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OLG Oldenburg, Urteil vom 28. November 2002, AZ.: 1 U 107/02

Leitsätzliches

Die Werbung mit einem Rabatt in Höhe von 20 % auf das gesamte Warensortiment ist grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig.

OBERLANDESGERICHT OLDENBURG

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 1 U 107/02

Entscheidung vom 28. November 2002

 

In dem Rechtsstreit

Vorinstanz: LG Osnabrück 13 O 372/02 vom 30.08.2002

 

 

hat der 1. Zivilsenat auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2002 durch die Richter Dr. ..., Dr. ... und ...

 

für Recht erkannt:

 

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 30. August 2002 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer (1. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Osnabrück geändert.

 

Der Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

 

Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtstreits.

 

 

Gründe:

 

I. Die Verfügungsbeklagte betreibt bundesweit Sonderpostenmärkte. Sie warb im Juni 2002 in Zeitungsanzeigen für den Verkauf des von ihr vorgehaltenen Warensortiments mit der Gewährung eines 20 % igen Rabatts auf alle Waren.

 

Die Parteien streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit dieser Werbeaussagen und der in der Folgezeit durchgeführten Geschäftstätigkeit. Der Verfügungskläger, ein Interessenverband des Einzelhandels, hat insbesondere gemeint, die beworbenen Aktion der Verfügungsbeklagten sei unter dem Gesichtspunkt einer Sonderveranstaltung i.S.d. § 7 Abs. 1 UWG unzulässig und hat Unterlassungsanträge gestellt.

 

Das Landgericht hat die Verfügungsbeklagte antragsgemäß=20 auf der Grundlage eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 UWG verurteilt.

 

Mit ihrer Berufung begehrt die Verfügungsbeklagte eine Abänderung des angefochtenen Urteils aus Rechtsgründen und beantragt eine Zurückweisung des Verfügungsantrags.

 

Zur Sachverhaltsdarstellung wird im Übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F.).

 

II. Die Berufung ist begründet.

 

Die beanstandete Werbung der Verfügungsbeklagten und deren Vollzug durch Gewährung der angekündigten Rabatte i.H.v. 20 % ist weder unter den Gesichtspunkten der zu § 1 UWG entwickelten Fallgruppen des unzulässigen Anlockens bzw. der Marktstörung noch als Sonderveranstaltung i.S.d. § 7 Abs. 1 UWG wettbewerbswidrig.

 

Soweit es für diese Beurteilung auf die Wirkung der Werbung auf den angesprochene Verkehrskreis ankommt, vermochte der Senat dies selbst zu berurteilen, weil seine Mitglieder dem maßgeblichen Adressatenkreis selbst angehören. Beurteilungsmaßstab ist das Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers (EuGH NJW 1998, 3183) unter Berücksichtigung der nach der Rechtsprechung des BGH (GRUR 2000, 619 - OrientTeppichmuster) gebotenen differenzierten Wertungen nach angebotenem Produkt, der Art und Weise des Angebots sowie der Wahrnehmungssituation.

 

1. Die beanstandete Werbung verstößt nicht unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens gegen § 1 UWG (Kundenfang).

 

Das Versprechen von Preisnachlässen oder zusätzlichen Wertzuwendungen ist ein grundsätzlich zulässiges und auch tragendes Werbemittel zur Förderung des Leistungswettbewerbs. Mit den guten Sitten im Wettbewerb sind solche Praktiken nur dann nicht zu vereinbaren, wenn der umworbene Verbraucher in unsachlicher Weise verleitet wird, seine Kaufentscheidung statt nach Preiswürdigkeit und Qualität der angebotenen Ware danach zu treffen, ob ihm beim Kauf besondere zusätzliche Vergünstigungen gewährt werden (BGH GRUR 1999, 755 - Altkleidersammlung).

 

Der hier in Rede stehende 20 % ige Rabatt hat keine so starke Anlockwirkung, dass dadurch bei einem nicht ganz unwesentlichen Teil der angesprochenen Verbraucher die Rationalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund tritt. Die Werbung mit einem Preisnachlass von 20 % stellte im Juni 2002, dem hier maßgeblichen Zeitpunkt, keine außergewöhnliche Besonderheit dar. Seit Abschaffung des RabattG und der ZugabeVO mit Wirkung zum 25. Juli 2001 wirbt der Einzelhandel zunehmend mit massiven Preisnachlässen durch Rabatte, die das Angebot der Verfügungsbeklagten nicht selten noch erheblich übersteigen. Dies ist eine grundsätzlich zulässige und gewollte Folge der Reformgesetzgebung, die in ihren gewöhnlichen Erscheinungsformen zudem breite Akzeptanz sowohl auf Verbraucher als auch auf Anbieterseite findet.

