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Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 27. März 2003, AZ.: 5 U 113/02 - Hinweispflicht im Wettbewerb

Leitsätzliches

Eine neue Variante der Pflicht zum Impressum bzw. Anbieterkennzeichnung: Zum Verbraucherschutz müssen auch Anzeigen, die für Fernabsatzverträge werben, ausreichende Informationen über die Person des Anbieters enthalten. Andernfalls, so die Richter des OLG Hamburg, kann auch derjenige angegriffen werden, der die Anzeigen in seinem Magazin, der Zeitschrift, Zeitung oder auch online veröffentlicht.

HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 5 U 113/02

Entscheidung vom 27. März 2003

 

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter ..., ..., ... nach der am 6. März 2003 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

 

 

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 08.05.2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Verbot aus der einstweiligen Verfügung vom 13.02.2002 im Hinblick auf die zweitinstanzliche Klageerweiterung wie folgt neu gefasst wird:

 

verboten,

 

in von ihr herausgegebenen Presseerzeugnissen und/oder auf der Website www.tvspielfilm.de für den Abschluss von Fernabsatzverträgen über konkrete Produkte werbende Anzeigen zu veröffentlichen, die nicht informieren über

 

a. die Identität und Anschrift des Unternehmens, mit dem der Vertrag geschlossen wird

 

und/oder

 

b. das Bestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts."

 

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

und beschlossen:

 

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf € 30.000.- festgesetzt.

 

 

Gründe:

 

I. Der Antragsteller ist ein Verein zur Förderung des lauteren Wettbewerbs. Im Verlag der Antragsgegnerin - die mit anderen Unternehmen zur sog. "Verlagsgruppe Milchstraße" gehört (Anlage AS8) - erscheint die Zeitschrift TV Spielfilm.

 

In der Ausgabe 2/02 dieser Zeitschrift veröffentlichte die Antragsgegnerin eine Werbung für einen Filmkalender 2002 der - ebenfalls zur Verlagsgruppe Milchstraße - gehörenden Zeitschrift CINEMA (Anlage AS1).

Diese Werbung beanstandet der Antragsteller mit der Begründung als wettbewerbswidrig, Anschrift und Identität des vertragsschließenden Unternehmens seien der Werbung nicht zu entnehmen. Dort findet sich - unstreitig - nur der Hinweis auf einen CINEMA-Leserservice unter einer Postfachanschrift. Weiterhin enthält die Werbung keine Belehrung über das Bestehen eine Widerrufs- oder Rückgaberechts.

Das Landgericht hat die Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung vom 13.02.2002 auf Antrag des Antragstellers entsprechend zur Unterlassung verpflichtet und diese Verfügung auf den Widerspruch der Antragsgegnerin mit Urteil vom 08.05.02 aufrechterhalten.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Antragsgegnerin. Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

In der Berufungsinstanz stützt der Antragsteller seinem Unterlassungsanspruch weiter darauf, dass die geforderten Angaben auch auf der Internet-Website www.tvspiel-film.de - nunmehr im Zusammenhang mit dem Angebot des CINEMA Filmkalenders 2003 - nicht genannt werden (Anlage AS6). Er beanstandet darüber hinaus nach Erlass der einstweiligen Verfügung veröffentlichte Eigen- und Fremdwerbungen in Printmedien der Antragsgegnerin weiterhin als verbotswidrig (Anlagen AS9 und AS10). Dem tritt die Antragsgegnerin entgegen.

