS, die an die Kunden der Antragstellerin gehen, aus so genannten Call-Centern versandt, sind von der Antragstellerin im Wesentlichen vorformuliert und sind Teil, der bezahlten Arbeitstätigkeit der jeweiligen Mitarbeiter dieser Call-Center. Es besteht jedenfalls nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass diese Mitarbeiter der Call-Center in irgendeiner Weise tatsächlich daran interessiert wären Kunden der Antragstellerin näher kennen zu lernen oder sich gar mit ihnen zu treffen.

 

Die Geschäftstätigkeit der Antragstellerin stellt sich also als der Versuch dar, aus der Einsamkeit oder Kontaktarmut anderer Menschen in irreführender, unlauterer Weise Kapital zu schlagen. Das Verhalten der Antragstellerin ist nicht nur sittenwidrig, sondern verstößt auch gegen die Strafvorschrift des § 263 StGB; die Kunden der Antragstellerin werden bewusst darüber getäuscht, dass über den SMS-Chat-Dienst der Antragstellerin tatsächlich keinerlei Möglichkeit besteht, irgendwelche persönliche Bekanntschaften zu schließen.

Sowohl der Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 UWG als auch der Verstoß gegen §263 StGB, die sich aus dem insoweit unstreitigen Sachverhalt mit hinreichender Deutlichkeit ergeben, berechtigten die Antragsgegnerin dazu, die Mobilfunknummer der Antragstellerin abzuschalten. Es fehlt also bereits an einem Anspruch der Antragstel1erin auf Wiederherstellung der Verbindungen, der durch eine Einstweilige Verfügung gesichert werden könnte. Der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung war daher abzuweisen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 6 und §711 ZPO.

 

(Unterschrift)