 

2. Für den begründeten Vorwurf der Bewirkung einer lauterkeitsrechtlich relevanten Marktstörung (zu den Unterfallgruppen: Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 1 UWG, Rn. 856 ff) gibt es keine Anhaltspunkte.

 

3. Die Verfügungsbeklagte hat auch keine nach § 7 Abs. 1 UWG verbotene Sonderveranstaltung beworben und durchgeführt. Die Werbung der Verfügungsbeklagten vom 19. Juni 2002 mit dem Zusatz "Wir feiern unsere 160. Filiale", zu deren Unterlassung sich die Verfügungsbeklagte außerprozessual verpflichtet hat, ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.

 

a) Das Sonderveranstaltungsverbot des § 7 Abs. 1 UWG erfaßt solche außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs stattfindenden Verkaufsveranstaltungen des Einzelhandels, die weder Ausverkäufe noch Räumungsverkäufe sind, der Beschleunigung des Warenabsatzes dienen und aus der Sicht des Publikums besondere Preisvorteile bieten, soweit es sich dabei nicht um Sonderangebote i.S.d. § 7 Abs. 2 UWG handelt.

 

Der Ausnahmefall eines Sonderangebots liegt hier wegen der Angebotserstreckung auf das gesamte Sortiment ersichtlich nicht vor. Denn Sonderangebote beziehen sich typischerweise nur auf einzelne nach Güte oder Preis gekennzeichnete Waren (BGH WM 1998, 1092, 1093 - Geburtstagsangebot).

 

Es ist ferner davon auszugehen, dass das grundsätzliche Verbot anderer als der gesetzlich erlaubten Sonderveranstaltungen durch § 7 Abs. 1 UWG unbeschadet der aktuellen rechtspolitischen Diskussion um eine Deregulierung des Gesamtbereichs der Verkaufsveranstaltungen (Fezer, WRP 2001, 989, 1001 ff.) als geltendes Recht zu beachten ist. Daran hat insbesondere die Abschaffung der sondergesetzlichen Rabatt und Zugaberegelungen nichts geändert; denn der Reformgesetzgeber hat die Verkaufsveranstaltungsbestimmungen des UWG bewusst aufrecht erhalten. Zwingend zu beachtende gegenläufige europarechtliche Vorgaben bestehen nicht.

 

Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, grundsätzlich darüber zu befinden, ob und in welchem Ausmaß der durch den Fortfall der spezialgesetzlichen Rabatt und Zugaberegelungen bewirkte Wertewandel eine Änderung der herkömmlichen Dogmatik des Verkaufsveranstaltungsrechts ermöglicht oder gar erfordert. Dies kann unentschieden bleiben, weil die beworbene Aktion der Verfügungsbeklagten bereits aus anderen Gründen keine Sonderveranstaltung i.S.d. § 7 Abs. 1 UWG ist.

 

b) Das Verbot des § 7 Abs. 1 UWG soll dem Schutz der Verbraucher, der Konkurrenten und der Wahrung der Interessen der Allgemeinheit an der Wahrung der Funktionsfähigkeit des Leistungswettbewerbs dienen, indem es Gefahren entgegenwirkt, die nach traditioneller Sicht wie folgt beschrieben werden:

 

Zum einen ist der vom Einzelhändler verfolgte Umsatzförderungszweck nicht zwangsläufig mit der Gewährung von (echten) Preisvorteilen verbunden. Da der Verbraucher gerade dies jedoch typischerweise erwartet, kann eine übermäßig unsachgemäße Beeinflussung seiner Entscheidungen bewirkt werden. Zum anderen droht bei unbeschränkter Zulassung von "Sonderveranstaltungen" eine spiralenhaftinflationäre Ausweitung mit der Folge eines massiven Marktverdrängungskampfs. Denn solche Veranstaltungen schaffen erfahrungsgemäß nicht unerhebliche Marktvorteile für den Veranstalter durch eine massive Umlenkung von Käuferströmen und auf der anderen Seite damit korrespondierende wirtschaftliche Nachteile für die Konkurrenten, was wiederum die Mitbewerber zu gleichartigen Maßnahmen mit der Gefahr wirtschaftlicher gegenseitiger Übersteigerungen veranlassen kann.