 

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Antragsgegnerin zu Recht und mit zutreffender Begründung zur Unterlassung verurteilt. Ihr Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Der Senat nimmt zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die überzeugenden Gründe der landgerichtlichen Entscheidung Bezug. Die Antragsgegnerin ist darüber hinaus auch nach der zulässigen zweitinstanzlichen Antragserweiterung zur Unterlassung hinsichtlich der Werbung auf ihrer Internet-Homepage www.tvspielfilm.de zu verurteilen. Das Berufungsvorbringen der Antragsgegnerin gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen:

 

1. Die zweitinstanzliche Klageerweiterung ist wegen § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung zu behandeln. Mit der Antragserweiterung begehrt der Antragsteller ohne relevante inhaltliche Änderung des Klagegrundes die Erfüllung der streitgegenständlichen Hinweispflicht zusätzlich für ein weiteres Medium, das Internet, für das die Antragsgegnerin zwischenzeitlich (ebenfalls) Wiederholungsgefahr gesetzt hat. Die Klageerweiterung ist zur Vermeidung einer weiteren gerichtlichen Auseinandersetzung sachdienlich und auch in zweiter Instanz gem. §§ 529, 533 ZPO noch zulässig, da die angegriffene Internet-Werbung den Filmkalender 2003 betrifft und insoweit eine Geltendmachung in erster Instanz noch nicht möglich war.

 

2. Das beanstandete Wettbewerbsverhalten verstößt (objektiv) gegen die Hinweispflichten gem. §§ 312c Abs. 1 Nr. 1 BGB, Art. 240 Nrn. 1, 3 EGBGB, § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 9 BGB-InfoV. Im Ergebnis steht zwischen den Parteien in zweiter Instanz nicht mehr im Streit, dass nach § 312c BGB entsprechende Hinweispflichten bestanden haben, und zwar sowohl zur Person des Unternehmers als auch zu den Widerrufs- und Kündigungsrechten. Letztere fehlten in der von dem Antragsteller zum Gegenstand seines Antrags gemachten Anzeige in TV Spielfilm 2/02 (Anlage AS1) gänzlich, Erstere sind unrichtig bzw. zumindest unvollständig wiedergeben. Aus der BGH-Entscheidung "Postfachanschrift" (BGH WRP 02, 832 - Postfachanschrift) kann die Antragsgegnerin insoweit nichts für sich herleiten. Denn diese Entscheidung war nicht zu der hier in Frage stehenden Norm des § 312c BGB, sondern dem - sprachlich abweichend - formulierten § 355 Abs. 2 BGB ergangen. Während dieser ausdrücklich nur von "Namen und Anschrift" spricht, fordert § 1 Abs. 1 BGB-InfoV - auf den sich § 312c BGB bezieht - weitergehend die Benennung der "Identität" sowie der "ladungsfähigen Anschrift".

 

a. Mit der abweichenden sprachlichen Fassung hat der Gesetzgeber auch einen inhaltlichen Unterschied bezweckt. Während es im Rahmen von § 355 Abs. BGB zur Rechtewahrung genügt, dass der Widerspruch nur postalisch zugeht (dafür ist auch eine Postfachanschrift ausreichend), dient § 1 Abs. 1 BGB-InfoV zumindest auch der gerichtlichen Anspruchsverfolgung. Hieran hat auch die BGH-Entscheidung "Postfachanschrift" nichts geändert. In Rechtsprechung und Literatur ist es für das Prozessrecht aber letztlich unstreitig, dass der Begriff "ladungsfähige Anschrift" die Angabe des tatsächlichen Wohnorts, also derjenigen Anschrift erfordert, unter der die Partei tatsächlich zu erreichen ist. Demgemäß hatte bereits das Bundesverwaltungsgericht nach umfassender Auseinandersetzung mit den maßgeblichen Beurteilungskriterien entschieden, dass die Angabe eines Postfachs keine ladungsfähige Anschrift darstellt (BVerwG NJW 1999, 2608, 2609). Die dortigen Ausführungen - auf die der Senat Bezug nimmt - gelten wegen des übereinstimmenden Gesetzeszwecks (prozessuale Rechtsverfolgung) im Rahmen von § 312c BGB bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BGB-InfoV gleichermaßen.