 

Maßgebliches Merkmal einer Sonderveranstaltung ist die durch das zeitlich befristete Angebot von Preisvorteilen geprägte Außergewöhnlichkeit des beworbenen Ereignisses. Das ist der Fall, wenn eine Verkaufsveranstaltung außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs liegt, also der regelmäßige Geschäftsverkehr unterbrochen wird. Entscheidend ist die von der Branchenüblichkeit geprägte Verkehrsauffassung aus der Sicht der Werbeadressaten auf der Grundlage des gesamten Erscheinungsbildes.

 

Im Streitfall hat die Verfügungsbeklagte ihre übliche Geschäftstätigkeit aus der Sicht des von der Werbung angesprochenen Publikums nicht unterbrochen. Sie hat die von ihr üblicherweise angebotenen Waren zu üblichen Geschäftszeiten in ihren üblichen Geschäftsräumen angeboten und damit ihren regelmäßigen Geschäftsverkehr fortgesetzt. Allein die Ankündigung und Gewährung von Preisvorteilen in form 20 % iger Rabatte auf das gesamte Sortiment ist bei der gebotenen Gesamtschau der Umstände nicht geeignet, den Anschein einer Unterbrechung des regelmäßigen Geschäftsverkehrs zu erwecken.

 

Das Angebot von Preisvorteilen durch erlaubte Preisgestaltungsmittel ist grundsätzlich dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen. Hier hat sich die Verfügungsbeklagte keiner unerlaubten Mittel bedient. Sie hat zunächst lediglich die ihr nach Fortfall des Rabattgesetzes eröffneten freien Gestaltungsmöglichkeiten genutzt. Anhaltspunkte für eine verschleierte Herabsetzung der Allgemeinpreise (vgl. Baumbach / Hefermehl, a.a.O., § 1 RabattG, Rn. 19, 22) sind nicht ersichtlich; dies behauptet auch der Verfügungskläger nicht.

 

Allein die Tatsache der Gewährung hoher Rabatte der hier gegebenen Größenordnung indiziert keine Unterbrechung der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit. Der durchschnittlich informierte und selbst der oberflächlich und flüchtig handelnde Verbraucher ist - wie bereits zu 1. ausgeführt - mittlerweile an solche Vorteile gewöhnt und sieht einen 20 % igen Rabatt nicht als außergewöhnliche Besonderheit an.

 

Auch die sonstigen Umstände des Falles geben keine tauglichen Anhaltspunkte dafür, dass die Verfügungsbeklagte eine nach § 7 Abs. 1 UWG verbotene Sonderveranstaltung beworben und durchgeführt hat.

 

Ob - wie zum Teil in Rechtsprechnung und Literatur angenommen wird - die Rabattgewährung unbefristet sein muss (was eher zweifelhaft sein dürfte), braucht nicht entschieden zu werden, denn der Fall einer Befristung des beworbenen Angebots, namentlich unter Herausstellung von zeitlich begrenzt gewährten Preisvorteilen, bei dem angenommen wird, dass der Verkehr regelmäßig von einer außergewöhnlichen Aktion ausgeht (BGH GRUR 1979, 781 - Radikal gesenkte Preise; 1984, 590 - Sonderangebote auf 3000 qm), liegt nicht vor. Eine solche Befristung wurde weder angekündigt noch ergibt sich ein entsprechender Anschein aus den sonstigen Umständen.

 

Das Landgericht hat gemeint, die Befristung und damit die Ausnahme des beworbenen Angebots vom gewöhnlichen Geschäftsbetrieb ergebe sich daraus, dass die Verfügungsbeklagte - verständlicherweise in Anbetracht der Abmahnungen - seit Juli 2002 die beanstandete Werbung aufgegeben hat. Dem ist nicht zu folgen, weil nicht die objektive Dauer der Vorteilsgewährung sondern das Verständnis der mit der werbenden Ankündigung angesprochenen Verbraucher maßgeblich ist (Gesamterscheinungsbild der Verkaufsaktion, wie sie sich nach ihrer werblichen Ankündigung dem Publikum darstellt - BGH GRUR 1997, 476 f - Geburtstagswerbung II). Denn die Sonderveranstaltungen gewinnen ihren spezifischen Effekt der Umleitung von Kundenströmen gerade aus der werbend herausgestellten "Einmaligkeit", die es aus der Sicht der Kunden zu nutzen gilt.

 

Wegen der Maßgeblichkeit des äußeren Erscheinungsbildes spielt die Frage, ob Rabatte dieser Größenordnung grundsätzlich oder von der Verfügungsbeklagten bei normaler Kalkulation aus betriebswirtschaftlichen Gründen nur kurzfristig angeboten werden können, für die Beurteilung der Vorstellungen des an dieser Frage ohnehin kaum interessierten Publikums keine relevante Rolle. Es ist jedenfalls nicht evident, dass die Verfügungsbeklagte ihre beworbenen Vorteilsgewährungen allenfalls kurzfristig gewähren kann.

 

Das Landgericht hat ferner ein Indiz für eine Unterbrechung des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs darin gesehen, dass sich die beanstandete Werbung von der gewöhnlichen Werbung der Verfügungsbeklagten unterscheide. Auch dieses Argument ist nicht überzeugend. Man kann der Verfügungsbeklagten nicht verwehren, neue Marktstrategien einzuführen, die sich im Übrigen im Rahmen der von der Rechtsordnung gebilligten Ziele halten (vgl. BGH GRUR 1998, 585 - LagerVerkauf). Die Entscheidung für die Werbung mit Rabattvorteilen muss zwangsläufig irgendwann erstmals umgesetzt werden; das kann man logischerweise nicht allein mit Hilfe des Arguments untersagen, dass der Anbieter in dieser Weise noch nicht geworben habe.

 

Im Hinblick auf das Argument der besonderen Schutzbedürftigkeit mittelständischer und kleiner Einzelhandelsbetriebe ist darauf hinzuweisen, dass das wettbewerbsrechtliche Lauterkeitsrecht grundsätzlich strukturpolitisch neutral ist und allenfalls dann im Interesse der Allgemeinheit auch mittelbar Gruppeninteressen schützt, wenn die Funktionsfähigkeit der Wettbewerbsordnung gefährdet ist. Der Schutz des Mittelstandes gegen einen im Übrigen legitimen Leistungswettbewerb findet auf der Grundlage des UWG nicht statt.

 

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Eine Vollstreckbarkeitsentscheidung ist entbehrlich, weil eine Revision nicht statthaft ist (§ 542 Abs. 2 ZPO).

 

 

(Unterschriften)

Vorinstanz: LG Osnabrück 13 O 372/02 vom 30.08.2002

 

 

hat der 1. Zivilsenat auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2002 durch die Richter Dr. ..., Dr. ... und ...

 

für Recht erkannt:

 

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 30. August 2002 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer (1. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Osnabrück geändert.

 

Der Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

 

Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtstreits.

 

 

Gründe:

 

I. Die Verfügungsbeklagte betreibt bundesweit Sonderpostenmärkte. Sie warb im Juni 2002 in Zeitungsanzeigen für den Verkauf des von ihr vorgehaltenen Warensortiments mit der Gewährung eines 20 % igen Rabatts auf alle Waren.

 

Die Parteien streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit dieser Werbeaussagen und der in der Folgezeit durchgeführten Geschäftstätigkeit. Der Verfügungskläger, ein Interessenverband des Einzelhandels, hat insbesondere gemeint, die beworbenen Aktion der Verfügungsbeklagten sei unter dem Gesichtspunkt einer Sonderveranstaltung i.S.d. § 7 Abs. 1 UWG unzulässig und hat Unterlassungsanträge gestellt.

 

Das Landgericht hat die Verfügungsbeklagte antragsgemäß=20 auf der Grundlage eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 UWG verurteilt.

 

Mit ihrer Berufung begehrt die Verfügungsbeklagte eine Abänderung des angefochtenen Urteils aus Rechtsgründen und beantragt eine Zurückweisung des Verfügungsantrags.

 

Zur Sachverhaltsdarstellung wird im Übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F.).

 

II. Die Berufung ist begründet.

 

Die beanstandete Werbung der Verfügungsbeklagten und deren Vollzug durch Gewährung der angekündigten Rabatte i.H.v. 20 % ist weder unter den Gesichtspunkten der zu § 1 UWG entwickelten Fallgruppen des unzulässigen Anlockens bzw. der Marktstörung noch als Sonderveranstaltung i.S.d. § 7 Abs. 1 UWG wettbewerbswidrig.