 

b. Unzutreffend war im vorliegenden Fall aber auch die Angabe des "Unternehmers" i.S.v. Art. 240 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB. Bis heute ist letztlich unklar, welche Rechtspersönlichkeit bei dem Fernabsatzvertrag der Vertragspartner des Verbrauchers werden sollte. Das Landgericht hatte insoweit die "Kino Verlag GmbH" als Vertragspartnerin identifiziert. Dem ist die Antragsgegnerin in der Berufungsschrift zwar entgegengetreten, im Hinblick auf die ergänzenden Angaben in der neueren Anzeige in Anlage AS10 dürfte dieser Umstand nunmehr aber nicht mehr ernsthaft streitig sein. Diese (ergänzende) Information enthielt die angegriffene Werbeanzeige (Anlage AS1) noch nicht. Soweit dort lediglich von einem "CINEMA-Leserservice" die Rede ist, handelt es sich hierbei bestenfalls um eine Zuordnungsbezeichnung, nicht jedoch um die Rechtspersönlichkeit des Vertragspartners. Denn wie die von dem Antragsteller vorgelegten Nachweise (Anlage AS8) belegen, wickeln praktisch alle Unternehmen der Verlagsgruppe Milchstraße ihre Kundenkontakte über dieselben bzw. wenige benachbarte Postfach-Adressen in Offenbach, jeweils unter Angabe des Zeitschriftennamens mit dem Zusatz "Leserservice" ab. Schon hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass damit den Anforderungen von § 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BGB-InfoV und Art. 240 Abs. 1 EGBG nicht Genüge getan werden kann.

 

c. Die Angaben über das Widerrufsrecht fehlen vollständig. Sie waren selbst im Hinblick auf die Neufassung des § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB nicht entbehrlich. Denn diese Norm privilegiert nunmehr lediglich "die Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten". Hierum geht es vorliegend aber nicht, denn Gegenstand der Werbeanzeige war ein Filmkalender. Insoweit besteht das Widerrufsrecht des § 312d Abs. 1 BGB unverändert. Dies sieht offenbar (nunmehr) auch die Antragsgegnerin so, denn ihrer aktuellen Werbung (Anlage AS10) hat sie eine entsprechende Widerrufsbelehrung beigefügt.

 

d. Auf der Internet-Hompage www.tvspielfilm.de, auf welcher der Filmkalender für das Folgejahr ebenfalls beworben wird, ist der bezeichnete Verstoß gegen die gesetzlichen Hinweispflichten in gleicher Weise verwirklicht.

 

3. Diesen objektiven Wettbewerbsverstoß hat die Antragsgegnerin wenn nicht als Täterin, so doch zumindest als Störerin zu vertreten.

 