 

Soweit es für diese Beurteilung auf die Wirkung der Werbung auf den angesprochene Verkehrskreis ankommt, vermochte der Senat dies selbst zu berurteilen, weil seine Mitglieder dem maßgeblichen Adressatenkreis selbst angehören. Beurteilungsmaßstab ist das Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers (EuGH NJW 1998, 3183) unter Berücksichtigung der nach der Rechtsprechung des BGH (GRUR 2000, 619 - OrientTeppichmuster) gebotenen differenzierten Wertungen nach angebotenem Produkt, der Art und Weise des Angebots sowie der Wahrnehmungssituation.

 

1. Die beanstandete Werbung verstößt nicht unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens gegen § 1 UWG (Kundenfang).

 

Das Versprechen von Preisnachlässen oder zusätzlichen Wertzuwendungen ist ein grundsätzlich zulässiges und auch tragendes Werbemittel zur Förderung des Leistungswettbewerbs. Mit den guten Sitten im Wettbewerb sind solche Praktiken nur dann nicht zu vereinbaren, wenn der umworbene Verbraucher in unsachlicher Weise verleitet wird, seine Kaufentscheidung statt nach Preiswürdigkeit und Qualität der angebotenen Ware danach zu treffen, ob ihm beim Kauf besondere zusätzliche Vergünstigungen gewährt werden (BGH GRUR 1999, 755 - Altkleidersammlung).

 

Der hier in Rede stehende 20 % ige Rabatt hat keine so starke Anlockwirkung, dass dadurch bei einem nicht ganz unwesentlichen Teil der angesprochenen Verbraucher die Rationalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund tritt. Die Werbung mit einem Preisnachlass von 20 % stellte im Juni 2002, dem hier maßgeblichen Zeitpunkt, keine außergewöhnliche Besonderheit dar. Seit Abschaffung des RabattG und der ZugabeVO mit Wirkung zum 25. Juli 2001 wirbt der Einzelhandel zunehmend mit massiven Preisnachlässen durch Rabatte, die das Angebot der Verfügungsbeklagten nicht selten noch erheblich übersteigen. Dies ist eine grundsätzlich zulässige und gewollte Folge der Reformgesetzgebung, die in ihren gewöhnlichen Erscheinungsformen zudem breite Akzeptanz sowohl auf Verbraucher als auch auf Anbieterseite findet.

 

2. Für den begründeten Vorwurf der Bewirkung einer lauterkeitsrechtlich relevanten Marktstörung (zu den Unterfallgruppen: Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 1 UWG, Rn. 856 ff) gibt es keine Anhaltspunkte.

 

3. Die Verfügungsbeklagte hat auch keine nach § 7 Abs. 1 UWG verbotene Sonderveranstaltung beworben und durchgeführt. Die Werbung der Verfügungsbeklagten vom 19. Juni 2002 mit dem Zusatz "Wir feiern unsere 160. Filiale", zu deren Unterlassung sich die Verfügungsbeklagte außerprozessual verpflichtet hat, ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.

 

a) Das Sonderveranstaltungsverbot des § 7 Abs. 1 UWG erfaßt solche außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs stattfindenden Verkaufsveranstaltungen des Einzelhandels, die weder Ausverkäufe noch Räumungsverkäufe sind, der Beschleunigung des Warenabsatzes dienen und aus der Sicht des Publikums besondere Preisvorteile bieten, soweit es sich dabei nicht um Sonderangebote i.S.d. § 7 Abs. 2 UWG handelt.

 

Der Ausnahmefall eines Sonderangebots liegt hier wegen der Angebotserstreckung auf das gesamte Sortiment ersichtlich nicht vor. Denn Sonderangebote beziehen sich typischerweise nur auf einzelne nach Güte oder Preis gekennzeichnete Waren (BGH WM 1998, 1092, 1093 - Geburtstagsangebot).

 

Es ist ferner davon auszugehen, dass das grundsätzliche Verbot anderer als der gesetzlich erlaubten Sonderveranstaltungen durch § 7 Abs. 1 UWG unbeschadet der aktuellen rechtspolitischen Diskussion um eine Deregulierung des Gesamtbereichs der Verkaufsveranstaltungen (Fezer, WRP 2001, 989, 1001 ff.) als geltendes Recht zu beachten ist. Daran hat insbesondere die Abschaffung der sondergesetzlichen Rabatt und Zugaberegelungen nichts geändert; denn der Reformgesetzgeber hat die Verkaufsveranstaltungsbestimmungen des UWG bewusst aufrecht erhalten. Zwingend zu beachtende gegenläufige europarechtliche Vorgaben bestehen nicht.

 

Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, grundsätzlich darüber zu befinden, ob und in welchem Ausmaß der durch den Fortfall der spezialgesetzlichen Rabatt und Zugaberegelungen bewirkte Wertewandel eine Änderung der herkömmlichen Dogmatik des Verkaufsveranstaltungsrechts ermöglicht oder gar erfordert. Dies kann unentschieden bleiben, weil die beworbene Aktion der Verfügungsbeklagten bereits aus anderen Gründen keine Sonderveranstaltung i.S.d. § 7 Abs. 1 UWG ist.

 

b) Das Verbot des § 7 Abs. 1 UWG soll dem Schutz der Verbraucher, der Konkurrenten und der Wahrung der Interessen der Allgemeinheit an der Wahrung der Funktionsfähigkeit des Leistungswettbewerbs dienen, indem es Gefahren entgegenwirkt, die nach traditioneller Sicht wie folgt beschrieben werden:

 

Zum einen ist der vom Einzelhändler verfolgte Umsatzförderungszweck nicht zwangsläufig mit der Gewährung von (echten) Preisvorteilen verbunden. Da der Verbraucher gerade dies jedoch typischerweise erwartet, kann eine übermäßig unsachgemäße Beeinflussung seiner Entscheidungen bewirkt werden. Zum anderen droht bei unbeschränkter Zulassung von "Sonderveranstaltungen" eine spiralenhaftinflationäre Ausweitung mit der Folge eines massiven Marktverdrängungskampfs. Denn solche Veranstaltungen schaffen erfahrungsgemäß nicht unerhebliche Marktvorteile für den Veranstalter durch eine massive Umlenkung von Käuferströmen und auf der anderen Seite damit korrespondierende wirtschaftliche Nachteile für die Konkurrenten, was wiederum die Mitbewerber zu gleichartigen Maßnahmen mit der Gefahr wirtschaftlicher gegenseitiger Übersteigerungen veranlassen kann.

 

Maßgebliches Merkmal einer Sonderveranstaltung ist die durch das zeitlich befristete Angebot von Preisvorteilen geprägte Außergewöhnlichkeit des beworbenen Ereignisses. Das ist der Fall, wenn eine Verkaufsveranstaltung außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs liegt, also der regelmäßige Geschäftsverkehr unterbrochen wird. Entscheidend ist die von der Branchenüblichkeit geprägte Verkehrsauffassung aus der Sicht der Werbeadressaten auf der Grundlage des gesamten Erscheinungsbildes.

 

Im Streitfall hat die Verfügungsbeklagte ihre übliche Geschäftstätigkeit aus der Sicht des von der Werbung angesprochenen Publikums nicht unterbrochen. Sie hat die von ihr üblicherweise angebotenen Waren zu üblichen Geschäftszeiten in ihren üblichen Geschäftsräumen angeboten und damit ihren regelmäßigen Geschäftsverkehr fortgesetzt. Allein die Ankündigung und Gewährung von Preisvorteilen in form 20 % iger Rabatte auf das gesamte Sortiment ist bei der gebotenen Gesamtschau der Umstände nicht geeignet, den Anschein einer Unterbrechung des regelmäßigen Geschäftsverkehrs zu erwecken.

 

Das Angebot von Preisvorteilen durch erlaubte Preisgestaltungsmittel ist grundsätzlich dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen. Hier hat sich die Verfügungsbeklagte keiner unerlaubten Mittel bedient. Sie hat zunächst lediglich die ihr nach Fortfall des Rabattgesetzes eröffneten freien Gestaltungsmöglichkeiten genutzt. Anhaltspunkte für eine verschleierte Herabsetzung der Allgemeinpreise (vgl. Baumbach / Hefermehl, a.a.O., § 1 RabattG, Rn. 19, 22) sind nicht ersichtlich; dies behauptet auch der Verfügungskläger nicht.

 

Allein die Tatsache der Gewährung hoher Rabatte der hier gegebenen Größenordnung indiziert keine Unterbrechung der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit. Der durchschnittlich informierte und selbst der oberflächlich und flüchtig handelnde Verbraucher ist - wie bereits zu 1. ausgeführt - mittlerweile an solche Vorteile gewöhnt und sieht einen 20 % igen Rabatt nicht als außergewöhnliche Besonderheit an.