a. Dabei braucht der Senat die von dem Landgericht in den Mittelpunkt seiner zutreffenden Ausführungen gestellten Grundsätze der Reichweite einer Drittstörerverantwortlichkeit von Presseunternehmen im vorliegenden Fall nicht weiter zu vertiefen. Es geht im Rahmen dieses Rechtsstreits zumindest im Berufungsrechtszug nicht mehr in erster Linie darum, ob der Antragsgegnerin insoweit zumutbare Prüfungspflichten oblegen haben. Ebenso wenig entscheidungserheblich ist die Frage, ob die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des Erscheinens der Anzeige etwa deshalb noch davon habe ausgehen dürfen, die Angabe einer Postfach-Anschrift reiche aus, weil der BGH diese Auffassung für § 355 BGB für die Vergangenheit ausdrücklich gebilligt hatte (BGH WRP 02, 832 - Postfachanschrift). Denn die Antragsgegnerin hat ihr wettbewerbswidriges Verhalten auch nach Erlass der einstweiligen Verfügung vom 13.02.2002 in Kenntnis der zutreffenden Rechtslage unverändert fortgesetzt und damit nunmehr vorsätzlich gegen ihr bekannte rechtliche Verpflichtungen verstoßen. Dies ergibt sich nicht nur aus dem als Anlage AS6 eingereichten und vom 02.01.03 datierenden Inhalt des Internet-Auftritts unter www.tvspielfilm.de, sondern auch aus dem Wortlaut der Eigen- bzw. Fremdanzeigen aus den TV Spielfilm-Heften mit den Wochenprogrammen für Mai bzw. November 2002 (Anlagen AS9 und AS10). Deshalb bleibt es auch ohne Auswirkungen, wenn die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer schriftsätzlichen Ausführungen betont hat, diese dienten nur der prozessualen Rechtsverteidigung und stellten keine Berühmung der Rechtmäßigkeit des beanstandeten Verhaltens dar. Denn vorliegend sind nicht die Grundsätze einer Erstbegehungsgefahr zur Beurteilung heranzuziehen. Die Antragsgegnerin hat vielmehr ungeachtet dieser Versicherungen durch weitere Verstöße (erneut) unmittelbare Wiederholungsgefahr begründet, die sie nach Sachlage ausschließlich durch die Abgabe einer angemessen strafbewehrten Unterlassungserklärung hätte ausräumen können. Soweit die Antragsgegnerin die Auffassung der vertritt, die als Anlage AS9 eingereichte Anzeige sei von dem Verbot nicht umfasst, da sich dieses nicht auf Eigenwerbung erstrecke, vermag der Senat diesem Standpunkt nicht zu folgen. Für einen derart eingeschränkten Verbotsumfang finden sich weder im Wortlaut noch in der Begründung des Verbots der gerichtlichen Verfügung vom 13.02.2002 tragfähige Anhaltspunkte. Für eigene Produkte besteht die vom Landgericht angenommene Prüfungspflicht sogar in wesentlich gesteigertem Umfang.

 

b. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist diese für die unter der Internet-Domain www.tvspielfim.de veröffentlichten Inhalte selbst dann unmittelbar als Störerin verantwortlich, wenn dieser Internet-Auftritt - formal - durch ein ebenfalls zur Verlagsgruppe Milchstraße gehörendes Drittunternehmen (Tomorrow Focus Portal GmbH) betrieben wird.

 

aa. Die Antragsgegnerin muss schon nach allgemeinen Grundsätzen ein wettbewerbswidriges Verhalten eines Dritten, das ihr nützt oder zumindest im Geschäftsverkehr zugerechnet wird, nicht dulden, sondern kann (und muss) diesen auch dann auf Unterlassung in Anspruch nehmen, wenn sie die Werbung zu ihren Gunsten nicht veranlasst hat. Die Homepage trägt nicht nur den Namen der Unternehmensbezeichnung, sondern auch denjenigen des weithin bekannten Verlagsprodukts der Antragsgegnerin, welches nach Sachlage als Werktitel und/oder Marke auch markenrechtlich geschützt sein dürfte.

 

Sofern ein Drittunternehmen unter dem Namen der Antragsgegnerin und zunächst ohne ihre Kenntnis - was allerdings schwer vorstellbar erscheint - wettbewerbswidrig geworben haben sollte, hatte die Antragsgegnerin dieses Verhalten unverzüglich nach Kenntnisnahme zu unterbinden. Denn für eine Störerverantwortlichkeit kann als Mitwirkung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (BGH WRP 02, 1050, 1051 - Vanity-Nummer; BGH WRP 01, 1305, 1307 - ambiente.de; BGH NJW 99, 1960 - Möbelklassiker; BGH WRP 97, 325 - Architektenwettbewerb; BGH GRUR 55, 97, 99 - Constanze II) und hiervon keinen Gebrauch macht. Diese Grundsätze entsprechen auch gefestigter Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichts (vgl. etwa OLG Hamburg MD 02,384 - industrieentfeuchter.de). Ein solcher Untersagungsanspruch stand der Antragsgegnerin wegen der Verwendung ihrer Firmen- bzw. Werktitelbezeichnung selbst dann kraft Gesetzes zu, wenn ihr eine vertragliche Handhabe gegen die Tomorrow Focus Portal GmbH nicht gegeben gewesen wäre. Da die Antragsgegnerin von dieser Möglichkeit - soweit ersichtlich - erkennbar keinen Gebrauch gemacht hat, haftet sie für die wettbewerbswidrigen Inhalte des Internet-Auftritts schon aus diesem Grund.

 

bb. Im übrigen hat der Antragsteller in der Senatsverhandlung durch Vorlage von Heft 06/03 der Zeitschrift TV Spielfilm glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin auf der Titelseite und auf jeder Seite ihres 242 Seiten starken Hefts (mit Ausnahme ganzseitiger Werbeseiten) in der Fußzeile auf die Internet-Adresse www.tvspielfilm.de hinweist bzw. Bezug nimmt. Deutlicher kann man sich eine bestimmte Internet-Domain und die hierauf enthaltenen Inhalte nicht ausdrücklich zu Eigen machen. Deshalb haftet die Antragsgegnerin unbeschadet einer abweichenden Betreiberverantwortlichkeit für diese Homepage auch kraft dieser ausdrücklichen Bezugnahme für alle hierauf entwickelten geschäftlichen Aktivitäten unmittelbar als Störerin. Denn sie vermittelt den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck, als setze sich ihr verlegerisches Angebot unter dieser Internet-Domain, die sie gestaltet oder zumindest veranlasst hat, fort. Dem entspricht es, dass die Antragsgegnerin sogar auf Briefbögen ihrer Rechtsabteilung (!) auf die Internet-Domain www.tvspielfilm.de Bezug nimmt (Anlage AS3), deren wettbewerbswidrige Inhalte sie sich nicht zurechnen lassen will. Umso mehr hat sie für die Rechtmäßigkeit der darin enthaltenen Angaben zu sorgen.

 

c. Angesicht des fortbestehenden Verstoßes auf ihrer Internet-Homepage hat die Antragsgegnerin auch Wiederholungsgefahr für gleichartige Verletzungshandlungen in Printmedien gesetzt, so dass der Verfügungsantrag nach wie vor in vollständigem Umfang begründet ist. Denn aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise besteht - z.B. was die Aufgabe von Bestellungen zum Bezug eines Filmkalenders angeht - im Hinblick auf die Erteilung rechtlicher Belehrungen bzw. Informationen kein signifikanter Unterschied zwischen der gedruckten Fassung einer Zeitschrift und der ihr zugeordneten Internet-Domain. Verstößt das verantwortliche Unternehmen in einem Medium gegen die ihm obliegenden rechtlichen Pflichten, begründet es zugleich Wiederholungsgefahr für einen gleichartigen Verstoß in dem anderen Medium, in dem ein entsprechendes Angebot präsentiert wird. Deshalb führt auch die inhaltlich abweichende Gestaltung der neuen Anzeige in Anlage AS10 die Antragsgegnerin ohne Abgabe einer angemessen strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht aus dem Verbot heraus.

 

4. Wiederholungsgefahr ist im übrigen aber zumindest was "die Identität und Anschrift des Unternehmens, mit dem der Vertrag geschlossen wird" angeht - hierauf sei nur der Vollständigkeit halber hingewiesen - selbst in Ansehung der veränderten inhaltlichen Gestaltung auch für Printmedien durch einen unmittelbaren Verstoß begründet. Denn § 312c Abs. 1 BGB erfordert, dass über diese Angaben klar und verständlich informiert wird. An dieser Voraussetzung fehlt es nach wie vor, so dass die Antragsgegnerin ihrer Informationspflicht auch durch die geänderte Gestaltung nicht gerecht wird.