 

Auch die sonstigen Umstände des Falles geben keine tauglichen Anhaltspunkte dafür, dass die Verfügungsbeklagte eine nach § 7 Abs. 1 UWG verbotene Sonderveranstaltung beworben und durchgeführt hat.

 

Ob - wie zum Teil in Rechtsprechnung und Literatur angenommen wird - die Rabattgewährung unbefristet sein muss (was eher zweifelhaft sein dürfte), braucht nicht entschieden zu werden, denn der Fall einer Befristung des beworbenen Angebots, namentlich unter Herausstellung von zeitlich begrenzt gewährten Preisvorteilen, bei dem angenommen wird, dass der Verkehr regelmäßig von einer außergewöhnlichen Aktion ausgeht (BGH GRUR 1979, 781 - Radikal gesenkte Preise; 1984, 590 - Sonderangebote auf 3000 qm), liegt nicht vor. Eine solche Befristung wurde weder angekündigt noch ergibt sich ein entsprechender Anschein aus den sonstigen Umständen.

 

Das Landgericht hat gemeint, die Befristung und damit die Ausnahme des beworbenen Angebots vom gewöhnlichen Geschäftsbetrieb ergebe sich daraus, dass die Verfügungsbeklagte - verständlicherweise in Anbetracht der Abmahnungen - seit Juli 2002 die beanstandete Werbung aufgegeben hat. Dem ist nicht zu folgen, weil nicht die objektive Dauer der Vorteilsgewährung sondern das Verständnis der mit der werbenden Ankündigung angesprochenen Verbraucher maßgeblich ist (Gesamterscheinungsbild der Verkaufsaktion, wie sie sich nach ihrer werblichen Ankündigung dem Publikum darstellt - BGH GRUR 1997, 476 f - Geburtstagswerbung II). Denn die Sonderveranstaltungen gewinnen ihren spezifischen Effekt der Umleitung von Kundenströmen gerade aus der werbend herausgestellten "Einmaligkeit", die es aus der Sicht der Kunden zu nutzen gilt.

 

Wegen der Maßgeblichkeit des äußeren Erscheinungsbildes spielt die Frage, ob Rabatte dieser Größenordnung grundsätzlich oder von der Verfügungsbeklagten bei normaler Kalkulation aus betriebswirtschaftlichen Gründen nur kurzfristig angeboten werden können, für die Beurteilung der Vorstellungen des an dieser Frage ohnehin kaum interessierten Publikums keine relevante Rolle. Es ist jedenfalls nicht evident, dass die Verfügungsbeklagte ihre beworbenen Vorteilsgewährungen allenfalls kurzfristig gewähren kann.

 

Das Landgericht hat ferner ein Indiz für eine Unterbrechung des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs darin gesehen, dass sich die beanstandete Werbung von der gewöhnlichen Werbung der Verfügungsbeklagten unterscheide. Auch dieses Argument ist nicht überzeugend. Man kann der Verfügungsbeklagten nicht verwehren, neue Marktstrategien einzuführen, die sich im Übrigen im Rahmen der von der Rechtsordnung gebilligten Ziele halten (vgl. BGH GRUR 1998, 585 - LagerVerkauf). Die Entscheidung für die Werbung mit Rabattvorteilen muss zwangsläufig irgendwann erstmals umgesetzt werden; das kann man logischerweise nicht allein mit Hilfe des Arguments untersagen, dass der Anbieter in dieser Weise noch nicht geworben habe.

 

Im Hinblick auf das Argument der besonderen Schutzbedürftigkeit mittelständischer und kleiner Einzelhandelsbetriebe ist darauf hinzuweisen, dass das wettbewerbsrechtliche Lauterkeitsrecht grundsätzlich strukturpolitisch neutral ist und allenfalls dann im Interesse der Allgemeinheit auch mittelbar Gruppeninteressen schützt, wenn die Funktionsfähigkeit der Wettbewerbsordnung gefährdet ist. Der Schutz des Mittelstandes gegen einen im Übrigen legitimen Leistungswettbewerb findet auf der Grundlage des UWG nicht statt.

 

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Eine Vollstreckbarkeitsentscheidung ist entbehrlich, weil eine Revision nicht statthaft ist (§ 542 Abs. 2 ZPO).

 

 

(Unterschriften)