 

a. Zwar nennt die Antragsgegnerin nunmehr mit der Angabe "Dies ist ein Angebot der Kino Verlag GmbH, Milchstraße 1, 20148 Hamburg" in der Anzeige selbst dasjenige Unternehmen, welches für die Anzeige verantwortlich ist (Anlage AS10). Der Hinweis findet sich jedoch in einem sehr kleinen Schriftgrad und zudem quergestellt um 90° versetzt am oberen rechten Seitenrand neben der Abbildung einer weiblichen Person, zu der er in keiner inhaltlichen Beziehung steht.

 

b. Hierdurch kann die Antragsgegnerin ihre gesetzliche Informationspflicht nicht erfüllen. Denn die übrigen Angaben über den Bestellvorgang, das Widerrufsrecht sowie die relevante Bestellanschrift (Postfach!) stehen - zueinander in Beziehung gesetzt - im unteren rechten Teil der Seite. Der Leser der Anzeige, der sich für eine Bestellung interessiert, erwartet die im Rahmen von § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 9 BGB-InfoV relevanten Informationen bei lebensnaher Betrachtung ausschließlich an dieser Stelle. Hier erhält er sie auf den ersten Blick auch - scheinbar - vollständig. Denn ihm wird eine Empfängerbezeichnung (CINEMA-Leserservice), eine Anschrift (Postfach 301, 77649 Offenburg) sowie eine Widerrufsbelehrung gegeben.

Angesichts dieser Umstände hat der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der die fragliche Anzeige mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit betrachtet (BGH WRP 02, 1050, 1054-Teilunterwerfung; BGH WRP 01, 1450, 1453 - Warsteiner III; BGH GRUR 00, 619 - Orient-Teppichmuster; BGH WRP 01, 1286, 1289 - Mitwohnzentrale.de; BGH GRUR 00, 820, 821 - Space-Fidelity-Peep-Show), selbst denn keine Veranlassung dazu, an weiteren Stellen der Anzeige nach zusätzlichen Informationen zu suchen, wenn er erkennt, dass diese Angaben nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen. Insbesondere besteht aus seiner Sicht keinerlei Veranlassung, auf der Suche nach Zusatzinformationen das TV-Spielfilm-Heft um 90° zu wenden, um an Abbildungen, die mit dem Bestellvorgang in keinerlei Zusammenhang stehen, nach versteckten, in winziger Schriftgröße gedruckten Angaben zu suchen, die schon nach ihrer äußeren Gestaltung darauf ausgerichtet sind, bei einer dem Inhalt der Anzeige angemessenen Betrachtung übersehen zu werden. Denn der Verbraucher muss angesichts der Gestaltung der Anzeige davon ausgehen, dass die im Zusammenhang mit dem Bestellvorgang gegebenen Informationen vollständig sind und aus Sicht des werbenden Unternehmens auch sein sollen.

 

c. Seine gesetzlichen Verpflichtungen aus § 312c Abs. 1 BGB kann das werbende Unternehmen ausschließlich dann erfüllen, wenn dies klar und verständlich geschieht. Dieses gesetzliche Tatbestandsmerkmal setzt nicht nur voraus, dass die erforderlichen Angaben in irgendeiner Form irgendwo in der Anzeige erscheinen. Vielmehr ist hiermit gefordert, dass sie dem Verbraucher in Darstellung, Formulierung und inhaltlicher Ausgestaltung deutlich und zweifelsfrei zur Kenntnis gelangen. Die versteckte Angabe einer weiteren Unternehmensangabe - CINEMA Leserservice einerseits, Kino Verlag GmbH andererseits - erfüllt weder das eine noch das andere Merkmal, zumal auch für den verständigen, aber nicht rechtskundigen Leser unklar bleibt, wie sich diese Unternehmensangaben zueinander verhalten. Derart verborgene bzw. missverständliche Angaben können den Anforderungen des § 312c BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 BGB-InfoV nicht genügen, so dass sie im Sinne dieser Vorschriften als nicht erfüllt gelten.

 

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

 

 

Unterschriften

Michael Terhaag | Christian Schwarz

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